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HIV/Aids

Szenen meines Lebens mit HIV

Ich erinnere mich sehr gut an meine erste Begegnung mit Aids. Und ich hoffe, irgendwann in diesem Leben sagen zu können: Ich erinnere mich voller Freude an meine letzte Begegnung mit Aids. Ich hoffe, es zu erleben, dass wir absehbar bei uns einen Schlussstrich ziehen können unter diese Krise, die so unsagbar viel Leid, Zerstörung, Verwüstung, Elend gebracht hat. Aber beginnen wir von vorne.

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Erinnerungen Homosexualitäten

Rosa Winkel backen

Bremerhaven, Herbst 1981. Seit Sommer 1979 lebnte ich (bis Sommer 1982) in Bremerhaven. In der ‚Schleuse‚ (1) im Columbuscenter ist im November 1981 ‚Friedensfest‚.

Da wollen wir mit der neuen ‚Schwulen Aktion Bremerhaven‚, kurze Zeit zuvor gegründet, präsent sein mit einem Bücher- und Infostand. Dirk, Uwe, Andreas und ich (war noch jemand in dieser frühen Phase dabei? Meine Erinnerung ist vielleicht nicht vollständig) sitzen in der Küche zusammen. „Man müsste was mit Rosa Winkeln machen“, ist bald einhellige Meinung.

„Warum backen wir nicht einfach welche?“ Dirks Idee, zunächst ein großer Lacher, erweist sich bald als – überzeugend. Rosa Winkel backen. Und so sitzen wir bald um den großen Küchentisch, kneten Teig, rühren rosa Zuckerguss an, backen Plätzchen in Dreiecks-Form, die bald zu kitschig-appetitlich anzusehenden ‚Rosa Winkeln‘ werden.

Das Backen fand am 19. November 1981 statt, das Friedensfest am 22. November 1981. Dort verteilten wir 300 Flugblätter. Es war mein erstes Flugblatt (und befindet sich inzwischen längst im Schwulen Museum*). Ich hatte es selbst im Asta-Referat gedruckt, ich war vorher Druckrefent geworden, hatte extra Schulungen dafür besucht.

Der ‚Rosa Winkel‚, er war mir seit einiger Zeit ein Begriff. Seit ich begonnen hatte verstehen zu wollen, warum ’schwul‘ und ‚homo‘ als Schimpfworte verwendet wurden. Seit ich begonnen hatte, mich für ‚unsere‘ Geschichte zu interessieren.

Und er war mir, uns auch (indirekt) persönlich bekannt. Noch kannte ich keinen Mann, der selbst von den Nazis wegen seines Schwulseins verfolgt worden war, im KZ den ‚Rosa Winkel‘ tragen musste (das folgte erst Jahre später). Aber Horst (über den ich in ‚Vorbilder‚ und ‚schwul altern‚ geschrieben habe) berichtete uns in den seltenen Momenten, in denen er auch die schmerzhaften Erinnerungen aus seinen Jugendjahren nicht nur zuließ sondern auch erzählte.

Rosa Winkel backen ‚, was heute wie eine spaßige Kinderei klingen mag, das war für uns damals eine sehr politische Aktion (und ein Gruppen-Erlebnis, und ja, auch ein Heidenspaß). Es war, soweit ich mich heute erinnere, die erste größere Aktion der ‚Schwulen Aktion Bremerhaven‚ in der Öffentlichkeit – und die Reaktionen waren bemerkenswert.

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(1) Die Schleuse war ein am 27. Apriul 1979 eröffnetes Kulturzentrum im Columbus Center in Bremerhaven. 1990 wurde es im Zuge von Sparmaßnahmen geschlossen. Bis dahin hatten in der ‚Schleuse‘ (geleitet von Jörn Hoffmann) etwa 6.000 Festivals, Konzerte und Veranstaltungen stattgefunden.

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Frankreich Homosexualitäten

Jean-Le-Bitoux-Platz – Montreuil ehrt Schwulenaktivist

Jean-Le-Bitoux-Platz – einer der bedeutendsten Aktivisten der französischen Schwulenbewegung der 1970er und 1980er Jahre wird in Montreuil nahe Paris (Département Seine-Saint-Denis in der Region Île-de-France) geehrt. 2014 wurde ein Platz nach dem 2010 verstorbenen Aktivisten für die Rechte von Schwulen und Lesben Jean Le Bitoux benannt.

Am Samstag 15. März 2014 wurde um 11:00 der Jean-Le-Bitoux-Platz (square Jean Le Bitoux) in Montreuil eingeweiht (Ecke rue Paul Bert). Bürgermeisterin Dominique Voynet hielt eine Rede. Anwesend waren u.a. auch Christophe Girard, der Bürgermeister der vierten Arrondissement von Paris, Pierre Serne, Leiter EELV Liste Vincennes (EELV = französische ‚Grüne‘), Jean-Luc Romero, Regionalrat für Ile-de-France, der Journalist und Schriftsteller Pierre Guénin, der Regisseur Alain Burosse, die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz sowie SOS Homophobie.

Yves Navarre und Jean Le Bitoux in Paris bei der Demonstration für Lesben- und Schwulen-Rechte, 4. April 1981 (Foto: © ClaudeTruong-Ngoc)
Yves Navarre und Jean Le Bitoux in Paris bei der Demonstration für Lesben- und Schwulen-Rechte, 4. April 1981 (Foto: © ClaudeTruong-Ngoc)

Yves Navarre et Jean Le Bitoux à la manifestation pour les droits gays et lesbiens, Paris 4 avril 1981.Claude TRUONG-NGOC (User:Ctruongngoc) – CC BY-SA 3.0

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Berlin HIV/Aids

Podiumsdiskussion ACT UP ! Feuer unterm Hintern! Queeres Gegen-Gedächtnis und Aids-Aktivismus in Deutschland

Aids-Aktivismus in Deutschland – eine Podiumsdiskussion am 19. Januar 2014 beschäftigt sich mit ACT UP und den Geschichten des Aids-Aktivismus in Deutschland. Als einer der Zeitzeugen   bin ich Gast bei dieser Podiumsdiskussion ACT UP.

„Inspiriert durch die politische Kunst von ACT UP! ist eine ‚Archiv-Performance‘ in der nGbK Berlin geplant. Broschüren, Briefe, Fotos, Poster und andere Materialien der deutschen ACT UP!-Gruppen aus dem Archiv des Schwulen Museums werden als eine Intervention in der Ausstellung ‚Love – Aids – Riot – Sex‘ projiziert, kommentiert und kontextualisiert von Zeitzeug_innen.“ (aus der Veranstaltungs-Ankündigung)

Podiumsdiskussion ACT UP : ACT UP Aktion beim 3. Deutschen Aids-Kongress Wiesbaden 1992
Podiumsdiskussion ACT UP : ACT UP Aktion beim 3. Deutschen Aids-Kongress Wiesbaden 1992

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Erinnerungen HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Community Advisory Board der klinischen HIV-Impfstoffstudie zu HIV-1 rgp-160, Immuno AG (1993 – 1997)

Von 1993 bis 1997 untersuchte eine der ersten Studien in Europa einen experimentellen Impfstoff gegen HIV an Menschen (HIV-Impfstoffstudie zu HIV-1 rgp-160 der Immuno AG Wien, Leiter Prof. Goebel). Erstmals in Europa war ein Community-Advisory Board aktiv in einer multinationalen multizentrischen klinischen HIV-Studie eingebunden. Ich war damals Mitglied in diesem Community Advisory Board, zeitweise dessen Chairman.

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Mitglieder des Community Boards waren

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HIV/Aids Persönliches

persönliches Statement – meine Motivation zur Mitarbeit im Immuno Community Advisory Board (1997)

In den Jahren 1993 bis 1997 begleitete ein Community Advisory Board (CAB) eine der ersten klinischen Studien mit HIV-Impfstoff-Kandidaten (Immuno AG rgp160). Ich war damals Mitglied dieses CABs. Über meine persönliche Motivation, in diesem CAB mitzuarbeiten, habe ich (wie alle anderen CAB-Mitglieder auch) im Schlussbericht 1997 ein Statement abgegeben. Es erzählt einiges über die Zeit damals, über meine Motivation, über eine Zeit des Übergangs von Aids-Aktivismus / ACT UP zu Therapieaktivismus.  Der im Folgenden wiedergegebene Text ist übersetzt aus dem englischen Original des Schlussberichts.

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HIV/Aids

Tausende Aids Poster online zugänglich

Eine der weltweit größten Sammlungen Aids Poster aus den Bereichen Aufklärung und Aktivismus  ist seit dem 1. Dezember 2013 kostenfrei im Internet zugänglich.

Die Sammlung enthält auch zahlreiche Plakate und Poster aus dem Bereich Aids-Aktivismus und ACT UP – überwiegend aus us-amerikanischen Quellen, aber auch zahlreiche Plakate aus Deutschland, insbesondere der Deutschen Aids-Hilfe, stehen hier online.

Aids Poster : Ein ACT UP Demonstrant zeigt ein Plakat anlässlich des Gay Pride (Marche des fiertés) in Toulouse 2011 (Foto: Léna)
Aids Poster : Ein ACT UP Demonstrant zeigt ein Plakat anlässlich des Gay Pride (Marche des fiertés) in Toulouse 2011 (Foto: Léna, cc by-sa 3.0)

Militant d’Act-Up à la marche des fiertés de Toulouse, 2011LénaCC BY-SA 3.0

Das Projekt der University of Rochester wurde 2011 gestartet und ist nun mit der Freischaltung im Internet erfolgreich zu ende geführt. Die Sammlung umfasst über 6.200 Aids Poster und Plakate aus 124 Ländern aus der Zeit ab 1981.

Basis der Datenbank ist die Sammlung des Mediziners Dr. Edward C. Atwater, emeritierter Professor für Medizin am Medical Center der University of Rochester. Er begann seine Sammlung Aids Poster bereits 1990 und stellte sie zur Verfügung unter der Bedingung, dass sie digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht wird. Der inzwischen 87jährige Atwater lebt inzwischen in Rochester, New York.

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River Campus Libraries
Rare Books and Special Collections
Aids Education Posters

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Bisher haben wir wenige praktikable Wege gefunden, unsere Aids-Aktivismus-Geschichte (n) zu bewahren, und vor allem anderen auch zukünftig zugänglich zu machen.

Die Datenbank Aids Education Posters ist ein beispielhaftes Projekt – von dem ich mir wünsche, dass es auf europäischer oder zumindest deutscher Ebene Nachahmer findet.

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Berlin Kulturelles

Geschichten und Berührung – Gedanken zur Love Aids Riot Sex Vernissage

Am 15. November 2013 wurde in Berlin in der nGbK der erste Teil der Ausstellung „Love Aids Riot Sex“ eröffnet. Nach einer ersten Runde durch die Ausstellung, langen Momenten vor mir wichtigen, besonders nahen Werken, den Eröffnungs-Reden verdrücke ich mich bald wieder. Warum?

Erste Blicke, erste Schritte in die Ausstellung. Grafiken, Slogans, das längst berühmte Transparent der New Yorker Bus-Werbung, das Wojnarowicz-Plakat („Junge“), 1990) das jahrelang in unserer Wohnung hin. Bilder die Erinnerungen wecken – ach ja, stimmt ja.

Eine Installation mit Nan Goldins Photographien von Alf Bold. Lange her, dass ich die zuletzt gesehen habe. Wie schon damals gehen mir Nan Goldins Fotos auf ganz eigentümliche Weise nahe. Ihre (hier nicht zu sehenden) Aufnahmen von Gilles und Gotscho bringen mich immer noch zum Weinen, wenn sie mir begegnen.

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Berlin Kulturelles

Love Aids Riot Sex 1 – die Zeit der Verzweiflung und Entrüstung

Love Aids Riot Sex – mit einem zweiteiligen Ausstellungs-Projekt thematisiert die ’neue Gesellschaft für bildende Kunst‘ (nGbK) Berlin das Verhältnis von sozialen Bewegungen, Aids, Aids-Aktivismus und Kunst – und greift zurück auf die legendäre Ausstellung ‚Vollbild Aids‘ der nGbK im Jahr 1988. Der erste Teil der Ausstellung „Love Aids Riot Sex 1 – Kunst Aids Aktivismus 1987 – 1995“ wurde am 15.11.2013 in Berlin eröffnet.

Die Jahre zwischen 1988 und 1995, „eine Zeit größter Verzweiflung und massiver Entrüstung in der Aids-Krise“, steht im Mittelpunkt des ersten Teils der Ausstellung. „Der Umgang mit Aids wurde zum Prüfstein für Demokratie, Gleichberechtigung und Toleranz“ (Ausstellungstext) – und die Ausstellung will die Frage aufwerfen, ob sich in unserer Haltung 2013, 25 Jahre nach ‚Vollbild Aids‘ (1988) wirklich etwas verändert hat.

Love Aids Riot Sex 1
Love Aids Riot Sex 1
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Erinnerungen HIV/Aids

1. Landespositiventreffen NRW 1993 – „Müssen wir alle AIDS-Aktivisten sein?“

Am 16. Oktober 1993 fand in Bochum im Bahnhof Langendreer das 1. Landespositiventreffen NRW 1993 („erstes offenes landesweites Positiventreffen“) statt.

Unter dem Titel

„Couch-Potatoe oder Straßenkämpfer?“

habe ich dort am Nachmittag von 14:30 bis 17:00 Uhr folgenden Workshop moderiert:

„Müssen wir alle AIDS-Aktivisten sein?
Sind nur politische Positive gute Positive?
Erfahrungsaustausch und Diskussion über
unterschiedliche Möglichkeiten, sein Leben zu leben.“

Weitere Themen waren damals: Sozialrecht, klassische und ‚alternative‘ Medizin, Leben mit HIV (Manfred Kroll), Sexualität (Stefan Nagel), Sterbehilfe (Harry Wijers), Gedenken.

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1. Landespositiventreffen NRW 1993

Hier der damalige Flyer zur Veranstaltung:

1. Landespositiventreffen NRW 1993 Flyer 1. Landespositiventreffen NRW 1993 Programm

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Es waren die Zeiten kurz nach den bewegten ACT UP – Jahren. ACT UP in Deutschland war einige Zeit nach der erfolgreichen Aktion im Dom zu Fulda inzwischen (bis auf die Frankfurter und die Berliner Gruppe) weitgehend inaktiv geworden – dennoch stand weiterhin die Frage im Raum, wie aktiv setzen wir uns ein für die Gestaltung unserer eigene Interessen und Lebensbedingungen? Und was lässt mich aktiv werden (so wie mich damals u.a. die ‚umsonst und draußen‘ Festivals)?

Aktivist oder Couch-Potatoe – eine Frage, die nicht nur damals aktuell war …

(Nebenbei, der heute wohl unbenutzbare Veranstaltungs-Titel war damals noch völlig unverfänglich …)

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Danke an Manfred, ohne den ich dieses Stückchen auch meiner eigenen Geschichte nicht dokumentieren könnte, und die Aidshilfe Bochum für die Veröffentlichungsgenehmigung!