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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Zahlen allein sind (k) eine Qualität

Im kanadischen Toronto endete am Freitag die 16. Welt-Aids-Konferenz mit einer Abschluss-Zeremonie. Peter Piot, Direktor der Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS, wertete die Konferenz, die vom 13. bis 18. August unter dem Motto „Time To Deliver“ stattfand, als großen Erfolg.

Die von der International Aids Society IAS organisierte Welt-Aids-Konferenz in Toronto war die größte Aids-Konferenz aller Zeiten mit 24.000 (!) Teilnehmern – Ärzte, Wissenschaftler, Politiker und Aktivisten.

Gigantisch war vermutlich auch das Budget der Konferenz, das mehrere Millionen US$ umfasst haben dürfte, zuzüglich der Aufwendungen jedes der 24.000 Teilnehmer (Reise- und Hotel-Kosten, etc.), Aufwendungen der Pharma-Industrie für ihre oppulenten Stände und Veranstaltungen etc. Allein die Registrierungsgebühr (standard) belief sich für Teilnehmer aus OECD-Staaten auf 750 US$ (nach 15.6. 995$), für Teilnehmer aus nicht-OECD-Staaten auf immer noch 550$ (nach 15.6. 730$).

Ich erinnere mich an die (wenigen) Welt-Aids-Konferenzen, an denen ich selbst teilgenommen habe. Riesige Treffen, eine beinahe unüberschaubare Vielzahl an Veranstaltungen, Symposien, Plena. Vorträge auf höchsten oder manchmal auch beklagenswertem Niveau. Viel Trubel um den immer gut besuchten Marketing-Zirkus der Pharma-Industrie.

Weltweit sind derzeit etwa 65 Millionen Menschen mit HIV infiziert, 25 Millionen an den Folgen von Aids verstorben.
Das Motto der diesjährigen Konferenz, „Time To Deliver“, wies u.a. auf die Notwendigkeit hin, allen Positiven, insbesondere in den ärmsten Staaten der Welt, wirksame antiretrovirale Therapien verfügbar zu machen.
Viele Millionen US-Dollar für eine gigantomanische Konferenz auszugeben scheint mir angesichts dieser Zahlen ein seltsam anmutendes, fragwürdiges Unternehmen.

Laut Welt-Gesundheits-Organisation WHO sind wirksame antiretrovirale Therapien in ‚Entwicklungsländern‘ schon für Kosten von 300 bis 1.200 US$ für den Medikamentenbedarf eines ganzen Jahres machbar. Pro Million Dollar, die die Konferenz gekostet hat, könnten also (bei der 300$-Therapie) weit über dreitausend Positive ein ganzes Jahr lang mit Medikamenten versorgt werden.
Gehen wir einmal als Annahme davon aus, dass die Konferenz mindestens 30 Mio. $ an Kosten verursacht haben dürfte, hätten also allein mit diesen Kosten 100.000 (einhundert Tausend) Positive in den ärmsten Staaten der Welt ein Jahr lang antiretroviral behandelt werden können!

Hunderttausend Positive – das sind viele Menschenleben. Bleibt zu hoffen, dass diese Konferenz einen derart hohen Einsatz an Resourcen wert war – und doch, mir bleiben Zweifel, ob solche Riesen-Konferenzen wirklich noch Sinn machen. (Teilnehmer-) Zahlen allein machen eben noch keine Qualität aus…

Zumal die Konferenz andererseits ohne ausreichende Finanzierungs-Zusagen für die von Aids am stärksten betroffenen armen Staaten der Welt zuende ging. Die (reichen) G8-Staaten haben außerdem ihre bisher gegebenen Spendenzusagen noch nicht voll eingehalten.
Auch wegen fehlender finanzieller Mittel sterben jeden Monat Tausende Menschen an den Folgen von Aids.

Millionen HIV-Infizierte und Aids-Tote weltweit. Fehlendes Geld und fehlender politischer Wille (nicht nur in den ‚reichen‘ Staaten). Und andererseits eine monströse Konferenz mit riesigem finanziellen Budget und publicity-trächtigem Star-Aufgebot – welch seltsamer, bitterer Kontrast.

Nachtrag 17.10.06:
Die Konferenzkosten lagen bei ca. 48 Mio. US-$ (40 Mio. €). Dies würde bedeuten, mit den Beträgen, die die Konferenz (ohne sekundäre Kosten) verursacht hat, hätten 144.000 Positive ein Jahr lang antiretroviral behandelt werden können.

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Text 21. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Hamburg

Egal oder anders – CSD: Spielt doch keine Rolle …

Anfang August. Die Zeit der (aufgrund der Fußball- Weltmeisterschaft eh schon zahlreich verschobenen) schwul-lesbischen Hochämter geht dem Ende entgegen, am vergangenen Wochenende mit dem Hamburger CSD.

CSD Hamburg 2006: "Schwuchtel - Spielt doch keine Rolle"
CSD Hamburg 2006: „Schwuchtel – Spielt doch keine Rolle“

Ein CSD, auf den überall in der Stadt mit Plakaten aufmerksam gemacht wurde. In der schwulen Version: ein junger Mann Anfang 20 grinst uns nett an, grüne Jacke über dem T-Shirt, quer darüber in großem Lettern „Schwuchtel?“. ‘Na hoffentlich’, denkt der homophile Betrachter, nur um etwas weiter gen unterem Plakatrand zu erfahren „Spielt doch keine Rolle – Christopher Street Day Hamburg 2006“.
In der weiblichen Version lacht uns ein junges Mädchen unter weißem Brautschleier an, vor ihr groß „Kampflesbe?“, darunter die schon bekannte Antwort „Spielt doch keine Rolle“. Immerhin, ich muss grinsen, zwischen Brautschleier und Kampflesbe ein schönes Spiel mit (nicht nur heterosexuellen) Vorurteilen.

Nun hat der CSD in den vergangenen Jahren viel von seinen politischen Inhalten verloren; angesichts so manchen Homo-Spektakels fühle ich mich bald eher an Schützenfest oder Love Parade erinnert.
Und jetzt „Spielt doch keine Rolle“?

Schön wär’s, denke ich. Wäre es nicht toll, wenn Menschen nicht (mehr) nach ihrer Haut- oder Haarfarbe bewertet werden, danach wen sie lieben oder mit wem sie Sex haben? Sondern nach ihrem Selbst, nach ihrer Persönlichkeit? Klar, das wäre schön, denke ich.
Und stolpere gedanklich. Wie war das damals, Hamburg Anfang der 80er Jahre? Meine ersten CSDs? Schwulsein, mein Schwulsein, das hat damals eine Rolle gespielt. Hat vor allem auch für mich selbst eine Rolle gespielt.
Die CSDs, die ich besuchte, hießen noch Stonewall, hatten Inhalte (von Piratenradio über Coming-Out- und Selbsterfahrungs-Workshops bis zu gut besuchten Diskussionsveranstaltungen) und wurden von Demonstrationen begleitet. Schwulsein, das war (und in Teilen: ist) für mich auch eine Möglichkeit, Dinge im Leben anders zu gestalten, anders leben zu können als der bürgerlich-heterosexuelle Mainstream.

Nun gut, durchgesetzt hat sich heute anscheinend eine andere Denke, die weniger ausprobiert, Freiheiten nimmt und nutzt, vielmehr eine Denke, die -so scheint mir- bestrebt ist, so ähnlich, so angeglichen wie möglich zu sein.
Verloren gegangen ist dabei weitgehend die Idee, das Potential zu nutzen, das in Andersartigkeit liegen könnte, das Potential zu experimentieren, Neues zu versuchen, andere als die bereits breit ausgetretenen Wege zu gehen.
Das Hamburger Motto „Spielt doch keine Rolle“ bringt das für mich vielleicht ganz gut auf den Punkt. Sind wir schon so normal, so angeglichen, dass schwul, lesbisch oder hetero keine Rolle mehr spielt? Eine Frage der Kategorie „ist doch egal“ ist?

Da bleibt mir dann fast nur noch die erstaunte Frage, wenn’s doch eh’ keine Rolle spielt, wozu brauch ich dann überhaupt noch ‘nen CSD?

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Homosexualitäten Oldenburg

Blaue Seiten Gayromeo: Bizarres aus der schwulen Welt

Blaue Seiten : Gayromeo – das ist wie ein schwuler Mikrokosmos, eine Welt für sich. Eine Welt, in die so mancher Homo auch gerne gleich stundenlang abtaucht, und sie hoffentlich nicht mit der Realität verwechselt.

Für Heteros vorweg: Gayromeo / PlanetRomeo, auch ‚ Blaue Seiten ‚, das ist so etwas wie eine Kennenlern-Plattform für Schwule im Internet. Man legt ein Profil über sich an, in dem man in Text und Bildern über sich erzählt (oder phantasiert), Wünsche und Vorlieben angibt. Und sich dann munter auf die Pirsch nach passenden Partnern für was auch immer macht, oder wartet bis man gefunden wird.

Waren wir früher gegen Rosa Listen, Rasterfahndung und maschinenlesbare Personalausweise oder organisierten Volkszählungsboykotte, so liefern wir die schwulen Datensammlungen heute gleich selbst und freiwillig. Und mit allen nur denkbaren Angaben aus den intimsten Lebensbereichen des schwulen (und bisexuellen) Mannes – ‚blaue Seiten ‚.

Blau-Pigmente (Foto: User:A,Ocram, Lizenz cc-by-sa 3.0)
Blau-Pigmente (Foto: User:A,Ocram, Lizenz cc-by-sa 3.0)

Blau- PigmenteUser:A,OcramCC BY-SA 3.0

blaue Seiten – das ’schwule Einwohnermeldeamt‘

Das geht so weit, das inzwischen kaum einer meiner Bekannten nicht auch ein Profil bei Gayromeo (bzw. inzwischen Planetromeo) hat. Und man beim Kennenlernen nicht mehr die Adresse oder Telefonnummer austauscht, sondern nur noch den Namen des Gayromeo-Profils. Weswegen viele Gay romeo auch schlicht „ blaue Seiten “ oder „das schwule Branchenbuch“ nennen, oder ‚das schwule Einwohnermeldeamt‘. Denn hier findet „schwul“ beinahe jeden und alles, fast nichts und niemanden, das und den es hier nicht über kurz oder lang zu entdecken gibt.

Bei diesen Entdeckungsreisen kann man dann allerdings auch auf so manches Spezielle, oft Bizarre stoßen…

Blaue Seiten Entdeckungsreise

Dass Mann mit den Angaben zu eigenen Daten (von Alter bis Gewicht) etwas großzügig umgeht, ist inzwischen schon so selbstverständlich, dass es bei der Suche einkalkuliert wird. „Ach, wenn der 34 schreibt, ist er garantiert 37, immer drei zuzählen“. Neusprech ist Trumpf. „Athletisch“ kann dann die Umschreibung für „dürr“ sein, und die Angabe „Bär“ auf jemanden hindeuten, dessen Bauchumfang Sie sich bisher nicht vorstellen konnten. Dass sich selbst mancher Vierzigjährige noch als „Boy“ bezeichnet, kennen wir ja schon von der Welt der Kontaktanzeigen.

Aber dass jeder dritte Mann inzwischen bei der Größe seines Genitals „XL“ angibt, erstaunt schon. Auch wenn es im Gegensatz zu Konfektionsgrößen für Genitalien noch keine europäische Norm gibt, fällt es nicht irgendwann spätestens beim Sex doch auf, dass nicht alles XXXL ist, was in der Hose ist?

Man kann sich auf Gayromio auch in Fotos darstellen, eine gern und viel genutzte Möglichkeit. Auch wenn vielen dann doch der Mut fehlt, sich auch mit dem Gesicht erkennbar zu machen. Andere reduzieren ihre Selbstdarstellung in Fotos von vornherein auf das anscheinend Wesentliche, auf Vorder- und Rückansichten zwischen Bauchnabel und Oberschenkel, ganz so als hätten sie sonst nichts zu bieten, oder suchten nur diese Körperregionen.
Wie gut, dass es einige Profile weiter auch ganz andere Bilder zu bestaunen gibt, die eher in die Kategorie „mein Haus, mein Auto, meine Rolex“ zu fallen scheinen. Immerhin, damit hat man ja doch irgendwie gerechnet. Andere hingegen stellen hier ganze bezaubernde Fotoalben online, in denen längst auf dem Sperrmüll geglaubte Schrankwände zu sehen sind. Bei genauerem Hinsehen sind manchmal sogar Sammeltassen, Häkelbilder oder die zehn unbenutzten Bände eines Lexikons zu entdecken. Charmante, ehrliche, liebenswerte Einblicke in deutsche Wohnlandschaften.

blaue Kerl-Träume

Etwas bizarrer wird es dann schon, wenn es um die Wortwahl für die eigene sexuelle Präferenz und die des gesuchten Partners geht. Da suchen „Stuten“ nach „Hengsten“, als seien wir auf dem Oldenburger Pferdemarkt, andere suchen ein „Bückstück“ oder Ähnliches – gerade als ginge es um irgendwelche Objekte, nicht um menschliche Wesen. Weitere sprachliche Blüten und Exzesse dieser Rubrik erspare ich uns …
Die Sprache von Sex und Lust … Na ja, man mag manchmal den Eindruck haben, hier geht es dann eher um Arbeit, um Erbringung körperlicher Leistung, als darum, sich und dem anderen Lust zu bereiten. „Faire l’amour“ klingt irgendwie anders …

Gerne finden sich auch immer wieder deutliche Hinweise, wer denn unerwünscht sei bei den Suchbemühungen des Profilbesitzers, à la „Tunten, Alte und Dicke zwecklos“ (wobei die Reihenfolge des Unerwünschten austauschbar ist). Oder schlicht „kein BBB“, wobei das BBB kein Hinweis auf eine Kreditwürdigkeit ist. Sondern ganz einfach bedeutet, dass eben jeder, der in die Kategorie „Brille Bart Bauch“ fällt, bitte von jeglicher Kontaktaufnahme absehen möge. Wobei ‚BBB‘ ein wenig dem Zeitgeist zum Opfer geworden ist – seit Bart Mode ist, ist ‚kein BBB‚ seltener zu sehen.

Andere hingegen möchten am liebsten selbst gar nicht als schwul durchgehen, betonen ihre „Hetero-Optik“ oder ihr „Hetero-Gehabe“.

Kerl sucht Kerl”, signalisiert ein Profil, dessen Besitzer mein Profil wohl über’n Tag angeklickt hat. “Tunten bleibt mir vom Hals”, lese ich gleich als eines der ersten Hinweise in seinem Profiltext. Es folgen detaillierte Hinweise, was er denn so sucht. Der Herr des Begehrens möchte doch bitte gehen wie ein Mann, aussehen wie ein Mann, riechen wie ein Mann, usw usw.

Tunten zwecklos” oder Ähnliches liest man immer wieder (nicht nur) in Gayromeo-Profilen. Und mir kommt das Würgen. Vor lauter Männlichkeits-Ritualen, “Hetero-Optik”, “Straight Acting” und Ähnlichem kommt Homo anscheinend zunehmend weniger zum Nachdenken. Wie war das mit „schwulem Stolz“ und Selbstbewusstsein? Oder sind wir schon so normalisiert, dass wir am liebsten hetero wären?

Club-Leben auf den blauen Seiten

Sicherlich reizvoll für Soziologie-Studenten wäre ein Blick in die Welt der Clubs, in denen man sich elektronisch engagieren kann. Neben allerlei mehr oder weniger vorstellbaren sexuellen Präferenzen existiert hier ein ganzer Kosmos ungeahnter Möglichkeiten, gemeinsam schwul zu sein, von Angeln über Bowling und Dampflok-Fans, schwule Kochclubs und Malgruppen bis zu Zierfisch-Züchtern. Braucht man das alles in schwul? Was passiert da anderes als in ‘normalen’ Zierfisch-Clubs? Fragen über Fragen, nie gestellt und unbeantwortet …

Blaue Seiten Gayromeo – seit der Gründung im Oktober 2002 in Berlin ein Kosmos des schwulen Lebens, unterhaltsam und amüsant, manchmal eine blaue Fata morgana, voller Skurilitäten, und doch das pralle Leben…

blaue Seiten – oder Fata morgana Gayromeo ?

So ab und an findet man dann doch die ein oder andere echte Perle, wie neulich im Profil eines Bekannten: „Natürlichkeit macht schöner als jede Kosmetik„. Was sich als seltene Ausnahme erweist – Natürlichkeit wird auf dem Portal virtueller Sehnsuchts-Jäger wohl eher selten gefragt sein …

Viel mehr frage ich mich langsam, ist das Gayromeo von heute wirklich so viel mehr als der Kino-Besuch der 50er Jahre?
Mehr als leicht gemachte Realitäts-Flucht? ‚Ferien auf dem Immenhof‚ für den modernen virtuellen Homo?
Nicht doch ganz banal das reale Leben eingetauscht gegen Pseudo-Leben?
Pseudo-Leben, dessen Glücks- und Liebesversprechen sich nur allzu leicht als Fata Morgana erweisen?
Authentizität oder Versuche selbiger zumindest scheinen eher selten und wenig gefragt zu sein …

Statt dessen wird ein Körperkult propagiert, der sich derzeit immer noch gern als ’straight acting‘ oder ‚Hetero-Optik‘ präsentiert, oder in seiner jüngsten Variante als ‚Berlin gay‘ einen international stereotypisierten weiteren Clone entstehen lässt.

Suche nach flüchtiger Intensität – oder nach intensiver Flüchtigkeit?
Ist die ‚blaue Fleischtheke‘ manchmal tatsächlich nicht mehr als eine ‚blaue Fata Morgana‘?

blaue Seiten und die ‚Hemmschwelle‘

Im Oktober 2008 schreibt sogar Spiegel Online über die blauen Seiten. Ganz amüsant und für den unkundigen Leser aufschlussreich.

Ich ärgere mich über pauschale und vermutlich unüberlegte Sätze wie dass das Sex-Angebot (über die blauen Seiten) “die Hemmschwelle gegenüber den gefährlichen Praktiken” senkt, es sind ja auch 30% Positive online (so suggeriert der Zusammenhang). Woher hat der Autor diese Weisheit?

Der Passus “Viele kranke frustrierte und alleinstehende Menschen” bleibt (für Spiegel Online wohl zurecht) an der Oberfläche. Umgangsformen und Ton auf Gayromeo haben sich (bei einigen Usern) in letzter Zeit arg verschärft. Pampigkeit ist da fast schon noch höflich. Mancher ‘Dialog’, einige der Profile haben da schon mal einen Ton, eine Sprache, dass ich mich frage, tobt sich da zu wenig ausgelastete oder fehlgeleitete Männlichkeit aus, oder ist das jetzt schon ‘Profil-Neurose’? Doch dazu in einem späteren Posting mehr …

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PS hier der Link zur alten Startseite von GayRomeo – Planetromeo classic

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Politisches

Rut Brandt : Es gibt Sonne genug, es gibt Acker genug. Hätten wir nur der Liebe genug.

Rut Brandt geb. Hansen, die zweite Frau des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, ist am Freitag 28.7. 2006 in Berlin im Alter von 86 Jahren gestorben.

Rut Brandt (Foto: Stuart Mentiply, Wolfsburg)
Rut Brandt (Foto: Stuart Mentiply, Wolfsburg, //commons.wikimedia.org/wiki/File:Rut_Brandt_by_Stuart_Mentiply.jpg, Lizenz GFDL 1.2)

Rut BrandtStuart Mentiply Stuart Mentiply, Wolfsburg //commons.wikimedia.org/wiki/File:Rut_Brandt_by_Stuart_Mentiply.jpg – GFDL 1.2

Und Politiker dieser Stadt leistet sich tatsächlich eine Debatte, ob denn nun ein Kondolenzbuch für sie ausgelegt werden solle. Schließlich, so einer der piefigen Einwände, sei sie ja “nur” die zweite Frau Willy Brandts gewesen, nicht die letzte … Erst heute Nachmittag, nach Rücksprache mit dem Bürgermeister, kann man sich dazu entschließen, es gibt nun doch ein Kondolenzbuch.

Rut Brandt, ohne die Willy so nicht seine politische Karriere hätte machen können. Die ihm durch ihre offene Art viele Sympathien einbrachte. Rut Brandt, die oft im Schatten ihres Mannes stand, und doch eine eigene Statur entwickelte. Rut Brandt, die Gefühlen der Unsicherheit, der Unruhe, die jede neue Phase der Karriere Willy Brandts für sie bedeutete, einem Interview im ‘Stern’ zufolge begegnete, indem sie sich vor dem Spiegel sagte “ich bin ich, bin ich”.

Erinnerungen auch an Willy Brandt bei dieser Nachricht. ‚Willy Brandt muss Kanzler bleiben’ – diese Parole, der orangefarbene runde Anstecker und ein SPD-Wahlkampfbus sind meine ersten echten Erinne­rungen an Politik. Ostverträge und Grabenkämpfe, Kniefall von Warschau und Gewissen, „Mehr Demokratie wagen“ in seiner ersten Regierungserklärung, Erfurt und Begeisterung.

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Rut Brandt wurde auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf beigesetzt, das Rut Brandt Grab befindet sich einige hundert Meter entfernt vom Willy Brandt Grab (wenn auch etwas schwierig zu finden).

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Es gibt Sonne genug, es gibt Acker genug. Hätten wir nur der Liebe genug.
(Björnstjerne Björnson; von den Angehörigen gewählter Leitspruch in den Traueranzeigen für Rut Brandt)

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Frankreich

Traumstrand

Es gibt noch Traumstrände, und man/frau muss nicht einmal in die Karibik reisen dafür – hier ist der Traumstrand meines diesjährigen Sommerurlaubs. Eine ruhige Bucht, klares Wasser, weißer Sandstrand, langsam ins Meer abfallend.

Traumstrand
Traumstrand (Frankreich, Bretagne)

Auf dem Sand liegen, auf das Wasser sehen. Dem Meer zuhören, dem ewig gleichen und doch immer etwas anderen “Wuschschsch” der an den Strand laufenden Wellen.

Unendlich das Meer, unendlich weit, immer da und doch immer anders. Unendliche Mengen Sand, unzählbare Körner, jedes ein Einzelnes und doch unbedeutend angesichts der Menge. Was mach ich mir Sorgen angesichts dieser unendlichen Ewigkeit, wo ich doch nicht einmal ein unbedeutendes Sandkorn bin…

Immer wieder hat Meer, hat Strand, Wasser diese beruhigende Wirkung auf mich, diese Mischung aus tranceartigem Entspannen und tiefem zu-mir-Kommen. Diese Art Entspannung, am Meer klappt sie am besten – zur Not reicht aber sogar der Strand am Müggelsee, Augen zu, den Wellen lauschen, vergessen und mich an den Atlantik beamen …

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Berlin

Irgendein Sonntag Abend

Sonntag früher Abend. Einer der Momente, für die ich diese Stadt liebe. Nach regnerischem Tag scheint endlich verhalten die Sonne. Leicht verpeilt, ganz leicht nur nach 3 Becks, komme ich aus dem Lab. Guten Sex gehabt, viele Leute da, einige wenige Bekannte, niemand zickig, sie wissen weswegen sie dorthin gehen. Spaß gehabt. An DDR-Hinterlassenschaften, Neuem Deutschland und Plattenbauten vorbei zum Ostbahnhof. S-Bahn zur Warschauer, dort rüber zur U-Bahn. Ein längst abgelegter Bekannter eilt vorbei, erwidere seinen flüchtigen „Hi Hi“ Gruß. In der U-Bahn gut gelaunte Menschen. Ein Uniformierter, aussehend wie was Fliegendes, fühlt sich unberechtigterweise von einem jungen Südeuropäer angerempelt, verzichtet aber mit säuerlicher Mine darauf, etwas zu sagen.

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Erinnerungen

Tales of Mystery

Im Zug nach Köln. ‚Tales of Mystery and Imagination’ – nach bestimmt zwanzig Jahren höre ich dieses Album von ‚The Allan Parsons Project’ wieder, und oft in den letzten Tagen. Versinke erneut in dieser Musik meiner Jugend. Stehe wie­der in einer dieser Dorf-Discos, die Rockpalast oder ähnlich hießen. Tanze, wie hypnotisiert, für mich und doch unter Freunden, jeder glück­lich und frei. Die riesige Eiche in der Mitte der Scheune, abwechselnd angestrahlt von blau grün roten Scheinwerfern [ja, war Disco-Licht noch eine einfa­che Sache, nix Lasershow]. The dream is never ending. Wie schön diese Musik wieder zu hören. Wie frappierend immer wieder das Erleben, dass einzelne Gerüche Worte Musikstücke ganze Schwälle von Erinnerungen auslösen können, Bilder die so intensiv so leuchtend vor meinem geistigen Auge stehen, dass ich beinahe glaube in ihnen zu sein, wieder der Ulli von damals, im Rockpalast, tanzend, zu den ‚Tales of Mystery and Imagina­tion’.

Diese sich immer stärker, immer pulsierender aufbauende Spannung, be­gleitet von Regen – Schauer laufen mir den Rücken runter, Spannung steigt immer mehr, beinahe unerträglich werdend, blau grün alles, dann, endlich, Stroboskop, Pulsieren, eine warme Erleichterung in Rot, eine Me­lodie die mich trägt, überströmende Glücksgefühle… könnte euch allen um dern Hals fallen …. (Rise and Fall of the House of Usher – Arrival) Tränen des Glücks stehen mir in den Augen. Endgültiger Klimax und langsame Auflösung in der ‘Pavane’ – komm, jetzt brauch ich ein Ein­becker. If my mind could be set free… Bilder von damals …

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Kulturelles

Jeanne Moreau über kontrollierte Menschen

„Sind sie nicht furchtbar? Die kontrollierten Menschen? Mit ihren sensationellen Schutzhaut? Nein, ich kann nicht im Namen dieser Menschen sprechen, verstehen Sie? Sie interessieren mich nicht. Dies sind Menschen, die nicht wirklich lieben können. Ich habe deshalb immer einen großen Bogen um die Kontrollierten gemacht! Mein Gott!“

Jeanne Moreau über den Film ‚Die Zeit, die bleibt‘ (Regie Francois Ozon), SZ 15./16./17. April 2008
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Kulturelles

Jeanne Moreau über Leben und Tod

„In ‚Die Zeit, die bleibt‘ geht es um den Tod. Und darum dass Leute immer sterben können – oft nicht erst, wenn sie alt sind. Die junge Leute heute sterben z.b an Aids, nachdem sie lange krank waren. Wunderbare Freunde von mir sind an Aids gestorben. Andererseits können wir sehr alt werden und dann sterben, ohne vorher krank gewesen zu sein. Der junge Mann in dem Film verzichtet auf eine Chemotherapie und lebt in der Zeit, die ihm bleibt, sagen wir wie ein Gesunder. Er beschäftigt sich weniger mit seinem naheden Tod – sondern zum ersten Mal wahrhaftig mit seinem Leben.“

Jeanne Moreau über den Film ‚Die Zeit, die bleibt‘ (Regie Francois Ozon), SZ 15./16./17. April 2008
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unterwegs

Winterschlaf

Mittags, plötzlich scheint der Himmel nach dem tristen Grau des immer noch andauernden Winters ein wenig blau zu zeigen, Spuren von Sonne. In einem plötzlichen Anfall von Wahnsinn beschließe ich, mein Motorrad aus dem Winterschlaf zu erwecken. Na ja, der ADAC muss doch helfen, dann geht’s zu einer kleinen Tour auf die Autobahn, Richtung Dessau – Leipzig. Auch wenn ab und an tatsächlich Sonne zu sehen ist, welche Täuschung. Die Temperaturen sind lausig, ohne Heizgriffe würden mir jetzt die Finger längst abgefallen sein. Durchgefroren komme ich nach eineinhalb Stunden wieder zuhause an.