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Wutzrock 2022

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Spundloch Hamburg

Das Spundloch Hamburg war lange Zeit die Disco der Wahl für uns – und es war eine eigenartige Gratwanderung zwischen ‚kommerzieller Sub‘ und ‚Bewegung‘ (ein Unterschied, das uns damals eigentlich wichtig war – außer hier …

St. Pauli war damals ‚unser Kiez‘ – nicht weit entfernt lag der schwule Buchladen Männerschwarm (1981 eröffnet), auch das 1979 gegründete Café Tuc Tuc war schnell erreicht.

Spundloch Hamburg Eingang, Situation 2022
der Eingang zum früheren ‚Spundloch‘ im Jahr 2022
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Tuntenexpress nach Sylt

Hamburg hatte in den frühen 1980er Jahren während der Sommermonate etwas besonderes zu bieten: den Tuntenexpress – ein Tagesausflug von der Disco (fast) direkt an den Strand.

Samstag Nacht – Nacht der Party, des Vergnügens, des Tanzens. In Hamburg hieß das Saturday Night Fever in den 1980er Jahren im Sommer auch: und bei gutem Wetter danach ab auf die Insel, ab an den Strand.

Nach durchtanzter Disco Nacht ging es zunächst zum Bahnhof Hamburg Altona. Und von dort dann zweieinhalb Stunden durch den frühen Sonntag Morgen. 237 km mit der Bundesbahn (ja, so hieß die damals noch) im ‚Sonderzug Neptun‚ (so hieß der Tuntenexpress offiziell) „auf die Insel“ – und dann vom Bahnhof Westerland möglichst direkt (zu Fuß oder mit dem Bus) Richtung Strand.

Das besondere: die frühe Verbindung (morgens um 7:41 Uhr fuhr der Zug ab Altona) erlaubte einen Tagesausflug nach Sylt. Nach der Disco- Nacht zum Sonderpreis von 36,- DM an den Strand in die Dünen, und abends schon wieder zurück im heimischen Bett in Hamburg.

Und noch besser: passend zur Disco-Zeit hatte der Zug nach Sylt einen Partywagen (offiziell als ‚Gesellschaftswagen‘ oder WGye bezeichnet) – und so ging es nach durchtanzter Nacht im Zug weiter mit Bier Musik Tanz und Partystimmung … und gut gelaunt an den Strand.

Viele Schwule aus Hamburg und Umgebung nutzten die praktische Verbindung im Sommer für ein schwules Wochenend – Vergnügen zwischen Disco und Dünen – und so kam diese Verbindung bald zu ihrem inoffiziellen Namen: mit dem Tuntenexpress in die Dünen.

Vom Bahnhof Westerland war es ja nicht weit an den schwulen Strand, nahe der damaligen (bereits seit Mitte der 1920er Jahre existierenden) ‚Oase zur Sonne‚, knapp eine halbe Stunde zu Fuß. Und südlich der Oase begannen ‚die schwulen Dünen‚. Ja, damals durfte man noch weit durch die Dünen spazieren, in den Kuhlen liegen, sonnen und allerlei Dinge treiben. Hier war im Sommer das Cruising Eldorado von Sylt.

Nachmittags ging es dann langsam zum Kaffee in die Innenstadt, bevorzugt ins Café Orth. Und am frühen Abend dann zurück zum Bahnhof. Mit dem Zug ab Westerland um 19:10 Uhr zurück nach Hamburg, meist – erschöpft von Nacht und Tag – eher ruhiger als auf der Hinfahrt. Gegen 21:30 Uhr war dann Hamburg Altona wieder erreicht.

Der Tuntenexpress verkehrte damals in den Sommermonaten jeden Sonntag – morgens früh nach Westerland, und abends wieder zurück.

Und Westerland kam so auch aus diesem Grund damals zu seinem Zweitnahmen: Schwesterland.

… und wer doch mehr als nur eine Tagesausflug in die schwulen Dünen machen wollte, blieb einige Tage auf Sylt, und genoß das (im Vergleich zu heute) in den 1980er Jahren vergleichsweise üppige Sylter schwule Nachtleben

auch im Winter eine Reise wert: Ulli auf Sylt, Januar 1988

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Auch der offen schwule Schriftsteller Detlef Meyer (12. Februar 1948 Berlin – 30. Oktober 1999 Berlin) wußte Sylt zu schätzen:

Steife Brise
Blau wehen an den Masten die Matrosen
Ein schmales Handtuch fliegt auf einen braunen Mann
Die grünen Jungs die pustet’s aus den Badehosen
Sie werden rot und ziehen sich wieder an
Ein Gelbschwanz flattert an den Strand
Das sind die Farben von Westerland

Detlef Meyer, in: Heute Nacht im Dschungel. 50 Gedichte, Berlin 1981

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Der ‚Tuntenexpress‚, als Sonderzug Neptun (15 alte D-Zug-Wagen) bereits seit den frühen 1970er Jahren zwischen Hamburg und Westerland sommers jeden Sonntag im Einsatz, existiert schon lange nicht mehr. Er wurde 1988 eingestellt, nachdem Asbest in den Wagen festgestellt wurde [Danke D.L.].

Die Geschichte der schwulen Dünen bei Westerland endete irgendwann später. Zunächst begann schon ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre das Treiben in den Dünen merklich ruhiger zu werden, wohl auch in Folge der Aids- Krise.

Seit Mai 2014 ist der Dünenbereich zwischen Strandoase (der damaligen Oase zur Sonne) und Jugendherberge Dikjen Deel auf Betreiben des Umweltamts gesperrt und mit Stacheldraht eingezäunt.

mit dem Tuntenexpress an den schwulen Strand - der Hit in den 1980er Jahren, heute längst passé
seit Jahren schon: kein Cruising mehr in den Dünen, Reste schwulen Strandlebens nur noch direkt am Strand

Der ehemalige Cruising Treff in den schwule Dünen von Westerland existiert seitdem nicht mehr, offiziell aus Gründen des Naturschutzes.

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Versorgungsheim Farmsen

Das Versorgungsheim Farmsen war in der Zeit des Nationalsozialismus ein Bestandteil der NS-Rassen- und Aussonderungspolitik. Viele der Bewohner, als ‚Asoziale‘ bezeichnet, wurden zwangssterilisiert, entmündigt, in Lager deportiert. Bisher wird kaum daran erinnert.

Das ‚Werk- und Armenhaus Barmbek‚ richtete 1903 eine Zweigstelle ein. Werk- und Arbeitshäuser hatten den Zweck, Obdachlose, Bettler, Prostituierte etc. durch Arbeit und reglementierten Tagesablauf zu einem ’normalen Leben‘ zu erziehen.

Die neu gegründete Niederlassung, das ‚Versorgungsheim Farmsen‚, war gelegen auf 1899 erworbenem Gelände auf dem Gebiet des damals zwar schon zu Hamburg gehörenden aber von preußischem Gebiet umgebenen Dorfes Farmsen. Hier wohnten und arbeiteten – meist nicht ganz freiwillig – Menschen mit Beeinträchtigungen. Farmsen war die größte Zweigstätte des Werk- und Armenhauses. Es war eine der größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland.

1919 erfolgte eine Umbenennung des Werk- und Armenhauses in Versorgungsheim, ab 1920 unter der Ägide des Wohlfahrtsamtes. 1929 wurde es Teil der Hamburger ‚Staatlichen Wohlfahrtsanstalten‚ und gehörte zur Sozialbehörde.

früherer Wasserturm auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen
früherer Wasserturm (mit ehem. Waschhaus) auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen – Farmsen – Berne, Hamburg, Germany – hh oldmanCC BY 3.0

Direktor der Staatlichen Wohlfahrtsanstalten und Leiter des Versorgungsheims Farmsen war von 1926 bis 1950 [!] Georg Steigertahl (27.9.1885 Seesen – 3.5.1977 Hamburg), wichtigster Vertreter des Bewahrungsgedankens (staatliche Zwangsmaßnahme, Freiheitsentzug bis zu undefiniertem Zeitpunkt eines Lebens entsprechend den Normen der Gesellschaft).

„In Farmsen waren bis 1938 drei Prozent aller Entmündigungen in Deutschland durchgeführt worden.“

Michaela Freund-Wider: Frauen unter Kontrolle: Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik, Münster 2003 (S. 144)

Über die ‚verwahrten‘ Frauen berichtete Steigertahl 1929:

„Bei den bewahrten Frauen äußert sich die Psychopathie vorwiegend nach der sexuellen Seite hin. Bei einigen hätten wir gerne die künstliche Unfruchtbarmachung durchgeführt, die Ärzte hielten sich aber nicht für befugt dazu. …
So bestehen gegenwärtig für bewahrte Frauen: eine Station für alte Schwachsinnige und Psychopathen, die keinerlei Erziehungsmöglichkeiten bieten, – eine weitere Station für ältere, von denen noch manche vorübergehend oder dauernd den Weg in das freie Wirtschaftsleben findet, – eine Station für jüngere Mädchen, die kaum noch Hoffnungen bieten – und eine Station für jüngere, von denen die meisten zur Entlassung kommen.“

Georg Steigertahl, 1929, Deutsche Zeitschrift für Wohlfahrtspflege / ‚Das Bewahrungsgesetz vom Standpunkt der Praxis‘

Das Versorgungsheim Farmsen in der NS-Zeit

Das Versorgungsheim Farmsen wurde während der NS-Zeit umgestaltet zu einer ‚Bewahranstalt für Asoziale‘ „in der Alte, Sieche, chronisch Kranke, Behinderte, Gefährdete und Bewahrungsfälle“ untergebracht wurden (Steigertahl 1936). Ziel war nun nicht mehr Wiedereingliederung, sondern dass die Anstalt sich möglichst selbst finanziert, aus der Arbeitskraft ihrer Bewohner*innen.

Umfunktioniert als geschlossenes Arbeitshaus wurde es auch zur Zwangs-Unterbringung genutzt. Arbeit sollte nicht bezahlt werden, da die Bewohner „einsichtslos und ohne Verständnis für den Zusammenhang
von Recht und Pflicht“
seien (Steigertahl 1933). Ein Verstoß gegen den Arbeitszwang konnte die Einweisung in ein KZ (z.B. Buchenwald) zur Folge haben.

Das Versorgungsheim Farmsen war in der NS-Zeit beteiligt an Sterilisation, Deportation, Aussonderung und Euthanasie. Es war mittelbar einbezogen in die ‚Mordaktion T4‚ durch Deportation von Hunderten Bewohnern in Anstalten, in denen sie ermordet wurden.

„Schließlich zog man auf Antrag von Steigertahl 1935 auch die Kompetenz für das Sterilisationsverfahren nach dem GeVeN an sich, so dass die Begutachtung zur Sterilisation nicht mehr im Allgemeinen Krankenhaus in Langenhorn, sondern im Versorgungsheim Farmsen direkt vorgenommen werden und die Gesamtzahl der von dort veranlassten Sterilisationen von 155 im Jahr 1934 auf 408 im Jahr 1936 gesteigert werden konnte.“

Matthias Willing: Das Bewahrungsgesetz (1918-1967): eine rechtshistorische Studie zur Geschichte der deutschen Fürsorge, Tübingen 2003

Allein bis 1930 wurden 800 männliche und 343 weibliche Bewohner*innen des Versorgungsheims Farmsen zwangssterilisiert. Zuständig für die ‚Begutachtung‘: der leitende Oberarzt Dr. Hans Buchta. Er war auch für die Entmündigungs-Gutachten zuständig, gemeinsam mit Dr. Käthe Petersen (Sozialverwaltung). Im Rahmen der Entmündigung fungierte Petersen für Frauen als ‚amtlicher Sammelpflegerin (Sammelpflegschaft) und Sammelvormund‘ (reichsweit einmalig nur in Hamburg). Buchta begleitete auch Transporte in Tötungsanstalten.

Mit der Auflösung der „Staats-Irrenanstalt Friedrichsberg“ 1935 wurden ‚für die Forschung interessante Fälle‘ in die neu gegründete Universitäts-Psychiatrie unter Prof. Bürger-Prinz verlegt, noch arbeitsfähige Personen hingegen in das Versorgungsheim Farmsen, und ‚hoffnungslos psychisch Kranke‘ in die Staatskrankenanstalt Langenhorn.

Zu den Opfergruppen gehören Alkoholkranke, Prostituierte, männliche und weibliche [vgl. Ingrid Liermann] Homosexuelle, Sicherheitsverwahrte, Jugendliche die nicht bei der ‚Hitlerjugend‘ mitmachen wollen, Jüdinnen und Juden, ‚Geistesschwache‘ und ‚Asoziale‘ [vgl. hier].

lesbische Frauen im Versorgungsheim Farmsen

„Jede Anstalt, die derart üble Elemente aufnimmt, die durch ihr Prostituiertendasein an hemmungslosen Geschlechtsverkehr gewöhnt sind, muß damit gerechnet werden, daß sich die Triebhaftigkeit und Hemmungslosigkeit dieser Menschen innerhalb der Anstalt in homosexuellen Beziehungen äußert. Es ist selbstverständlich, daß in Farmsen gegen derartige lesbische Freundschaften vorgegangen wird. … Gerade die Anstalt Farmsen hat das schwierigste und übelste Menschenmaterial als Insassen. Zum größten Teil sind die Frauen entmündigt … Lesbische Beziehungen der Insassen untereinander sind in der Anstalt wie Farmsen an der Tagesordnung und trotz schärfster Aufsicht und schweren Strafen nicht ganz zu unterbinden …“

Bericht der weiblichen Kriminalpolizei Hamburg vom 4. Juni 1941, zitiert nach Gottfried Lorenz: Töv, di schiet ik an: Beiträge zur Hamburger Schwulengeschichte, Münster 2013

Ingrid Sonja Liermann (18.4.1926 – 12.4.2010), 1950 Gründerin und bis 1997 Cheffin der Lesbenbar ‚Ika-Stuben‚ in Hamburg St. Pauli, lebte in der NS-Zeit in verschiedenen Jugendheimen, darunter auch im Versorgungsheim Farmsen.

schwule Männer im Versorgungsheim Farmsen

Am 12. September 2007 wurden vier Stolpersteine verlegt, die an wegen Homosexualität verfolgte männliche Bewohner des Versorgungsheimes erinnern:

  • Ludwig Döpking (10.4.1881 Hamburg – 3.10.1936 Hamburg)
  • Richard Elkeles (1906 – 12.3.1941 Hamburg)
  • Martin Lentfer (1875 – 3.1.1938 Hamburg, Selbstmord nach Verhör wegen §175))
  • Gustav Remi (4.6.1905 Hamburg – 11.3.1943 KZ Neuengamme; zeitweise Partner von Otto Giering der die NS-Zeit nach ‚freiwilliger Kastration‘ überlebte(pdf)

Bereits kurz nach der Verlegung wurden die Stolpersteine mit NS-Symbolen beschmiert.

Ein weiterer Stolperstein vor seinem letzten Wohnsitz in der Hamburger Neustadt erinnert an einen schwulen Mann, der im Versorgungsheim Farmsen gelebt hat, Kurt Dombeck (8.5.1890 Liegnitz – 28.4.1943 Neuengamme; entmündigt und zwangssterilisiert).

An Georg Jakob Peters (6. Juli 1872 Tating – 6. April 1944 Landesheilanstalt Weilmünster; seit 1906 wegen seiner Homosexualität kriminalisiert) erinnert ein Stolperstein in Hamburg Eppendorf. 1936 bis zu seiner Flucht 1938 nach Köln lebte er im Versorgungsheim Farmsen.

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Während des 2. Weltkriegs wurden Teile der Fläche für Flakstellungen genutzt.

Versorgungsheim Farmsen nach 1945

Nach 1945 kam es für die Bewohner*innen kaum zu Veränderungen. Steigertahl blieb zunächst Leiter des Versorgungsheims Farmsen wie auch der Staatlichen Wohlfahrtsanstalten. Seine Weiterbeschäftigung auch nach 1945 hatte er (eigenen Angaben in seiner Biographie 1974 zufolge) vor allem Sozialsenator Paul Nevermann zu verdanken (laut Schürmann 2018).

Die Praxis der Entmündigung der im Versorgungsheim Farmsen lebenden Menschen wurde nach 1945 zunächst unreflektiert fortgesetzt. Die Verabschiedung des Grundgesetzes erschwerte ab 1949 Entmündigung und Anstaltseinweisung.

1969 führte Hamburg als erstes Bundesland Heimbeiräte als Organ der Mitsprache der Bewohner*innen ein.

Dr. Käthe Petersen, in der NS-Zeit amtlicher Sammel-Vormund und zuständig für Zwangseinweisungen nach Entmündigung, war nach 1945 weiter in der Fürsorge tätig, machte Kariere und erhielt 1973 das Bundesverdienstkreuz.

Das bei der Sozialbehörde angesiedelte ‚Amt für Heime‘ wurde per 1. Januar 1991 aufgelöst. Der Landesbetrieb ‚Pflegen & Wohnen‘ wurde geschaffen. Ab 1. August 1997 wurde er umgewandelt in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) mit der Stadt Hamburg als Eigentümer.

Per 1. November 2005 erfolgte die Privatisierung des Pflegebereichs, die endgültig abgeschlossen wurde per 1.1.2007. Die verbliebenen brerich werden ‚f&w fördern & wohnen‘ benannt und bleiben AÖR.

Nachfolgeunternehmen sind seitdem ‚Pflegen & Wohnen Hamburg‘ sowie ‚Fördern&Wohnen‘. Pflege&Wohnen ist inzwischen größter privater Anbieter stationärer Pflege in Hamburg, Farmsen ist einer von 13 Standorten des Unternehmens.

Gedenken an die Opfer des Versorgungsheims Farmsen

Eine staatliche Gedenkveranstaltung (Bezirksversammlung Wandsbek) fand erstmals am 27. Januar 2013 [!] statt.

Da bisher ein Gedenkort fehlte, pflanzte der ‚Zentralrat der Asozialen Deutschlands‘ ZAID 2015 ein Beet mit Klee auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen.

Eine Gedenktafel (August-Krogmann-Str. 100) des Denkmalschutzamtes wuerde zwischenzeitlich demontiert. Sie trug den Text

Die Anlage mit Wohn-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Fabrikgebäuden entstand 1903 als Zweigstelle des „Werk- und Armenhauses“ Barmbek. Erweiterungen folgten 1912 und in den 1920er-Jahren. Hier wurden behinderte und hilfsbedürftige Menschen untergebracht und in Fabrik, Wäscherei, Haus- und Landwirtschaft beschäftigt. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) wurden viele der eingewiesenen sogenannten asozialen Personen zwangssterilisiert, entmündigt oder deportiert.
Seit 1961 sind hier ein Pflegezentrum sowie sozialtherapeutische Einrichtungen für seelisch behinderte Menschen untergebracht.

Text der derzeit demontierten Gedenktafel

An der Adresse August-Krogmann-Str. 100 erinnern mehrere Stolpersteine an ehemalige Bewohner*innen des Versorgungsheimes Farmsen.

Ein Gedenk- und Lernort ist in Überlegung.

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Hamburg Homosexualitäten

Harald Tangermann und Peter Daun

Harald Tangermann und Peter Daun – ein schwules Unternehmer-Paar, das lange Jahre die schwule Szene von Hamburg maßgeblich mit prägte. Mit der frühen Förderung von Tom of Finland sowie der einst größten schwulen Sauna Club Uhlenhorst und dem Tom’s hatten sie Bedeutung weit über Hamburg hinaus.

In der post- Stonewall – Zeit waren Discos und Saunen nicht nur Zentren schwulen Lebens und (nicht nur) sexuellen Begegnens geworden – sie wurden geradezu zum Motor von Veränderung oft eher miefiger 60er / früh-70er Homosexuellen-Szenen.

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Prosit 2022

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Wasserflugplatz Altona (1925 – 1926)

Ab 1925 verband der Wasserflugplatz Altona das noch nicht zu Hamburg gehörende Altona mit Dresden. Heute erinnert fast nichts an die Wasserfluglinie an der Elbe.

Max Brauer, seit 1924 Oberbürgermeister von Altona (damals noch selbständig), eröffnete am 10. August 1925 die Wasserfluglinie, die ‚Blaue Linie‚ nach Dresden. Um 12:45 Uhr startetet der Pilot mit einer F-13 der Dessauer Flugzeugwerke Junkers mit Namen ‚Wildente‘ vom Ponton auf der Elbe Richtung Dresden. Nach einer Zwischenlandung in Magdeburg erreichte er um 16:45 Uhr das Ziel Dresden- Johannistadt.

Der Regelflugbetrieb wurde bereits ab dem nächstem Tag aufgenommen. zweimal täglich außer sonntags verkehrte je ein Flugzeug zwischen Altona und Dresden. Die Fluggäste (maximal 4 pro Flug) wurden mit einem Ruderboot zum in der Elbe verankerten Start-Ponton übergesetzt. Zusätzlich zu den Passagieren wurde (wenig) Gepäck, Zeitungen und Luftpost befördert.

Der Flugpreis betrug pro Person zwischen 90 und 100 Mark. Die Flugtickets erwarben die Fluggäste in einer Holzbaracke. Diese ist heute noch erhalten – in dem Gebäude befindet sich seit den 1990er Jahren ein Ausflugslokal, seit 2017 die ‚Bücke 10 im Strandhaus‘, zuvor seit 1991 die ‚Elbkate‘.

Wasserflugplatz Altona – früheres Gebäude, heute ‚Bücke 10 im Strandhaus‘

Die Linie Altona – Dresden war erst die zweite Wasserfluglinie auf dem Kontinent (nach Danzig – Stockholm). Für Altona war sie von besonderer Bedeutung, hatte Altona (damals preußisch) doch im Gegensatz zu Hamburg keinen Flughafen.

Die Wasserfluglinie Altona – Dresden wurde 10. August 1925 bis zum Sommer 1926 betrieben.

Bereits am 11. November 1925 wurde der Luftpost-Verkehr eingestellt, damit entfiel auch die finanzielle Unterstützung durch die Reichspost. Mit Ende der Sommersaison 1926 endete der gesamte Wasserflugzeug-Betrieb vom Wasserflugplatz Altona. Grund war die zu niedrige Passagierzahl. Insgesamt fanden nur 134 Flüge statt, es kam häufig zu Flugausfällen aufgrund von Elbhochwasser oder Eisschollen.

Zudem startete im Sommer 1926 eine Landflug-Verbindung zwischen Dresden und dem nur 15 km entfernten Flughafen Hamburg- Fuhlsbüttel.

Der Aufschwung der zivilen Luftfahrt geht so an Altona vorbei. Die kurze Geschichte des Wasserflugplatzes Altona fand nach gut einem Jahr Betrieb ein Ende.

In Erinnerung an die einstige Blaue Linie flog am 12. August 1995 (75. Jahrestag der Eröffnung) ein Wasserflugzeug vom ehemaligen Wasserflugplatz Altona nach Dresden.

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Hamburg

Nordsee ist Mordsee, Hark Bohm 1976

Eine Abenteuer-Geschichte aus Hamburg, die zu einem Klassiker des coming of age Films wurde

Hamburg in den 1970er Jahren, in einer Arbeitersiedlung in Hamburg- Wilhelmsburg. Uwe, 14 Jahre alt, ist Anführer einer Bande Jugendlicher. Dschingis ist eines der Opfer der Bande. Dschingis allerdings bietet Uwe Unterschlupf an, als der nach Ärger mit seinem angetrunkenen Vater die Schule schwänzen will. Sie freunden sich an.

auch nach 45 Jahren viel Interesse – open air Aufführung Nordsee ist Mordsee 2021

Das Leben muss doch mehr zu bieten haben als nur Automaten-Knacken und Rumlungern. In einem geklauten Segelboot machen sie sich auf die Reise — elbabwärts Richtung Nordsee …

Hark Bohm Regisseur von Nordsee ist Mordsee im jahr 2021
Hark Bohm 2021 (Zeise open air Aufführung Nordsee ist Mordsee im Innenhof Rathaus Altona am 18. Juli 2021)

„Ich träume oft davon ein Segelboot zu klaun’ und einfach abzuhaun’…“

Udo Lindenberg / Mark Bohm, Schluß-Lied des Films

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Jahre später erst verstand ich: der Zauber dieses Films (wie zahlreicher anderer) liegt nicht in Elbe oder Nordsee, nicht in Uwe oder Dschingis – dieser Zauber wurzelt in Hark Bohm.

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Hamburg Kulturelles

Mahnmal gegen den Krieg (Hrdlicka 1983/86)

Alfred Hrdlicka: Mahnmal gegen den Krieg (1983/86, unvollendet (2 von geplant 4 Teilen)
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Hamburg

Michel Foucault in Hamburg

Der französische Philosoph Michel Foucault hielt sich in Hamburg 1959 / 1960 auf und war dort Direktor des Institut francais. Seit 2019 erinnert daran eine Gedenktafel.

Ab Ende September 1959, sein Vater war kurz zuvor (14.9.1959) gestorben, lebte Michel Foucault in Hamburg. Gerade erst 33 Jahre alt, wurde er vom 1. Oktober 1959 bis 30. September 1960 Direktor des im März 1951 gegründeten Institut francais in Hamburg.

Michel Foucault am 30. Oktober 1974 in Brasilien – Ciclo de conferências do filósofo francês Michel Foucault, no Hospital das Clínicas da Universidade do Estado da Guanabara (UEG) – Public domain / Arquivo Nacional Collection

Foucault lehrte in dieser Zeit an der Universität Hamburg am Romanischen Seminar und arbeitete an seiner Kant– Übersetzung (‚Anthropologie in pragmatischer Hinsicht‘, später Thèse complémentaire der Promotion und 1964 veröffentlicht). Und er schloß hier seine Doktorarbeit (Thèse principale der Promotion in Philosophie) ab, bald darauf publiziert unter dem Titel ‚Histoire de la Folie‘ (deutsch: Wahnsinn und Gesellschaft; publiziert mit der Vorwort- Datierung ‚Hamburg, 5. Februar 1960‘).

Bereits nach kurzer Zeit verließ Michel Foucault Hamburg wieder – die Universität von Clermont-Ferrand hatte ihm eine Stelle mit Aussicht auf eine Professur angeboten (die er am 1. Oktober 1960 auch antrat) … Foucaults Durchbruch als Philosoph nahm in Frankreich seinen Anfang … und er lernt Daniel Defert kennen, seinen Partner bis zu seinem Lebensende.

Seit 12. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel am Eingang des Institut francais in Hamburg an Foucaults Zeit dort:

Gedenktafel für Michel Foucault am Eingang des Institut francais in Hamburg seit 2019
Gedenktafel für Michel Foucault am Eingang des Institut francais in Hamburg

Foucault in Hamburg

Foucault brachte bedeutende französische Intellektuelle seiner Zeit am Institut francais nach Hamburg – und trat in zum Teil engen Dialog mit deutschen Intellektuellen und Denkern.

Den französischen Philosophen Roland Barthes (1915 – 1980) lernte Foucault bereits im Dezember 1955 kennen, beide verband eine lebenslange enge Freundschaft. Foucault holte Barthes während seiner Zeit am institut francais zu Vorträgen nach Hamburg.

Alain Robbe-Grillet lud er Ende 1959 zu einem Vortrag ein, ebenso den Schriftsteller Pierre Gascard.

Foucault ließ im Juni 1960 das Stück ‚L’ecole des veuves‚ von Jean Cocteau am Institut aufführen.

Foucault selbst hielt im Mai 1960 im Institut eine Vortrag ‚Apollinaire et l’art moderne‚.

Er traf mehrfach den Schriftsteller Rolf Italiaander, der sich auch für die Rechte Homosexueller einsetzte, und dessen Partner Hans-Ludwig Spegg. Gemeinsame ‚St. Pauli Bummel‘ folgten. Italiaander (der Foucault 1959 bei einem Vortrag im Institut kenenn lernte) war damals ‚Ständiger Sekretär‘ der Freien Akademie der Künste‘. Foucault regte Italiaander zu einer Ausstellung über afrikanische Kunst an, zeigte Kupferstiche junger Afrikaner im Institut. Auch nach seiner Zeit in Hamburg hielt Foucault Kontakt mit Rolf Italiaander. „Unsere Begegnung, die erste, stand unter dem Zeichen von H. H. Jahnn.“

„Hamburg sollte stolz sein, daß ein so resoluter Denker wie Foucault hier gewirkt hat.“

Rolf Italiaander, Besinnung auf Werte – Persönlichkeiten in Hamburg nach dem Krieg (Hamburg 1984)

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Foucault, der auch in Austauch mit der französischen Homophilen-Bewegung der Zeit (André Baudry (1922 – 2018) und desen Gruppe Arcadie) war, entdeckte in seiner Zeit in Hamburg auch das schwule Leben der Stadt, besonders in St. Pauli.

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„In Hamburgs Kultur-, Wissenschafts- oder Schwulengeschichte hat sein Aufenthalt gar keinen Niederschlag gefunden.“

Rainer Nicolaysen 2016

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zu Foucaults Zeit in Hamburg siehe

Rainer Nicolaysen: Foucault in Hamburg – Anmerkungen zum einjährigen Aufenthalt 1959/60. in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, 2016