Der französische Philosoph Michel Foucault hielt sich in Hamburg 1959 / 1960 auf und war dort Direktor des Institut francais. Seit 2019 erinnert daran eine Gedenktafel.
Ab Ende September 1959, sein Vater war kurz zuvor (14.9.1959) gestorben, lebte Michel Foucault in Hamburg. Gerade erst 33 Jahre alt, wurde er vom 1. Oktober 1959 bis 30. September 1960 Direktor des im März 1951 gegründeten Institut francais in Hamburg.
Foucault lehrte in dieser Zeit an der Universität Hamburg am Romanischen Seminar und arbeitete an seiner Kant– Übersetzung (‚Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‘, später Thèse complémentaire der Promotion und 1964 veröffentlicht). Und er schloß hier seine Doktorarbeit (Thèse principale der Promotion in Philosophie) ab, bald darauf publiziert unter dem Titel ‚Histoire de la Folie‘ (deutsch: Wahnsinn und Gesellschaft; publiziert mit der Vorwort- Datierung ‚Hamburg, 5. Februar 1960‘).
Bereits nach kurzer Zeit verließ Michel Foucault Hamburg wieder – die Universität von Clermont-Ferrand hatte ihm eine Stelle mit Aussicht auf eine Professur angeboten (die er am 1. Oktober 1960 auch antrat) … Foucaults Durchbruch als Philosoph nahm in Frankreich seinen Anfang … und er lernt Daniel Defert kennen, seinen Partner bis zu seinem Lebensende.
Seit 12. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel am Eingang des Institut francais in Hamburg an Foucaults Zeit dort:
Foucault in Hamburg
Foucault brachte bedeutende französische Intellektuelle seiner Zeit am Institut francais nach Hamburg – und trat in zum Teil engen Dialog mit deutschen Intellektuellen und Denkern.
Alain Robbe-Grillet lud er Ende 1959 zu einem Vortrag ein, ebenso den Schriftsteller Pierre Gascard.
Foucault ließ im Juni 1960 das Stück ‚L’ecole des veuves‚ von Jean Cocteau am Institut aufführen.
Foucault selbst hielt im Mai 1960 im Institut eine Vortrag ‚Apollinaire et l’art moderne‚.
Er traf mehrfach den Schriftsteller Rolf Italiaander, der sich auch für die Rechte Homosexueller einsetzte, und dessen Partner Hans-Ludwig Spegg. Gemeinsame ‚St. Pauli Bummel‘ folgten. Italiaander (der Foucault 1959 bei einem Vortrag im Institut kenenn lernte) war damals ‚Ständiger Sekretär‘ der Freien Akademie der Künste‘. Foucault regte Italiaander zu einer Ausstellung über afrikanische Kunst an, zeigte Kupferstiche junger Afrikaner im Institut. Auch nach seiner Zeit in Hamburg hielt Foucault Kontakt mit Rolf Italiaander. „Unsere Begegnung, die erste, stand unter dem Zeichen von H. H. Jahnn.“
„Hamburg sollte stolz sein, daß ein so resoluter Denker wie Foucault hier gewirkt hat.“
Rolf Italiaander, Besinnung auf Werte – Persönlichkeiten in Hamburg nach dem Krieg (Hamburg 1984)
schwule Lebensweise – gibt es das? „Schwul zu sein bedeutet, glaube ich, nicht sich zu identifizieren mit den psychologischen Merkmalen und den sichtbaren Masken des Homosexuellen. Sondern es bedeutet zu versuchen eine Lebensweise zu definieren und zu entwickeln.“
„Etre gay, c‘est, je crois, non pas s‘identifier aux traits psychologiques et aux masques visibles de l‘homosexuel, mais chercher à definir et à développer un mode de vie.“
[Übers. oben: UW]
(Michel Foucault, ‚De l‘amitié comme mode de vie‘, in: Gai Pied April 1981, sowie Dits et Ecrits Nr. 293; deutsch zuerst in ‚Von der Freundschaft – Michel Foucault im Gespräch‚, Merve 1984)
Der Schriftsteller und Photograph Hervé Guibert wurde am 14. Dezember 1955 in Saint-Cloud bei Paris geboren. Am 27. Dezember 1991 starb er in Clamart.
Nach einer Kindheit in Paris besucht Guibert in La Rochelle das Gymnasium. Hier beginnt er in einer Theater-Gruppe aktiv zu werden, der ‚Comédie de La Rochelle et du Centre Ouest‘. Im Alter von 18 Jahren kehrt er nach Paris zurück, um am ‚Institut des hautes études cinématographiques‘ IDHEC zu studieren.
Der französische Philosoph Michel Foucault (1926 – 1984) starb 1984 an den Folgen von Aids. Zu Lebzeiten soll Foucault Aids als ‚erfundene Krankheit‘ bezeichnet haben. Seine eigene Infektion und Erkrankung erwähnte er zu Lebzeiten öffentlich nie. Das ‚Schweigen eines Intellektuellen‘ – oder Verbergen aus Scham, wie ein früherer enger Freund und Zeitgenosse meint?
Der französische Philosoph Michel Foucault zählt zu den bedeutendsten Denkern Frankreichs im 20. Jahrhundert. Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er starb am 25. Juni 1984 in Paris. Sein Grab befindet sich in einem kleinen Dorf nördlich von Poitiers.
Paul Michel Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er war das zweite Kind seiner Eltern Paul-André Foucault aus Fontainebleau (1893 – 1959) und Anne-Marie, geb. Malapert, Tochter des örtlichen ChirurgenDr. Prosper Malapert. Michel Foucaults Vater war Chirurg, Professor für Anatomie an der örtlichen Universität und übernahm die Praxis seines Schwiegervaters.
Im Dezember 1955 lernt er Roland Barthes kennen, der Beginn einer lebenslangen Freundschaft – auch wenn er sich gelegentlich als ‚anti – Barthes‘ sah.
Pascal Bruckner, der seine Doktorarbeit bei Barthes machte, erinnerte sich 2017, Foucault habe bei einem gemeinsamen Essen mit Daniel Defertin seiner Wohnung (rue Vaugirard) geäußert, er habe nie diesen Don Juan Mythos verstanden. Er können in einer Disco-Nacht Sex mit zehn Männern haben, ohne daraus einen Mythos zu machen.
Im Oktober 1960 lernt er den frisch zur École normale superieur zugelassenen Daniel Defertkennen. Ab 1963 leben beide in einer engen Partnerschaft.
1968 nimmt er auf Veranlassung von Hélène Cixous an der Gründung der revolutionären Universität von Vincennes teil, leitet den Bereich Philosophie.
Foucault schätzt Schriften und Filme von Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975) sehr.
„Der Filmemacher Pasolini beobachtet mit all seinen Ohren“,
angesichts einer Gesellschaft, die im Begriff sei Worte zu finden um sich selbst zu definieren, bemerkt er angesichts des Films Comizi d’amore (in Frankreich gezeigt unter dem Titel Enquête sur la sexualité). Zu Salo merkt er an, er sei erstaunt über die Abwesenheit von Sadismus und von de Sade in dem Film. Es sei nicht möglich, de Sade, diesen akribischen Anatom in präszisen Bildern zu beschreiben. Entweder verschwinde de Sade, ob man mache cinéma de Papa.
1978 nimmt Foucault am Tunix-Kongreß in Berlin teil, ebenso Gilles Deleuze und Felix Guattari.
Eines von Foucaults Hauptwerken ist ‚histoire de la sexualité‚ (Sexualität und Wahrheit), ursprünglich auf sechs Bände angelegt. Drei Bände erschienen zu Lebzeiten, der erste ‚la volonté de savoir‚ (Der Wille zum Wissen) im Dezember 1976. Ein vierter Band erschien posthum 2018.
Der frühere Justizminister Robert Badinter, mit Foucault seit den 1970er Jahren bekannt, bezeichnete Foucaults Vorlesungen am Collège de France 2010 als weitsichtig. Foucault habe hier bereits damals zwei wesentliche Probleme von heute beschrieben, die Verfielfachung von Kontrolle sowie die Sicherheitsverwahrung.
Präsident Valery Giscard d’Estaing lud Foucault zu Beginn seiner Amtszeit zu einem Essen in den Elysée-Palast. Foucault soll geantwortet haben, er käme, sofern er den Präsidenten zur Affäre pull-over rouge (erste unter Giscard verhängte Todesstrafe) befragen dürfe. Giscard verweigerte eine Begnadigung, Foucault kam nicht zum Empfang.
Die Familie, katholisch, gehörte zur gehobene Mittelklasse des bürgerlichen Städtchens mit etwa 80.000 Einwohner. Sie lebte in einem über 400 m² großen Bürgerhaus nahe dem Stadtzentrum in der 10 rue Arthur-Ranc (damals rue de la visitation).
Geburtshaus von / maison natale de / maison de naissance de / birthplace of Michel Foucault in Poitiers
Bis zum Alter von neunzehn Jahren lebte Michel Foucault in Poitiers. Hier besuchte er die Schule, zunächst die Lycée Henri-IV, ab 1940 bis 1945 das Jesuiten-Kolleg Saint- Stanislas.
Zu Poitiers hatte Foucault immer ein zwiespältiges Verhältnis.
Michel Foucault Geburtshaus – inzwischen mit Gedenktafeln
Michel Foucaults Geburtshaus trägt seit Mai 2003 (!, nahezu 20 Jahre nach seinem Tod) eine Erinnerungs-Tafel.
Zuvor wurde in Poitiers lange kaum an ihn gedacht. Bis heute sind in Poitiers kaum Erinnerungen an ihn zu finden. Einzig ein internationales Studentenwohnheim ist nach ihm benannt, sowie eine Straße.
„Maison Natale de Michel Foucault (1926–1984), Historien et Philosophe, Professeur au College de France“
Foucault und Vendeuvre
Michel Foucault verbrachte mit seinen Eltern viele Urlaube auf ihrem – von seinen Großeltern 1875 erbauten – Landsitz ‚Le Piroir‚ in dem Ort Vendeuvre im Poitou.
Hierhin zog sich die Familie auch 1944 bis 1945 zurück, nachdem das Wohnhaus der Familie in Poitiers von den Nazi-Truppen requiriert worden war (sein Vater lehnte die Vichy-Regierung von Pétain ab, engagierte sich jedoch nicht in der Résistance).
Immer wieder kehrte Michel Foucoult später nach Vendeuvre zurück. Das Haus befindet sich inzwischen nicht mehr in Familienbesitz. Eine Straße im Ort ist nach ihm benannt.
Foucaults Tod 1984
Bis April 1984 hielt Fucault noch Vorlesungen am Collège de France. Am 9. Juni 1984 wurde er in Paris mit neurologischen Komplikationen ins Krankenhaus ‚Hôpital de la Pitié Salpétrière‘ eingeliefert und starb dort am 25. Juni 1984 an den Folgen einer opportunistischen Infektion (Aids). Foucaults Umgang mit seiner Aids-Erkrankung ist bis heute umstritten.
Etwa 50 Personen Personen nahmen in der Pitié Salpétrière an einer Trauerfeier und Aussegnung für Michel Foucault teil.Darunter Yves Montand, Simone Signoret, Élisabeth und Robert Badinter, Bernard Kouchner, Pierre Boulez, Claude Mauriac, Thierry Voeltzel, Hervé Guibert, Jean Le Bitoux und natürlich Daniel Defert.
Anschließend wurde er am 29. Juni 1984 in Vendeuvre-du-Poitou auf dem örtlichen Friedhof im privaten Kreis beigesetzt.
Michel Foucault wurde in der Grabstätte seiner Mutter beigesetzt. Die Zeile „Professeur au Collège de France“ auf seinem Grabstein geht auf seine Mutter zurück – zum Entsetzen seines Partners Daniel Defert, wie dieser 2015 berichtete.
Michel Foucault Nachlass
Foucaults Nachlass beschäftigt viele Jahre später die französische Kulturpolitik.
Daniel Defert, damals 75jähriger französischer Soziologe und Aids-Aktivist und sein Lebensgefährte, entschied sich 2012 (auch anlässlich einer bevorstehenden Herz-Operation), sich von einem Teil des Nachlasses des Philosophen zu trennen.
Der über 37.000 Stücke umfassende Michel Foucault Nachlass wurde inzwischen als ‚trésor national‘ (Nationales Erbe‘) eingestuft.
Seit 2015 hat die Bibliothèque nationale de France das Foucault-Archiv Paris für 3,8 Mio. € von Defert übernommen.
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Michel Foucaults Grab – Fotos
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„Je suis un artificier (…). Je ne suis pas pour la destruction mais je suis pour qu’on puisse avancer, pour qu’on puisse faire tomber les murs (…). Je considère mes livres comme des mines, des paquets d’explosifs.“ („Ich bin ein Handwerker. Ich bin nicht für Zerstörung, aber ich bin dafür, dass wir vorwärts schreiten, dass wir die Mauern einreißen können … Meine Bücher betrachte ich als Minen, als Sprengstoff-Pakete.“ [Übersetzung UW]
„Ne me demandez pas qui je suis et ne me dites pas de rester le même : c’est une morale d’état civil ; elle régit nos papiers. Qu’elle nous laisse libre quand il s’agit d’écrire.“ („Fragt mich nicht wer ich bin, und sagt mir nicht ich solle der selbe bleiben: das ist Sache der Behörden, unsere Papiere in Ordnung zu halten. Mögen sie uns davon verschonen, wenn wir schreiben.“ in: L’Archéologie du Savoir, 1969 [Übers. UW])
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Michel Foucault Namen und Steine, Bonn
Stein für Michel Foucault, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle
Er war sein letzter Film, und sein Meisterwerk: die Verfilmung des Romans “Querelle de Brest” von Jean Genet. Der Film “Querelle” wurde 1982 gedreht und erstaufgeführt am 16. September 1982.
Rainer Werner Fassbinder, geboren am 31. Mai 1945 in Bad Wörishofen, starb am 10. Juni 1982 in München. Juliane Lorenz, Cutterin seiner letzten 14 Filme und langjährige Gefährtin (und seit 1992 alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der in Berlin ansässigen Rainer Werner Fassbinder Foundation RWFF), fand ihn morgens um 4 Uhr tot in seiner Wohnung.
Einer der stärksten Filme von Fassbinder, der mich am meisten beeindruckt, ist sein (je nach Zählweise 41. oder 45. und) letzter Film: „Querelle„.
Der Film “Querelle” wurde 1982 in den Berliner CCC-Studios gedreht und erstaufgeführt nach Fassbinders Tod am 16. September 1982.
28 Jahre später, im Jahr 2009 kommt der Film neu heraus und in die Kinos – frisch restauriert. In die Kinos? Ja – in Frankreich, und scheinbar nur dort. Zudem erschien der Film in Frankreich am 20. Oktober 2009 auch als DVD mit umfangreichen Extras.
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In seinem letzten Interview (mit Dieter Schidor) sprach Fassbinder von Genets Querelle als dem „Stoff, der etwa dem entspricht, den ich selber erfinden würde, wenn ich erfinden würde.„
„Bei „Querelle“ geht es um den Entwurf einer möglichen Gesellschaft, die nach aller Ekelhaftigkeit wunderbar ist. … Homosexualität ist aber in „Querelle“ auch gar kein Thema. Das Thema ist die Identität eines Einzelnen und wie er sich diese verschafft. Das hängt damit zusammen, wie Genet sagt, daß man, um vollständig zu sein, sich selber noch einmal braucht. Darin gebe ich Genet vollkommen Recht.
Ulrich Behrens analysiert 2005 auf ‚Filmzentrale‘
„Im magischen Dreieck von Macht (Seblon, Mario), Geld (Nono, Querelle) und Sexualität (als Unterwerfungs- und Integrationsstrategie) offenbart sich Macht als Organisationsprinzip von Gesellschaft, die – ganz im Foucaultschen Sinne – weniger das Instrument einer herrschenden Klasse repräsentiert, als das Zentrum, um das sich eine ganze Gesellschaft samt ihrer Geschichte und damit auch den Mythen, die sich um diese Geschichte bilden, gruppiert. … Die Entmachtung des weiblichen Prinzips, repräsentiert durch Lysiane, kontrastiert mit einer Suche nach Identität, die den Tod, das heißt die vollkommene Identität, permanent als Möglichkeit einbezieht.“
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Ich kann mich gut erinnern, als ich damals 1982 in Hamburg zum ersten mal Fassbinders „Querelle“ sah. Genets 1947 geschriebenen ‚Querelle de Brest‘ hatte ich zuvor mehrfach gelesen, doch es blieb das Gefühl, den Roman nicht verstanden zu haben. Und dann. Fassbinder verfilmt Querelle. Ich ging aus dem Kino, mit dem tiefen Gefühl ‚er hat ihn verstanden‘, und – er hat ihn zuende gedacht.
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„Jemand muss sich in die tiefsten Tiefen dieser Gesellschaft begeben, um sich für eine neue zu befreien oder sich befreien zu können. Dass jemand, der das tut, wie auch immer faszinierend ist, ist klar.“ (Rainer Werner Fassbinder in seinem letzten Interview mit Dieter Schidor)
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Gilles: „Komisch, wie schnell wir Freunde geworden sind.„ Querelle: „Wir waren Freunde von Anfang an.„
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Die Film-Welt des Querelle, eine Welt, in der Frauen weitestgehend außen vor sind. Selbst Lisiane, die einzige Frau mit Sprechrolle im Film, wirkt wie in einer anderen Welt.
„Lisiane stand immer mehr außerhalb des Spiels„ (off)
„du bist doch bloß eine Frau„ (Querelle, angetrunken, zu Lisiane auf die Frage „was ist mit mir“)
„Es gibt eine männliche Passivität die so ausgeprägt ist, dass sie sich in … der absolut entspannten Erwartung des Körpers [ausdrückt], seine Rolle zu erfüllen, seinen Sinn, Lust zu geben und zu empfangen.„ (Lisiane)
„Ich weiß, dass ich dabei nichts riskiere. Es gibt absolut keine Gefühlsregung, die die Reinheit meines Spiels trübt. Dabei ist keine Leidenschaft. Es ist nur ein Spiel ohne Schwere. Zwei Männer, beide stark und vergnügt, wobei der eine davon sorglos, ohne Umstände zu machen, dem anderen seinen Hintern überlässt.„ (Nono)
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Nein, als „Fassbinders am schwersten zugänglichen Film„, wie die Kritik damals formulierte, empfinde ich Querelle nicht. Als bewundernswertesten.
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„Querelles Einvernehmen mit sich selbst war unzerstörbar„
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„weil ich eine todbringende Wunden in mir habe„ (Querelle / Brad Davis)
Brad Davis starb 1991, 9 Jahre nach Fertigstellung des Films, nach langer Aids-Erkrankung an einer absichtlichen Überdosis Drogen
Lesezeichen: „In den Tiefen der Gesellschaft“ – Interview mit Rainer Werner Fassbinder. in: Evangelischer Filmbeobachter, Nr. 17, September 1982 (pdf) Ulrich Behrens: „Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel“
“ Drei Milliarden Perverse “ – unter diesem Titel veröffentlichten Bernhard Diekmann und Francois Pescatore1980 eine Sammlung von Texten, die in Frankreich erstmals 1973 veröffentlicht wurden [1].
Die Texte waren in Frankreich kollektiv, ohne Angaben von Autoren der einzelnen Beiträge [3] entstanden – dürften jedoch überwiegend aus dem engeren Umfeld des Front Homosexuel d’Action Révolutionaire (FHAR) [2] entstammen.
Vierzig Jahre alte „Schwule Texte“ – was haben uns “ Drei Milliarden Perverse “ heute noch zu sagen?
Aktivismus als Form politischen Handelns – in ‚das System‘ hinein gehen, es reformieren, oder von außen protestieren, mit Aktionen auf Missstände aufmerksam machen und verändern? Was ist ein Aktivist? Was ist Aktivismus? Führt er zum Ziel, oder eher der integrationistische Weg? Aktivismus als Gegenmodell zum passiven Hinnehmen:
„die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jede Haltung des passiven Hinnehmens.„
Karl Popper, in: Das Elend des Historizismus
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Aktivismus – Geschichte eines Begriffs
Der deutsche Philosoph Rudolph Eucken (1846 Aurich – 1926 Jena) propagierte einen nach-kantianischen „neuen Idealismus“. Er bezeichnete ihn auch als „schöpferischen Aktivismus“ (ab 1907, Aktivierung der gemeinsamen schöpferischen Kraft aller Menschen). Der Begriff erfuhr bald eine Wandlung und wird verwendet als Bezeichnung für politisches Handeln.
Ende der 1960er und in den 1970er Jahren entstanden mit den ‚neuen sozialen Bewegungen‚ (Frauenbewegung, Schwulenbewegung, Umweltbewegung) vielfältige Formen von Aktivismus. Sie waren oft gekennzeichnet von einer Kombination aus dem Übernehmen als wirksam etablierter Strategien der Organisation und neuen offenen, demokratischen Handlungsformen.
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Aktivismus als politisches Handlungskonzept
Auf konkrete Missstände und Defizite hinweisen, auf konkrete Veränderung bestehender Verhältnisse hinwirken, mit diesen Anliegen ist Aktivismus eine Form politisches Handelns.
Michel Foucault beschäftigte sich intensiv mit dem Machtbegriff und der Analyse von Machtverhältnissen. Er zeigt bei der Frage des politischen Handelns, des Infragestellens vorhandener Machtverhältnisse auf die (seiner Ansicht nach den Machtverhältnissen bereits innewohnenden, „wesenhafter Antagonismus„) Handlungsmöglichkeiten der „widerspenstigen Freiheit„, die Machtbeziehungen ändert [2].
Foucault sieht Kritik als Mittel, sich von der Macht eines anderen zu befreien und sich frei in Bezug auf eine Sache zu verhalten.
„Aber zugleich muß die Freiheit sich einer Machtausübung widersetzen, die die letztlich danach trachtet, vollständig über sie zu bestimmen.“
Miche3l Foucault, Subjekt und Macht, S. 287
Hannah Arendt beschreibt den in ihrem handlungs-orientiertes Politikverständnis wesentlichen Begriff ‚ziviler Ungehorsam‚:
„wenn eine Reihe von Menschen in ihrem Gewissen übereinstimmen und sich diese Verweigerer entschließen, an die Öffentlichkeit zu gehen und sich Gehör zu verschaffen.„
Hannah Arendt, Rede ‚Ziviler Ungehorsam‘, S. 71
Einer der Väter der ‘gewaltfreien Aktion’ als Form politischen Engagements ist der US-Politikwissenschaftler Gene Sharp. Macht ist Sharp zufolge das Ergebnis einer Übereinkunft. Ausüben von Macht setzt das stillschweigende Zustimmen der (oft ‘schweigenden’) Mehrheit voraus. Wer nicht mehr schweigt, bekommt Werkzeuge in die Hand, Gesellschaft so zu gestalten, dass sie im Interesse der Menschen ist. Mittel der Wahl dazu ist Sharp zufolge die ‘gewaltfreie Aktion’ (Gewaltfreiheit war später auch eines der wesentlichen Merkmale der Aids-Aktionsgruppen ACT UP).
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Aktivismus – Attentismus – Aktionismus
Das Spannungsfeld wäre damit definiert :
Aktivismus: nicht untätig abwarten, aber auch nicht in formelle politische Prozesse (als Teilnehmer) hinein gehen, sondern über z.B. Öffentlichkeitsarbeit und Demonstrationen, über Aktionen aktiv werden.
Attentismus: dem gegenüber wäre Gegenpol zum Aktivist der Attentist (attendre frz. = abwarten): jemand der untätig bleibt, abwartet, in Passivität verharrt.
Aktionismus: Eine Fehlentwicklung des Aktivismus wäre der Aktionismus – die Aktionen geraten zum Selbstzweck, ein Ziel wird nicht mehr erkennbar. (Übersetzt in Zeiten des Internet: Follower alleine sind noch kein politisches Handeln)
(Nebenbei, der Begriff ‚Aktivismus‘ wird gelegentlich auch in anderen Kontexten verwandt. Kurt Hiller gründete eine (dem Expressionismus nahestehende) pazifistisch-sozialistische Bewegung, die er ‚Aktivismus‘ nannte, die eine „Aktivierung des Geistigen zur Herbeiführung einer neuen Menschheitsära“ [1] zum Ziel hatte. Mit-Denker und -streiterin waren u.a. Magnus Hirschfeld und die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Hedwig Dohm.)
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Aktivismus oder Integrationismus – was führt zum Ziel?
Ist Aktivismus geeignet, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken? Oder ist es sinnvoller, sich integrationistisch ‚in das System‘ zu begeben?
Der US-Schriftsteller, Radio-Moderator und Schwulenaktivist Michelangelo Signorile hat eine klare Antwort. Er betont die Bedeutung von Aktivismus anhand von Beispielen wie ACT UP und der US-Aids-Politik oder Protesten gegen den Umgang des US-Militärs mit Homosexuellen:
Soziale Bewegungen stehen immer wieder vor der sich ewig wiederholenden und immer wieder neue Auseinandersetzung hervorrufenden Frage: hinein gehen in’s System, es verändern? Oder von außen kritisieren und Neues schaffen? Welcher Weg führt zum Ziel? Ist der Integrationist erfolgreich, der in’s System hinein geht, mitmacht, dessen Positionen damit zunächst akzeptiert und es eventuell schafft, von innen etwas zu verändern? Oder ist es zielführender, autonom eigene Position zu entwickeln und sich zu bemühen, diese zu realisieren, ggf. in Protest gegen ‚das System‘ von außen?
Mit dem Strom, oder gegen den Strom, was führt zum Ziel?
in or out – das Beispiel Aids-Aktivismus
Auch bei Aids stellte sich diese Frage immer wieder. Gerade beim Aids-Aktivismus und seinen Projekten und Resultaten wurde dabei ein Wechselspiel zwischen integrationistischem Weg und autonomem Vertreten von Positionen deutlich.
Anfang der 1990er Jahre weigerten sich die Veranstalter von Aids-Konferenzen (nicht nur in Deutschland), Menschen mit HIV und Aids, und auch Vertreter von Aidshilfen an Aids-Kongressen teilnehmen zu lassen. Damals war es vermutlich der schnellere und damit auch effizientere Weg, den ACT UP gegangen ist: nicht (nach einigen vorangegangenen, kläglich gescheiterten Versuchen) weiter auf Dialog, Bitten und Gespräche mit Kongresspräsidium und Veranstalter setzen. Sondern stattdessen durch konkrete Aktionen unser Aussperren, unsere Ausgrenzung erfahrbar, erlebbar (auch medial) machen. Und sie mit dieser Aktion zugleich zu durchbrechen. Einige Aktionen, einige Aids-Kongresse, und einige Jahre später nahmen HIV-Positive und Aids-Kranke, Aidshilfen und andere Organisationen an Kongressen teil. Nach und nach erhielten sie auch Rederecht (zuerst in Form einer Podiums-Besetzung), später Mitbestimmungs-Möglichkeiten. In den folgenden Jahren etablierte sich die Zusammenarbeit, wurde Positiven-Beteiligung im Genfer Prinzip festgeschrieben und schriftlich vereinbart, und ist heute Normalität.
Aktivismus (hier in Form von ACT UP) war vermutlich die geeignete Form politischen Handelns, auf die ursprüngliche Ausgrenzung und Diskriminierung hinzuweisen und sie zu durchbrechen. Integationismus, Gespräche und Verhandlungen mit Veranstaltern, Vereinbarungen waren auf den Anfangs-Schritten des Aktionismus aufbauend die geeigneten Wege, darauf aufbauend die erzielten Erfolge auszubauen und langfristig zu sichern.
Aktivismus und Integrationismus müssen nicht in Widerspruch zu einander stehen – bei geschicktem Agieren können sie sich sinnvoll ergänzen und gemeinsam als sehr zielführende Strategien erweisen.
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Tucholsky
„Im Übrigen gilt in Deutschland derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ Kurt Tucholsky
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[1] Kurt Hiller: Der Aufbruch zum Paradies. Ein Thesenbuch. München 1952 Vgl. auch: Kurt Hiller Gesellschaft: Aktivismus und Expressionismus – Der Literat greift in die Politik ein [2] „Das Machtverhältnis und das Aufbegehren der Freiheit sind also nicht zu trennen …; im Zentrum der Machtbeziehung stecken die Widerspenstigkeit des Wollens und die Intransitivität der Freiheit, die diese Machtbeziehung ständig ‚provozieren‘.“ (Michel Foucault, Warum ich Macht untersuche, 1987, S. 256) Ähnlich in ‚Analyse der Macht‚ (Hg. Daniel Defert), Frankfurt am Main 2005, S. 257.
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Das Thema Aktivismus war eines der Themen des Summerbreak 2013, das unter dem Motto „Mit oder gegen den Strom?“ vom 15. bis 18. August 2013 im Waldschlößchen stattfand. In Vorbereitung auf den Workshop „Solidarität endet nicht am eigenen Horizont“, den ich dort gemeinsam mit Marcel Dams angeboten habe, ist dieser Text entstanden.
Paris wird eine Hervé Guibert Straße erhalten. Die rue Hervé Guibert hat der Stadtrat von Paris am 11. Juni 2013 beschlossen.
Die Straße, die im Rahmen einer Neubebauung neu angelegt wird, befindet sich im 14. Arrondissment nahe dem Hopital Broussais.
Der Schriftsteller und Aktivist Hervé Guibert wurde insbesondere bekannt durch sein Buch À l’ami qui ne m’a pas sauvé la vie (1990; deutsch 1991 Dem Freund der mir das Leben nicht gerettet hat), in dem er über sein Leben mit HIV schreibt, und über das Sterben seines Freundes, des Philosophen Michel Foucault (im Buch: Muzil), den er 1977 kennenlernte („Guibert war vielleicht der beste Freund Foucaults„, Edmund White). Foucault starb am 25. Juni 19984 an den Folgen von Aids, er hatte zeit seines Lebens seine HIV-Infektion und Aids-Erkrankung verschwiegen.
Hervé Guibert wurde am 14. Dezember 1955 in Saint-Cloud (nahe Paris) geboren. 1977 veröffentlichte er sein erstes Werk La Mort propagande. Auch in Le Protocole compassionel (1991; deutsch 1992 Mitleidsprotokoll) behandelte Guibert intensiv das Leben mit HIV. Guibert arbeitete (in Deutschland weniger bekannt) sehr erfolgreich auch als Photograph, setzte sich auch hier mit dem Leben mit HIV aus einander.
Hervé Guibert, der 1988 von seiner Aids-Erkrankung erfuhr, starb am 27. Dezember 1991 in Clamart an den Folgen eines Selbstmordversuchs. Er ist auf Elba beigesetzt.
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Mairie de Paris: Attribution à une voie de la dénomination “rue Hervé Guibert” (14e) (pdf)
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Zum Verhältnis Foucault – Guibert lesenswert: Foucault et Hervé Guibert, le compagnon d’agonie
Der Schriftstellers, Übersetzers und Ethnografen Rolf Italiaander engagierte sich auch für die Rechte Homosexueller. Er starb am 3. September 1991. Sein Grab befindet sich in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf.
Rolf Italiaander wurde am 20. Februar 1913 in Leipzig geboren. Er gründete nach dem 2. Weltkrieg in Hamburg zusammen mit Hans-Henny Jahnn (Grab Hans Henny Jahnn in Hamburg-Nienstedten) und anderen die ‚Freie Akademie der Künste in Hamburg‘. Über 20 Jahre war er deren Generalsekretär.
Rolf Italiaander – Einsatz für die Rechte Homosexueller
1951 schrieb Italiaander, veranlasst durch die ‚Frankfurter Homosexuellen-Prozesse‘, das Stück „Das Recht auf sich selbst„. Es war das erste Nachkriegs-Theaterstück zum Thema Homosexualität. Am 2. April 1952 wurde es von Ida Ehre an den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt.
Immer wieder lieferte er Texte für Homosexuellen-Magazine der Zeit. Insbesondere schrieb er für ‚Club 68‘, für den er 1969 [im Jahr des Stonewall-Aufstands!] den Text „Selbstverwirklichung und Integration der Homophilen“ verfasste (in Ausgabe 2/1969, S. 12).
Zudem veröffentlichte er in ‚Der Kreis‘, für den er auch Photographien und Zeichnungen lieferte, u.a. einen langen Aufsatz über Jean Genet. Dieser Genet-Aufsatz war die Basis für Italiaanders Text „Jean-Paul Sartre über Jean Genet„. Dieser Text war der bei Rowohlt 1955 erschienenen und nur auf Bestellung erhältlichen ersten deutschen Ausgabe von Genets „Querelle“ (1982 von Rainer Werner Fassbinder verfilmt) beigefügt.
Ende der 1960er Jahre zählte Italiander zu den bedeutendsten Unterstützern einer Reform des §175. 1968 veröffentlichte er als Herausgeber im Hamburger ‚Gala Verlag‘ mit „Weder Krankheit noch Verbrechen – Plädoyer für eine Minderheit“ eine Sammlung von Aufsätzen, Essays und Texten Prominenter, die sich gegen den Paragraphen 175 aussprachen.
Rolf Italiaander starb am 3. September 1991 in Hamburg. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Ohlsdorf (Hamburg).
In einem alten Bauernhaus, das Italiaander gemeinsam mit seinem Partner Hans Ludwig Spegg erworben hatte, gründete er 1970 das ‚Museum Rade im Naturpark Oberalster‘, das seine Kunstsammlung beherbergt. Das Museum zog 1987 um in eine Villa am Reinbeker Mühlenteich, ‚Museum Rade am Schloss Reinbek‘.
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