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Versorgungsheim Farmsen

Das Versorgungsheim Farmsen war in der Zeit des Nationalsozialismus ein Bestandteil der NS-Rassen- und Aussonderungspolitik. Viele der Bewohner, als ‚Asoziale‘ bezeichnet, wurden zwangssterilisiert, entmündigt, in Lager deportiert. Bisher wird kaum daran erinnert.

Das ‚Werk- und Armenhaus Barmbek‚ richtete 1903 eine Zweigstelle ein. Werk- und Arbeitshäuser hatten den Zweck, Obdachlose, Bettler, Prostituierte etc. durch Arbeit und reglementierten Tagesablauf zu einem ’normalen Leben‘ zu erziehen.

Die neu gegründete Niederlassung, das ‚Versorgungsheim Farmsen‚, war gelegen auf 1899 erworbenem Gelände auf dem Gebiet des damals zwar schon zu Hamburg gehörenden aber von preußischem Gebiet umgebenen Dorfes Farmsen. Hier wohnten und arbeiteten – meist nicht ganz freiwillig – Menschen mit Beeinträchtigungen. Farmsen war die größte Zweigstätte des Werk- und Armenhauses. Es war eine der größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland.

1919 erfolgte eine Umbenennung des Werk- und Armenhauses in Versorgungsheim, ab 1920 unter der Ägide des Wohlfahrtsamtes. 1929 wurde es Teil der Hamburger ‚Staatlichen Wohlfahrtsanstalten‚ und gehörte zur Sozialbehörde.

früherer Wasserturm auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen
früherer Wasserturm (mit ehem. Waschhaus) auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen – Farmsen – Berne, Hamburg, Germany – hh oldmanCC BY 3.0

Direktor der Staatlichen Wohlfahrtsanstalten und Leiter des Versorgungsheims Farmsen war von 1926 bis 1950 [!] Georg Steigertahl (27.9.1885 Seesen – 3.5.1977 Hamburg), wichtigster Vertreter des Bewahrungsgedankens (staatliche Zwangsmaßnahme, Freiheitsentzug bis zu undefiniertem Zeitpunkt eines Lebens entsprechend den Normen der Gesellschaft).

„In Farmsen waren bis 1938 drei Prozent aller Entmündigungen in Deutschland durchgeführt worden.“

Michaela Freund-Wider: Frauen unter Kontrolle: Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik, Münster 2003 (S. 144)

Über die ‚verwahrten‘ Frauen berichtete Steigertahl 1929:

„Bei den bewahrten Frauen äußert sich die Psychopathie vorwiegend nach der sexuellen Seite hin. Bei einigen hätten wir gerne die künstliche Unfruchtbarmachung durchgeführt, die Ärzte hielten sich aber nicht für befugt dazu. …
So bestehen gegenwärtig für bewahrte Frauen: eine Station für alte Schwachsinnige und Psychopathen, die keinerlei Erziehungsmöglichkeiten bieten, – eine weitere Station für ältere, von denen noch manche vorübergehend oder dauernd den Weg in das freie Wirtschaftsleben findet, – eine Station für jüngere Mädchen, die kaum noch Hoffnungen bieten – und eine Station für jüngere, von denen die meisten zur Entlassung kommen.“

Georg Steigertahl, 1929, Deutsche Zeitschrift für Wohlfahrtspflege / ‚Das Bewahrungsgesetz vom Standpunkt der Praxis‘

Das Versorgungsheim Farmsen in der NS-Zeit

Das Versorgungsheim Farmsen wurde während der NS-Zeit umgestaltet zu einer ‚Bewahranstalt für Asoziale‘ „in der Alte, Sieche, chronisch Kranke, Behinderte, Gefährdete und Bewahrungsfälle“ untergebracht wurden (Steigertahl 1936). Ziel war nun nicht mehr Wiedereingliederung, sondern dass die Anstalt sich möglichst selbst finanziert, aus der Arbeitskraft ihrer Bewohner*innen.

Umfunktioniert als geschlossenes Arbeitshaus wurde es auch zur Zwangs-Unterbringung genutzt. Arbeit sollte nicht bezahlt werden, da die Bewohner „einsichtslos und ohne Verständnis für den Zusammenhang
von Recht und Pflicht“
seien (Steigertahl 1933). Ein Verstoß gegen den Arbeitszwang konnte die Einweisung in ein KZ (z.B. Buchenwald) zur Folge haben.

Das Versorgungsheim Farmsen war in der NS-Zeit beteiligt an Sterilisation, Deportation, Aussonderung und Euthanasie. Es war mittelbar einbezogen in die ‚Mordaktion T4‚ durch Deportation von Hunderten Bewohnern in Anstalten, in denen sie ermordet wurden.

„Schließlich zog man auf Antrag von Steigertahl 1935 auch die Kompetenz für das Sterilisationsverfahren nach dem GeVeN an sich, so dass die Begutachtung zur Sterilisation nicht mehr im Allgemeinen Krankenhaus in Langenhorn, sondern im Versorgungsheim Farmsen direkt vorgenommen werden und die Gesamtzahl der von dort veranlassten Sterilisationen von 155 im Jahr 1934 auf 408 im Jahr 1936 gesteigert werden konnte.“

Matthias Willing: Das Bewahrungsgesetz (1918-1967): eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deutschen Fürsorge, Tübingen 2003

Allein bis 1930 wurden 800 männliche und 343 weibliche Bewohner*innen des Versorgungsheims Farmsen zwangssterilisiert. Zuständig für die ‚Begutachtung‘: der leitende Oberarzt Dr. Hans Buchta. Er war auch für die Entmündigungs-Gutachten zuständig, gemeinsam mit Dr. Käthe Petersen (Sozialverwaltung). Im Rahmen der Entmündigung fungierte Petersen für Frauen als ‚amtlicher Sammelpflegerin (Sammelpflegschaft) und Sammelvormund‘ (reichsweit einmalig nur in Hamburg). Buchta begleitete auch Transporte in Tötungsanstalten.

Mit der Auflösung der „Staats-Irrenanstalt Friedrichsberg“ 1935 wurden ‚für die Forschung interessante Fälle‘ in die neu gegründete Universitäts-Psychiatrie unter Prof. Bürger-Prinz verlegt, noch arbeitsfähige Personen hingegen in das Versorgungsheim Farmsen, und ‚hoffnungslos psychisch Kranke‘ in die Staatskrankenanstalt Langenhorn.

Zu den Opfergruppen gehören Alkoholkranke, Prostituierte, männliche und weibliche [vgl. Ingrid Liermann] Homosexuelle, Sicherheitsverwahrte, Jugendliche die nicht bei der ‚Hitlerjugend‘ mitmachen wollen, Jüdinnen und Juden, ‚Geistesschwache‘ und ‚Asoziale‘ [vgl. hier].

lesbische Frauen im Versorgungsheim Farmsen

„Jede Anstalt, die derart üble Elemente aufnimmt, die durch ihr Prostituiertendasein an hemmungslosen Geschlechtsverkehr gewöhnt sind, muß damit gerechnet werden, daß sich die Triebhaftigkeit und Hemmungslosigkeit dieser Menschen innerhalb der Anstalt in homosexuellen Beziehungen äußert. Es ist selbstverständlich, daß in Farmsen gegen derartige lesbische Freundschaften vorgegangen wird. … Gerade die Anstalt Farmsen hat das schwierigste und übelste Menschenmaterial als Insassen. Zum größten Teil sind die Frauen entmündigt … Lesbische Beziehungen der Insassen untereinander sind in der Anstalt wie Farmsen an der Tagesordnung und trotz schärfster Aufsicht und schweren Strafen nicht ganz zu unterbinden …“

Bericht der weiblichen Kriminalpolizei Hamburg vom 4. Juni 1941, zitiert nach Gottfried Lorenz: Töv, di schiet ik an: Beiträge zur Hamburger Schwulengeschichte, Münster 2013

Ingrid Sonja Liermann (18.4.1926 – 12.4.2010), 1950 Gründerin und bis 1997 Cheffin der Lesbenbar ‚Ika-Stuben‚ in Hamburg St. Pauli, lebte in der NS-Zeit in verschiedenen Jugendheimen, darunter auch im Versorgungsheim Farmsen.

schwule Männer im Versorgungsheim Farmsen

Am 12. September 2007 wurden vier Stolpersteine verlegt, die an wegen Homosexualität verfolgte männliche Bewohner des Versorgungsheimes erinnern:

  • Ludwig Döpking (10.4.1881 Hamburg – 3.10.1936 Hamburg)
  • Richard Elkeles (1906 – 12.3.1941 Hamburg)
  • Martin Lentfer (1875 – 3.1.1938 Hamburg, Selbstmord nach Verhör wegen §175))
  • Gustav Remi (4.6.1905 Hamburg – 11.3.1943 KZ Neuengamme; zeitweise Partner von Otto Giering der die NS-Zeit nach ‚freiwilliger Kastration‘ überlebte(pdf)

Bereits kurz nach der Verlegung wurden die Stolpersteine mit NS-Symbolen beschmiert.

Ein weiterer Stolperstein vor seinem letzten Wohnsitz in der Hamburger Neustadt erinnert an einen schwulen Mann, der im Versorgungsheim Farmsen gelebt hat, Kurt Dombeck (8.5.1890 Liegnitz – 28.4.1943 Neuengamme; entmündigt und zwangssterilisiert).

An Georg Jakob Peters (6. Juli 1872 Tating – 6. April 1944 Landesheilanstalt Weilmünster; seit 1906 wegen seiner Homosexualität kriminalisiert) erinnert ein Stolperstein in Hamburg Eppendorf. 1936 bis zu seiner Flucht 1938 nach Köln lebte er im Versorgungsheim Farmsen.

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Während des 2. Weltkriegs wurden Teile der Fläche für Flakstellungen genutzt.

Versorgungsheim Farmsen nach 1945

Nach 1945 kam es für die Bewohner*innen kaum zu Veränderungen. Steigertahl blieb zunächst Leiter des Versorgungsheims Farmsen wie auch der Staatlichen Wohlfahrtsanstalten. Seine Weiterbeschäftigung auch nach 1945 hatte er (eigenen Angaben in seiner Biographie 1974 zufolge) vor allem Sozialsenator Paul Nevermann zu verdanken (laut Schürmann 2018).

Die Praxis der Entmündigung der im Versorgungsheim Farmsen lebenden Menschen wurde nach 1945 zunächst unreflektiert fortgesetzt. Die Verabschiedung des Grundgesetzes erschwerte ab 1949 Entmündigung und Anstaltseinweisung.

1969 führte Hamburg als erstes Bundesland Heimbeiräte als Organ der Mitsprache der Bewohner*innen ein.

Dr. Käthe Petersen, in der NS-Zeit amtlicher Sammel-Vormund und zuständig für Zwangseinweisungen nach Entmündigung, war nach 1945 weiter in der Fürsorge tätig, machte Kariere und erhielt 1973 das Bundesverdienstkreuz.

Das bei der Sozialbehörde angesiedelte ‚Amt für Heime‘ wurde per 1. Januar 1991 aufgelöst. Der Landesbetrieb ‚Pflegen & Wohnen‘ wurde geschaffen. Ab 1. August 1997 wurde er umgewandelt in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) mit der Stadt Hamburg als Eigentümer.

Per 1. November 2005 erfolgte die Privatisierung des Pflegebereichs, die endgültig abgeschlossen wurde per 1.1.2007. Die verbliebenen brerich werden ‚f&w fördern & wohnen‘ benannt und bleiben AÖR.

Nachfolgeunternehmen sind seitdem ‚Pflegen & Wohnen Hamburg‘ sowie ‚Fördern&Wohnen‘. Pflege&Wohnen ist inzwischen größter privater Anbieter stationärer Pflege in Hamburg, Farmsen ist einer von 13 Standorten des Unternehmens.

Gedenken an die Opfer des Versorgungsheims Farmsen

Eine staatliche Gedenkveranstaltung (Bezirksversammlung Wandsbek) fand erstmals am 27. Januar 2013 [!] statt.

Da bisher ein Gedenkort fehlte, pflanzte der ‚Zentralrat der Asozialen Deutschlands‘ ZAID 2015 ein Beet mit Klee auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen.

Eine Gedenktafel (August-Krogmann-Str. 100) des Denkmalschutzamtes wuerde zwischenzeitlich demontiert. Sie trug den Text

Die Anlage mit Wohn-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Fabrikgebäuden entstand 1903 als Zweigstelle des „Werk- und Armenhauses“ Barmbek. Erweiterungen folgten 1912 und in den 1920er-Jahren. Hier wurden behinderte und hilfsbedürftige Menschen untergebracht und in Fabrik, Wäscherei, Haus- und Landwirtschaft beschäftigt. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) wurden viele der eingewiesenen sogenannten asozialen Personen zwangssterilisiert, entmündigt oder deportiert.
Seit 1961 sind hier ein Pflegezentrum sowie sozialtherapeutische Einrichtungen für seelisch behinderte Menschen untergebracht.

Text der derzeit demontierten Gedenktafel

An der Adresse August-Krogmann-Str. 100 erinnern mehrere Stolpersteine an ehemalige Bewohner*innen des Versorgungsheimes Farmsen.

Ein Gedenk- und Lernort ist in Überlegung.

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Hamburg Homosexualitäten

Harald Tangermann und Peter Daun

Harald Tangermann und Peter Daun – ein schwules Unternehmer-Paar, das lange Jahre die schwule Szene von Hamburg maßgeblich mit prägte. Mit der frühen Förderung von Tom of Finland sowie der einst größten schwulen Sauna Club Uhlenhorst und dem Tom’s hatten sie Bedeutung weit über Hamburg hinaus.

Harald Tangermann und Peter Daun

Harald Tangermann (1932 – 1998)

Harald Tangermann kam am 7. Dezember 1932 in Hamburg Fuhlsbüttel zur Welt. Sein Vater Wilhelm führte das Kaufmanns-Unternehmen ‚Tangermanns Kaffee Geschäfte‚. Seine Mutter war Alice Tangermann geb. Lensch (29.8.1907 – 1.7.1981).

Harald machte zunächst eine Lehre als Kaufmann. Anschließend erlernte er den Beruf des Kellermeisters, wurde Destillateur und Weinküfer. Nach Abschluss der Ausbildungen übernahm er im elterlichen Betrieb Tangermann KG die Spirituosen-Herstellung.

Er entwickelte u.a. ein eigenes Rezept für einen Rumtopf. Dieser erste industriell hergestellte Rumtopf wurde von der Spirituosen-Handlung der Tangermann-Gruppe vermarktet – und bildete bald den Grundstock des Vermögens von Harald Tangermann. 1958 gründet er eine neue Vertriebsfirma (die noch heute existiert).

Haralds Mutter (sein Vater war 1959 verstorben) veranlasste aufgrund der Homosexualität ihres Sohnes, dass dieser von dem Mediziner und Sexualwissenschaftler Prof. Bürger-Prinz ‚begutachtet‘ wurde.
Bürger-Prinz war zur damaligen Zeit in der Hamburger Gesellschaft hoch angesehen. Sein Handeln in der NS-Zeit war weitgehend in Vergessenheit geraten. Bürger-Prinz riet der Mutter, ihren Sohn so zu akzeptieren wie er ist, mit seiner Homosexualität.

Am 1. Juli 1981 starb Haralds Mutter Alice. Sie wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Kurz darauf, 1982 schied Harald aus dem Familienunternehmen aus. Sein Bruder Werner übernahm die Leitung de Unternehmens.

1987 starb Peter Daun. Harald Tangermann lernte 1988 einen neuen Partner kennen, Ulrich. Sie gingen eine Lebenspartnerschaft ein, Ulrich übernahm dabei Haralds Familiennamen.

Harald Tangermann starb am 27. März 1998. Sein Erbe wurde sein Partner Ulrich. Er übernahm damit neben zahlreichen Gebäuden (u.a. dem in dem sich Tom’s und Pit befanden) auch eine der größten Privatsammlungen mit Werken von Tom of Finland.

Peter Daun (1941 – 1987)

Peter Daun wurde am 19. Juni 1941 geboren. 1968 lernte Harald Tangermann den früheren Polizisten und Seemann Peter Daun in Berlin kennen. Bald zogen sie in die gemeinsame Wohnung in Hamburg Uhlenhorst (in ein Wohnhaus, das Harald gehörte).

Peter Daun starb am 15. Dezember 1987 in Hamburg.

Harald Tangermann und Peter Daun wurden in einer gemeinsamen Grabsätte auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt.

Grabstätte von Harald Tangermann und Peter Daun Hamburg 2019
Grabstätte von Harald Tangermann und Peter Daun, 2019

Tangermann Daun als schwule Unternehmer

Club Uhlenhorst

Bereits 1968 (noch vor der Liberalisierung des Paragraphen 175 am 1. September 1969) begannen Harald Tangermann und Peter Daun mit der Planung für eine schwule Sauna. 1969 feierte der Club Uhlenhorst, meist kurz genannt das CU, Eröffnung.

Der Club Uhlenhorst wurde schnell zu einem großen (auch kommerziellen) Erfolg und international bekannt [vgl. detaillietrer Artikel schwule Sauna Club Uhlenhorst 1969 – 1987].

Er war damals die größte schwule Sauna Europas (bis 1975 die schwule Sauna Continental Opera in Paris eröffnete, die noch größer war). Das CU wurde bald legendär im schwulen Leben nicht nur Hamburgs.

1987 schloss das CU, offiziell wegen Lärmbelästigung und Problemen sowohl mit den Nachbarn als auch dem Ordnungsamt.

Pit Club

1973 eröffneten Harald Tangermann und Peter Daun am Pulverteich 17 in Hamburg (Hochparterre) eine schwule Discothek, den Pit Club.

Besonderes Highlight waren lange Zeit aus der Decke herab fahrbare Lichtsäulen, die wohl nicht zufällig an das Studio 54 erinnerten.

Zehn Jahre war das Pit wohl die bedeutendste schwule Disco Hamburgs – bis 1983, als Willy Prange das inzwischen längst legendäre Front eröffnete.

ehemaliger Pit Club Hamburg 2019
Eingang zum Tom’s und (im Erdgeschoss) ehemalige Räume des Pit Club (2019, Umbau)

Das Pit existierte noch viele Jahre, später umbenannt zu Toms Dancehall.

Tom’s Saloon

Am 20. Juni 1974 wurde im Keller unter dem Pit Club (in einem ehemaligen Kohlenkeller) die neue Lederbar Tom’s Saloon eröffnet.

Tom of Finland (mit dem Harald Tangermann und Peter Daun persönlich befreundet waren, s.u.) war nicht nur Namenspate der Bar – er brachte auch zahlreiche Original-Zeichnungen an den Wänden an und entwarf das Logo. Ein Raum wurde mit Birkenstämmen und Querbalken ausgestattet, eine Atmosphäre wie auf manchen Tom-of-Finland – Zeichungen schaffend.

Die zunächst angedachten Planungen, weitere Filialen des Toms in den USA zu eröffnen, wurden nach persönlichen Differenzen verworfen.
Schließlich verkauften Tangermann Daun das Toms im Jahr 1977.

Tangermann Daun, Tom of Finland und Hamburg

Schon 1957 hatte das US-Magazin Physique Pictoral erstmals Zeichnungen von Tom of Finland abgedruckt.

Bedeutend für seine frühe Wahrnehmung in Hamburg war Gerhard Pohl, bekannt u.a. als einer der Gründer des schwulen Lederclubs MSC Hamburg (1974).

Der Hamburger Fotograf und Regisseur von Pornofilmen Gerhard Pohl wurde am 8. Dezember 1931 in Hamburg Barmbek geboren. Er starb am 15. Juni 1993 in Hamburg an den Folgen von Aids. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Stellingen. Pohls Nachlass wird im Schwulen Museum Berlin verwahrt.

Gerhard Pohl nahm bereits früh brieflich Kontakt zu Tom auf. Im Laufe der Jahre freundeten sie sich an. Pohl brachte erstmals Zeichnungen von Tom nach Hamburg, stellte sie in der Loreley Bar in St. Pauli aus, damals der Treffpunkt der noch kleinen Hamburger Lederszene.

Und Pohl stellte 1968 den Kontakt von Tom of Finland mit Harald Tangermann und Peter Daun her. Bald befreundeten sich die drei.

„Peter war Toms Liebling“

Harald Tangermann, in ‚Tom of Finland XXL‘

Harald Tangermann erwarb zahlreiche Zeichnungen von Tom – und Tom malte beide (besonders Peter ist auf mehreren Zeichnungen zu erkennen). Einige Bilder zeigen Szenen z.B. in der Sauna CU oder bei gemeinsamen Motorradtouren.

Harald Tangermann und Peter Daun engagierten Tom bald auch für ihre Unternehmungen – u.a. für ein großes Wandbild in der schwulen Sauna Club Uhlenhorst (s.o.)

Die Lederszene in Hamburg wuchs, die Loreley als Treffpunkt war bald zu klein. Harald Tangermann und Peter Daun beschlossen, eine eigene Lederbar zu eröffnen. Und schnell war klar, dass sie nach Tom benannt werden sollte. Tom of Finland stimmte zu, und ‚Tom’s Saloon‘ war geboren (s.o.). Tom stattetet die Bar mit Wandbildern aus, auch das Logo entwarf er.

Tom of Finland, der mit seinen Zeichnungen Ikonen der Homomaskulinität schuf, startete seine internationale Karriere also auch und besonders in Hamburg – mit nicht unbeträchtlichem Mitwirken von Harald Tangermann und Peter Daun.

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Ich erinnere mich an Harald und Peter. Das CU war eine wichtige, wenn nicht die zentrale Station bei meinen Entdeckungen der Hamburger Schwulenszene. Viele Wochenenden, Nächte, sonntägliche Früh(spät)stücke in der Sauna. Übernachten plus Spaß nach durchtanzter Disco-Nacht, und das für wenig Geld. Ideal für Ulli als Student.

Harald erinnere ich eher als den ruhigen, fast distinguierten Mann im Hintergrund. Attraktiv aber irgendwie unnahbar. Peter hingegen, eher laut und immer präsent, auch mal am Pool, oder mit Freunden am Tisch neben der Bar.

Und ich erinnere: einen Gegensatz, den ich schon damals nicht verstanden oder zumindest für mich nicht empfunden habe.

Man geht nicht in diese Bars und Kneipen, sagten die die ‚politisch‘ waren. Und meinten verächtlich die „kommerzielle Schwulenszene“. Sondern traf sich in den Schwulengruppen, privat, und im Tuc Tuc oder so.

Das war auch alles gut. Gefiel mir, war – meins. Da fühlte ich mich wohl. Tuc, das war Wohnzimmer. Nur – später in der Nacht – da traf ich den ein oder anderen dann doch auch im Tom’s oder im CU. Und lernte als junger Mann schnell: Hormone und Politik – das ist nicht immer kongruent.

Irritiert war ich, weil: ich selbst spürte diesen vermeintlichen Gegensatz zwischen ‚kommerzieller Sub‘ und ‚Bewegung‘ schon damals nicht.

Harald und Peter, sie hatten damals große Freiräume für mich (und viele andere schwule, oder homosexuelle) Männer ermöglicht. Ich habe beides als Spielwiesen erlebt, das CU wie auch das Tom’s. Hier konnte ich ausprobieren, was ich das mit meiner Sexualität, was hat da zu tun mit Mann-Sein, mit meinen Gelüsten, mit meinen Sehnsüchten. Und wenn ich Lust hatte, konnte ich nachher (oder vorher) sogar noch im Pit dazu tanzen – wunderbar 🙂

Wenn schwule Bewegungen bedeutet: Menschen Freiräume zu eröffnen sich repressionsfrei zu begegnen und zu entdecken – dann haben (im Rahmen ihrer Zeit und Möglichkeiten) Harald und Peter genau das (für mich) ermöglicht (wenn auch vielleicht, aber nur vielleicht, auf eine ‚unpolitische‘ Weise).

Harald und Peter – sie haben Freiräume ermöglicht. Freiräume, in denen ich mich entdecken, mich frei und ungezwungen ausprobieren konnte. Meine (vor allem auch sexuellen) Identitäten entdecken. Mich, meinen Weg finden konnte.

Dafür bin ich ihnen dankbar.

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Prosit 2022

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Wasserflugplatz Altona (1925 – 1926)

Ab 1925 verband der Wasserflugplatz Altona das noch nicht zu Hamburg gehörende Altona mit Dresden. Heute erinnert fast nichts an die Wasserfluglinie an der Elbe.

Max Brauer, seit 1924 Oberbürgermeister von Altona (damals noch selbständig), eröffnete am 10. August 1925 die Wasserfluglinie, die ‚Blaue Linie‚ nach Dresden. Um 12:45 Uhr startetet der Pilot mit einer F-13 der Dessauer Flugzeugwerke Junkers mit Namen ‚Wildente‘ vom Ponton auf der Elbe Richtung Dresden. Nach einer Zwischenlandung in Magdeburg erreichte er um 16:45 Uhr das Ziel Dresden- Johannistadt.

Der Regelflugbetrieb wurde bereits ab dem nächstem Tag aufgenommen. zweimal täglich außer sonntags verkehrte je ein Flugzeug zwischen Altona und Dresden. Die Fluggäste (maximal 4 pro Flug) wurden mit einem Ruderboot zum in der Elbe verankerten Start-Ponton übergesetzt. Zusätzlich zu den Passagieren wurde (wenig) Gepäck, Zeitungen und Luftpost befördert.

Der Flugpreis betrug pro Person zwischen 90 und 100 Mark. Die Flugtickets erwarben die Fluggäste in einer Holzbaracke. Diese ist heute noch erhalten – in dem Gebäude befindet sich seit den 1990er Jahren ein Ausflugslokal, seit 2017 die ‚Bücke 10 im Strandhaus‘, zuvor seit 1991 die ‚Elbkate‘.

Wasserflugplatz Altona – früheres Gebäude, heute ‚Bücke 10 im Strandhaus‘

Die Linie Altona – Dresden war erst die zweite Wasserfluglinie auf dem Kontinent (nach Danzig – Stockholm). Für Altona war sie von besonderer Bedeutung, hatte Altona (damals preußisch) doch im Gegensatz zu Hamburg keinen Flughafen.

Die Wasserfluglinie Altona – Dresden wurde 10. August 1925 bis zum Sommer 1926 betrieben.

Bereits am 11. November 1925 wurde der Luftpost-Verkehr eingestellt, damit entfiel auch die finanzielle Unterstützung durch die Reichspost. Mit Ende der Sommersaison 1926 endete der gesamte Wasserflugzeug-Betrieb vom Wasserflugplatz Altona. Grund war die zu niedrige Passagierzahl. Insgesamt fanden nur 134 Flüge statt, es kam häufig zu Flugausfällen aufgrund von Elbhochwasser oder Eisschollen.

Zudem startete im Sommer 1926 eine Landflug-Verbindung zwischen Dresden und dem nur 15 km entfernten Flughafen Hamburg- Fuhlsbüttel.

Der Aufschwung der zivilen Luftfahrt geht so an Altona vorbei. Die kurze Geschichte des Wasserflugplatzes Altona fand nach gut einem Jahr Betrieb ein Ende.

In Erinnerung an die einstige Blaue Linie flog am 12. August 1995 (75. Jahrestag der Eröffnung) ein Wasserflugzeug vom ehemaligen Wasserflugplatz Altona nach Dresden.

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Nordsee ist Mordsee, Hark Bohm 1976

Eine Abenteuer-Geschichte aus Hamburg, die zu einem Klassiker des coming of age Films wurde

Hamburg in den 1970er Jahren, in einer Arbeitersiedlung in Hamburg- Wilhelmsburg. Uwe, 14 Jahre alt, ist Anführer einer Bande Jugendlicher. Dschingis ist eines der Opfer der Bande. Dschingis allerdings bietet Uwe Unterschlupf an, als der nach Ärger mit seinem angetrunkenen Vater die Schule schwänzen will. Sie freunden sich an.

auch nach 45 Jahren viel Interesse – open air Aufführung Nordsee ist Mordsee 2021

Das Leben muss doch mehr zu bieten haben als nur Automaten-Knacken und Rumlungern. In einem geklauten Segelboot machen sie sich auf die Reise — elbabwärts Richtung Nordsee …

Hark Bohm Regisseur von Nordsee ist Mordsee im jahr 2021
Hark Bohm 2021 (Zeise open air Aufführung Nordsee ist Mordsee im Innenhof Rathaus Altona am 18. Juli 2021)

„Ich träume oft davon ein Segelboot zu klaun’ und einfach abzuhaun’…“

Udo Lindenberg / Mark Bohm, Schluß-Lied des Films

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Jahre später erst verstand ich: der Zauber dieses Films (wie zahlreicher anderer) liegt nicht in Elbe oder Nordsee, nicht in Uwe oder Dschingis – dieser Zauber wurzelt in Hark Bohm.

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Michel Foucault in Hamburg

Der französische Philosoph Michel Foucault hielt sich in Hamburg 1959 / 1960 auf und war dort Direktor des Institut francais. Seit 2019 erinnert daran eine Gedenktafel.

Ab Ende September 1959, sein Vater war kurz zuvor (14.9.1959) gestorben, lebte Michel Foucault in Hamburg. Gerade erst 33 Jahre alt, wurde er vom 1. Oktober 1959 bis 30. September 1960 Direktor des im März 1951 gegründeten Institut francais in Hamburg.

Michel Foucault am 30. Oktober 1974 in Brasilien – Ciclo de conferências do filósofo francês Michel Foucault, no Hospital das Clínicas da Universidade do Estado da Guanabara (UEG) – Public domain / Arquivo Nacional Collection

Foucault lehrte in dieser Zeit an der Universität Hamburg am Romanischen Seminar und arbeitete an seiner Kant– Übersetzung (‚Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‘, später Thèse complémentaire der Promotion und 1964 veröffentlicht). Und er schloß hier seine Doktorarbeit (Thèse principale der Promotion in Philosophie) ab, bald darauf publiziert unter dem Titel ‚Histoire de la Folie‘ (deutsch: Wahnsinn und Gesellschaft; publiziert mit der Vorwort- Datierung ‚Hamburg, 5. Februar 1960‘).

Bereits nach kurzer Zeit verließ Michel Foucault Hamburg wieder – die Universität von Clermont-Ferrand hatte ihm eine Stelle mit Aussicht auf eine Professur angeboten (die er am 1. Oktober 1960 auch antrat) … Foucaults Durchbruch als Philosoph nahm in Frankreich seinen Anfang … und er lernt Daniel Defert kennen, seinen Partner bis zu seinem Lebensende.

Seit 12. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel am Eingang des Institut francais in Hamburg an Foucaults Zeit dort:

Gedenktafel für Michel Foucault am Eingang des Institut francais in Hamburg seit 2019
Gedenktafel für Michel Foucault am Eingang des Institut francais in Hamburg

Foucault in Hamburg

Foucault brachte bedeutende französische Intellektuelle seiner Zeit am Institut francais nach Hamburg – und trat in zum Teil engen Dialog mit deutschen Intellektuellen und Denkern.

Den französischen Philosophen Roland Barthes (1915 – 1980) lernte Foucault bereits im Dezember 1955 kennen, beide verband eine lebenslange enge Freundschaft. Foucault holte Barthes während seiner Zeit am institut francais zu Vorträgen nach Hamburg.

Alain Robbe-Grillet lud er Ende 1959 zu einem Vortrag ein, ebenso den Schriftsteller Pierre Gascard.

Foucault ließ im Juni 1960 das Stück ‚L’ecole des veuves‚ von Jean Cocteau am Institut aufführen.

Foucault selbst hielt im Mai 1960 im Institut eine Vortrag ‚Apollinaire et l’art moderne‚.

Er traf mehrfach den Schriftsteller Rolf Italiaander, der sich auch für die Rechte Homosexueller einsetzte, und dessen Partner Hans-Ludwig Spegg. Gemeinsame ‚St. Pauli Bummel‘ folgten. Italiaander (der Foucault 1959 bei einem Vortrag im Institut kenenn lernte) war damals ‚Ständiger Sekretär‘ der Freien Akademie der Künste‘. Foucault regte Italiaander zu einer Ausstellung über afrikanische Kunst an, zeigte Kupferstiche junger Afrikaner im Institut. Auch nach seiner Zeit in Hamburg hielt Foucault Kontakt mit Rolf Italiaander. „Unsere Begegnung, die erste, stand unter dem Zeichen von H. H. Jahnn.“

„Hamburg sollte stolz sein, daß ein so resoluter Denker wie Foucault hier gewirkt hat.“

Rolf Italiaander, Besinnung auf Werte – Persönlichkeiten in Hamburg nach dem Krieg (Hamburg 1984)

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Foucault, der auch in Austauch mit der französischen Homophilen-Bewegung der Zeit (André Baudry (1922 – 2018) und desen Gruppe Arcadie) war, entdeckte in seiner Zeit in Hamburg auch das schwule Leben der Stadt, besonders in St. Pauli.

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„In Hamburgs Kultur-, Wissenschafts- oder Schwulengeschichte hat sein Aufenthalt gar keinen Niederschlag gefunden.“

Rainer Nicolaysen 2016

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zu Foucaults Zeit in Hamburg siehe

Rainer Nicolaysen: Foucault in Hamburg – Anmerkungen zum einjährigen Aufenthalt 1959/60. in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, 2016

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Sklavenhandel in Hamburg

Kaufleute und Reeder aus Hamburg wie Altona waren am Sklavenhandel beteiligt. Allen voran: Heinrich Carl Schimmelmann.

Im europäischen Kolonialismus war Hamburg eines der Zentren (wie die Ausstellung ‚Grenzenlos – Kolonialismus, Industrie und Widerstand‘ im Museum der Arbeit 2020 gut aufzeigt). Anders als Bordeaux, das eine der Metropolen des Sklavenhandels war, hatte Hamburg im Sklavenhandel allerdings selbst eine kleinere Rolle.

Sklavenhandel war in Hamburg verboten – doch im nahen Altona war er erlaubt. Vieles wurde so über Dänemark und das nahe Altona ‚abgewickelt‘ oder aus Hamburg finanziert. ‚Sklavenschiffe‘ waren im Hamburger Hafen wohl nie zu sehen – dennoch ist die Rolle Hamburgs im und als Profiteur des Sklavenhandel nicht unbedeutend.

Reeder aus Hamburg und aus Altona (damals unter dänischer Verwaltung, erst seit 1937 zu Hamburg) waren im transatlantischen Dreieckshandel aktiv.

Und Hamburg profitierte vom Warenverkehr und Versklavungshanel – die Stadt war z.B. im 18. Jahrhundert das Zentrum in Europa für Rohzucker-Verarbeitung. Der Rohzucker stammte – aus Versklavungshandel, aus Plantagen in Übersee, nach Hamburg gebracht z.B. über Bordeaux. Hamburg, das selbst erklärte Tor zur Welt, war auch ein Tor zur kolonialen Welt.

Hamburg war aber auch Lebensort zahlreicher Sklaven – unter anderem, wie auf zahlreichen Gemälden zu sehen, als Personal und Diener in so mancher Elbvilla.

Anders als andere Städte hat Hamburg seine Geschichte von Kolonialismus und Sklaverei bisher wenig aufgearbeitet.

Heinrich Carl von Schimmelmann (1724 – 1782)

Der Kaufmann, Sklavenhändler und Sklavenbesitzer Heinrich Carl von Schimmelmann, geboren in Demmin (Vorpommern), war zu seiner Zeit einer der reichsten Männer Europas. Er war zugleich Finanzberater des Königs von Dänemark und wurde 1779 in den Grafenstand erhoben. Wandsbek damals Teil des Herzogtums Holstein, Lehen des Königs von Dänemark.

Hauptbeteiligt am Sklavenhandel in Hamburg - H. C. Schimmelmann, Portraitbüste von Hartmann Beeken, 1780
H. C. Schimmelmann (Portraitbüste des dänischen Bildhauers Hartmann Beeken, 1780)

Schimmelmann besaß vierzehn Schiffe, vier (1763 vom Staat Dänemark erworbene) Baumwoll- und Zuckerrohr-Plantagen im damaligen Dänisch-Westindien (seit 1917: us-amerikanisches Außengebiet Jungferninseln) und bis zu 1.000 Sklaven. Jedem seiner Sklaven wurde das Zeichen ‚BvS‘ (für Baron von Schimmelmann) auf eine der beiden Brusthälften gebrannt.

Schimmelmann war Dänemarks größter Sklavenhändler. und größter Steuerzahler und vermutlich auch reichster Bürger des Staates.

„Sclaven-Handel liegt mir am Herzen“

Heinrich Carl von Schimmelmann
Stammbaum Familie Schimmelmann, Schloss Ahrensburg, 20. Jhdt.

Schimmelmanns Vermögen basiert zum größten Teil auf dem atlantischen Versklavungshandel und der damit verbundenen Plantagenwirtschaft. Julian zur Lage (Forschungsstelle ‚Hamburgs (post)koloniales Erbe‘) kennzeichnet Schimmelmann 2021 als ‚transatlantischer Kolonialunternehmer und Symbolfigur des Versklavungshandels‘.

Schimmelmanns Sohn Heinrich Erich hatte später wesentlichen Anteil daran, dass der Handel mit versklavten Menschen auf dänischen Schiffen eingestellt wurde.

Schloss Ahrensburg – Familiensitz Schimmelmann 1759 – 1932

Von der Familie von Rantzau erwarb H. C. Schimmelmann 1759 das Schloß von Ahrensburg (Wasserschloss, erbaut zwischen 1570 und 1585) sowie 1762 vom König Dänemarks das Gut Wandsbek.

Schloss Ahrensburg, 1759 - 1932 im Besitz der Familie Schimmelmann
Schloss Ahrensburg, 1759 – 1932 im Besitz der Familie Schimmelmann

Schloss Ahrensburg war bis 1932 im Besitz der Familie Schimmelmann (Auszug 1934). 1932 war sie aus finanziellen Gründen zum Verkauf gezwungen.

Familienwappen Schimmelmann, Ahrensburger Schloss
Familienwappen Schimmelmann, Ahrensburger Schloss

Anschließend erwarb es die Sparkasse des Kreises Stormarn von der Famile. 1938 übertrug sie es dem Verein Schloss Ahrensburg e.V., Ende 2002 ging es in die Stiftung Schloss Ahrensburg über.

Seit 1955 ist Schloss Ahrensburg Museum. Das Museum behandelt in der Ausstellung zur Geschichte des Hauses auch die kolonialen Aspekte – wenn auch relativierend (‚zeittypisch‘).

Hamburg gedenkt Sklavenhändler Schimmelmann

Schimmelmann wurde in Hamburg lange noch gedacht. So hieß z.B. die Weihnachts-Auführung im Museum für Kunst und Gewerbe bis zum Jahr 2016 ‚Weihnachten bei Schimmelmanns‘.

Doch auch heute noch findet sich Schimmelmann-Gedenken in Hamburg:

nach Schimmelmann benannte Straßen

In Hamburg erinnern gleich drei Straßen an die Familie Schimmelmann:

  • Der Schimmelmannstieg in Hamburg Jenfeld (auf dem Gelände des nicht mehr existierenden früheren Wandsbeker Schlosses Schimmelmanns) trägt seinen Namen seit 1945
  • Die Schimmelmannallee in Jenfeld (seit 1951)
  • Die Schimmelmannstraße in Jenfeld (Name schon vor 1864) – ausgerechnet hier sitzt seit 1994 die ‚Hamburger Tafel‘.

Zahlreiche Forderungen nach Umbenennung dieser Straßen konnten bisher nicht realisiert werden.

Schimmelmann – Denkmal in Hamburg Wandsbek 2006 – 2008

Am 12. September 2006 (!) wurde für Schimmelmann ein Denkmal in Hamburg Wandsbek eingeweiht (gegenüber dem Rathaus Wandsbek). Gedacht werden sollte einer der bedeutendsten Persönlichkeiten Wandsbeks.

Nach massiven Protesten und Protestaktionen (die Büste wurde zweimal mit roter Farbe übergossen) allerdings wurde die Büste im Jahr 2008 wieder demontiert (Beschluss der Bezirksversammlung vom 8. Mai 2008).

Schimmelmann Mausoleum in Hamburg Wandsbek

Schimmelmann, 1782 in Kopenhagen gestorben, hatte in seinem Testament verfügt, in Wandsbek (seinem Lieblingsort) beigesetzt zu werden.

Schimmelmanns Mausoleum befindet sich noch heute in Hamburg Wandsbek nahe der Christuskirche:

Sklavenhandel in Hamburg - Mausoleum Schimmelmann in Wandsbek
Schimmelmann Mausoleum Hamburg Wandsbek
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Hamburg

Atomkraftwerk Stade (1972 – 2003 / 2026)

Das Atomkraftwerk Stade (auch: Kernkaftwerk Stade, KKS) war von 1972 bis 2003 in Betrieb. Der Druckwasserreaktor der ersten Generation mit einer Leistung von 640 MW (netto) wurde am 14. November 2003 abgeschaltet. Seit 2005 erfolgt der Rückbau.

Atomkraftwerk Stade AKW Kernkraftwerk KKS
Atomkraftwerk Stade, von der Elbe aus gesehen, September 2020

Das Kernkraftwerk Stade KKS wurde errichtet von Siemens / Kraftwerk Union KWU. Die Baukosten lagen damals bei umgerechnet 150 Mio. Euro. Es ging am 29. Januar 1972 in Betrieb und war neben Würgassen eines der ersten kommerziell betriebenen Atomkraftwerke in der BRD.

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Hamburg Kulturelles

Ernst Rowohlt Grab

Der Verleger Ernst Rowohlt, 1908 Gründer des Rowohlt Verlag in leipzig, starb 1960 in Hamburg. Das Grab von Ernst Rowohlt befindet sich auf dem Friedhof Volksdorf.

Ernst Hermann Heinrich Rowohlt wurde am 23. Juni 1887 in Bremen geboren. Nach der mittleren Reife ging er in einer Bank in Bremen in die Lehre.

Nach einem Volontariat in einer Druckerei in Leipzig gründete er mit 21 Jahren 1908 den ‚ Rowohlt Verlag Paris – Leipzig‘. 1912 übernahm Kurt Wolff den verlag. Seinen zweiten Verlag gründete Rowohlt 1919 in Berlin. Den dritten Verlag rief er 1946 in Stuttgart ins Leben, 1950 folgte der Umzug nach Hamburg.

Bereits im Juni 1950 brachte Rowohlt das erste Taschenbuch auf den Markt:

„Wir drucken die Bände im Rotationsdruck, allerdings auf aufgebessertem Zeitungspapier, und lassen sie im Lumbeckverfahren binden. Das garantiert eine große Haltbarkeit des Rückens, die Bücher liegen flach auf, und da der deutsche Bücherkäufer stets gern Halbleinenbände haben will, haben wir auch einen Halbleinenrücken angewandt.“

Ernst Rowohlt

Mit den rororo Taschenbüchern veränderte Rowohlt den Buchmarkt in der Bundesrepublik wesentlich.

Ernst Rowohlt Grab Hamburg Volksdorf
Ernst Rowohlt Grab, August 2020 (Rowohlts Grabstein befindet sich am Rand des Rhododendron, links davor die Grabsteine seiner Mutter Anna sowie seiner Frau Maria)

Ernst Rowohlt starb am 1. Dezember 1960 in Hamburg an einem Herzinfarkt.

Auf seinem Grabstein stehen seine eigenen (heute kaum noch entzifferbaren) Worte „Hier ruht ein Verleger, der 54 Jahre Buchhändler war und nicht geisteskrank wurde, und der sein Leben lang, fast umsonst, ein alter Kämpfer gegen die Torheit war.“

Grabstein Ernst Rowohlt
Grabstein Ernst Rowohlt, August 2020

Ernst Rowohlt wurde auf dem Friedhof Hamburg Volksdorf beigesetzt (Ernst Rowohlt Grab Friedhof Hamburg Volksdorf Feld A k (das Feld befindet sich gegenüber der Kapelle, Rowohlts Grab am Ende des Feldes zum kleinen Weg / Feld B l hin)

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Hamburg Konzerte & Festivals

Finna Hamburg 2020

Finna am 21. August 2020 im Gängeviertel Hamburg