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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Martin Dannecker Rede zur Einweihung des Magnus- Hirschfeld- Ufer am 6. Mai 2008

Zur Einweihung des Magnus-Hirschfeld-Ufers am 6. Mai 2008 hier als Dokumentation die Rede von Prof. Martin Dannecker:

Rede zur Einweihung des Magnus-Hirschfeld-Ufer am 6. Mai 2008

Heute vor 75 Jahren drangen in weiße Hemden gekleidete Studenten der Berliner Hochschule für Leibesübungen als Auftakt der „Aktion wider den undeutschen Geist“ in das Institut für Sexualwissenschaft ein. Unter den barbarischen Klängen einer Blaskapelle, die vor dem Haus Aufstellung bezogen hatte, zerstörten sie die Einrichtung des Instituts und plünderten dessen Bestände, luden sie auf einen großen Lastwagen und transportierten sie ab. Ein erheblicher Teil davon landete wenige Tage später auf dem von nationalsozialistischen Horden errichteten Scheiterhaufen. Auf diesem wurden, begleitet von dem Feuerspruch „gegen die seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens“, am 10. Mai 1933 die Schriften von Magnus Hirschfeld und Sigmund Freud verbrannt.

Vernichtet wurde in jenen Tagen das Lebenswerk des homosexuellen Juden Magnus Hirschfeld, der, nicht weit von hier, das weltweit erste Institut für Sexualwissenschaft im Jahr 1919 eingerichtet und bis zu dessen Zerstörung geleitet hat. Hirschfeld befand sich in jener schrecklichen Zeit bereits im Exil. Er, der schon mehrfach von Nazis angegriffen und 1921 bei einem Attentat schwer verletzt wurde, hatte sich angesichts der immer mächtiger werdenden nationalsozialistischen Umtriebe entschlossen, von einer im Jahr 1930 angetretenen Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Im Exil ist er an seinem 67. Geburtstag in Nizza gestorben.

Martin Dannecker Rede zur Einweihung des Magnus- Hirschfeld- Ufer am 6. Mai 2008
Martin Dannecker Rede zur Einweihung des Magnus- Hirschfeld- Ufer am 6. Mai 2008

Hirschfeld, der am 14. Mai 1868 im pommerschen Kolberg als Sohn eines angesehenen Arztes geboren wurde, ist mit Berlin auf besondere Weise verbunden. Hier, in Charlottenburg, lässt er sich, nachdem er vorher zwei Jahre in Magdeburg praktiziert hatte, 1896 als 28-jähriger Arzt nieder. Offenbar befand er sich während dieser Zeit in hochgespannter Stimmung, die ausgelöst wurde durch den Selbstmord eines homosexuellen Patienten von ihm und durch die Verurteilung des homosexuellen Dichters Oscar Wildes wegen „Verletzung der Sittlichkeit“ im Jahr 1895.

Diese beiden Ereignisse, so betonte Hirschfeld später immer wieder, hätten den Anstoß für seine wissenschaftliche und sexualreformerische Beschäftigung mit der Homosexualität gegeben. Der Fall des berühmten Dichters ins Nichts und der Selbstmord seines homosexuellen Patienten konnten einen, der sexuell und erotisch dem gleichen Geschlecht zugeneigt war, nicht gleichgültig lassen. Denn als Homosexueller identifiziert man sich nolens volens mit dem Schicksal anderer Homosexueller, was bedrohlich sein kann. Die Reaktionen auf die Bedrohung fallen je nach historischem Ort und individueller Voraussetzung ganz unterschiedlich aus. In Magnus Hirschfeld, der ein mutiger Mann war, reifte aus dem Gefühl der latenten Bedrohung der Entschluss heran, die Welt so zu verändern, dass in ihr auch einer wie er einen sicheren und reputierlichen Platz haben kann. Dergleichen aber muss von den Metropolen aus durchgesetzt und es muss politisch organisiert werden. Und kaum in Berlin angekommen, publizierte Hirschfeld unter dem Titel „Sappho und Sokrates“ seinen ersten sexualwissenschaftlichen Text, der mit dem nicht geringen Anspruch auftrat, die gleichgeschlechtliche Liebe zu erklären.

Mit einer gewissen Berechtigung kann dieser Text als das Gründungsmanifest der ersten Homosexuellenbewegung in der Geschichte bezeichnet werden. Denn die kleine Schrift muss zusammengedacht werden mit der kurz nach deren Publikation erfolgten Gründung des „Wissenschaftlich-humanitären Komitees“ (WhK) im Jahr 1897, dessen Vorsitzender Hirschfeld bis 1929 blieb. Das WhK war nichts anderes als eine später zu einer Bewegung angewachsene Gruppierung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, im Namen der Wissenschaft die Gleichstellung Heterosexueller und Homosexueller durchzusetzen. Damit war mehr als die rechtliche Gleichstellung gemeint, auch wenn die Änderung des § 175 vom WhK als vordringlich angesehen wurde.

Sexualwissenschaft und Sexualreform waren für Hirschfeld untrennbar miteinander verknüpft. Durchdrungen von der Überzeugung, dass Wissen zur Vernunft führt, rückte er mit einem unbändigen Willen zum Wissen der Sexualität, nicht nur jener der Homosexuellen, zu Leibe. Er erforschte sie mit empirischen Mitteln, was damals neu und überaus originell war und zu Einsichten führte, die nicht vom klinischen Blick zugerichtet waren. Eine solche, durch ihr sexualreformerisches Standbein genuin politische Sexualwissenschaft hat es so nicht mehr gegeben. Die Nationalsozialisten, die sich durchaus sexualwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Legitimierung ihrer Interessen bedienten, haben der Sexualwissenschaft ihre sexualreformerischen Füße abgeschlagen. Danach ging sie auf dem Kopf und hat sich erst sehr viel später wieder dem Gedanken angenähert, dass Sexualwissenschaft etwas mit der Befreiung der Sexualität zu tun hat und es folglich zu ihren Aufgaben gehört, den wie auch immer gearteten gesellschaftlichen Zugriff auf das Sexuelle zu analysieren.

Auch das außerhalb der Universität angesiedelte Hirschfeldsche Institut für Sexualwissenschaft ist, was seine in ihm gebündelten und von ihm ausgehenden Aktivitäten anbelangt, eine singuläre Erscheinung. In ihm wurde archiviert, geforscht, beraten, behandelt und fortgebildet, es organisierte Aufklärungsveranstaltungen, und das alles in bemerkenswertem Umfang. Darüber hinaus trafen sich im Institut Menschen mit einer nicht der Norm entsprechenden Sexualität. Seine Türen standen jedoch auch Besuchern aus Wissenschaft, Politik und Kunst weit offen. Fragt man sich aus der Perspektive universitärer Einrichtungen, wie das alles zu bewältigen war, kann man nur antworten: das alles wäre innerhalb einer Universität, in der es weitaus weniger bewegt zugeht, nicht möglich gewesen. Das Besondere an dem Institut von Hirschfeld liegt für mich gerade darin, dass es zwar eine wissenschaftliche Einrichtung, aber keine akademische Institution mit den einer solchen eigenen Strukturen und Gesetzen war.

Hirschfelds wissenschaftliche Grundüberzeugung, auf deren Basis er das sexuelle Leben verändern und die Reform des Strafrechts durchsetzen wollte, bestand in einem ebenso groben wie naiven Biologismus. Er hat die als widernatürlich bezeichnete Homosexualität und andere, von der Heterosexualität abweichende Sexualitäten kurzerhand der Natur zugeschlagen, das heißt, sie als angeboren bestimmt. Ihm zufolge handelt es sich bei der konträren Sexualempfindung um einen tief innerlichen konstitutionellen Naturtrieb. Ein so verstandener Trieb sei dem freien Willen entzogen, woraus folgt, dass das positive Recht sich gegen die Natur stellt und damit Unrecht ist. Mit dieser Erweiterung der Natur des Geschlechtstriebes, so glaubte Hirschfeld, sei die hegemoniale Heterosexualität entthront, was dazu führen müsse, die anderen Sexualitäten als gleichberechtigt anzusehen und anzuerkennen. Aus dieser theoretischen Grundüberzeugung folgt gewissermaßen das sexualwissenschaftliche Programm Hirschfelds oder, anders gesagt, sein lebenslanges Interesse an den nicht heterosexuellen Sexualitäten. Diese fungieren gleichsam als Wirklichkeitsphänomene, die schon durch ihre bloße Existenz belegen, dass Sexualität nicht nur Heterosexualität, sondern sehr viel mehr ist und den damals gängigen Vorstellungen ein viel zu enger Begriff von Sexualität zugrunde liegt.

Was Hirschfeld versuchte, war, die biologische Norm mit dem mit ihr zusammengedachten spezifischen, sprich heterosexuellen, Sexualobjekt zu erweitern. Die Idee einer biologischen Norm wurde durch diese Erweiterung indes nicht außer Kraft gesetzt. Freud ging in der ersten der „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ in dieser Hinsicht sehr viel weiter. Bei ihm findet sich keine relevante Formulierung, die den Begriff einer biologischen Norm rechtfertigen würde. Freud zufolge hat der Sexualtrieb kein spezifisches Objekt und es fehlt ihm auch die ihm von Hirschfeld unterstellte Finalität. Im Gegensatz zu Hirschfeld, der alle möglichen Sexualobjekte der Natur zuschlug und sie als angeboren bezeichnete, ist für Freud der Geschlechtstrieb von Natur aus unabhängig von seinem Objekt. Diese grundstürzende Einsicht in die Unabhängigkeit des Triebes von seinem Objekt verlangt nicht weniger, als sich von der Idee einer angeborenen Heterosexualität zu verabschieden.
Zugeschlagen hat Hirschfeld der Natur in seiner interessanten Zwischenstufenlehre aber nicht nur das Sexualobjekt, sondern auch die von ihm beobachteten sexuellen und seelischen Geschlechtseigenschaften. Die körperlich männlichen homosexuellen Männer sind ihm zufolge von Natur aus mit deutlichen Zügen des Gegengeschlechts, also weiblichen Zügen ausgestattet. Damit versucht Hirschfeld eine Antwort auf die alte Frage, was für Männer homosexuelle Männer eigentlich sind und was die männerliebenden Männer an ihren Sexualobjekten begehren. Dadurch, dass Hirschfeld das Differente, das Feminine an den homosexuellen Männern immer betont hat, brachte er zum Vorschein, dass es andere als die damals gängigen Möglichkeiten gibt, männlich zu sein, worauf sowohl jene homosexuellen Männer, die die klischierte Männlichkeit adorierten, als auch die heterosexuellen Männerhelden mit heftiger Ablehnung, ja Wut reagierten. Und er brachte durch sein Beharren auf der biologischen Verankerung der sexuellen Zwischenstufen ins allgemeine Bewusstsein, dass Anerkennung immer die Anerkennung von Unterschieden erfordert. Das ist ein bis heute gültiges sexualpolitisches Programm, auch wenn wir uns die Unterschiede gegenwärtig als sozial konstruiert und nicht als biologisch determiniert denken.

Heute wird in Erinnerung an Magnus Hirschfeld ein Uferstück nach ihm benannt. Was fehlt, ist die Wiedererrichtung eines sexualwissenschaftlichen Instituts, das Hirschfelds tragfähige Intentionen aufgreift. Ohne ein solches Institut bliebe die Erinnerung an ihn nur fragmentarisch. Die Initiative „Queer Nations“ hat dieses, durch die Zerstörung seines Instituts zu einer bloßen Idee gewordene, Erbe Hirschfelds aufgegriffen, um es im Gedenken an ihn wieder zu materialisieren. Ich hoffe, dass ihr das bald gelingt.
Prof. Dr. Martin Dannecker, Berlin

vielen Dank an Martin Dannecker für das Einverständnis

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Text 6. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Aids Zeitenwende 2008

2008 erscheint zunächst bisher als Jahr der schlechten Nachrichten für den Aids-Bereich. Und doch, es könnte sich als eine ähnlich bedeutende Zeitenwende wie zuletzt 1996 erweisen.

Gut sieht es nicht aus auf den ersten Blick. Bedeutende Impfstoff-Studien sind spektakulär gescheitert, viele sprechen von der ‚Vakzine-Depression‘, wenn sie die Situation der Rat- und oftmals Hoffnunglosigkeit beschreiben wollen, noch einen gegen HIV wirksamen Impfstoff entwickeln zu können. Fragen werden gestellt, ob es an der Zeit sei, die HIV-Impfstoffforschung aufzugeben oder zumindest zu Grundlagenforschung zurück zu kehren.
Zudem erleidet die Forschung zu Mikrobiziden -einem besonders für den Selbstschutz von Frauen sehr wichtigen, hier wenig beachteten Forschungsbereich- Rückschläge.

Doch die Nachricht des Jahres dürfte bisher das Statement der Eidgenössischen Aids-Komission EKAF „keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs“ sein.
Die Botschaft: unter den von den Schweizern genannten Bedingungen (erfolgreiche HAART, Viruslast seit mind. 6 Monaten unter der Nachweisgrenze, keine Infektionen mit sexuell übertragbaren Erregern) ist eine HIV-infizierte Person „sexuell nicht infektiös„.

Nie zuvor ist diese Botschaft in der Öffentlichkeit von Gesundheitsexperten geäußert worden, war bisher nur Hinterzimmern und privaten Gesprächen vorbehalten.
Und selten hat ein Aids-Statement in jüngerer Zeit mehr aufgeregte Reaktionen hervorgerufen.

Mit dieser Botschaft wird zunächst von vielen Positiven eine große Last genommen. Sie eröffnet neue Chancen auf positives Selbstbewußtsein, auf angstfreier gelebte Sexualität.
Welch wunderbar befreiende Botschaft, unter bestimmten Umständen nicht mehr infektiös zu sein!

Insbesondere (aber nicht nur) für serodiskordante Paare (ein Partner HIV-negativ, ein Partner HIV-Positiv) stellt diese Botschaft eine potenziell sehr befreiende Nachricht dar. Zudem ermöglicht sie zukünftig unter bestimmten Bedingungen, leichter einen Kinderwunsch zu realisieren.

Auch in der Prävention wird die Botschaft gravierende Auswirkungen haben. Dabei scheint die Angst vieler ‚Präventionisten‘ manchmal schwer nachvollziehbar. ‚Kein Risiko‘, diese Konstellation existiert in Sachen Sex nicht. Dass Sex ohne Risiko kaum denkbar ist (nur ‚kein Sex‘ ist risikofreier Sex), dieser Gedanke scheint sich noch nicht überall herum gesprochen zu haben.
Gerade angesichts der derzeitigen Probleme bei einigen bedeutenden präventiven Ansätzen (Impfstoffe, Mikrobizide) sollten doch auch die Chance nicht außer Acht gelassen werden, die in Therapien unter präventiven Aspekten liegen können.

Zudem wird die Schweizer Botschaft auch die Debatten um PEP (post- Expositions- Prophylaxe) neu beleben – ist bei einem erfolgreich therapierten Sexpartner wirklich immer eine PEP erforderlich, angesichts potenzieller Nebenwirkungen verantwortbar?

Was ist „safer Sex“? Oder genauer, „wann ist Sex ’safer‘?„, diese Frage dürfte zukünftig neu zu stellen sein. Sicher gehört dazu die Verwendung von Kondomen. Jedoch – es mag sich erweisen, dass auch eine erfolgreiche Therapie unter bestimmten Bedingungen zu Konstellationen führen kann, in denen kondomloser Sex „safer“ ist.

Das Jahr 2008 könnte sich mit der Schweizer Botschaft – später, im Nachhinein betrachtet – als ähnliche Zeitenwende für Menschen mit HIV und Aids erweisen wie das Jahr 1996.

1996 brachte für Positive die Wende von der Aussicht auf absehbaren Tod hin zu einem Leben mit einer oftmals langfristig behandelbaren chronischen Infektion. HIV-infiziert, das heisst seit 1996 nicht mehr zwangsläufig ‚dem Tod geweiht‘ – 1996 brachte wie es Martin Dannecker formulierte die ‚Auflösung der Gleichsetzung von HIV und Tod‘.

2008 könnte sich als Wende erweisen im Bild von Positiven. Als Abkehr vom dämonisierten Aids. Als Wende in der Wahrnehmung von Positiven, von der potenziell gefährlichen Bedrohung zum attraktiven Sexpartner.

Und als weiterer Schritt in der Wende vom bedeutungsvollen Aids hin zu einer (unter vielen) bedeutungsvollen, aber behandelbaren Erkrankungen, die nicht mehr ganze Biographien über den Haufen wirft.

Vielleicht sogar eine Wende zu einer Situation, in der das vergessene Wort Heilung wieder auf die Agenda kommt. In der neue Ansätze (wie Stammzell-Therapie, Stichwort Berlin Patient) die Perspektive einer Heilung von HIV eröffnen …

Die Diskussionen um kondomfreien Sex bei stabil nicht nachweisbarer Viruslast und keinen STDs hat gerade erst begonnen. Zu gerne würden einige diese Diskussion verhindern (‚das darf man doch nicht laut sagen‘) – Positive sollten sich um ihrer selbst willen engagiert an den Debatten beteiligen, sie einfordern. Und darauf bestehen, dass die Frage, welches Risiko letztlich akzeptabel ist, eine persönliche Entscheidung ist, die von den beteiligten Partnern getroffen wird – nicht von Beamten oder Bürokraten.

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Text 6. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Italien

Penis klassisch

Nun denn, wenn ‘richtige Penis – Bilder‘ so erfolgreich sind [bezog sich antwortend auf einen inzwischen gelöschten Post eines anderen Bloggers; d.Verf.], mag ich ja nicht abseits stehen ;-) .

Die gab’s auch klassisch genügend zu sehen … und garantiert ohne Adenosin im Penis ;-) .
Hier einige Urlaubs-Souvenirs aus Neapel

Penis klassisch – Fotos

 Penis

 Penis 01

 Penis 02

Penis 03

Penis 04

 Penis klassisch

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Berlin

Familiengeschichten rastende Anal-Olfen

Café Anal, Möbel Olfe, Raststätte Gnadenbrot – Berliner Heimstätten der ganz eigenen Art. Ein ‘Lebens-Kochbuch’ mit Rezepten aus Schmelztopf und Tresenbuch …

Frühmorgens flattert letztens eine tief des Nachts losgeflogene Brieftaube vorbei, lässt einige blau-türkise Logo-Farbsprengsel fallen, dabei einige Zeilen … sie hat lange gebraucht, die kleine Brieftaube, für den kurzen Weg um einige Straßenecken und Häusermeere … und ruft mit ihrem Lockruf Erinnerungen wach …

Da wird etwas beworben, das große “Raststätten-Möbel-Olfe-(und ein bisschen Cafe Anal)-Lebens-Kochbuch” …

Anal, Olfe und Raste – Kosenamen für Etablissements, die vielleicht dem nicht-Berliner und nicht-schwulen Leser weniger sagen.

Die ‘Raststätte Gnadenbrot’ liegt zwar an so mancher Autobahn, aber eine Raststätte klassischen Typs sollte der Besucher nicht erwarten …
… in der ‘Möbel Olfe’ werden Möbel heute nur noch äußerst selten gehandelt …
… und im ‘Café Anal’ ist leider schon lange Schicht, anal und banal nichts mehr los …

Die drei Etablissements sind auf verschlungenen Wegen der Zeit mit einander verschwippschwagerschwiegerwandt …
Fragen wir die kleine Brieftaube:

“Da ist dieses kleine Restaurant, nein, nicht am Ende des Universums, sondern mitten drin, mitten im Universum, an einer vierspurigen, vielbefahrenen Straße und Kreuzung im Berliner Bezirk Schöneberg. Dieser Schmelztopf heißt Raststätte Gnadenbrot, manchmal kurz Raste genannt, manchmal einfach auch nur Brot.
Die Raste ist Aufenthaltsort einiger Großstadtnomaden, die auf der Suche nach Nahrung, Getränk und Wärme durch die Strassen und U-Bahnen irrten, bis sie hier ein Zuhause fanden.”

Aber die Zuflucht bietende Raste ist gar nicht so allein, sie hat eine Mutter,

“Das Gnadenbrot hat eine Mutter, eine ziemlich wilde Mama , die am Kotti lebt. Der Kotti ist das Zentrum vom Berliner Bezirk Kreuzberg. Am Kotti steht das NKZ das “Neue Kreuzberger Zentrum”, eine Bausünde aus den 70igern. In einer Abteilung dieser Bausünde ist die “Möbel Olfe”, eine Trinkhalle, in der Beton noch ist was man daraus macht.”

Und wie es sich für eine gute Familie gehört, gibt’s auch noch ne alte Oma …

… eine “Oma, die schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilt, aber in Geschichten und Anekdoten immer wieder auftaucht, das “Café Anal”, Friede seiner Asche.”

Anal, Olfe, Raste.
Mit der Olfe (dem ‘ewigen Geheimtipp‘, welch Irrtum) bin ich nie ‘richtig warm geworden’. Das mag an ihrer Lage liegen (schon die Raste liegt ja eher am Dorfausgang, aber die Olfe weit jenseits des heimischen Angers), an Größe und Höhe, Beton und und …

Die Raste hingegen ist eines der Etablissements, die -wenn er denn verliehen werden würde- Anwärter auf den Preis des persönlich bevorzugten Wohnzimmers wäre …
So mancher harte Tag könnte hier seinen sanften Ausklang finden, so manches Schäferstündchen seine Wiese Terrasse, so mancher launische Abend findet ohne Karneval statt … auch wenn die ein oder andere Nacht zu furchtbaren Sehstörungen führen kann.

An das Café Anal gibt es schöne, bizarre Erinnerungen, aber auch schmerzhafte.
Das Café Anal eröffnete im Februar 1990 in der Muskauer 15. Es war

“ein Nonprofit-Kollektiv mit Polit-Anspruch. Vorfinanziert mit linken Krediten, verstanden sie sich als Antwort radikaler Tunten auf zwangsautonome Hegemonie. Juristisch als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts geführt, bestand die Gründungsgruppe aus ca. 10 Leuten. Man einigte sich auf einen Einheitslohn von 12,50 DM die Stunde und im wöchentlichen Plenum ging es um Fragen von “Wie koche ich Milchkaffee” bis zur Endlosdiskussion um das Für und Wieder einer Duldung heterosexueller Handlungen im Café.”

(etuxx)

Im Anal war trotz Kulturbeitrag ab und an der “Tresenspülausguß verstopft” und das “Herrentoilettenlicht macht auch ganz komische Sachen”(so so …, wenn’s das Anal-Tresenbuch nicht gäbe …). Tja, das Anal war unfreiwillig Trendsetter, in vielerlei Hinsicht, nur die Arschtapete konnte sich über die Jahre nicht recht durchsetzen …

“Gebenefizt wurde was das Zeug hält und Montagnacht hatten Schwanzträger keine Chance auf Einlaß; einem Umstand, der weitreichende Folgen haben sollte. Das Café Anal war in der ersten Hälfte der 90iger das Kiez-Wohnzimmer für alle Abweichler vom schwulen Mainstream und gleichzeitig das niedrigschwellige Angebot für linke Heten mit Coming-Out Hemmungen. Stilbildend auch das Interieur: Nachwende-Tuntenbarock vom Feinsten, Springbrunnen, Plüschvorhänge, Plastik-Trash aus den umliegenden, türkischen In- und Exportläden. Das Highlight der Anfangsjahre war die legendäre Arschtapete, die später einer der zahlreichen, gruppendynamischen Renovierungen zum Opfer fiel.” (etuxx)

Hier schaute der “Prinz in Hölleland” vorbei und Irmgard Knef machte ihre ersten Gehversuche … zahlreiche antischwule Gewalt-Angriffe richteten sich gegen diesen Freiraum, und auch Polizisten verprügelten Gäste im Café Anal.

Irgendwann war seine Zeit abgelaufen … doch er wird immer wieder vermisst der Freiraum Café Anal, landete noch 2004 auf Platz 4 der Kategorie ‘am meisten vermisst’ der Siegessäule.
Immerhin, es gibt ja nun die Raste …

Und – das “Raststätten – Möbel – Olfen – und ein bisschen Cafe Anal – Lebens – Kochbuch”, das wäre doch ein schönes Geschenk zum dreieinhalbten Advent.

Leider gibt es dieses Kochbuch noch nicht, die Brieftaube schaut ratlos durch’s Fenster …
Damit’s was wird … mit dran schreiben, hier

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Gedenken an verfolgte Homosexuelle: Homo-Mahnmal Tel Aviv

Israel hat seit 2013 sein erstes Mahnmal für die im Holocaust vernichteten Homosexuellen – das Homo-Mahnmal Tel  Aviv. 2008 vom Bürgermeister von Tel Aviv angekündigt, wurde es 2013 eingeweiht.

Seit 2013 gibt es das Homomonument in Tel Aviv – das Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle.

Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle / Homomonument in Tel Aviv / Israel (Foto: Christian Till, Lizenz cc-by-sa 4.0)
Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle in Tel Aviv / Israel (Foto: Christian Till, Lizenz cc-by-sa 4.0)

Das Denkmal für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle wurde am 10. Januar 2014 in Tel Aviv, Israel eingeweiht.Christian TillCC-BY-SA 4.0

Am 2. Mai ist in Israel Holocaust Remembrance Day (Yom Hashoah). Ein Feiertag, ein besonderer Tag jedes Jahr, sich bewusst zu machen, dass der Holocaust mehr ist als ‘nur’ Teil der Geschichte. Sich zu erinnern an diejenigen die litten, diejenigen die kämpften, diejenigen die starben. An sechs Millionen ermordete Juden.

Der Holocaust – in den KZs der Nazis, an den Folgen der Terrorherrschaft litten und starben über sechs Millionen Juden, sowie auch Angehörige zahlreicher anderer Gruppen, z.B. Kommunisten und Sozialdemokraten, Roma und Sinti, aus religiösen Gründen Verfolgte. Und tausende homosexueller Männer und Frauen, die schwulen Männer meist gekennzeichnet mit dem ‘Rosa Winkel’.

Dieser homosexuelle Holocaust-Opfer wird nun auch in Israel mit einem eigenen Monument gedacht werden, dem Homo-Mahnmal Tel Aviv . Der auch 2018 wiedergewählte Langzeit- Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, kündigte am 1. Mai 2008 an, ein Mahnmal zur Erinnerung an die homosexuellen Männer und Frauen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und im Holocaust vernichtet wurden, solle in Meir Garden in Tel Aviv errichtet werden.

Zum Gedenken an homosexuellen NS-Opfer existieren bisher weltweit nur wenige Mahnmale, z.B. in Amsterdam (Homomonument, 1987), Frankfurt am Main (Engel von Rosemarie von Trockel, 1994), Köln, Kopenhagen, San Francisco (Rosa Winkel Park, 2000/1), Sydney ( Gay and Lesbian Holocaust Memorial, 2001), Uruguay / Montevideo (‘Park of Sexual Diversity’, Rosa Winkel Monolith, 2005), in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sowie bereits seit 1989 die Gedenktafel Rosa Winkel am U-Bahnhof Nollendorfplatz, sowie Lübeck. In Frankreich erinnert inzwischen die ‚rue Pierre Seel’ in Toulouse an den wegen Homosexualität Verfolgten.

Am 10. Dezember 2013 weihte Bürgermeister Ron Huldai das von der Stadt Tel Aviv beauftragte und finanzierte Denkmal für homosexuelle NS-Opfer ein. Das in Form von Rosa Winkeln gestaltete Homo-Mahnmal Tel Aviv (Entwurf: Professorin Yael Moriah) befindet sich vor dem städtischen Sozialzentrum im Meir-Park.

Das Denkmal trägt (in hebräischer, englischer und deutscher Sprache, auf jedem der Winkel) die Inschrift

„Im Gedenken an jene, die vom Nazi-Regime aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Gender-Identität verfolgt wurden.“

Erinnert wird im Text u.a. an Magnus Hirschfeld, Gad Beck und Walther Gutman.

Ende Oktober 2018 wurde das Homo-Mahnmal Tel Aviv homophob beschmiert – Unbekannte hatten den Schriftzug ‚Death to LGBT‘ aufgesprüht. Die Polizei ermittelt.

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siehe auch Übersicht über die Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

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Homosexualitäten Kulturelles

Herbert Tobias (1924 – 1982)

Der Photograph Herbert Tobias starb am 17. August 1982 in Hamburg an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias gilt als einer der bedeutendsten und doch heute nur wenig bekannten deutschen Photographen der Nachkriegszeit.

Herbert Tobias wird am 14. Dezember 1924 in Dessau geboren, arbeitet vorübergehend an den Werkstätten des Bauhauses. Er verbringt Jugendjahre u.a. in Höxter. Nach dem Zweiten Weltkrieg besucht er in Siegburg die Schauspielschule, erhält ein Engagement bei einem kleinen Tournee-Theater.

In Paris arbeitet er als Photograph bei dem bekannten Mode-Photographen Willy Maywald, hat erste Veröffentlichungen. Tobias verlässt 1953 Paris plötzlich, siedelt 1954 nach Berlin um – er ist in einer Pariser Klappe verhaftet, anschließend wegen ‘Erregung öffentlichen Ärgernisses’ verurteilt und nach Deutschland abgeschoben worden.
In Berlin entstehen zahlreiche Mode- und Prominenten-Photos (Knef, Leander, Flickenschildt), u.a. auch vom (damals noch völlig unbekannten) Andreas Baader [vgl. Ulrike Meinhof] (Interview mit Prof. Rolf Sachsse über Herbert Tobias in der taz). Tobias wird Cover-Gestalter für die ‘Deutsche Grammophon’.

Doch mitten im Erfolg verlässt er Berlin wieder, wechselt 1969 nach Hamburg. Engagiert sich politisch. Über die früheren ‘St. Pauli Nachrichten’ lernt Herbert Tobias in den 1970ern u.a. Hans Eppendorfer kennen. Gestaltet zahlreiche Platten-Cover und wird insbesondere durch seine Arbeiten für mehrere ‘Homosexuellen-Magazine’ (wie him applaus, Du & Ich, …) und schwule Pornohefte bekannt.

Herbert Tobias erkrankt im Februar 1982. Am 17. August 1982 stirbt er in Hamburg im Alter von 57 Jahren an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg)
Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg; Lizenz cc by-sa 3.0)

Photographer Herbert Tobias, tomb on the main-cemetery in Hamburg-AltonaFoto: Udo Grimberg – CC BY-SA 3.0 de

Die Kosten der Beisetzung des verarmten Tobias auf dem Hauptfriedhof Altona übernimmt die Hamburger Sozialbehörde. Nach 25 Jahren soll das Grab 2007 eingeebnet werden. Einer Initiative um Bernhard Rosenkranz gelingt jedoch 2007 eine Umwandlung in ein Ehrengrab.

Das Archiv von Herbert Tobias befindet sich seit 1986 in der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie.

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Erstmal gab ab Mitte Mai 2008 eine Ausstellung einen Überblick über Schaffen und Werk des Photographen Tobias. Am 15. Mai eröffnete in der Berlinischen Galerie die Retrospektive “Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”. Die Ausstellung bot mit 200 zum Teil noch nie gezeigten Arbeiten einen Überblick über Tobias’ Schaffen.

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Herbert Tobias – Namen und Steine Bonn

Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn
Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn

Stein für Herbert Tobias, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle

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“Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”
Berlinische Galerie
16. Mai bis 25. August 2008 (Vernissage 15. Mai, 19:00 Uhr)
danach 2009 Hamburg, Deichtorhallen.

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Nachdenkliches

Sartre in Stammheim

Am 4. Dezember 1974 besucht Jean-Paul Sartre in Stammheim Andreas Baader im Gefängnis. Eine lesenswerte Analyse von Wolfgang Kraushaar zeichnet Besuch, Wirkung und Hintergründe nach 34 Jahren nach.

Jean-Paul Sartre (21.6.1905 Paris – 15.4.1980 Paris), der französische Philosoph des Existenzialismus – was bringt ihn dazu, sich mit Andreas Baader zu treffen, dem seit Juni 1972 inhaftierten führenden Mann der RAF (’Rote Armee Fraktion’)? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung spürt dem Hintergründen des Treffens nach, zeichnet ein Bild einer damals völlig polarisierten, erblindenden Gesellschaft.

1972. Die Gründer der ‘Roten Armee Fraktion’ (RAF), unter ihnen die bekanntesten Protagonisten Andreas Baader (in Jugendjahren von Herbert Tobias photographiert) und Ulrike Meinhof, sind verhaftet. Im Herbst 1974 führen die Gefangenen ihren inzwischen dritten Hungerstreik durch. Sie wollen auf ihre Lage aufmerksam machen, eine Verbesserung der Haftbedingungen erreichen, sehen die Hungerstreiks auch als Teil des politischen Kampfes.

Eines politischen Kampfes, der die westdeutsche Gesellschaft zunehmend in den Herbst führt. Die gesamte Gesellschaft, so schien es mir, kam nicht heraus aus einer einzigen gigantischen schwarz-weiß-Malerei. Entweder man war für die BRD, oder dagegen, entweder für strikteste Terrorbekämpfung bis zur Aufgabe demokratischer Grundprinzipien oder eben Terrorist.
Selbst im kleinstädtische Gymnasium, das ich damals besuchte, war die zunehmende Polarisierung, Hysterie spürbar, konkret erlebbar. Nicht nur in Nachrichten und Provinzblatt-’Journalismus’, sondern auch z.B. in Hetze und Ausgrenzung gegen vermeintlich ‘linke’ Lehrer oder Schüler. Wer sich gegen Bestehendes auflehnte, versuchte kritisch zu denken, war beinahe automatisch zumindest ‘Sympathisant’.

Deutschland im Herbst“, so ist nicht nur der Titel eines Films von 1978 über diese Jahre, sondern diese Formulierung beschreibt auch das Lebensgefühl in zunehmend antifreiheitlicher werdenden Rahmenbedingungen.
Hysterie, bewusst geschürte Ängste, Hetze gegen alles Andersdenken. Eine Zeit, in der differenziertes Denken, Abwägen, Hören nach Zwischentönen, Ausbrechen aus schwarz-weiß-Dogmen nicht gefragt waren, ja bekämpft wurden. Beide Seiten beharrten auf Konfrontation, Polarisierung. Menschlichkeit, Freiheit, Vielfalt – sie schienen damals oft wie kalte Fremdworte einer anderen Welt.

In einer solch polarisierten Zeit besucht Jean-Paul Sartre Andreas Baader im Gefängnis. Sartre in Stammheim – ein Besuch, der ein Fiasko wird, für Baader und die RAF erfolglos, für Sartre persönliche Blamage.

Wolfgang Kraushaar zeichnet die Geschichte und Ergebnisse dieses Besuches Sartres nach. Er verweist detailliert auf Hintergründe und Bezüge, Rahmenbedingungen und gesellschaftliches Klima.

Er fragt, was Sartre zu diesem Besuch bewogen haben mag. Kraushaar weist deutlich darauf hin, wie sehr Vorbehalte gegen die BRD auch ihre Berechtigung haben konnten, insbesondere angesichts anfänglich umfassender personeller Kontinuitäten zwischen NS-Regime und westdeutschen Regierungsorganen. Sartre andererseits wird wohl mehr als nur von RAF-Gefangenen und ihren Anwälten in “einen Hinterhalt” gelockt worden sein (wie Hans Mayer es formulierte), sah auch die Chance, eine kritische Position zu unterstützen. Differenzierte Kritik jedoch war damals, im deutschen Herbst, kaum möglich, Zwischentöne wurden nicht gehört – eine taube Gesellschaft, die in eine schwarz-weiße Polarisierung stolpern, manchmal stürmen wollte.

Deutschland im Herbst – Jahre, die bei mir noch jetzt, in der Erinnerung, beklemmende Gefühle wach werden lassen.
Hans Joachim Klein, damals Chauffeur Sartres und Croissants bei jenem Besuch in Stammheim, später am Überfall auf das OPEC-Treffen in Wien beteiligt, dann RAF-Aussteiger, nannte seine 1979 publizierten Erinnerungen bezeichnenderweise “Rückkehr in die Menschlichkeit”…

Wolfgang Kraushaar: Sartre in Stammheim
in: Lettre International (deutschsprachige Ausgabe) Nr. 80, Frühjahr 2008

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Nachdenkliches

Heimat

Was ist eigentlich deine Heimat?
Diese Frage wird ja gelegentlich gestellt, oder ‘heimatliche Gefühle’ für einen Ort, eine Region bekundet.

Nun, was ist meine Heimat?
Häufig ist ja zunächst ganz banal gemeint “wo kommst du her”.
Eigentlich aber geht es ja um die Frage wo fühle ich mich heimatlich, zuhause.

Nun, den Ort meiner Geburt und Jugendjahre, jene trostlose Kleinstadt-Tristesse, die für sich einst mit ‘Industriestadt im Grünen‘ warb, diesen Ort empfinde ich schon lange nicht mehr als meine ‘Heimat’ (habe ich es je?), eher als fremdes Universum. Heimat, das ist für mich sicherlich nicht mein Geburtsort.

Manchmal frage ich mich, ob ‘Heimat’ überhaupt für mich ein Ort ist? Oder ist Heimat für mich eher ein Gefühl? Ein Gefühl des Wohlbefindens, des sich-zuhause-Fühlens?

Eine erste Näherung an dieses Gefühl würde dann spontan lauten, Heimat ist wo mein Mann und ich zusammen sind. Er ist ein solch tief reichender Faktor des Wohlbefindens für mich, dass dieser Gedanke für mich offensichtlich scheint, dieser Zusammenhang zwischen Heimat und Partner. Vielleicht, nein sicherlich im Idealfall noch ergänzt um die Anwesenheit einiger uns jeweils oder gemeinsam wichtiger Freunde. Ja, das könnte eine Idee von Heimat sein (als Metapher habe ich das ja ansatzweise im ‘Wohnturm‘ angedeutet).

ohne Titel – heimat, Naneci Yurdagül, 2020 (Ausstellung ‚Horizonte‘, Germanisches Nationalmusem Nürnberg, August 2023)

Und doch – ist das alleiniger Faktor für Heimat?
Ganz offensichtlich für mich nicht, lehrt mich meine Erfahrung.

Ich kann mich lebhaft an einige kürzere und längere Auslands-Aufenthalte erinnern, die mir auf verschiedene Weise klar gemacht haben, dass zu Heimat mehr als ‘nur’ Menschen gehören – dass es überhaupt etwas wie Heimat gibt. Selbst mit dem Mann und guten Freunden zusammen würde ich wohl auf längere Sicht in z.B. in China oder Malaysia kein Gefühl von Heimat bekommen.

Eher vielleicht, so meine Erfahrung, ein Vermissen der selbigen. So mancher Auslandsaufenthalt erwies sich als den eigenen Horizont erweiterndes Erlebnis, machte mir in einigen Fällen jedoch auch bald klar, dass schon zu meinem Wohlbefinden auch andere Rahmenbedingungen gehören. Kultureller Kontext, Wertesystem – Stichworte, die mir in den Sinn kommen.

Partner und Freunde sowie kultureller Kontext, zwei mögliche Faktoren des Gefühls ‘Heimat’.
Kultureller Kontext, das ist letztlich assoziiert mit Raum, mit Region. Womit sich indirekt letztlich doch wieder die Frage des Ortes stellt. Vielleicht muss es nur nicht ein einziger Ort sein.

Berlin, Hamburg, Köln, mit allen drei Orten verbinde ich unterschiedlich heimatliche Gefühle.
Ich freue mich bei jeder Abwesenheit wieder sehr auf Berlin, auf die Stadt, darauf einige mir sehr wichtige Menschen im Alltag um mich haben zu können, gemeinsam essen oder in’s Kino zu gehen, spazieren, plaudern, sich spontan treffen und Zeit gemeinsam verbringen. Und doch – der Mann fehlt, denn der lebt in Köln.
So bleibt Berlin derzeit eine Art ‘Heimat ohne Mittelpunkt’. Köln, eine Stadt, zu der per se ich heimatliche Gefühle im Sinne eines Wohlfühlens in der Stadt so gar nicht habe, wohl aber: sie ist der Mittelpunkt der Welt, wenn er und ich dort zusammen sind.
Für diese ‘gespaltene Heimat’ sind in der Beziehung längst lebbare und pragmatische Wege gefunden. Als schwieriger erweist sich der Kontakt zu Freunden abseits von Berlin. Freundschaft will gepflegt, gelebt werden, erst recht wenn sie vielleicht gerade am Entstehen ist – nicht leicht über 300 oder 600 km Distanz. Ob Tobias oder Uwe, oft bleibt eine Sehnsucht, sich mit nicht-Berliner Freunden einfach, unkompliziert sehen zu können, dann wenn einem der Sinn danach ist, mit Zeit – nicht wann und wie es Kalender und Termine zulassen.
Berlin, Köln und Hamburg in einer Stadt – das wäre für mich nicht nur in dieser Hinsicht persönlich eine feine Lösung … und könnte vielleicht ‘Heimat’ sein.

Heimat – was ist das? In einigen Näherungen gehören sicher Mann und Freunde, kultureller Kontext und, ja, Orte dazu. Allerdings, Heimat ist für mich bisher nichts Statisches. Heimat ist für mich ein Gefühl, das sich noch immer in den vergangenen Jahren geändert, weiter entwickelt hat.

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Homosexualität ist eine Krankheit

‚Homosexualität ist eine Krankheit‘.

Keine Angst, ondamaris hat nicht die Seite gewechselt.

Homosexualität ist eine Krankheit - und die Erde ist eine Scheibe (c) Bündnis Freiheit für Vielfalt
Homosexualität ist eine Krankheit – und die Erde ist eine Scheibe (c) Bündnis Freiheit für Vielfalt

„Homosexualität ist eine Krankheit, und die Erde ist eine Scheibe“ – mit diesem plakativen Motto wendet sich das Bündnis rund um die Organisatoren „Freiheit für Vielfalt“ gegen das umstrittene ‚Christival‘, das heute in Bremen beginnt.

Die Augen dürfen nicht verschlossen werden, wenn u.a. homophobe und abtreibungsfeindliche sowie andere menschenrechtsfeindliche Ansichten öffentlich unter tausenden Jugendlichen verbreitet werden“, betonen die Organisatoren. “ Wir setzen uns dafür ein, dass Bremen weiterhin eine Stadt der Vielfalt sein kann, in der jede(r) das Recht darauf hat, seine/ ihre Freiheiten zu schützen und zu leben.

Das ‚Festival‘ war aufgrund inzwischen abgesagter Workshops u.a. zur ‚Heilung von Homosexualität‘ in die Kritik geraten.
Es findet nicht nur unter der Schirmherrschaft von Bundesfamilienministerin von der Leyen statt, ihr Ministerium hat das ‚Christival‘ auch großzügig finanziell gefördert.

In Bremen stößt das ‚Christival‘ inzwischen auf immer mehr Protest. Das Bündnis „Freiheit für Vielfalt“ umfasst inzwischen die folgenden Gruppen:
– Arbeitskreis Lesben- und Schwulenpolitik Bremen
– BEFAH (Bundesverband der Eltern, Freude und Angehörigen von Homosexuellen)
– BEFAH Elterngruppe Bremen im Rat & Tat Zentrum
– Belladonna Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum für Frauen e.V.
– Bündnis ’90/ Die Grünen Bremen
– Café Bi-It für bisexuelle Menschen und ihre FreundInnen
– Da capo al dente Schwul-lesbischer Chor
– Frauen in Schwarz Bremen
– Grüne Jugend Bremen
– HuK (Homosexuelle und Kirche) Bremen
– MeRSI (Menschenrechte und sexuelle Identität) Gruppe von amnesty international
– Mondaysisters offene Lesbengruppe
– Rat & Tat Zentrum für Schwule und Lesben e.V.
– Respekt SchwuLesBische Jugendgruppe
– Schwule Väter, Ehemänner und Freunde Gruppe
– Stand.Up
– Kultur- und Kommunikationsverein für Schwule und Lesben in Bremen e.V.

Zudem hat sich ‚antisexistischer Protest‘ auch in dem Bündnis „No Christival“ versammelt, das ebenfalls Aktionen plant

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Text 27. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Deutschland

Souvenirs aus Brandenburg

Brandenburg Souvenir : Vor der Motorradtour am gestrigen sonnigen Morgen stand das Basteln …

Der gutaussehende gelbe Engel hatte wohl doch recht – die Batterie war hinüber. Also morgens neuen Batterie eingebaut, und dann los in’s Grüne.

Beelitz Spargelfeld
Beelitz Spargelfeld

Vorbei an Spargelfeldern und durch’s schöne Beelitz.

Russenjäger
Russenjäger

Russenjäger
Russenjäger

Plötzlich glotzen mich unvermittelt in der Gegend rumstehende russische Kampfjets an (und nein, kein Museum weit und breit, keine Hinweisschilder) …

Schwedenfeuer
Schwedenfeuer

Rapsfeld

In der Landschaft herum stehender Schilder mit seltsamen Botschaften geben Rätsel auf …
(Schwedenfeuer sind auf besondere Weise geschnittene Baumstämme, die prima Fackeln abgeben) …

… der Raps ist noch nicht ganz in Blüte, lässt aber bereits Vorfreude auf baldige Fahrten durch gelbe Blüten- und Geruchsmeere ahnen …

Rast in Wittenberg
Rast in Wittenberg

Ausgiebigere Pause dann in der Lutherstadt Wittenberg

Banana Split in Wittenberg
Banana Split in Wittenberg

… wo sich drängende Fragen stellen …
… wie: warum heißt das ‘Banana Split’ so, obwohl es nicht aus Split kommt?
Und warum wird es so gerne serviert in Gefäßen, die penetrant nach billigem Souvenir aus Venedig aussehen?

Kloster Zinna
Kloster Zinna

Kloster Zinna - Pranger
Kloster Zinna – Pranger

Zurück quer durch Brandenburger Dörfer und Flecken, teils recht hübsch anzusehen, teils ‘blühende Landschaften’ trister Industriebrachen.

Kurze Pause am Kloster Zinna, an dem niemand am Pranger steht …

Zum Abschluss, zurück in Berlin, bekommt die Karre noch ne frische ASU und HU spendiert …

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