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8. Mai 1945 – Tag der Befreiung in Frankreich und Deutschland

Tag der Befreiung – oder Gedenktag? Der 8. Mai 1945 markiert ein besonderes Ereignis – das in Frankreich und Deutschland immer noch sehr unterschiedlich gewürdigt wird.

8. Mai 1945

Berlin – Karlshorst, 8. Mai 1945. In der Nacht zum 9. Mai unterzeichnen Generalfeldmarschall Keitel, Generaladmiral von Friedeburg und Generaloberst Stumpff im Gebäude des ehemaligen Offizierskasinos der Pionierschule 1 der Wehrmacht (dem heutigen ‘Deutsch-russischen Museum Karlshorst’) die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Damit endet in Europa der Zweite Weltkrieg und in Deutschland kurz darauf die NS-Diktatur.

Deutsch-russisches Museum Berlin-Karlshorst
Deutsch-russisches Museum Berlin-Karlshorst

Schon einen Tag zuvor, am 7. Mai 1945, hatte in Reims eine Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation stattgefunden – die aus protokollarischen Gründen am 8. Mai 1945 in Karlshorst im Hauptquartier der sowjetischen 5. Armee wiederholt wurde. Beide Kapitulationen erfolgten vor Vertretern aller Alliierten.

Karlshorst Gedenktafel Kapitulation
Karlshorst Gedenktafel Kapitulation

Bei der Reimser Kapitulation war bereits die erneute Unterzeichnung der Kapitulation auch durch Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht sowie der Oberbefehlshaber von Luftwaffe, Heer und Marine für einen späteren Zeitpunkt verbindlich vereinbart worden.

Und am 8. Mai 1945 verkündet General de Gaulle – der mit seinem Appell vom 18. Juni 1940 zum Widerstand aufgerufen hatte – den Franzosen offiziell das Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Nazi-Besetzung Frankreichs ist endgültig beendet, ebenso die Herrschaft des Kollaborateurs Pétain. Keine Demarkationslinie mehr in Frankreich. Der 8. Mai – in Frankreich der ‚Tag der Befreiung‘, in Deutschland kein Feiertag, sondern einer des Gedenkens.

8. Mai – Tag der Befreiung vom Faschismus

Der 8. Mai – ein Tag der Befreiung, und doch, mit unterschiedlicher Gedenk-Kultur. In vielen europäischen Staaten ist der 8. Mai Gedenk- und Feiertag, oft als Tag der Befreiung oder V-E-Day (Victoy in Europe). In Frankreich, Tschechien sowie der Slowakei ist der 8. Mai zudem offizieller Feiertag.

Nicht alle Staaten feiern am 8. Mai. In den Niederlanden ist der Bevrijdingsdag bereits am 5. Mai (Tag der Teilkapitulation der deutschen Wehrmacht im Nordwesten).

Russland gedenkt am 9. Mai

Und in Russland wird nicht der 8. Mai, sondern der 9. Mai als offizielles Datum der Kapitulation Nazi-Deutschlands begangen.

Der Grund: die Zeitverschiebung. Die Ratifikationsurkunde wurde in Karlshorst um 23:15 westeuropäischer Zeit unterzeichnet – nach Moskauer Zeit war es da bereits 02:15 Uhr und einen Tag weiter – 9. Mai.

Und Deutschland? Und in Frankreich?

8. Mai in Frankreich – Tag der Befreiung

Geschichte des 8. Mai als Feier- und Gedenktag in Frankreich

Der 8. Mai hat als Gedenk- und Feiertag in Frankreich eine wechselvolle Geschichte:

  • Bereits seit 1946 ist der 8. Mai in Frankreich ein Tag öffentlicher Feiern.
  • 1975 entscheidet Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, den 8. Mai nicht mehr als Feiertag zu begehen, und auch nicht mehr (wie bisher) als Tag des Sieges über Nazi-Deutschland zu feiern – auch um die deutsch-französische Freundschaft zu würdigen, und die Europäer anzuregen, über ihre gemeinsame Zukunft nachzudenken.
  • Seit Amtsantritt von François Mitterrand 1981 ist der 8. Mai in Frankreich arbeitsfrei – und Mitterrand macht ihn wieder zu einem nationalen Feiertag. Allerdings wird nun nicht mehr des Siegs über Nazi-Deutschland gedacht, sondern um Freiheit und Demokratie zu feiern.
8. Mai – Tag der Befreiung
8. Mai – Tag der Befreiung, Tag der Freiheit und des Friedens

An die Verkündung des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 erinnern an vielen Orten Frankreichs Plätze, die nach dem 8. Mai benannt sind, sowie Plaketten mit dem Text der Rede de Gaulles:

Place du 8 Mai 1945
Place du 8 Mai 1945 in Marennes

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8. Mai in Deutschland – Tag des Gedenkens

Und der 8. Mai in Deutschland?

Geschichte des 8. Mai als Feier- und Gedenktag in Deutschland

Am 8. Mai 1945 unterzeichneten Vertreter der deutschen Regierung in Berlin-Karlshorst gegenüber den Alliierten die Kapitulationsurkunde. Der Tag wurde in großen Teilen der deutschen Gesellschaft lange statt als Tag der Befreiung eher als Tag der Kapitulation oder Niederlage empfunden.

Gedenkkultur an den 8. Mai? Auch die ist in Deutschland nach dem Krieg (mindestens) zweigeteilt:

  • Die DDR beging seit 1950 den 8. Mai als ‘Tag der Befreiung‘ (bis 1967 auch als gesetzlicher Feiertag).
  • Die BRD feiert den 8. Mai nicht.

In der Bundesrepublik wurde der 8. Mai lange Jahre als Tag der Kapitulation oder Tag der Niederlage verstanden. Befreiung von Krieg und Diktatur waren in Nachkriegs-Westdeutschland keine prägenden Merkmale des Gedenkens am 8. Mai.

Erst der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker spricht in seiner bewegenden Rede anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes 1985 erstmals deutlich vom 8. Mai als “Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus” (und erwähnt in seiner Rede erstmals auch Homosexuelle, bisher ‚vergessene NS-Opfer‘). Doch auch Weizsäcker betonte:

“Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft.”

Es brauchte weitere 15 Jahre, bis der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 8. Mai 2000 feststellte:

“Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist – der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges.”

Ein Feiertag, ein Tag des Feierns der Befreiung von Faschismus und NS-Diktatur, ist der 8. Mai in Deutschland immer noch nicht.

Die große Ausnahme: im Jahr 2020 ist der 8. Mai aus Anlass des 75. Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus ein Feiertag – nur in Berlin, und nur einmalig in diesem Jahr. Dies beschloß das Abgeordnetenhaus von Berlin am 24. Januar 2019. In Brandenburg ist eine ähnliche Initiative in der Diskussion.

Der 8. Mai 2025, Tag an dem sich das Ende des 2. Weltkriegs in Europa zum 80. Mal jährt, soll in Berlin ein Feiertag sein. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den der Senat von Berlin dem Landesparlament im Dezember 2023 vorlegen will.

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 „Es gab noch nie einen guten Krieg oder einen schlechten Frieden.”
Benjamin Franklin (1706 – 1790)

 “Den ungerechtesten Frieden finde ich immer noch besser als den gerechtesten Krieg.”
Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v.Chr.)

 “Wir, die Bürger der erweiterten Bundesrepublik, können den 8. Mai als ‘Tag der Befreiung’ nur dann aufrichtig zum Ausgangspunkt einer politischen Selbstverständigung machen, wenn wir uns dieser retrospektiven Deutung zu gleich als des Ergebnisses eines Jahrzehnte währenden Lernprozesses vergewissern.
(Jürgen Habermas, Rede zur 50. Wiederkehr des 8. Mai 1945 in der Frankfurter Paulskirche)

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Homosexuelle in Frankreich und Deutschland nach 1945 – Befreiung und Kontuinuität

Für Homosexuelle war der 8. Mai 1945 in Frankreich wie in Deutschland ein Tag der Befreiung – und doch die Zeit danach auch geprägt von bitterer Kontinuität.

In Frankreich blieb das 1942 unter der Kollaborations-Regierung von Pétain eingeführte Sonder-Strafrecht gegen Homosexuelle auch nach 1945 bestehen. Die Regelung nach 1945, nach der Befreiung vom Faschismus, bereits unter der Regierung von de Gaulle, ist nahezu im Wortlaut identisch mit der Pétains von 1942.
Erst 1980 unter der Präsidentschaft von Francois Mitterrand (gewählt 10. Mai 1981; gestorben 8. Januar 1996) und auf Vorschlag von Justizminister Robert Badinter wird Artikel 330 Absatz 2 im Rahmen einer Neudefinition verschiedener sexueller Straftaten völlig aufgehoben.

In Deutschland bleibt auch nach 1945 in der Bundesrepublik die von den Nazis 1935 verschärfte Version des §175 unverändert bis 1969 Gültigkeit. In der DDR galt ab 1950  Paragraph 175 in der Version vor der NS-Verschärfung.
Sämtliche KZ werden befreit und aufgelöst, auch das Lager Neusustrum – derjenige Ort in Deutschland, an dem in der NS-Zeit die meisten Homosexuellen inhaftiert waren. Doch einige bleiben – wie das Enmsland- Lager Versen – als Straflager bestehen, in dene auch wieder Homosexuelle inhaftiert werden.

8. Mai – das vergessene Gedenken in Frankreich

Der 8. Mai 1945 steht in Frankreich nicht nur für die Befreiung vom Faschismus.

Ab dem 8. Mai 1945 wurden Tausende Algerier von französischen Soldaten ermordet – das Massaker von Sétif. Ihr ‚Verbrechen‘: sie forderten die Befreiung von der Besatzung (Algeriens durch die Franzosen). Am Tag der Feier der eigenen Befreiung wurde die anderer niedergeschossen …

In Algerien wird des Massakers regelmäßig gedacht – erst 2015 nahm erstmals offiziell ein Staatssekretär Frankreichs (Jean-Marc Todeschine, Staatssekretär für Veteranen) daran teil.

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weitere Informationen:
Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst
Richard von Weizsäcker: Ansprache zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 8. Mai 1985 in der Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (online u.a. beim DHM)
Gerhard Schröder: Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung “Juden in Berlin 1938 – 1945″ im Centrum Judaicum Berlin am 8. Mai 2000 (online)
Kapitulations-Urkunde, Karlshorst 8.Mai 1945 (Seite 1, Seite 2)
The German Surrender Documents

siehe auch:
Chemins du Mémoire / 8. Mai 1945
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Frankreich Politisches

Philippe Petain – Vichy-Frankreich kooperiert mit Nazi-Deutschland

Philippe Petain (Henri Philippe Benoni Omer Joseph Pétain) wurde am 24. April 1856 im Artois geboren. Der Soldat und Politiker wurde zum Symbol für die Kollaboration von Teilen Frankreichs mit Nazi-Deutschland. Er starb am 23. Juli 1951.

Den Krieg von 1870 erlebt Pétain als Fünfzehnjähriger – und ist beeindruckt. Mit 20 meldet er sich bei der zur Aufnahmeprüfung an der Kriegsakademie von St. Cyr und wird aufgenommen. 1922 macht er hier den Abschluss. Schon früh wird der spätere Marschall Ferdinand Foch auf Pétain aufmerksam, u.a. aufgrund seiner an der Akademie aufgestellten Theorien.

Philippe Petain ist vor dem 1. Weltkrieg ein Offizier, der sich nicht oder wenig für Politik interessiert. Auch in der Dreyfus-Affäre positioniert er sich nicht.

Pétains Karriere – er ist inzwischen 58 Jahre alt – steht bei Beginn des 1. Weltkriegs vor ihrem Ende. Doch in Schlachten wie an der Marne ist Pétain als Brigadegeneral sehr erfolgreich – auch weil er bald die Notwendigkeit erkennt, militärisch anders als zuvor geplant und bewährt vorzugehen.

Im Februar 1916 wird Pétain für den Frontabschnitt Verdun zum Oberbefehlshaber ernannt. Pétain spricht sich gegen eine ‚Offensive um jeden Preis‘ aus, verändert die Art der französischen Kriegsführung („es geht  nicht darum Land, sondern die Schlacht zu gewinnen„, sog. ‚Direktive Nr. 4‘). Eine seiner ersten Aufgaben als Oberbefehlshaber: eine Meuterei einer großen Anzahl von Soldaten (ein Drittel der französischen Armee) niederschlagen. Mit Mühe setzt er sich durch.

Bei Kriegsende will Pétain (im Gegensatz zur Regierung sowie zu Marschall Foch, mit dem sich die Spannungen seit Monaten verschärft haben) keinen Waffenstillstand. Er strebt einen vernichtenden Gegenangriff auf deutsches Gebiet an – einen vernichtenden Sieg gegen Deutschland. Doch er kann sich nicht durchsetzen, aus politischen Erwägungen (auch vor dem Hintergrund des Kriegseintritts der USA).

Philippe Petain wird am 8. Dezember 1918 im Alter von 62 Jahren in Metz zum Marschall ernannt, der höchsten französischen militärischen Auszeichnung. Und dennoch, Pétain fühlt sich angesichts des Waffenstillstands um den in seinen Augen möglichen vernichtenden Sieg gegen Deutschland geprellt.

1925, inzwischen 70 Jahre alt, macht Pétain einen jungen Absolventen der Militärschule zu seinem Adjutanten: Charles de Gaulle. Pétain leitet eine massive Militäraktion gegen den Berber-Aufstand in Marokko – den er schon nach einem Jahr erfolgreich beendet. Immer mehr wird Pétain zu einer bedeutenden Figur auf der politischen Bühne. 1929 wird er Mitglied der Academie Francaise – als Nachfolger von Foch.

Am 6. Februar 1934, nach massiven Demonstrationen der politisch extremen Rechten, ernennt der dem zurückgetretenen Daladier folgende neue Premierminister Gaston Doumergue Pétain zum Kriegs-Minister. Pétain wird damit vom Militär zu einem der führenden Politiker Frankreichs. Er findet deutliche Worte:  „Frankreich hat den Krieg gewonnen und ist nun dabei, den Frieden zu verlieren“ – Pétain spricht sich immer deutlicher gegen das demokratische System und für autoritäre Strukturen aus, interessiert sich für eine antiparlamentarische Bewegung (‚le redressement francais‚). Bereits früh warnt er vor der Aufrüstung Nazi-Deutschlands. Ende 1934 beim Sturz der Regierung Doumergue tritt Pétain als Kriegsminister ab.

Im März 1939, im Alter von 82 Jahren, wird Pétain französischer Botschafter im franquistischen Spanien. Am 3. September 1939, nach der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland, lehnt Pétain ein Angebot Daladiers ab, in die französische Regierung einzutreten.

Nach dem deutschen Angriff auf Frankreich wird Pétain am 18. Mai 1940 von Ministerpräsident Reynaud (der auf den am 20. März 1940 zurückgetretenen Daladier gefolgt war) zum Vize-Ministerpräsident ernannt. Sofort versucht er entgegen den Erwartungen Reynauds (sowie Churchills), den Krieg zu beenden, durch einen Waffenstillstand mit Deutschland („Wir können nicht schon wieder völlig ausbluten„, 13.6.1940).

Die französische Regierung unter Premierminister Reynaud flieht vor den heranrückenden deutschen Truppen nach Bordeaux. Paul Reynaud selbst überträgt Pétain am 16. Juni 1940 die Regierungsverantwortung, beauftragt ihn mit der Bildung einer Regierung. Einzig Charles de Gaulle, nach London geflohen, ruft von dort zum Widerstand auf.

Noch am selben Tag sondiert Pétain bei der deutschen Regierung mögliche Bedingungen für einen Waffenstillstand. Am 22. Juni 1940 unterzeichnet Pètain im Wald von Compiegne das Waffenstillstandsabkommen mit NS-Deutschland.Die Unterzeichnung erfolgt in exakt dem Waggon, in dem 1918 Deutschland die Kapitulation erklärte.

Frankreich wird in der Folge geteilt –  in eine von den Nazis besetzte Zone, und in eine mit NS-Deutschland kooperierende Zone, Frankreich ist geteilt durch eine Demarkationslinie. (Die Verwaltungskompetenz des Vichy-Regimes erstreckt sich formal auf gesamt Frankreich, sie ist im von NS-Truppen besetzten Teil jedoch stark abhängig von deren Zustimmung)

Die französische Regierung verlegt ihren Sitz am 29. Juni 1940 in das Heilbad Vichy, eine Kleinstadt im Département Allier. Vichy wird gewählt, weil die Kleinstadt über ausreichedn Hotel-Plätze verfügt, ein modernes telefonsystem vorhanden ist – und die Demarkationslinie nahe.

Die französische Verfassung wird geändert (angekündigt von Laval am 4. Juli 1940). Das Parlament stimmt mit 570 zu 80 Stimmen für eine Übertragung von umfassenden Machtbefugnissen auf Philippe Petain. Pétain überschreitet diese weitreichenden Befugnisse noch, reißt Legislative, Exekutive und Judikative an sich. Er wird mit 84 Jahren zum Diktator.

Pétain will eine „nationale Revolution“ mit, im Kern, einer Ablehnung der französischen Revolution und ihrer Folgen, der Verachtung des Parlamentarismus. Die Nationalversammlung beauftragt Pétain am 10. Juli 1940 eine neue Verfassung erstellen zu lassen. Es entsteht der ‚État français‘. Die Werte der Republik (Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit) werden ersetzt durch die zentrale Idee des Vichy-Regimes: das „rassemblement“ – das nationale Zusammenstehen für traditionelle Werte Familie, Vaterland, Arbeit und Kirche. Pétain errichtet darauf ein de facto faschistisches Regime – nationalistisch, autoritär, antirepublikanisch, mit Führerkult. Im August 1940 betont Pétain, er sei Führer einer Revolution, die sich einreihen werde in die anderen Revolutionen, jene in Italien (Faschismus) und jene in Deutschland (Nationalsozialismus).

Der britische Historiker Tony Judt kommentiert (in ‚Das vergessene 20. Jahrhundert‚):

Drei Monate nach der schlimmsten Niederlage in der französischen Geschichte waren die unmittelbar Verantwortlichen komfortabel in einem Regime etabliert, das durch ihr Versagen an die Macht gekommen war. […] Solche Männer mochten die Niederlage nicht erwartet haben, aber sie arrangierten sich umso eher mit ihr, als nicht die Deutschen ihr Hauptfeind waren.

Philippe Petain und Hitler – der ‚Handschlag von Montoire‘ 1940

Pètains Frankreich wird umfassend geprägt nicht nur vom alternden Marschall. Ideologischer Kopf ist mehr und mehr Pierre Laval, der ausgeprägt die Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland befürwortet. Zunehmend umgibt sich Pétain zudem mit Politiker, die Kreisen um Charles Maurass entstammen. Der Schriftsteller Maurass prägte die nationalistische, die Demokratie bekämpfende und antisemitische  ‚Action Française‚ – nun gewinnt seine Ideologie zunehmend Einfluss in Vichy-Frankreich.

Vier Monate nach der Niederlage der französischen Streitkräfte kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung: im kleinen Ort Montoire (im Département Loir-et-Cher) treffen Laval, Pétain und Hitler aufeinander:

24.10.1940: Adolf Hitler begrüßt den französischen Staatschef Marschall Henry Philippe Petain in Montoire-sur-le-Loir (Foto: Bundesarchiv)
24.10.1940: Adolf Hitler begrüßt den französischen Staatschef Marschall Henry Philippe Pétain in Montoire-sur-le-Loir (Foto: Bundesarchiv, Lizenz cc by-sa 3.0)

de:Pétain schüttelt die Hand mit de:Hitler –  Bundesarchiv, Bild 183-J28036 | Foto: Jäger, Oktober 1944 – CC BY-SA 3.0 de

Bereits zuvor hatte Petian sich klar positioniert. In seiner Rede vom 11. Oktober 1940 hatte er die Überlegenheit des Siegers akzeptiert und erklärt, er „rechercher la collaboration dans tous les domaines“ (die Zusammenarbeit / Kollaboration auf allen Gebieten anzustreben).

Doch das Treffen von Montoire stellt einen markanten Wendepunkt in der französischen Politik dar: händeschüttelnd beschließen Philippe Petain und Adolf Hitler eine Zusammenarbeit. Am 30. Oktober erklärte Pétain per Radio, dass er ab sofort den Pfad der Kollaboration einschlagen werde (laut ‚Le Monde hors-série: 1940, la débâcle et l’espoir‘, Mai/Juni 2010). „Ich bin für eine Zusammenarbeit.“ Und „cette collaboration doit etre sincère“ (diese Kollaboation muss eine ernsthafte sein).

Öffentliche Bekanntmachung Petains über sein Treffen mit Hitler
Öffentliche Bekanntmachung Petains über sein Treffen mit Hitler

Schon bald nach Pétains Machtantritt folgen erste anti-jüdische Maßnahmen der Pétain-Regierung (die erste bereits am 22. Juli 1940). Am 3. Oktober unterzeichnet Pétain das erste ‚Juden-Statut‘. Die bald dazu führen, dass nicht-französische Juden im Mutterland wie in den damaligen französischen Kolonien an die Nazis und damit der Vernichtung in den KZs ausgeliefert wurden (Sammellager Drancy). Französische Juden werden in der Vichy-Zone unterdrückt, aber nicht ausgeliefert.

Am 13. Dezember 1940 entlässt Pétain seinen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Außenminister Pierre Laval (der die Verhandlungen mit den Deutschen betrieben hatte) – nicht aus Abneigung gegen eine Kollaboration, sondern weil Pétain das Gefühl hat, zu sehr im Schatten Lavals zu stehen. Zentrale Idee der Politik Pétains ist, den Deutschen klar machen, dass Frankreich im „neuen System Europas“ der Nazis nützlicher sein könnte, wenn es ein klein wenig mehr Freiheit erhalte – eine Strategie, die nie aufging.

Am 18. April 1942 holt Pétain jedoch Pierre Laval zurück an die Macht – der bald die Oberhand gewinnt. Laval wird Regierungschef, intensiviert die Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland und vereinbart administrative ‚Lösungen‘ mit den Nazis zur ‚Umsetzung der Endlösung der Judenfrage‘. Laval und der SS-Führer Carl Oberg vereinbaren bei einem Treffen hierzu eine „Sprachregelung“ – aus der deutlich hervorgeht, dass Laval (und wohl auch Pétain) wussten, was mit den an Nazi-Deutschland ausgelieferten Juden geschah.

Mit einer Verordnung Pétains vom 6. August 1942 (Gesetz Nr. 744) wird die Strafbarkeit homosexueller Handlungen erstmals seit der französischen Revolution wieder eingeführt.

Mehr und mehr Franzosen engagieren sich inzwischen in der Résistance. Pétain ordnet ihre Überwachung und Bekämpfung an. In Vichy wird Pétain immer noch von der Bevölkerung als ‚Retter Frankreichs‘ gefeiert – auch wenn er de facto in den letzten Monaten des Vichy-Regimes politisch kaum noch eine Rolle spielt. Auch nach dem Charles de Gaulle sich selbst längst als legitime Regierungschef Frankreichs bezeichnet, sieht sich Pétain ebenfalls als Chef Frankreichs. Eine von Pétain vorgeschlagene Begegnung lehnt de Gaulle ab.

Philippe Petains Zeit als Präsident nähert sich dem Ende. Während des Rückzugs der Nazis aus Frankreich bringen sie Pétain über Belfort nach Sigmaringen – wo er, gemeinsam mit Laval, 8 Monate bleibt.

Er soll vom Schloss des Fürsten von Hohenzollern aus (das am 30. August 1944 von den Nazis beschlagnahmt wurde) eine neue Regierung mit einem ‚Schatten-Kabinett‘ unter Fernand de Brinon bilden – der ‚Etat francais‚, das Vichy-Regime wird endgültig zur Farce. Sigmaringen, kurzzeitig für extraterritorial erklärt, wird am 8. September 1944, zumindest formal, für gut sieben Monate bis zum 21. April 1945 ‚Hauptstadt des besetzten Frankreich‘ und Sitz des flüchtenden französischen Kollaborations-Regimes. Jacques Doriot, am 22. Febraur 1945 ermordeter Parteivorsitzender der französischen Faschisten PPF, weilt unterdessen, schmollend dass nicht er Regierungschef wurde, auf der Insel Mainau.

Am 21. April 1945 stehen französische Truppen nur noch 45 km vor Sigmaringen (dem ‚chateau de la trahison‚, Schloß des Verrats). Der Sigmaringer Puppen-Hofstaat flüchtet. Am 22. April treffen Truppen des freien Frankreichs in Sigmaringen ein.

Am 23. April 1945 reist Pétain mit Genehmigung der NS-Behörden in die Schweiz. Schließlich stellt er sich (noch vor der Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945 in Reims) am 25. April 1945 an der französisch-schweizerischen Grenze den französischen Behörden.

Vor einem Kriegsgericht beginnt am 23. Juli 1945 im Justizpalast in Paris der Prozess gegen Pétain. Er betrachtet sich weiter als Retter Frankreichs. Am 14. August 1945 wird Philippe Pétain für schuldig der Kollaboration mit dem Feind und des Hochverrats befunden und zum Tod verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm aberkannt. Pétain legt am Ende des Verfahrens die Marschallsuniform ab.

Sein indirekter Nachfolger Charles de Gaulle wandelt die Todesstrafe auf Wunsch des Gerichts in lebenslange Haft und Verbannung um. Immer noch betrachtet Philippe Petain de Gaulle als seinen Sohn – der mit ihm gebrochen hat.

Am 23. Juli 1951 stirbt Philippe Pétain im Alter von 95 Jahren. Er wird auf der Ile d’Yeu beigesetzt – in seiner Uniform als Marschall Frankreichs.

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Die französische Regierung vereinfachte auf Drängen von Historikern mit Dekret veröffentlicht am 27.12.2015 ab 4. Januar 2016 den Zugang zu Archiven des Außen-, Innen- und Justizministeriums aus der Zeit des Vichy-Regimes sowie der nachfolgenden ‚Épuration‚.

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Die Entwicklung vom ‚Ur-Vater‘ des französischen Faschismus Charles Maurass bis zur Kollaborations-Regierung unter Philippe Petain zeichnet der zweite Teil dieses Artikels recht übersichtlich nach: Französischer Faschismus – Die Republik widersteht

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Politisches

11. April 1961: Beginn Eichmann-Prozess

Am 11. April 1961 begann in Jerusalem der Eichmann-Prozess , das Verfahren gegen Adolf Eichmann, Mit-Organisator des millionenfachen Mordes an Juden Europas.

Vom 11. April bis 15. Dezember 1961 fand vor dem Jerusalemer Bezirksgericht der Prozess gegen Adolf Eichmann statt, gegen den ‚Referatsleiter IV B 4 ‚Juden- und Räumungsangelegenheiten‘) und Organisator des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden.

Eichmann-Prozess 1961: Adolf Eichmann während der Gerichtsverhandlung in Israel 1962
Eichmann-Prozess 1961: Adolf Eichmann während der Gerichtsverhandlung in Israel 1961 (Foto: wikimedia, public domain)

Eichmann, ehemaliger ‚SS-Obersturmbannführer‘, war nach 1945 zunächst in Niedersachsen (ausgerechnet nahe dem ehemaligen KZ Bergen-Belsen) untergetaucht. Ab 1950 flüchtete er dann über Stationen u.a.in Innsbruck und Tramin nach Argentinien – wo ihn der israelische Geheimdienst Mossad aufspürte und 1960 nach Israel brachte. Am 23. Mai 1960 wurde Eichmann in Haifa inhaftiert.

Der Eichmann-Prozess 1961 erregte international sehr großes Aufsehen. Und er beendete in Deutschland eine bis dahin weit verbreitete Vergessenheit der Ermordung der Juden gegenüber.

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Frankfurt) hatte früh Hinweise auf den Aufenthaltsort von Eichmann erhalten und diese an Stellen in Israel weitergegeben.

Der Prozeß sorgte in Deutschland für Aufregung, zu sehr befürchtete die Adenauer-Regierung, belastendes Material über ihr Spitzen-Personal könne bekannt werden, insbesondere über den Staatssekretär im Kanzleramt und Kommentator der ‚Nürnberger Gesetze‘ Hans Globke. Doch trotz Antrag des Eichmann-Verteidigers Servatius wurde ein Antrag auf Vernehmung Globkes im Prozess abgelehnt.

Hannah Arendt, die als Reporterin der Zeitschrift ‚The New Yorker‘ zeitweise am Prozess gegen Adolf Eichmann teilnahm, prägte mit ihrer Bezeichnung von Eichmann („der größte Verbrecher seiner Zeit„) als ‚Schreibtisch-Täter‚ einen viel zitierten Begriff – der als Denkfigur auch für Argumentationen in zahlreichen späteren Prozessen gegen NS-Täter Bedeutung gewann. Arendt beschrieb Eichmann dabei als „normalen Menschen“ wie die meisten Nationalsozialisten und sprach von der ‚Banalität des Bösen‚.

„Das Beunruhigende an der Person Eichmanns war doch gerade, dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind.“

Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem

Arendts Berichte vom Eichmann-Prozess erschienen zunächst in der US-amerikanischen Zeitschrift ‚New Yorker‘, 1964 wurden sie dann als Buch veröffentlicht. Arendts Berichte und Analysen erregten viel Aufsehen – und stießen damals auf viel Unverständnis. Nicht nur ihre Formulierung von der ‚Banalität des Bösen‘ wurde oft missverstanden, auch ihrer Darstellung der (kollaborierenden) Rolle der ‚Judenräte‘ wurde damals viel widersprochen.

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Gabriel Bach, am 13. März 1927 in Halberstadt geborener und heute in Jerusalem lebender isrealischer Jurist, war stellvertretender Ankläger im Prozess gegen Adolf Eichmann. Am 30. Januar 2010 sprach Bach im Polittbüro (der Bühne von Herrchens Frauchen) in Hamburg über seine Erinnerungen an den Eichmann-Prozess und Einschätzungen der damaligen und heutigen politischen Situation; seine Rede ist als Mitschnitt bei freie-radios.net online.

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Bordeaux Frankreich Lacanau

Henry Salmide verhindert 1944 Sprengung Bordeaux

Bordeaux: Der Bordelaiser Henry Salmide starb am 23. Februar 2010 im Alter von 91 Jahren. Henry Salmide war Ritter der französischen Ehrenlegion – und Wehrmacht-Befehlsverweigerer, ‚Retter von Bordeaux‘. Die Geschichte des „Retters von Bordeaux“erzählt das Buch „Bordeaux mon amour“.

Heinz Stahlschmidt, 1919 in Dortmund geboren, lernte zunächst Installateur, bevor er sich 1939 bei der Marine verpflichtete. Stahlschmidt wurde in Bordeaux stationiert, dem größten Hafen Frankreichs.

Im August 1944 näherten sich die Alliierten auch Bordeaux. Am 19. August 1944 erhielt Unteroffizier Stahlschmidt den Befehl, die großflächige Zerstörung des Hafens von Bordeaux vorzubereiten. Er schickt die Wachen nach hause – und zündet selbst die Lunten am Sprengstoff-Depot. Stahlschmidt verhinderte durch sein eigenmächtiges Handeln eine Zerstörung großer Teile der Altstadt von Bordeaux.

Bordeaux (Ansicht auf einer Postkarte von 1936; Foto wikimedia / Langladure)
Bordeaux (Ansicht auf einer Postkarte von 1936; public domain)

Bordeaux les morutiers en rade dans le portLangladurePublic Domain

Nach dem erfolgreichen Anschlag versteckt die Resistance Stahlschmidt in Frankreich. Er beschloss, in dem Land zu bleiben, nicht nach Deutschland zurück zu kehren.

Stahlschmidt wurde 1947 französischer Staatsbürger und benannte sich um, ‚französisierte‘ seinen Namen zu ‚ Henry Salmide ‚. Mehr als 30 Jahre arbeitet Henry Salmide bei der Hafen-Feuerwehr von Bordeaux. Sein Schicksal, sein Verdienst um Bordeaux bleibt weitgehend unbekannt. Erst in den 1990er Jahren berichtet erstmals eine Regionalzeitung über ihn und die Vorgänge 1944.

Am 23. Februar 2010 starb Henry Salmide in Bordeaux. Offizielle der Stadt sprachen im Umfeld der Trauerfeiern von Planungen, ihm ein Denkmal zu errichten.

Literarisch setzte ihm Erich Schaake ein Denkmal, mit dem Buch „Bordeaux mon amour“.
Der Verlag wirbt mit folgendem Text für das Buch:

Der deutsche Feldwebel Heinz Stahlschmidt kommt mit der Wehrmacht als Besatzer nach Bordeaux. Aber schon bald verliebt er sich in die Stadt − und in die Französin Henriette. Da erhält er den Auftrag, den Hafen zu sprengen. Tausende Unschuldige müssten dabei sterben. Er entscheidet sich: gegen den Eid und für die Stadt seiner Geliebten. Er sabotiert den Plan und nimmt den Tod vieler Kameraden in Kauf. Bordeaux bleibt unzerstört, aber nun ist Heinz auf die Hilfe der Résistance angewiesen − und auf die Liebe von Henriette!

Welch netter Zufall, dass der Autor seit vielen Jahren in Lacanau Océan lebt – und ein guter Freund unseres Wohnungsnachbarn bei unserem Urlaub in Lacanau  im Spätsommer 2010 ist …

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Erich Schaake
„Bordeaux mon amour“

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weitere Informationen:
LegiFrance: Text der Urkunde der Ernennung zum Ritter (chevalier) der französischen Ehrenlegion vom 19.04.2000
FrankreichSüd.de: Der Dortmunder Heinz Stahlschmidt rettete den Hafen von Bordeaux
WDR Fernsehen Dokumentation „Wie ein Deutscher in die französische Ehrenlegion kam“ (leider nicht mehr online)
Mail online 25.02.2010: German sailor who refused to obey Nazi orders to blow up Bordeaux dies aged 91 . . . in France
New York Times 06.03.2010: Henri Salmide, 90, Dies; German’s Defiance Saved a French Port
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Berlin

Die italienische Botschaft Berlin (Fotos innen)

Die italienische Botschaft Berlin – gelegen im Diplomaten- und früheren Villenviertel an der Tiergartenstraße wird ab 1938 auf Wunsch der NS-Regierung Deutschlands ein Botschaftsgebäude für Italien geplant und errichtet. Zwischen 1939 und 1942 wird der Bau errichtet, Architekt war Friedrich Hetzelt, Oberbaurat der Hochbauabteilung des Preußischen Finanzministeriums.

Hetzelt (1903 – 1986) wurde ab 1942 von Albert Speer an den Plänen zur Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin beteiligt. Zuvor war Hetzelt 1936 auch Architekt von Görings Landsitz ‚Carinhall‘ und 1941/42 Architekt des Umbaus des Prinz -Albrecht-Palais in Berlin zur Gestapo-Zentrale.

Die Lage der Botschaft Italiens, eines der wesentlichen Verbündeten NS-Deutschlands, orientiert sich bereits an der Speer’schen Planung für ‚Germania‘ : Ausrichtung gen Norden, in prominenter Lage zur späteren Ost – West- sowie Nord-Süd-Achse und zur geplanten ‚Halle des Volkes‘ sowie in direkter Nachbarschaft zur Botschaft Japans, ebenfalls einer ‚Achsenmacht‘.

Im Krieg wird die Botschaft Italiens in Berlin stark zerstört (bereits wenige Monate nach Fertigstellung 1942). Sie wird nur notdürftig wieder instand gesetzt. Eine offizielle Einweihung findet nicht statt.

Nach dem Krieg dient das Gebäude kurze Zeit noch als Botschaft, später nur noch als Generalkonsulat. Ungenutzte Gebäudebereiche verfallen in der Folgezeit.

Nach 1989 entscheidet sich Italien, das Gebäude wieder als italienische Botschaft Berlin zu nutzen. Nach einem Konzept des römischen Architekten Vittorio de Feo (und nach dessen Tod 2002 fortgesetzt vom Berliner Architekten Stefan Dietrich) wird das Gebäude „respektvoll und möglichst originalgetreu wieder hergerichtet“. Zugrunde liegt der Gedanke, dass der Umgang mit der eigenen Geschichte von Akzeptanz, nicht Verdrängung geprägt sein solle.

Am 26. Juni 2003 wurde die italienische Botschaft in Berlin festlich neu eröffnet, in Anwesenheit von Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und Bundespräsident Johannes Rau.

Italienische Botschaft Berlin – Fotos innen:

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italienische botschaft berlin

Italienische Botschaft in Berlin
Hiroshimastr. 1
(Haupteingang: Tiergartenstr. 22)
10785 – Berlin
Tel +49-30-254400
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Besichtigungen sind am Montagnachmittag nach Voranmeldung möglich.

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Frankreich

die französische Demarkationslinie 1940 – 1942

Sie ist weitgehend unbekannt, die französische Demarkationslinie. ‚Demarkationslinie‘, dieses Wort kennen die älteren Leser/innen vielleicht noch aus der deutschen Geschichte, als anderen Begriff für die Grenzlinie zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Doch – auch Frankreich wurde einst zerschnitten von einer Demarkationslinie .

die französische Demarkationslinie

Nach dem Überfall NS-Deutschlands auf Frankreich wurde am 22. Juni 1940  ein Waffenstillstands-Abkommen zwischen NS-Deutschland und Frankreich geschlossen, das am 25. Juni 1940 in Kraft tritt. Nur Charles de Gaulle ruft von London aus zum Widerstand auf.

In der Folge blieb ein großer Teil Frankreichs von den Nazis besetzt (‚zone occupée). Im besetzten Teil Frankreichs übte gemäß Artikel 3 des Waffenstillstandsabkomens Nazi-Deutschland die Staatsgewalt aus.
Der verbleibende Teil Frankreichs wurde von Vichy aus regiert von Marschall Philippe Pétain.

Frankreich war damit geteilt (vom 22. Juni 1940 bis zum 11. November 1942). Zwischen dem von den Nazis besetzten Teil Frankreichs und Vichy-Frankreich entstand eine über 1.200 km lange Demarkationslinie, eine quer durch 13 Departements laufende Binnen-Grenze mitten in Frankreich, die ‚ligne de démarcation‚:

Frankreich zur Zeit der Besetzung durch die Deutschen / Verlauf der Demarkationslinie (Karte: wikimedia / Eric Gaba, Rama)
Frankreich zur Zeit der Besetzung durch die Deutschen / Verlauf der Demarkationslinie (Karte: wikimedia / Eric Gaba, Rama, Lizenz GNU free)

Occupation zones of France during the Second World War, French version – Eric Gaba (Stingfr:Sting) for original blank map Rama for zonesOwn work *Source of data: NGDC World Data Bank II (public domain)GFDL

Neben den beiden Zonen (besetztes Frankreich im Norden, ‚état francais‘ unter Pétain im Süden) gab es von Dünkirchen im Norden bis Hendaye im Südwesten eine ‚zone cotière interdite‘. Ein Küsten-Sperrgebiet zu dem nur Anwohner und Personen mit Spezial-Ausweis Zutritt hatten. Auch Lacanau lag in der NS-Zeit in diesem Küsten-Sperrgebiet.

Die französische Demarkationslinie (von Franzosen auch la dema genannt) wurde von den Deutschen kurz Dema genannt, oder ‚grüne Linie‘ (ligne vert) nach der Art, wie sie auf der Karte des Waffenstillstands markiert war. Sie war mit Stacheldraht gesichert, Übergangsstellen waren mit Wachposten gesichert.

Hinweisschild auf die französische Demarkationslinie
Hinweisschild auf die Demarkationslinie Frankreich

Wollte ein Franzose von einem Teil Frankreichs in den anderen, also die Demarkationslinie passieren, war ein Ausweis oder ein Passierschein (‚laissez-passer‘) erforderlich.

Demarkationslinie Frankreich Karte
Demarkationslinie Frankreich Karte

Der Grenzverlauf zwischen beiden Teilen, die ‚Demarkationslinie‚ wird überwacht, jegliches Überqueren ist streng reglementiert.

französische Demarkationslinie Verordnung
Demarkationslinie Frankreich Verordnung

die französische Demarkationslinie – das langsame Ende

Am 11. November 1942, kurz nach der Landung der Allierten in Nordafrika, dringen deutsche Truppen auch in den Süd-Teil Frankreichs ein, die so genannte ‚freie Zone‘, und besetzen ihn. Die französische Demarkationslinie verliert ihre Zweckbestimmung.

Die Invasion der 'freien Zone' 1942 wird mit offiziellem Telegramm bekannt gegeben
Die Invasion der ‚freien Zone‘ 1942 wird mit offiziellem Telegramm bekannt gegeben

Bis zum 1. März 1943 werden allerdings sowohl die Posten als auch die Kontrollen aufrecht erhalten, auch verwaltungstechnisch sowie auf Karten der Zeit exisitiert die Demarkationslinie weiterhin. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie werden ab 1.4. 1944 auch Passierscheine an der Demarkationslinie wieder eingeführt.

Am 20. August 1944 verlegt Nazi-Deutschland die Vichy-Regierung vor den vordringenden alliierten Streikräften in das Hohenzollernschloss Sigmaringen. Am 25. August 1944 zieht Géneral de Gaulle nach Paris ein – Frankreich ist wieder französisch, die französische Demarkationslinie hat aufgehört Frankreich zu teilen.

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An die Demarkationslinie quer durch Frankreich erinnert seit Juni 2006 ein Museum und Informationszentrum in Génelard nahe Digoin und Charolles, das ‚Centre d’interprétation de la Ligne de démarcation‚. Neben einer Dauerausstellung (Texte auch in deutscher Sprache) umfasst es auch eine Bibliothek sowie eine kleine Buchhandlung mit Publikationen zum Thema französische Demarkationslinie .
In Génelard befand sich (auf der Brücke der Strasse nach Charolles) ein Kontrollposten der Demarkationslinie in Frankreich. Später wurde der Verlauf der Demarkationslinie leicht verändert, Génelard lag wenige Kilometer entfernt vom Grenzverlauf. Das Museum befindet sich in einem neu errichteten Gebäude, gelegen sehr nahe am früheren Kontrollposten.

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Kulturelles

Pornographie und Holocaust

„Pornographie und Holocaust“, geht das zusammen? Ja – im Israel der 1960er Jahre, in pornographischen Heftchen, in denen weibliche KZ-Aufseher alliierte männliche Soldaten quälen und vergewaltigen. Ein israelischer Dokumentarfilm, der jetzt in Deutschland in die Kinos kommt, gibt verstörende Blicke frei auf einen manchmal schockierend wirkenden Versuch, mit dem Schrecken des Holocaust umzugehen.

Vollbusige weibliche SS-Soldaten, Sadismus, Folter und Vergewaltigung – es ging derb und anzüglich her in den ‚Stalag‘-Heften im Israel der 1960er Jahre. Im damals sehr puritanistischen und konservativen Israel wurden die pornographischen Hefte offen verkauft – z.B. am Busbahnhof von Tel Aviv. Ihre Geschichte erzählt der Film „Pornographie und Holocaust“ des israelischen Dokumentarfilmers Ari Libsker, der nun in Kinos in Deutschland kommt.

Der Film „Pornographie und Holocaust“ behandelt das Thema der „sexuellen Ausbeutung des Holocaust“ an zwei Medien: einerseits den ‚Stalag‘-Heftchen der 1960er Jahre, andererseits bereits in den 1940er und 1950er Jahren erschienenen Büchern des Autors ‚K. Zetnik‘, die der als eine Art frühen ‚Vorläufer‘ der Stalag-Hefte sieht. Beide fanden ihre jeweils eigene, dennoch verwandte Art, die Themen Holocaust und Pornographie mit einander zu verknüpfen.

Unter den Namen „K. Zetnik“ berichtete der in Polen geborene israelische Autor und Holocaust-Überlebende Yehiel Dinur u.a. im Prozess gegen Adolf Eichmann über die Verbrechen der Nazis in KZs. Er verfasste -ebenfalls unter dem Pseudonym ‚K. Zetnik‘- mehrere Bücher über den Holocaust, bekannt u.a. „Das Haus der Puppen“ (1953) und „Salamandra“ (1946). Dinur berichtete darin nicht nur, er schrieb statt Reportagen über das Erlebte oft Passagen, die von Lesern als pornographisch oder gar sexuell stimulierend empfunden werden konnten.

Dinurs Bücher, insbesondere „Das Haus der Puppen“, sind noch im heutigen Israel aktuell, haben „das israelische Bewusstsein durchdrungen“. Gehören seit den 1990er Jahren zum Lehrstoff höherer Schulklassen und sind Prüfungsstoff im Abitur.

Offener pornographisch griffen das Thema einige Jahre später die ‚Stalag‘-Hefte auf. Sie waren -nach den Büchern Dinurs- mit die ersten Formen öffentlicher Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Israel – zu einer Zeit, in der gerade der Prozess gegen den ‚Architekten des Holocaust‘ Adolf Eichmann in Israel stattfand.

Der erste der drei Autoren der ‚Stalags‘ war „Mike Baden“ (i.e. Eli Keidar), ihm folgten „Ralph Butcher“ und „Mike Longshot“. Das erste Stalag unter dem Titel „Stalag 13″ wurde direkt zum Verkaufserfolg – über 80.000 Exemplare wurden verkauft. Schnell folgten weitere Ausgaben, bald auch von weiteren Autoren (unter ihnen Miram Uriel), viele verlegt von Isaac Gutmann. Geworben wurde für die Hefte in Zeitungsanzeigen – oft mit Anzeigen, die direkt neben Berichten platziert waren, die über den gerade stattfindenden Eichmann-Prozess informierten.

Der große Erfolg führte bald zu Nachahmern. Die Zahl der Stalag-Bändchen wuchs schnell, wechselnde Cover über der von Grundmuster her immer gleichen Geschichte. Nach gut zwei Jahren, einem Prozess und einer Übersättigung des Marktes verschwanden die Stalag-Heftchen wieder – und sind heute Objekt einer kleinen Gruppe Sammler.

Der Film“Pornographie und Holocaust“ behandelt ausführlich beides – die Bücher Dinurs wie auch die Stalag-Hefte der 1960er. Er lässt damalige Autoren, Leser, aber auch Wissenschaftler zu Wort kommen – und den Zuschauer immer wieder irritiert, bestürzt zurück. Eine Sexualisierung des unfassbaren Grauens, die selbst wieder kaum fassbar scheint – und doch ein Versuch ist, einen Weg des Umgangs mit eben jenem Grauen zu finden.

Sie bemühe sich, über den Holocaust „nur in kleinen Worten“ zu sprechen, denn eigentlich gebe es dafür überhaupt keine Worte, bemerkt eine der befragten Expertinnen gegen Ende des Films. Ein eigentümlicher Kontrast, wohltuender Abstand zu Worten und Bildern sowohl der Dinur’schen Bücher als auch der Stalag-Heftchen, in einer insgesamt wohltuend distanziert – ruhigen und sehr sehenswerten Dokumentation.

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„Pornographie und Holocaust“ (Original-Titel: ‚Stalags‘)
Dokumentarfilm, Israel 2008, 63 min.
Regie und Drehbuch: Ari Libsker
Verleih: Movimiento, Berlin

derzeit (seit 30.12.2010) zu sehen im Kino ‚Movimiento‘ Berlin

siehe auch:
Website des Films Stalags
SpON 30.12.2010: Kinodoku „Pornografie & Holocaust“
taz 29.12.2010: Die Inszenierung der Gewalt
SZ 30.12.2010: Die Hündin des Hauptmanns

Eichmann-Prozess /Transkript Aussage Yehiel Dimur am 7. Juni 1961 (auf Nizcor Project)
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Frankreich Homosexualitäten

Natzweiler Struthof Gedenken homosexuelle NS-Opfer

Am 25. September 2010 wurde im ehemaligen Straf- und Arbeitslager Struthof eine Plakette eingeweiht, die an die wegen ihrer Homosexualität verfolgten Insassen des Lagers erinnert.

Im Elsass, etwas über 50 Kilometer südwestlich von Strasbourg befand sich von 1941 bis 1945 das Straf- und Arbeitslager Natzweiler-Struthof. Insgesamt fast 52.000 Personen aus ca. 30 verschiedenen Nationen wurden nach Natzweiler oder eines seiner Nebenlager deportiert, unter ihnen auch Homosexuelle.

Seit 1960 gibt es in Struthof ein Mahnmal, das „Mémorial de la Déportation“ – das jedoch Homosexuelle als NS-Opfer nicht erwähnt.

Namentlich sind nach Angaben der Fondation pour la Mémoire de la Déportation 215 Insassen des Lagers Struthof bekannt, die aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt wurden, darunter 15 Franzosen.

Gedenkplakette an homosexuelle Opfer im Lager Natzweiler Struthof

Am 25. September 2010 wurde eine Plakette enthüllt, die an die aufgrund ihrer Homosexualität verfolgten Insassen des Lagers Struthof erinnert.

Struthof Gedenken homosexuelle NS-Opfer(Foto: Claude Truong-Ngoc)
Struthof Gedenk-Plakette Deportation Homosexuelle (Foto: Claude Truong-Ngoc; Lizenz cc by-sa 3.0)

Camp de concentration de Natzwiller-Struthof. Plaques mémorielles. – Claude TRUONG-NGOCCC BY-SA 3.0

Die Plakette, die an der Mauer des Erinnerns angebracht wurde, trägt die Inschrift

À la mémoire des victimes de la barbarie nazie, déportées pour motif d’homosexualité
(In Erinnerung an die Opfer der Nazi-Barbarei, die aufgrund ihrer Homosexualität deportiert wurden).

Man habe sich seit vier Jahren um diese Plakette bemüht, zeigte sich der Präsident des Vereins “Les «Oublie(e)s» de la Mémoire” gegenüber Tetu erfreut. Erstmals werde nun auch deportierten Homosexuellen gedacht.

Etwa 500 Menschen wurden in Frankreich wegen ihrer Homosexualität in der NS-Zeit deportiert, darunter ca. zehn Ausländer.

Homosexuelle im KZ Natzweiler – Zeitzeugenbericht

Hans-Georg Stümke und Rudi Finkler zitieren in ihrem 1981 erschienenen Buch ‚Rosa Winkel, Rosa Listen‚ einen Zeitzeugen, der über das KZ Natzweiler u.a. berichtet

„Ich sah wohl manchen Rosa Winkel. Wie er in den Tod befördert wurde, weiß ich nicht. Ich war nicht dabei. Eines Tages war er verschwunden. … kann ich jederzeit unter Eid bezeugen dass ich gleich bei meiner Einlieferung in Natzweiler wegen meines rosa Winkels von den anderen Häftlingen separiert wurde, um vom SS-Unterscharführer und dem Blockältesten (einem Häftling) gemeinsam in der brutalsten Weise … mißhandelt zu werden …“

W. Harthauser 1967: Der Massenmord an Homosexuellen im Dritten Reich, in: W.S.Schlegel: Das große Tabu. Zeugnisse und Dokumente zum problem der Homosexualität. zitiert nach Stümke/Winkler: Rosa Winkel, Rosa Listen, Reinbek 1981

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Vom 1. Mai 1941 bis 23. November 1944 befand sich nahe Natzweiler ein Straf- und Arbeitslager, das KZ Natzweiler-Struthof.  Es wurde am 23.11.1944 durch die Alliierten befreit. Einige Außenlager bestanden weiterhin, die Hauptverwaltung war zudem vor der Befreiung in das Neckartal verlagert worden.

Seit 2005 erinnert das “Europäische Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers” an die Geschichte dieses und anderer Konzentrationslager.

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Der im benachbarten KZ Schirmck inhaftierte Pierre Seel berichtet in seinen Erinnerungen Moi, Pierre Seel (2010), er habe im Rahmen seiner Zwangs-Arbeitseinsätze bei der Errichtung des Lagers Struthof mitarbeiten müssen.

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siehe auch Übersicht über die Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

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Politisches

28.6.1935: Verschärfung des Paragraph 175

Am 28. Juni 1935 beschlossen die Nationalsozialisten in Deutschland die Verschärfung des Paragraph 175 . Insgesamt existierte der Paragraph 175 von seiner Einführung am 1. Januar 1872 bis zu seiner Abschaffung am 11. Juni 1994 über 122 Jahre.

Die Verschärfung des Paragraph 175, damals begründet u.a. mit einem Interesse an der “sittlichen Gesunderhaltung des Volkes”, trat mit Wirkung zum 1. September 1935 in Kraft. Schon gut ein Jahr später, am 10. Oktober 1936, wurde mit der ‚Reichszentrale für Homosexualität und Abtreibung‚ eine der zentralen bürokratischen Verfolgungsinstanzen geschaffen.

In der Bundesrepublik hatte die von den Nazis 1935 verschärfte Version des §175 unverändert bis 1969 Gültigkeit. Noch 1957 hielt das Bundesverfassungsgericht (u.a. unter Verweis auf die ’sittlichen Anschauungen des Volkes‘) den Paragraphen 175 in der NS-Fassung für verfassungsgemäß.

In der DDR galt ab 1950 Paragraph 175 in der Version vor der NS-Verschärfung.

Wikipedia erläutert die Verschärfung des Paragraph 175 :

“Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, indem sie die Höchststrafe im Zuge einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen von vier Jahren auf fünf Jahre Gefängnis heraufsetzten. Durch Streichung des Adjektivs „widernatürlich“ wurde die traditionsreiche Beschränkung auf beischlafähnliche Handlungen aufgehoben. Der Straftatbestand war nun erfüllt, wenn „objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten [zu] erregen“[6]. Eine gegenseitige Berührung war nicht mehr erforderlich.
Darüber hinaus wurde – ähnlich wie bereits 1925 geplant – ein neuer § 175a geschaffen, der sogenannte qualifizierte Fälle als „schwere Unzucht“ mit Zuchthaus zwischen einem und zehn Jahren bestrafte. Hierzu zählten:

die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses

homosexuelle Handlungen mit Männern unter 21 Jahren

„widernatürliche Unzucht mit Tieren“

Paragraph 175 – Wortlaut ab 1935 bis 1969 (BRD) bzw. 1950 (DDR)

Der Paragraph 175 lautete ab der Verschärfung von 1935 (gem. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935. RGBl. I S. 839):

§ 175
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:

  1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
  4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
    § 175b
    Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

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Kurt Hiller: ' Paragraph 175 : Die Schmach des Jahrhunderts !' (1922) [Bild: Shizhao]
Kurt Hiller: ‚§175: Die Schmach des Jahrhunderts !‘ (1922)

Protestierte bereits 1922 mit der Publikation “§175 – Die Schmach des Jahrhunderts !” gegen den Paragraph 175 : Kurt Hiller

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Berlin

Topografie des Terrors – Ausstellung über die Zentrale des Terrors dokumentiert auch Homosexuellen-Verfolgung

Auf dem Gelände des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers und Sitz des ‘Reichssicherheitshauptamts’, Zentralen der Verfolgung und Vernichtung, wurde am 6. Mai 2010 die Ausstellung ‘Topografie des Terrors’ eröffnet. Thematisiert wird auch die Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit.

Berlin Kreuzberg, Niederkirchnerstraße 8. Gegenüber das Abgeordnetenhaus von Berlin, Reste der Mauer. Ein kahles Gelände, ein flacher Neubau in einem Feld aus dunkelgrauem Schotter. Kontrast zu den umliegenden Bauten – ein Kontrast mit Intention, eine Distanz zur umliegenden Herrschaftsarchitektur.

Jahrzehnte früher hieß die heutige Niederkirchner Straße ‘Prinz-Albrecht-Straße’, und die Adresse ‘Prinz-Albrecht-Straße 8′ stand für Terror, Verfolgung und Vernichtung. Hier und in unmittelbarer Nähe lagen das Hauptquartier der ‘Geheimen Staatspolizei’ (Gestapo), die Zentrale der SS und das ‘Reichssicherheitshauptamt‘ (RSHA).

Rechtzeitig vor dem 65. Jahrestag der Befreiung wurde in Berlin am 6. Mai 2010 die Ausstellung ‘Topografie des Terrors’ eröffnet.

Topografie des Terrors
Topografie des Terrors

Topografie des Terrors, Ausstellungsbereich
Topografie des Terrors, Ausstellungsbereich

Die Ausstellung ‘Topografie des Terrors’ informiert über “die wichtigsten Einrichtungen des nationalsozialistischen Verfolgungs- und Terrorapparats” und versucht in fünf Abschnitten “die europäische Dimension der NS-Schreckensherrschaft sichtbar” zu machen.

Im ersten Teil wird dargestellt, wie die NS-Diktatur errichtet wurde. im zweiten Abschnitt werden die zentralen Organisationen des Terrors, SS und Polizei, vorgestellt. Abschnitte drei und vier, die Schwerpunkte der Ausstellung, beschreiben Verfolgung und Vernichtung auf dem Gebiet des ‘Deutschen Reiches’ sowie in den besetzten Gebieten. Hier werden auch die systematische Vernichtung der Juden, die Deportationen von Roma und Sinti, die Bekämpfung von Homosexuellen und die Verfolgung von Asozialen sowie von Kriegsgefangenen und anderen Ausländern und Mordaktionen in Polen und der Sowjetunion behandelt. Im fünften und letzten Abschnitt werden Kriegsende und die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen dargestellt.

Dabei thematisiert die Ausstellung auch die Verfolgung Homosexueller durch Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt, sowohl im Verlauf der einzelnen Ausstellungsbereiche als auch in einem eigenen Panel. So z.B. im Geschäftsverteilungsplan (August 1939) des Reichskriminalpolizeiamts (‘Amt 5′ des Reichssicherheitshauptamts; ansässig am Werderschen Markt 5-6), in dessen ‘Referat IIA’ sich damals die ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung‘ befand:

Geschäftsverteilungsplan des Reichskriminalpolizeiamts August 1939
Geschäftsverteilungsplan des Reichskriminalpolizeiamts August 1939

Ein eigenes Panel thematisiert gezielt die Verfolgung Homosexueller:

Topografie des Terrors / Homosexuellenverfolgung
Topografie des Terrors / Homosexuellenverfolgung

Hier finden sich Dokumente politisch verordneter Verfolgung wie auch persönlicher Schicksale verfolgter Homosexueller, so eine Aktennotiz Josef Meisinger (Referatsleiter IIS ‘Homosexualität und Abtreibung’) vom 7. Mai 1935 zur Änderung des  §175, den Erlass zur Errichtung der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung‘ oder die ‘Belehrung von Angehörigen der SS und Polizei, dass homosexuelle Handlungen mit dem Tod bestraft werden’ von 1942.

1935: Änderung §175, Aktennotiz Josef Meisinger
1935: Änderung §175, Aktennotiz Josef Meisinger

Erlass Himmlers zur Errichtung der 'Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung', 10.10.1936, Auszug
Erlass Himmlers zur Errichtung der ‚Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung‘, 10.10.1936, Auszug

Belehrung SS und Polizei zur Bestrafung homosexueller Handlungen mit dem Tod, 1942
Belehrung SS und Polizei zur Bestrafung homosexueller Handlungen mit dem Tod, 1942

sowie Beispiele für die alltägliche Verfolgung, z.B. Denunziation / Meldung eines ‘Betriebsobmannes’ der Deutschen Arbeitsfront über ‘unsittliche Handlungen’ von Betriebsangehörigen der Firma Zielh-Abegg vom 27. November 1941:

Denunziation vermeintlich Homosexueller, 1941
Denunziation vermeintlich Homosexueller, 1941

Die Ausstellung ist in einem umfangreichen (und mit 15€ bemerkenswert günstigen) umfangreichen Katalog dokumentiert.
Die umfangreiche Bibliothek ist werktags für die Öffentlichkeit zugänglich.

Nicht weit vom Ort der Täter, von der Ausstellung ‘Topografie des Terrors’ entfernt, am Rand des Tiergartens, befindet sich seit Mai 2008 ein Denkmal für eine der Opfergruppen, das ‘Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen‘.

weitere Informationen:
Internetseite Topografie des Terrors
Jens Bisky: Topographie des Terrors – Zentrale der Niedertracht
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