Die ‚Internationale Homophile Welt Organisation‘ IHWO hatte zeitweise eine Regionalgruppe in Oldenburg .
Regionalgruppe meinte damals auch es gab mindestens lokales Mitglied, das seine Einwilligung gab, dass seine Adresse an Kontaktpersonen in der Region weitergegeben werden konnte.
IHWO Oldenburg
Über die IHWO Regionalgruppe Oldenburg berichtete die IHWO in ihren ‚Nachrichten‘ im Februar 1973, diese befinde sich ‚kräftig im Aufstreben‘. Die Gruppe besaß immerhin ein gutes Dutzend aktive Mitglieder (Wolfert). In ihrem Umfeld soll es kleinere Gruppen in Jever sowie in Wilhelmshaven gegeben haben.
Das Oberlandesgericht Oldenburg (damals geleitet von Ekhard Koch (1902 Jever – 2000 Oldenburg)) entschied 1946, dass die Paragraphen 175 und 174a Nazi- Unrecht seien.
Urteil des OLG Oldenburg vom 15.4.1946 (SJZ 1946, 96) (HESt 1, Nr. 131, S. 295 – 298)
Ähnlich urteilten die OLGs Braunschweig und Kiel 1947 (vgl. Herzer 1990).
Bei der Rechtsbereinigung mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 55 (20. Juni 1947) wurden diese dann jedoch nicht in die Aufhebungsanordnung einbezogen.
„Zunächst ist zu bedenken, dass nach 1945 in erster Linie nur die Judenverfolgung und „herrisches Gehabe“ als spezifisch nationalsozialistisch galten. Die Verfolgung von Homosexuellen, politischen Gegnern, „Asozialen“sowie die Sterilisation von Geisteskranken z.B. wurden nicht als nationalsozialistisch begriffen.“
Peter Bahlmann, Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Wiederaufbau der Justiz und frühe NS-Prozesse im Nordwesten Deutschlands. Dissertation, 2008
Die ‚Bundesarbeitsgemeinschaft schwule Juristen‘ (BASJ), ein Freundeskreis schwuler Juristen und Autoren des Rechtsratgebers für Schwule, startete – in Großenkneten bei Oldenburg.
Der Jurist Stefan Reiß, 1985 erster offen schwuler Abgeordneter Deutschlands und Mitbegründer der Deutschen Aids-Hilfe, berichtet
Nürnberg hat seit 2013 einen Gedenkort für homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus.
Der Ort nahe dem Sterntor und der Oper ist bewusst gewählt – hier befand sich bis 1945 eine Straßenbahn- Wartehalle, die auch ein beliebter Homosexuellen- Treffpunkt war.
Bereist 2013 war eine vom aus Nürnberg stammenden Bildhauer und Künstler Christof Popp gestaltete Stele aus Edelstahl errichtet worden.
Gedenkort für homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus Nürnberg, Stele aus dem Jahr 2013
Ein Gedenkstein erinnert zusätzlich an lesbische Frauen, die im Nationalsozialismus kriminalisiert und verfolgt wurden.
Im Juli 2019 wurde zudem der Platz in Magnus-Hirschfeld-Platz benannt.
Im Bündnis Queere Nothilfe Ukraine haben sich zahlreiche LGBTIQ*– Orgainisationen zusammengeschlossen, um der queeren Community in und aus der Ukraine zu helfen, bei Versorgung (auch medizinischer Versorgung) und bei Ausreise, Evakuierung, Flucht vor Putins Krieg gegen die Ukraine. Bis Anfang Mai 2022 kam bereits eine halbe Million Euro zusammen.
Die NARGS Nationale Arbeitsgruppe Repression gegen Schwule war Teil der westdeutschen Schwulenbewegung. Die überwiegend studentisch geprägte Gruppe bestand zwischen 1977 und 1981.
Auch Aktivisten aus Oldenburg waren in der NARGS aktiv [nach Michael Holy, Jenseits von Stonewall, in : Rosa Radikale, 2012].
Dr. Craig Griffiths (Manchester Metropolitan University, spezialisiert auf deutsche und queere Geschichte des 20. Jahrhunderts) berichtet, Jakob Schepmann [Pseudonym] aus der Homosexuellenbewegung in Oldenburg sei später in der NARGS aktiv gewesen (Craig Griffiths, The Ambivalence of Gay Liberation: Male Homosexual Politics in 1970s West Germany, 2021).
Grabstätte von Harald Tangermann und Peter Daun, 2019
Harald Tangermann und Peter Daun – ein schwules Unternehmer-Paar, das lange Jahre die schwule Szene von Hamburg maßgeblich mit prägte. Mit der frühen Förderung von Tom of Finland sowie der einst größten schwulen Sauna Club Uhlenhorst und dem Tom’s hatten sie Bedeutung weit über Hamburg hinaus.
Harald Tangermann und Peter Daun
Harald Tangermann (1932 – 1998)
Harald Tangermann kam am 7. Dezember 1932 in Hamburg Fuhlsbüttel zur Welt. Sein Vater Wilhelm führte das Kaufmanns-Unternehmen ‚Tangermanns Kaffee Geschäfte‚. Seine Mutter war Alice Tangermann geb. Lensch (29.8.1907 – 1.7.1981).
Harald machte zunächst eine Lehre als Kaufmann. Anschließend erlernte er den Beruf des Kellermeisters, wurde Destillateur und Weinküfer. Nach Abschluss der Ausbildungen übernahm er im elterlichen Betrieb Tangermann KG die Spirituosen-Herstellung.
Er entwickelte u.a. ein eigenes Rezept für einen Rumtopf. Dieser erste industriell hergestellte Rumtopf wurde von der Spirituosen-Handlung der Tangermann-Gruppe vermarktet – und bildete bald den Grundstock des Vermögens von Harald Tangermann. 1958 gründet er eine neue Vertriebsfirma (die noch heute existiert).
Haralds Mutter (sein Vater war 1959 verstorben) veranlasste aufgrund der Homosexualität ihres Sohnes, dass dieser von dem Mediziner und Sexualwissenschaftler Prof. Bürger-Prinz ‚begutachtet‘ wurde. Bürger-Prinz war zur damaligen Zeit in der Hamburger Gesellschaft hoch angesehen. Sein Handeln in der NS-Zeit war weitgehend in Vergessenheit geraten. Bürger-Prinz riet der Mutter, ihren Sohn so zu akzeptieren wie er ist, mit seiner Homosexualität.
Am 1. Juli 1981 starb Haralds Mutter Alice. Sie wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Kurz darauf, 1982 schied Harald aus dem Familienunternehmen aus. Sein Bruder Werner übernahm die Leitung de Unternehmens.
1987 starb Peter Daun. Harald Tangermann lernte 1988 einen neuen Partner kennen, Ulrich. Sie gingen eine Lebenspartnerschaft ein, Ulrich übernahm dabei Haralds Familiennamen.
Harald Tangermann starb am 27. März 1998. Sein Erbe wurde sein Partner Ulrich. Er übernahm damit neben zahlreichen Gebäuden (u.a. dem in dem sich Tom’s und Pit befanden) auch eine der größten Privatsammlungen mit Werken von Tom of Finland.
Peter Daun (1941 – 1987)
Peter Daun wurde am 19. Juni 1941 geboren. 1968 lernte Harald Tangermann den früheren Polizisten und Seemann Peter Daun in Berlin kennen. Bald zogen sie in die gemeinsame Wohnung in Hamburg Uhlenhorst (in ein Wohnhaus, das Harald gehörte).
Peter Daun starb am 15. Dezember 1987 in Hamburg.
Harald Tangermann und Peter Daun wurden in einer gemeinsamen Grabsätte auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt.
Grabstätte von Harald Tangermann und Peter Daun, 2019
Tangermann Daun als schwule Unternehmer
Club Uhlenhorst
Bereits 1968 (noch vor der Liberalisierung des Paragraphen 175 am 1. September 1969) begannen Harald Tangermann und Peter Daun mit der Planung für eine schwule Sauna. 1969 feierte der Club Uhlenhorst, meist kurz genannt das CU, Eröffnung.
Der Club Uhlenhorst wurde schnell zu einem großen (auch kommerziellen) Erfolg und international bekannt [vgl. detaillietrer Artikel schwule Sauna Club Uhlenhorst 1969 – 1987].
Eingang zum Tom’s und (im Erdgeschoss) ehemalige Räume des Pit Club (2019, Umbau)
Das Pit existierte noch viele Jahre, später umbenannt zu Toms Dancehall.
Tom’s Saloon
Am 20. Juni 1974 wurde im Keller unter dem Pit Club (in einem ehemaligen Kohlenkeller) die neue Lederbar Tom’s Saloon eröffnet.
Tom of Finland (mit dem Harald Tangermann und Peter Daun persönlich befreundet waren, s.u.) war nicht nur Namenspate der Bar – er brachte auch zahlreiche Original-Zeichnungen an den Wänden an und entwarf das Logo. Ein Raum wurde mit Birkenstämmen und Querbalken ausgestattet, eine Atmosphäre wie auf manchen Tom-of-Finland – Zeichungen schaffend.
Die zunächst angedachten Planungen, weitere Filialen des Toms in den USA zu eröffnen, wurden nach persönlichen Differenzen verworfen. Schließlich verkauften Tangermann Daun das Toms im Jahr 1977.
Tangermann Daun, Tom of Finland und Hamburg
Schon 1957 hatte das US-Magazin Physique Pictoral erstmals Zeichnungen von Tom of Finland abgedruckt.
Bedeutend für seine frühe Wahrnehmung in Hamburg war Gerhard Pohl, bekannt u.a. als einer der Gründer des schwulen Lederclubs MSC Hamburg (1974).
Der Hamburger Fotograf und Regisseur von Pornofilmen Gerhard Pohl wurde am 8. Dezember 1931 in Hamburg Barmbek geboren. Er starb am 15. Juni 1993 in Hamburg an den Folgen von Aids. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Stellingen. Pohls Nachlass wird im Schwulen Museum Berlin verwahrt.
Gerhard Pohl nahm bereits früh brieflich Kontakt zu Tom auf. Im Laufe der Jahre freundeten sie sich an. Pohl brachte erstmals Zeichnungen von Tom nach Hamburg, stellte sie in der Loreley Bar in St. Pauli aus, damals der Treffpunkt der noch kleinen Hamburger Lederszene.
Und Pohl stellte 1968 den Kontakt von Tom of Finland mit Harald Tangermann und Peter Daun her. Bald befreundeten sich die drei.
„Peter war Toms Liebling“
Harald Tangermann, in ‚Tom of Finland XXL‘
Harald Tangermann erwarb zahlreiche Zeichnungen von Tom – und Tom malte beide (besonders Peter ist auf mehreren Zeichnungen zu erkennen). Einige Bilder zeigen Szenen z.B. in der Sauna CU oder bei gemeinsamen Motorradtouren.
Harald Tangermann und Peter Daun engagierten Tom bald auch für ihre Unternehmungen – u.a. für ein großes Wandbild in der schwulen Sauna Club Uhlenhorst (s.o.)
Die Lederszene in Hamburg wuchs, die Loreley als Treffpunkt war bald zu klein. Harald Tangermann und Peter Daun beschlossen, eine eigene Lederbar zu eröffnen. Und schnell war klar, dass sie nach Tom benannt werden sollte. Tom of Finland stimmte zu, und ‚Tom’s Saloon‘ war geboren (s.o.). Tom stattetet die Bar mit Wandbildern aus, auch das Logo entwarf er.
Tom of Finland, der mit seinen Zeichnungen Ikonen der Homomaskulinität schuf, startete seine internationale Karriere also auch und besonders in Hamburg – mit nicht unbeträchtlichem Mitwirken von Harald Tangermann und Peter Daun.
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Ich erinnere mich an Harald und Peter. Das CU war eine wichtige, wenn nicht die zentrale Station bei meinen Entdeckungen der Hamburger Schwulenszene. Viele Wochenenden, Nächte, sonntägliche Früh(spät)stücke in der Sauna. Übernachten plus Spaß nach durchtanzter Disco-Nacht, und das für wenig Geld. Ideal für Ulli als Student.
Harald erinnere ich eher als den ruhigen, fast distinguierten Mann im Hintergrund. Attraktiv aber irgendwie unnahbar. Peter hingegen, eher laut und immer präsent, auch mal am Pool, oder mit Freunden am Tisch neben der Bar.
Und ich erinnere: einen Gegensatz, den ich schon damals nicht verstanden oder zumindest für mich nicht empfunden habe.
Man geht nicht in diese Bars und Kneipen, sagten die die ‚politisch‘ waren. Und meinten verächtlich die „kommerzielle Schwulenszene“. Sondern traf sich in den Schwulengruppen, privat, und im Tuc Tuc oder so.
Das war auch alles gut. Gefiel mir, war – meins. Da fühlte ich mich wohl. Tuc, das war Wohnzimmer. Nur – später in der Nacht – da traf ich den ein oder anderen dann doch auch im Tom’s oder im CU. Und lernte als junger Mann schnell: Hormone und Politik – das ist nicht immer kongruent.
Irritiert war ich, weil: ich selbst spürte diesen vermeintlichen Gegensatz zwischen ‚kommerzieller Sub‘ und ‚Bewegung‘ schon damals nicht.
Harald und Peter, sie hatten damals große Freiräume für mich (und viele andere schwule, oder homosexuelle) Männer ermöglicht. Ich habe beides als Spielwiesen erlebt, das CU wie auch das Tom’s. Hier konnte ich ausprobieren, was ich das mit meiner Sexualität, was hat da zu tun mit Mann-Sein, mit meinen Gelüsten, mit meinen Sehnsüchten. Und wenn ich Lust hatte, konnte ich nachher (oder vorher) sogar noch im Pit dazu tanzen – wunderbar 🙂
Wenn schwule Bewegungen bedeutet: Menschen Freiräume zu eröffnen sich repressionsfrei zu begegnen und zu entdecken – dann haben (im Rahmen ihrer Zeit und Möglichkeiten) Harald und Peter genau das (für mich) ermöglicht (wenn auch vielleicht, aber nur vielleicht, auf eine ‚unpolitische‘ Weise).
Harald und Peter – sie haben Freiräume ermöglicht. Freiräume, in denen ich mich entdecken, mich frei und ungezwungen ausprobieren konnte. Meine (vor allem auch sexuellen) Identitäten entdecken. Mich, meinen Weg finden konnte.
1937 wurde der aus Bremen stammende Paul Gerhard B. in Delmenhorst wegen Vergehens gegen §175 verhaftet. Er war als Homosexueller im Emslandlager (Konzentrationslager Papenburg). B. überlebte die NS-Zeit indem er sich zum Dienst in der Wehrmach meldete.
1983 berichtet er über seine Verhaftung in Delmenhorst, seine Zeit als ‚Rosa Winkel‘ im Konzentrationslager und wie er die NS-Zeit überlebte:
„Von meinen sozialdemokratischen Genossen wußten nur wenige,. daß ich homosexuell war. … Ich hielt es damals auch für die illegale Arbeit der Partei für gefährlich, mich auf intensive Kontakte einzulassen. Sicher hatte ich auch Angst als Homosexueller ‚enttarnt‘ zu werden. Besonders seit 1935, als die Strafandrohungen uns gegenüber verschärft worden waren, hatte bei mir diese Angst zugenommen. Ich kann mich noch erinnern, daß die wenigen homosexuellen Freunde, mit denen ich mich noch traf, ähnlich empfunden haben.“
Der Bremer, auch nach 1933 parteipolitisch für die SPD aktiv, musste bald aus der Stadt fliehen:
„Anfang 1937 bin ich dann nach Delmenhorst gegangen. Für mich war der Aufenthalt in Bremen zu gefährlich geworden. In Delmenhorst hielt ich noch Kontakt zu Genossen, aber an illegale Arbeit war für mich nicht mehr zu denken. Ich hörte dann auch, daß die Polizei in Bremen nach mir gesucht hatte.“
Mit knapp 30 Jahren wurde B. in Delmenhorst nach einer Denunziation verhaftet. Er berichtet
„Die Verhaftung erfolgte in den ersten April-Tagen 1937. Ich hatte in dem Betrieb in dem ich Arbeit gefunden hatte, einen Kollegen kennengelernt, von dem ich erst später erfuhr, dass er in der NSDAP mitarbeitete … In politischer Hinsicht war ich sehr zurückhaltend. … Aber sonst hatte ich ihn wohl ein wenig umworben. An einem Abend hatte ich mich mit ihm verabredet. Doch statt seiner erschienen zwei Polizisten in Zivil, die mich festnahmen. … Erst in einem Wachlokal erfuhr ich, daß mir der Verstoß gegen §175 Strafgesetzbuch zur Last gelegt wurde. … eine Anzeige von Herrn Alfred D. vorläge. Jetzt erst begriff ich, dass mich mein Bekannter ‚ausgeliefert‘ hatte.“
Schon bald folgte die Verlegung von Delmenhorst in eines der Emslandlager – als ‚Rosa Winkel‘, B. zog vor seine illegale politische Arbeit zu verbergen:
„Ich blieb etwa vier Wochen in Polizeigewahrsam, dann wurde ich ohne Gerichtsverhandlung in das Konzentrationslager Papenburg eingewiesen. … Ich hatte in Delmenhorst den Verstoß gegen den §175 auch deswegen so schnell zugegeben, weil ich befürchtete, daß bei Ermittlungen meine illegale politische Tätigkeit herauskommen würde.“
„Papenburg war ein Justizlager … Ich traf dann ja auch zwei SPD-Genossen aus Bremen wieder. … Wir bekamen KZ-Kleidung und ich den ‚Rosa Winkel‘. … Es war nicht so dass wir mit dem ‚Rosa Winkel‘ im Lager der letzte Dreck waren. Aber wir waren ziemlich isoliert. … Die Vorurteile gegen uns waren leicht immer wieder neu aufzuwiegeln. Und so konnten wir mit breiter Zustimmung verfolgt werden.“
Nach 1939 konnte B. der KZ-Haft entkommen, indem er sich zum Dienst in der Wehrmacht bereit erklärte:
„… stellte er [Justizbeamter, nach Kriegsbeginn September 1939] aus KZ-Insassen eine Einheit zusammen. Das war halb freiwillig und halb erpreßt. Ich war jedenfalls bereit, die Wehrmachtsklamotten anzuziehen, um dem KZ zu entkommen. Warum man zugelassen hat, dass ich als ‚Rosawinkel‘-Träger zur Wehrmacht konnte, weiß ich nicht und kann es mir auch nicht erklären. Für mich bedeutete das jedoch Lebensrettung.“
Nach Kriegende die Enttäuschung:
„Als dann nach dem Krieg die faschistische Fassung des §175 in Kraft blieb, war ich sehr entmutigt. … Ich bin dann aus Enttäuschung über die Haltung der SPD aus der Partei ausgetreten
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Strafgefangenenlager Papenburg: vermutlich: mit dem Sammelbegriff ‚Staatliches Konzentrationslager Papenburg‚ wurden die Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum bezeichnet, die bereits im Sommer 1933 eröffnet und mit ‚politischen Schutzhäftlingen‘ belegt wurden. Im Sommer 1934 erfolgte eine Neuorganisation unter Aufsicht der SS, Neusustrum und Börgermoor wurden Strafgefangenenlager, Esterwegen blieb bis 1936 Konzentrationslager, ab 1937 bis 1945 ebenfalls Strafgefangenenlager.
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[Quelle: Zeitzeugengespräch mit Paul Gerhard B., Jahrgang 1908, aus Bremen; in: Heinz-Dieter Schilling (Hg.): Schwule und Faschismus, Berlin 1983
Die Verfolgung Homosexueller in Oldenburg und im Oldenburger Land während der NS- Zeit ist bisher wenig erforscht.
Oldenburg war eines der 18 Länder in der Kernzeit der Weimarer Republik. Es wurde bereits seit 1932 von einer absoluten Mehrheit der NSdAP regiert, der NSDAP- Gauleiter wurde Ministerpräsident. Damit war Oldenburg das einzige Land, das bereits vor 1933 eine NS-Regierung hatte.
Die Geschichte Homosexueller in Oldenburg und im Oldenburger Land während der NS-Zeit ist bisher nur sehr rudimentär Gegenstand der Forschung gewesen.
Heil- und Pflegeanstalt Wehnen
Einer der Orte der Verfolgung und Ermordung Homosexueller im Oldenburger Land während der NS-Zeit war die damalige ‚Heil- und Pflegeanstalt Wehnen‘ (heute Karl-Jaspers-Klinik Wehnen – Medizinischer Campus Universität Oldenburg). Mindestens 1.500 Patient:innen kamen hier ums Leben (Harms 1997).
Im Rahmen der NS-Krankenmorde (zu denen auch die ‚Mordaktion T4‚ zählt) kamen hier auch Homosexuelle in ‚Sicherungsverwahrung‘ und wurden psychiatrisiert.
Entsprechend befindet sich auch eine Gruppe Homosexueller unter den Opfern der Krankenmorde (etwa 2.000 noch erhaltene ‚Euthanasie-Meldebögen‘ aus den Jahren 1940 bis 1944). Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt.
in KZs und Lagern ermordete Homosexuelle aus Oldenburg und dem Oldenburger Land
Im Emsland westlich von Oldenburg befanden sich ab 1933 zahlreiche Konzentrations- und Straflager, die so genanten Emslandlager (vgl. das in Börgermoor entstandene Lied der Moorsoldaten). Die Güterwagons, in denen Gefangene zu den Emslandlagern transportiert wurden, müssen zumindest teilkweise auch den Oldenburger Pferdemarkt passiert haben, können kaum unbemerkt geblieben sein.
Johannes Müller und Andreas Sternweiler nennen in der ‚Liste der Toten (der bisher namentlich bekannten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen)‚ (Totenbuch online) im Jahr 2000 u.a. Elimar Wagner, geb. 10.12.1884 in Heppens, heute Stadtteil von Wilhelmshaven, gest. 10.7.1942 KZ Sachsenhausen [in: Müller/Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000]. An Wagner, 1935, 1936 und 1939 wegen § 175 in Hamburg verhaftet, erinnert in Hamburg ein Stolperstein für Elimar Wagner.
Zeitzeugen-Berichte
Bisher sind kaum Zeitzeugenberichte Homosexueller im Oldenburger Land aus der NS-Zeit bekannt.
Flucht 1945 aus Emslandlager nach Nordenham
Der Buchhalter und ‚überzeugte Katholik‘ Johann-Rudolf Braehler (1914 – ?) wurde in der NS-Zeit wegen seiner Homosexualität inhaftiert. Deportiert in eines der Emslandlager, gelang ihm kurz vor Ende des Kriegs die Flucht.
In dem 1981 erschienenen Buch Rosa Winkel, Rosa Listen von Hans-Georg Stümke und Rudi Finkler berichtete Braehler ausführlich.
Bei der Wehrmacht wurde er 1942 inhaftiert:
„… wurde ich wegen eines Verbrechens nach § 175 und wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt … Das Urteil lautete zwei Jahre Zuchthaus …“
Zusammen mit weiteren verurteilten Soldaten wurde er in ein Lager im Emsland gebracht:
„Wir landeten in Lingen im Emsland. Noch am selben Tag ging es weiter ins Nebenlager Brual-Rhede III. … Meine übrigen Mitgefangenen waren überwiegend ‚kriminelle‘ Soldaten, Fahnenflüchtige und eben Homosexuelle.“
Kurz vor Kriegsende wurde Braehler angesichts heranrückender Truppen wieder zum Soldat gemacht. Nach dem Waffenstillstand „verdünnisierte“ er sich und machte sich auf die Flucht nach Nordenham (Oldenburger Land):
„Um die Ortschaften, die bereits von den Kanadiern besetzt waren, machten wir einen großen Bogen und kamen unbeschadet bis nach Nordenham, wo wir von der Familie eines Kameraden gastlich aufgenommen wurden. … Nach ein paar Tagen kam ein Freund des Kameraden, der von nun am im gleichen Bett zwischen mir und ihm schlief. Die beiden waren jede Nacht sexuell sehr miteinander beschäftigt. Ich nahm davon keine Notiz, weil ich den festen Vorsatz hatte, von der Geschlechtlichkeit loszukommen.“
alle Zitate: Johann-Rudolf Braehler, Jahrgang 1914, Wehrmachststraflager Brual-Rhede [Lager III der 15 Emslandlager], zitiert nach Stümke/Winkler: Rosa Winkel. Rosa Listen, Reinbek 1981
Braehler wurde auch nach 1945 wegen seiner Homosexualität strafrechtlich verfolgt. Er lebte nach 1945 u.a. in Stuttgart, später in der Eifel und in Köln.
Aufarbeitung der Verfolgung Homosexueller in Oldenburg
2011 startete die Arbeitsgruppe ‚Geschichte der Gesundheits- und Sozialpolitik‘ an der Universität Oldenburg den Versuch, Schicksale Homosexueller aus dem Oldenburger Raum aufzuklären. Knappe Mittel erschwerrten die Arbeit. Die Arbeitsgruppe wurde inzwischen aufgelöst.
Hans Bürger-Prinz wurde als Hans Bürger am 16. November 1897 in Weinheim geboren. Sein leiblicher Vater war der Oberpostsekretär Joseph Bürger. 1929 wurde Hans Bürger durch den Justitiar Gerhard Prinz adoptiert, dadurch entstand der Nachname Bürger-Prinz.
Nach dem Abitur in Köln studierte er in Bonn und Köln. Promotion und 1930 Habilitation erfolgten in Köln. 1936 zog Bürger-Prinz nach Hamburg, wo er am 1. April 1936 Nachfolger des 1934 entlassenen und im April 1939 nach KZ-Haft (KZ Sachsenhausen) in die USA emigrierten Hermann Josephy (1897 – 1960) zunächst kommissarischer Leiter der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik (bis 1942 Friedrichsberg, ab dann Universitäts-Krankenhaus Eppendorf UKE) wurde.
Nach kurzer (knapp 2 Jahre) Suspendierung 1945 bis 1947 setzte er seine Tätigkeit „als ordentlicher Professor und Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik“ ab 4. März 1947 fort. Am 1. Juli 1948 wurde er als ‚entlastet‘ klassifiziert.
Bürger-Prinz starb am 29. Januar 1976 in Hamburg. Er wurde auf dem Friedhof Hamburg-Blankenese beigesetzt.
Der Hamburger Psychiater spricht vor der 46. Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche und soziale Medizin in Kiel, 8. September 1967 – Magnussen, Friedrich (1914-1987) – Stadtarchiv Kiel – Lizenz CC BY-SA 3.0 de
Hans Bürger-Prinz in der NS-Zeit
Hans Bürger-Prinz wurde im April 1933 Mitglied der NSDAP, im Mai 1933 auch der SA, später auch weiterer NS-Organisationen.
Er fungierte seit 1938 ehrenamtlich Richter am Hamburger Erbgesundheitsgericht, das insbes. über Zwangssterilisationen entschied.
„Er war Richter bzw. Beisitzer an den Erbgesundheitsgerichten in Leipzig und Hamburg, die mit der Umsetzung des ‚Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ vom 14. Juli 1933 befasst waren. Er organisierte mit Ofterdinger [damals Gesundheitssenator; d.Verf.] die Selektion der Psychiatriepatienten in Hamburg in heilbare und unheilbare und unterstützte somit auch ohne Meldebogen die ‚Aktion T 4‘ an seiner Klinik.“
Hippius, Holdorff, Schliack 2006, S. 44
Die ‚Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität‘, deren Leiter er seit 1936 war, spielte eine wesentliche Rolle bei der Durchführung der ‚Euthanasie-Morde‚ im Raum Hamburg: als ‚behandlungsunwürdig‘ erachtete Patient*innen wurden von hier nach Langenhorn verlegt, von wo sie in Tötungsanstalten deportiert wurden.
Die Vergasungsaktion (auch Mordaktion T4) versuchte Bürger-Prinz für seine Klinik zu nutzen. Angesichts zunehmenden Mangels an männlichen Kräften infolge des Kriegs schrieb er zwei Monate vor Ende der Aktion
„… wäre es der Klinik sehr erwünscht, Pflegepersonal zu erhalten, das infolge der in den Heil- und Pflegeanstalten durchgeführten … Maßnahmen des Reichsminister des Innern freigeworden ist oder noch frei wird. … Die Klinik beantragt daher, an die zuständigen Stellen heranzutreten, um besonders dem großen Mangel an männlichem Pflegepersonal abzuhelfen. Der Direktor gez. Bürger-Prinz“.
Hans Bürger-Prinz, damals Direktor Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität Hamburg Eppendorf, Juni 1941 [zitiert nach Dr. Dietrich Kuhlbrodt Oberstaatsanwalt i.R., ‚Euthanasie als Verwaltungshandeln im Nationalsozialismus‘, in: Gedenkschrift zur Erinnerung an Kinderopfer in der NS-Zeit, Hamburg 1999
Über die Folgen seiner Tätigkeit als Psychiater des Wehrkreises X vermutet Roth
„Wir wissen nicht, wie viel Kriegsneurotiker von Bürger-Prinz an die Exekutionskommandos der Kriegsgerichte ausgeliefert wurden, ihre Zahl geht wahrscheinlich in die Dutzende.“
Karl Heinz Roth: Großhungern und Gehorchen. Das Universitätskrankenhaus Eppendorf, in: Angelika Ebbinghaus, Heidrun Kaupen-Haas, Karl Heinz Roth: Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg. Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich, Hamburg 1984
Bürger-Prinz‘ Rolle während der NS-Zeit ist bis heute nicht abschließend untersucht und aufgearbeitet.
Seine Rolle während dieser Zeit, insbesondere im Zusammenhang mit den nationalsozialistischen ‚Euthanasie‘-Verbrechen, konnte bis heute nicht restlos geklärt werden.
Dr. Kai Sammet, UKE, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, UKE news Dezember 2006
Bürger-Prinz und Homosexualität
Eine undatierte ‚Aufstellung der HR‘ für den Wehrkreis X (Hamburg) führt den
„Stabsarzt Prof. Bürger-Prinz, Hamburg, Nervenklinik der Universität“
auf als
„vorzuschlagenden Gutachter für homosexuelle Delikte zwecks Unterscheidung zwischen einmaligen Handlungen und Anlagebedingtheit“
Quelle: Günter Grau, Homosexualität in der NS-Zeit
Hans Bürger-Prinz in der Bundesrepublik – Sexualforschung in NS-Denkmustern ?
„In der jungen Bundesrepublik gaben vor allem zwei Mediziner den Ton im sexualwissenschaftlichen Diskurs an, Hans Bürger-Prinz und Hans Giese, beide tätig am Hamburger Institut für Sexualforschung. Sowohl Bürger-Prinz als auch Giese erhielten ihre antiliberale und im Übrigen an einem Blut-und-Boden-Bild orientierte Ausbildung während der Nazizeit. Durch ihr Wirken wurde der Paragraf 175 in seiner verschärften NS-Fassung in den Fünfzigerjahren beibehalten.“
Jan Feddersen 2000
Bürger-Prinz veröffentlichte 1963 gemeinsam mit Fritz Bauer, Hans Giese und Herbert Jäger ‚Sexualität und Verbrechen – Beiträge zur Strafrechtsreform‘.
„Bürger-Prinz förderte die wissenschaftliche Karriere Gieses bereits in der Nazi-Zeit und verschaffte ihm später eine Professur in Hamburg. Zwar folge Giese Bürger-Prinz‘ Lehrmeinung nicht in allen Punkten, allerdings übernahm er von ihm die Auffassung, Homosexualität werde durch Verführung erworben. Der Historiker Bernd-Ulrich Hergemöller ist der Auffassung, dass diese beiden die deutsche Sexualforschung der Nachkriegszeit weitgehend im Sinne der Denkmuster der NS-Zeit beeinflussten.“
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