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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Bugchasing – viel neo-Lärm um nichts

‚ Bugchasing ‚ – die erste Folge der neuen Reihe „Wild Germany“ auf ZDF neo befasste sich am 12. Februar 2011 mit Menschen, die behaupten sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen. Und fand keine.

Samstag, 12. Februar 2011, 22:15. Der ZDF-Kanal ’neo‘ startet eine neue Reportage-Reihe „Wild Germany“. Thema der ersten Folge der neuen Reihe: HIV – oder genauer Menschen, die behaupten, sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen (‚ pozzen lassen‘): „Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen„, hatte ZDF neo seine Sendung über ‚bugchasing‘ angekündigt.

Der journalistische Anspruch war in der Ankündigung hoch gehängt: „Manuel Möglich begegnet seinen Gegenübern auf Augenhöhe, ohne die journalistische Distanz zu verlieren“, hatte ZDF neo angekündigt. „Die Reportagen sind mehr als ein Szeneeinblick, sie sind vielmehr ehrliche Porträts von Deutschlands Städten und Dörfern. Darin werden Menschen und ihre Geschichten so gezeigt, wie sie sind.“ (Quelle)

Die 30-minütige Sendung beginnt mit einem kurzen Interview mit Dr. Uli Marcus (Robert-Koch-Institut). Er bemüht sich, potentielle Motive für ‚Bugchasing‘ zu erläutern, das Phänomen und mögliche Beweggründe verständlicher zu machen.

Dann geht es ab ‚auf die Piste‘ – in schwules Tag- und Nachtleben, auf der Suche nach dem unbekannten Bugchaser. Berichte aus der Schwulen-Szene in Berlin und in Leipzig – mit Kommentaren wie „sie spielen russisches Roulette“ und „es geht um Leben und Tod“.

Claude wird interviewt, ein HIV-positiver schwuler Mann aus Berlin, der offen und reflektiert über sein Sexleben berichtet. Anschließend kommentiert der Reporter, der eben noch so verständnisvoll war, voller Entrüstung „Claude ist aidskrank und veranstaltet trotzdem [!] Sexparties“.

Weiter geht es nach Leipzig. Nach Gesprächen mit zwei Leipziger Schwulen der Versuch, eine schwule Sexparty zu besuchen. Angezogen und mit Kamera wird der Zutritt verwehrt – der Reporter zieht sich aus, um doch auf die  Sexparty zu kommen, ohne Kamera. Wieder heraus, berichtet er der Kamera. Er habe sich „völlig verängstigt“ gefühlt, sei „schockiert“. Er wäre in einem „echt fiesen Keller“ gewesen, dort wären „alle völlig nackt“ und „komplett rasiert, jeder zweite mit nem Cockring“. Ein Gast habe sich „fies einen runtergeholt“ – immerhin, „ich bin nicht direkt angegrabbelt worden“.

Am nächsten Tag besucht der ‚Reporter‘ mit Wirt und Kamera den gleichen Laden tagsüber, ohne Gäste. Die Kamera zeigt einen Gyn-Stuhl, dann einen Sling – mit begleitender Grusel-Musik und einem verzweifelt dreinschauenden Reporter, der von „Geisterbahn-Feeling“ spricht. „Bezahlen um HIV-positiv zu werden“, kolportiert der ‚Bericht‘ via Interview gen Schluss noch Kneipen-Gerüchte über Freier, die Sex mit positiven Sexworkern suchen, verkauft sie unhinterfragt als bare Münze.

Und das Resümee?
„Fakt ist, Bugchaser gibt es“ wird drohend konstatiert. Sexparties werden pauschal als ‚Motor der Infektion‘ bezeichnet und ‚Realtitätsverlust‘ bei Schwulen konstatiert. Auf Basis zweier kurzer und bei weitem nicht repräsentativer kurzer Blicke in Ausschnitte vom schwulem Leben stellt der Reporter entrüstet fest: „HIV und Aids scheinen ihren Schrecken völlig verloren zu haben – Wahnsinn!“

Einen „bugchaser“ allerdings, Thema der Sendung, hat der Reporter letztlich nicht finden können. Kein Wunder, mag der halbwegs Informierte denken – schließlich sind Experten sich seit langem einig, dass es sich hier – wenn überhaupt existierend – aus epidemiologischer Sicht um ein absolutes Rand-Phänomen handelt. Was in der ‚Reportage‘ (trotz interviewtem Epidemiologen) jedoch nicht gesagt wurde. Warum nicht?

Kein ‚bugchaser‘ also. Weil der Film aber nicht ohne Pseudo-Skandal auskommen kann, wurde ein anderer Aufhänger, Aufreger gesucht. Nur wo? Zusammengefasst: der Reporter scheint, den Eindruck kann man als Zuschauer gewinnen, den dann eigentlichen Skandal darin zu sehen, dass HIV-Positive Sex haben. Und dass sie auch Sex mit ungetesteten oder HIV-negativ getesteten Sexpartnern haben.

Nur – worin soll der Skandal liegen, wenn Menschen miteinander einvernehmlich Sex haben? Der Reporter nimmt vorgreifend schon zu Beginn die Gesundheitsökonomie zu Hilfe – die monatlichen Behandlungskosten im Fall einer Infektion. Worin die Konsequenz seines Gedankengangs letztlich liegt, lässt er unausgesprochen. Der Zuschauer kann (soll?) sich seinen Teil denken: soll ‚denen‘ vielleicht doch einfach der Sex verboten werden?

Nach der Sendung standen zwei Experten der Aids-Hilfe Mainz im Chat für Fragen zur Verfügung. Welche Fragen sie wohl gestellt bekamen?

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‚Bugchasing‘ – Menschen, die sich wissentlich, absichtlich mit HIV infizieren (oder als vermeintliche ‚Pozzer‘ andere infizieren) – diese ‚urbane Nachtleben-Legende‘ wird immer wieder gerne von gewissen Medien hervorgeholt.

Mythen zu thematisieren bringt potentiell Aufreger – und Quote. Wie den zu jedem Welt-Aids-Tag fast ritualhaft wieder hervorgekramten Mythos der ’neuen Sorglosigkeit‘ (Sorglosigkeit? Fehlanzeige!)). Oder eben den Mythos von verantwortungslosen Positiven und den Mythos von verantwortungslosen Schwulen. Aber – machen diese Mythen auch seriösen Journalismus aus?

Menschen zu zeigen „so wie sie sind“ und „ohne die journalistische Distanz zu verlieren“- ist die Sendung ihrem selbst gewählten Anspruch gerecht geworden? Oder hat die ‚Reportage‘ eher ein Zerr-Bild von HIV-Positiven und allgemein von schwulen Männern gezeichnet, das mit der Realität äußerst wenig zu tun hat? Sich gar am Stricken von Virus-Mythen beteiligt?

Muss sich die Reportage zudem fragen lassen, ob sie letztlich unterschwellig homophobe Hetze gegen Schwule betreibt?

Der ‚Reporter‘ bemüht sich, auf seine Interviewpartner einzugehen – solange sie ihm gegenüber stehen. Aus dem Off kommen hinterher Kommentare wie ‚Claude ist es egal, ob andere sich infizieren‘ – obwohl Claude sich abwägend, überlegt geäußert hat. Der Reporter geht – in Unterhose, Respekt, mit Einsatz für die Recherche – auf eine Sex-Party. Und ist hinterher entrüstet über nackte Männer – was hat er erwartet, auf einer Sexparty?

Zudem, bei allem Bemühen um den Eindruck von Verständnis, der ‚Reporter‘ vermag sich seiner eigenen Meinung in der konkreten Situation oft nicht zu enthalten –  „totaler Irrsinn“ kommentiert er direkt in der Situation. Dies scheint zum Konzept der Reihe zu gehören. Und wirkt doch nur wie billige Effekthascherei, verbunden mit viel ‚erhobenem Zeigefinger‘.

Werden hier Interviewpartner um Stellungnahme gebeten aus ehrlichem Interesse, um ein Thema zu ergründen – oder werden sie vorgeführt, ‚ausgebeutet‘ als Staffage für eigene schon vorher geplante Aussagen oder Werturteile (‚exploitation‚)? Ist dies tatsächlich investigativer Journalismus? Oder nur eine weitere Form von ‚Provo-Infotainment‘? Letztlich auch auf dem Rücken von Schwulen und von HIV-Positiven?

Serophobie, unreflektierte Angst vor Positiven – dies zu schüren, der Verdacht bleibt nach dieser Sendung.

Serophobie, die zudem noch den Beigeschmack der Homophobie hat – kann (soll?) der Zuschauer doch den Eindruck gewinnen, die jährlich ca. 3.000 Neuinfektionen mit HIV in Deutschland fänden ‚freiwillig‘ statt, wissentlich und gar absichtlich. Diese verantwortungslosen Schwulen … dies suggeriert meines Erachtens der Film nur notdürftig verhüllt. Nicht nur Serophobie, dunkelste Homophobie scheint durch.

Was bleibt als Resümee der ‚Reportage‘? Kein Erkenntnisgewinn. Kein Bugchaser, kein Bugchasing gefunden. Niemand, der sich absichtlich mit HIV infizieren will.

Es bleibt allerdings der Beigeschmack der Sendung – ‚vorgeführte‘ Interviewpartner, und gehäuft Homo- und Serophobie. Gut zumindest, dass diese Sendung nur in einem digitalen Spartenkanal zu sehen war …

Und ansonsten bleibt – viel neo-Lärm um nichts.

Text 19. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Politisches

Die Ronald-Reagan-Strasse von Berlin (akt.)

Ronald Reagan, der 40. Präsident der USA, wäre vor einigen Tagen 100 geworden. ‚Reaganiana‘, mit monatelangen Feierlichkeiten wird dieser Anlass nicht nur in den USA begangen. Auch in Deutschland forderten Politiker, Plätze oder Straßen nach Ronald Reagan zu benennen, so in Berlin die ‚ Ronald-Reagan-Strasse ‚..

Vergessen wurde dabei gerne, dass mit Reagan eine Person geehrt werden würde, die direkt für eine ignorante und desaströse Aids-Politik und indirekt (nicht nur) für Tausende Aids-Tote verantwortlich ist (gegen die sich ACT UP mit zahlreichen Aktionen wandte).

Auch in Berlin forderte der Senat die Bezirke auf, Vorschläge für Umbenennungen einzureichen. Nun ist scheinbar ein Reagan-Fan von sich aus aktiv geworden – über Nacht verwandelten sich die Kleine Alexander- und die Weydingerstraße in „Ronald-Reagan-Straßen“:

geehrter Aids-Ignorant? Ronald-Reagan-Strasse in Berlin (12.2.2011)
geehrter Aids-Ignorant? Ronald-Reagan-Straße in Berlin (12.2.2011; Foto: Andreas Günther)

Aus dem Vorschlag der CDU Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, den Joachimsthaler Platz am Ku’damm (und nahe zur Berliner Aids-Hilfe …) in ‚Ronald-Reagan-Platz‘ umzubenennen, wird hoffentlich nichts. Die SPD-Fraktion jedenfalls wird gegen den Vorschlag stimmen, teilte der Fraktionsvorsitzende auf Anfrage mit.

Und auch die partisanenhafte ‚Ronald-Reagan-Straße‘ in Berlin Mitte ist hoffentlich nur eine sehr vorübergehende Erscheinung.

Die ‚BZ‘ betont „die Polizei ermittelt nicht.“
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Jetzt hat’s die BZ auch entdeckt: Spaß-Aktion: Volksbühne jetzt am Ronald-Reagan-Platz
und der Tagesspiegel einen Tag später: Pro & Contra – Braucht Berlin einen zentralen Platz für Reagan?
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Danke an Andreas für Hinweis und Foto!

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Frankreich

Die Côte d’Argent

Feinster heller Sand – der Strand leuchte, strahlt beinahe in der Sonne. Flimmert silbern – die „Côte d’Argent“, die ‚Silber-Küste‘.

Die Côte d’Argent ist ein nahezu schnurgerader Streifen feinsten Sandstrandes, der sich von der Gironde-Mündung im Norden bis nördlich von Biarritz erstreckt – 240 Kilometer Strände. Die Region ist sehr reich an Austern und anderen Muscheln sowie Meeresfrüchten. Die Schalen abgestorbener Tiere werden von Tidenhub und Brandung langsam zermahlen, lagern sich am Strand ab – und verleihen ihm dieses leicht funkelnde, glitzernde Aussehen, das ihm der ganzen Küste den Namen gab.

Die Côte d’Argent ist nicht nur durch ihre kilometerlangen feinen Sandstrände gekennzeichnet, sondern auch durch Dünen und die breiten landeinwärts liegenden Kiefernwälder. Darin eingebettet immer wieder kleine und große Binnenseen, wie bei Lacanau oder bei Biscarosse.

Zudem befinden sich an der Côte d’Argent einige der besten Surf-Spots der Welt – ein Paradies für Wellenreiter. In Lacanau Océan tragen sie bei den ‚Lacanau Pro‘ alljährlich ihre Meisterschaften aus.

Neben Austern, Krebsen und anderen leckeren Meeresfrüchten hat die Côte d’Argent noch zahlreiche weitere Annehmlichkeiten zu bieten – darunter einige hervorragende schwule Strände, so in Le Porge Océan, bei Biscarosse oder den ‚plage des casernes‘ nahe Hossegor.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Prinzipienlosigkeit? Desinteresse? Absicht? – Das Gesundheitsministerium will offensichtlich keine Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV im Nationalen Aids-Beirat

Der Nationale Aids-Beirat hat sich heute konstituiert. Viele Professoren (überwiegend Kliniker), zwei Sozialwissenschaftler/innen, zwei Mitarbeiterinnen von Aidshilfe – und keine Interessenvertreter von Menschen mit HIV (1), zeigt die Liste der Mitglieder des nationalen AIDS-Beirats. Statt mit wird wieder einmal nur über uns gesprochen – entgegen anders lautenden Aussagen.

Es gibt ein international anerkanntes Prinzip. Es nennt sich das „GIPA Prinzip“ – Greater Involvment of People with HIV and Aids: Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”).

Dieses Prinzip einzuhalten ist Anliegen vieler international auf dem Aids-Gebiet arbeitenden Organisationen. Es einzuhalten gehört zu den Bedingungen, die internationale Organisationen wie der Globale Fonds ihren Zuwendungsempfängern vorschreiben. Der Global Fund schreibt als ‚minimum requirements‘ u.a. vor „The Global Fund requires all CCMs [Country Coordinating Mechanism, Instrument für Projektvorschläge] to show evidence of membership of people living with and/or affected by the diseases“ (Quelle).

Das GIPA-Prinzip wurde bereits am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‚Paris Aids Summit‘. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‚Paris Declaration‚. Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.

In dieser ‚Paris declaration‚ wird gesprochen von „ensuring their [people living with HIV/AIDS; d.Verf.] full involvement in our common response to the pandemic at all – national, regional and global – levels“, und unter III. ist zu lesen, die Unterzeichner verpflichten sich

„fully involve non-governmental and community-based organizations as well as people living with HIV/AIDS in the formulation and implementation of public policies“.

UNAIDS, das Gemeinsame Aids-Programm der Vereinten Nationen (deren Mitglied Deutschland ist), formuliert

„Das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People Living with HIV/AIDS, stärkere Einbeziehung der Menschen, die mit dem HI-Virus / mit AIDS leben) wurde beim AIDS-Gipfel 1994 in Paris offiziell anerkannt, als 42 Länder sich dahingehend einigten, dass ein umfassendes Engagement auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zur Entwicklung von unterstützungsorientierten politischen, rechtlichen und sozialen Umfeldern führen wird.“ (Quelle pdf)

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer betonte nach der Verabschiedung des GIPA-Prinzips 1994 stolz in einer Presseerklärung

“Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.” (Quelle)

Horst Seehofer ist schon lange kein Bundesgesundheitsminister mehr. Sein Nachfolger, Philip Rösler (FDP) scheint zu hoffen, an frühere Zusagen der Bundesregierung werde sich schon niemand erinnern. Vielleicht interessiert ihn die Frage auch nicht. Oder ist ihm die Einbeziehung HIV-positiver Interessen schlichtweg egal?

Es geht gemäß dem GIPA-Prinzip darum, die Erfahrungen, Belange, Lebenssituationen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat durch diese selbst einzubeziehen. Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder des Nationalen Aids-Beirats – ob offen oder nicht offen – mit HIV infiziert sind. Und es geht nicht um die Frage, ob sie etwa in Aidshilfen arbeiten – Aidshilfe und Positiven-Interessen-Selbstvertretung sind zweierlei, dies sollte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein.

Es geht um die (auch: die politisch gewollte) Einbeziehung von Vertretern HIV-Positiver und ihrer Lebensrealitäten in genau dieser Funktion: Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver.

Und genau dies scheint das Bundesgesundheitsministerium nicht zu wollen.

Oder wie sollen wir es sonst verstehen, dass Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids im Nationalen Aids-Beirat nicht beteiligt ist? Dass die Lebenswelten und Probleme von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder von HIV-positiven Migrantinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen, außen vor bleiben? Dass  in Deutschland scheinbar nicht gewollt ist, was in Lesotho oder Burkina Faso sogar vorgeschrieben wird, um internationale Mittel zu bekommen?

Müssen Menschen mit HIV und Aids erst wieder vor der Tür des Bundesgesundheitsministers demonstrieren, Die-Ins oder andere medienwirksame Aktionen veranstalten, ihm laut ihre Meinung sagen, bevor sie Gehör finden?

WILL der Bundesgesundheitsminister dann wenn es – bei ihm, in ’seinem‘ Nationalen AIDS-Beirat – drauf an kommt keine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver? Oder interessiert es ihn schlichtweg nicht? Sind wir, unsere Meinung, unsere Interessen ihm letztlich doch egal? Sind all die netten Worte zum Welt-Aids-Tag oder bei anderen Anlässen wenn Kameras anwesend sind, nur ministerielles Blabla? Politiker-Geschwätz?

Es wäre schade. Und es würde überraschen. Denn Themen, bei denen Interessenlagen oder Ziele nahe bei einander liegen oder gar übereinstimmen, Politik und HIV-Positive an einem Strang ziehen, ein Austauschen und ggf. gemeinsames Agieren im Interesse aller Beteiligten wäre, die dürfte es durchaus geben …

Aber auch die Beteiligten des Nationalen Aids-Beirats selbst müssen sich fragen lassen, warum sie das Anliegen, Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat zu beteiligen, nicht unterstützen. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie es vor der Öffentlichkeit, vor Aidshilfen und Kollegen, vor ihren Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch vor sich selbst rechtfertigen können, an dieser bedeutenden Stelle der Formulierung deutscher Aids-Politik zwar über, aber kaum mit Menschen mit HIV zu sprechen und entscheiden?

Und Mitarbeiter/innen von Aidshilfe als Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats sowie die Deutsche Aids-Hilfe als Verband  müssen sich fragen lassen, ob sie sich instrumentalisieren lassen – um eine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver zu verhindern? Gerät Aidshilfe hier in Gefahr, eines ihrer hehrsten Prinzipien zu verraten?

„Mit uns, nicht nur über uns “ und „Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“ – das waren einst Grundgedanken der Aidsarbeit, realisiert oft auch in deutscher Aids-Politik. Die daraus, aus der Einbindung und Selbst-Vertretung von Menschen mit HIV und Aids, auch eine ihrer Stärken bezog und internationale Anerkennung fand. Inzwischen scheinen diese Grundgedanken der Interessen-Selbstvertretung kurz davor zu sein, zu Lippenbekenntnissen bei Pressekonferenzen und hübschen Welt-Aids-Tags-Empfängen zu verkommen. GIPA? Fehlanzeige!

Müssen wir wieder zornig werden? Oder ist es nur an der Zeit, dass der Minister die von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung ernst nimmt, sie in die Praxis umsetzt? Und endlich Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids beteiligt, auch am Nationalen Aids-Beirat?

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UNAIDS: The Paris Declaration – Paris AIDS Summit – 1 December 1994

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(1) Anmerkung zu „kein Interessenvertreter von Menschen mit HIV“:
Ja, Rainer Jarchow ist Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat. Laut Mitgliederliste benannt als „AIDS-Aktivist“. Rainer hat sich jahrelang auf vielen Ebene und an vielen Stellen verdienstvoll für den Kampf gegen Aids und für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. Rainer ist erfreulicherweise und verdientermaßen Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Und sicher ein wichtiges Mitglied im ‚Nationalen AIDS-Beirat‘.
Aber – lieber Rainer, du bist als einziger nicht (mehr) in Aidshilfe Aktiver unter dem Titel ‚Selbsthilfe‘ in den Nationalen AIDS-Beirat benannt. Neben der Funktion als
„Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung“ auch als „AIDS-Aktivist“. Bist du das? Heute noch? Ist das (die ganze) Positiven-Interessenselbstvertretung? Oder wie viel Gefahr von Instrumentalisierung liegt hierin?

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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

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Text 18. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Bordeaux Frankreich

Le Porge Ocean – schwuler Strand bei Bordeaux

Frankreich hat zahlreiche schwule Strände zu bieten, der schwule Strand von Le Porge Ocean gehört zu den attraktivsten.

Nahe der (auch für den schwulen Touristen sehr interessanten) Großstadt Bordeaux gelegen, ist der Strand von Le Porge Ocean nicht nur Ziel vieler homosexueller Urlauber, sondern auch der Treffpunkt von ‚le tout gay Bx‘. Besonders an Wochenend-Tagen im Sommer kommen viele Schwule aus dem Großraum Bordeaux hierher, um Sonne Strand und Meer zu genießen.

Kiefernwälder, belebtere wie auch ruhigere Ecken, Dünen und viel Strand – der schwule Strand von Le Porge Océan bietet dem schwulen Frankreich-Urlauber jeglichen Alters vieles.

Der Strand von Le Porge Ocean – Fotos

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Wegbeschreibung zum schwulen Strand von Le Porge Ocean

Der Strand ist (im Gegensatz zu einigen anderen schwulen Stränden Frankreichs) leicht zu finden und erreichen. Le Porge liegt etwa in Höhe von Bordeaux nahe der Atlantik-Küste (etwas südlich von Lacanau). Von Le Porge aus führt eine Straße einige Kilometer durch Fichtenwälder gen Küste nach Le Porge Ocean (einer kleinen Anhäufung von Strand-Buden plus einem riesigen Campingplatz).

Es gibt reichlich Park-Möglichkeiten. Für den schwulen Strand: am Kreisel rechts, bis zum Ende durchfahren. Auto abstellen (keine Wertsachen im PKW lassen, ggf. Handschuhfach offen stehen lassen). Wenige hundert Meter die Strandwege gen Norden und dann in die Dünen …

Es gibt eine weitere, etwas näher gelegene Park-Möglichkeit über die früher wegen des damaligen Einfahrtverbots ‚route interdite‘ genannte Straße nördlich von Le Porge. Sie ist jedoch nur mit etwas Ortskenntnis zu finden. Zudem sind die hier sehr eingeschränkten Parkmöglichkeiten gerade an Sommer-Wochenenden und heißen Tagen sehr schnell überfüllt.

Von den Nachbargemeinden aus ist der Strand auch gut über den direkt hinter den Dünen verlaufenden Fahrradweg (piste cyclable) zu erreichen.

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Einen Besuch wert sind in der Region auch der schwule Strand nahe der Düne von Pyla, die plage de la lagune, sowie bei Royan die plage de la Bouverie, und weiter südlich nahe Seignosse / Hossegor die plage des casernes.

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Nächste Unterkunft:
Camping La Grigne, Le Porge Océan

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Berlin

Die italienische Botschaft Berlin (Fotos innen)

Die italienische Botschaft Berlin – gelegen im Diplomaten- und früheren Villenviertel an der Tiergartenstraße wird ab 1938 auf Wunsch der NS-Regierung Deutschlands ein Botschaftsgebäude für Italien geplant und errichtet. Zwischen 1939 und 1942 wird der Bau errichtet, Architekt war Friedrich Hetzelt, Oberbaurat der Hochbauabteilung des Preußischen Finanzministeriums.

Hetzelt (1903 – 1986) wurde ab 1942 von Albert Speer an den Plänen zur Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin beteiligt. Zuvor war Hetzelt 1936 auch Architekt von Görings Landsitz ‚Carinhall‘ und 1941/42 Architekt des Umbaus des Prinz -Albrecht-Palais in Berlin zur Gestapo-Zentrale.

Die Lage der Botschaft Italiens, eines der wesentlichen Verbündeten NS-Deutschlands, orientiert sich bereits an der Speer’schen Planung für ‚Germania‘ : Ausrichtung gen Norden, in prominenter Lage zur späteren Ost – West- sowie Nord-Süd-Achse und zur geplanten ‚Halle des Volkes‘ sowie in direkter Nachbarschaft zur Botschaft Japans, ebenfalls einer ‚Achsenmacht‘.

Im Krieg wird die Botschaft Italiens in Berlin stark zerstört (bereits wenige Monate nach Fertigstellung 1942). Sie wird nur notdürftig wieder instand gesetzt. Eine offizielle Einweihung findet nicht statt.

Nach dem Krieg dient das Gebäude kurze Zeit noch als Botschaft, später nur noch als Generalkonsulat. Ungenutzte Gebäudebereiche verfallen in der Folgezeit.

Nach 1989 entscheidet sich Italien, das Gebäude wieder als italienische Botschaft Berlin zu nutzen. Nach einem Konzept des römischen Architekten Vittorio de Feo (und nach dessen Tod 2002 fortgesetzt vom Berliner Architekten Stefan Dietrich) wird das Gebäude „respektvoll und möglichst originalgetreu wieder hergerichtet“. Zugrunde liegt der Gedanke, dass der Umgang mit der eigenen Geschichte von Akzeptanz, nicht Verdrängung geprägt sein solle.

Am 26. Juni 2003 wurde die italienische Botschaft in Berlin festlich neu eröffnet, in Anwesenheit von Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und Bundespräsident Johannes Rau.

Italienische Botschaft Berlin – Fotos innen:

italienische Botschaft Berlin Tiergarten
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italienische Botschaft Berlin
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italienische Botschaft Berlin innen
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italienische botschaft berlin

Italienische Botschaft in Berlin
Hiroshimastr. 1
(Haupteingang: Tiergartenstr. 22)
10785 – Berlin
Tel +49-30-254400
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Besichtigungen sind am Montagnachmittag nach Voranmeldung möglich.

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Kulturelles

Land des Lächelns

Kann eine Operette anderes als oberflächlich, banal sein? Kann Operette tragisch sein? Ja – zum Beispiel ‚Land des Lächelns‚, aktuell in einer Wiederaufnahme von 2007 wieder zu sehen in der Komischen Oper Berlin.

Die „romantische Operette in drei Akten“ von Franz Lehár stammt aus der Zeit der ‚Silbernen Operette‘ (Operette nach dem 1. Weltkrieg). Sie handelt von Liebe und letztlich Scheitern. Kein Happy End, kein vordergründiges Glücksgefühl-Gedusel. Sondern ein Stück über den Versuch, aus Liebe aus der eigenen Kultur, den ihr innewohnenden Konventionen und Zwängen auszubrechen, das Fremde zu wagen – und doch letztlich zu scheitern.

‚Immer nur Lächeln‘, den Anschein bewahren, Schein und Realität, Außenwelt und Innenwelt –

„Wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an.“

Die Komische Oper selbst beschreibt Konwitschnys Inszenierung

„Peter Konwitschny schaut in der Komischen Oper Berlin Lehárs Operette hinter die Fassade des immerwährenden Lächelns. Indem er die Figuren und ihre Gefühle nicht weiter verkitscht, sondern sie ernst nimmt, gewinnt Lehárs Musik in dieser Inszenierung eine große Fallhöhe, eine berückende Eindringlichkeit und eine Ehrlichkeit, die man beim »kleinen Mann sein Puccini« (Kurt Tucholsky) so nicht vermutet hätte. Dass er dabei auch den Unterhaltungswert nicht vernachlässigt, ist die große Kunst dieser gefeierten Arbeit von Peter Konwitschny.“

Das ‚Land des Lächelns‘ – weit mehr als nur glatte Oberfläche, amüsante Unterhaltung – besonders in der beeindruckenden Inszenierung Konwitschnys (die ich  nun zum dritten mal begeistert gesehen habe).

Die jetzige Inszenierung von ‚Land des Lächelns‘ ist seit dem 1. Juli 2007 auf dem Spielplan und seit 12.1.2011 wiederaufgenommen.

Komische Oper Berlin

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Berlin

Tell Halaf – die unmögliche Rettung gelingt

Die Ergebnisse des wohl größten Restaurierungsprojekts der letzten Jahrzehnte können derzeit in Berlin besichtigt werden: die 1943 völlig zerstörte Tell Halaf Sammlung ist aus Ruinen wieder auferstanden.

1911 bis 1913, 1927 bis 1929

Max von Oppenheim, Diplomat, Orientalist und Archäologe aus dem Haus einer Kölner Privatbankiers-Familie (2011 Ausstellung: Oppenheim Fotos – 40 Jahre Reisen im Nahen Osten), führt zusammen mit Architekten, Photographen und 200 einheimischen Arbeitern Grabungen im Bereich des Siedlungshügels Tell Halaf durch. Er findet eine ehemalige Palastanlage des aramäischen Fürsten Kapara, Sohn des Hadiani; dabei u.a. über 3.000 Jahre alten Groß-Plastiken – ein Jahrhundertfund.

Oppenheim hätte seine Funde gern im Pergamon-Museum gezeigt. Doch dieses hatte zu der Zeit (Ende der 1920er Jahre, Weltwirtschaftskrise) keine ausreichenden Mittel für die von Oppenheim geforderte ‚Aufwandentschädigung‘. So errichtete er sein eigenes ‚Tell Haalf Musuem‘ in einem ehemaligen Fabrikgebäude an der Franklinstrase in Berlin Charlottenburg, das am 15. Juli 1930 eröffnet.

23. November 1943

Bei einem Fliegerangriff auf Berlin wird das ‚Tell Halaf Museum‚ in Berlin-Charlottenburg in der Nacht vom 23. auf den 24. November 1943 von einer einzigen Bombe getroffen. Doch die Phosphorbombe setzt das ganze Gebäude in Brand. Durch Hitze (bis 950°) und Löschwasser (‚Sprengung‘ durch thermische Spannung) werden nahezu alle Objekte völlig zerstört.
Mit der Bergung der Trümmer kann erst im Januar des folgenden Jahres begonnen werden. Die Rettungsaktion umfasst 9 Trecker-Fuhren an Trümmern.

Noch nach Ende des Krieges sammeln Studenten aus den Ruinen des Gebäudes weitere Trümmerteile. Doch die Trümmer gelten als unrestaurierbar, sie geraten in Vergessenheit. Das ‚Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen‘ schreibt 1954: „Das Tell-Halaf-Museum ist als Ganzes zugrunde gegangen.

Max von Oppenheim hingegen hatte Hoffnung: nach dem Totalverlust seines Museums schrieb er 1944:

Es wäre ja großartig, wenn tatsächlich die Stücke, in welche die einzelnen Steinbilder zerborsten sind, gesammelt nach den Staatlichen Museen gebracht und später einmal wieder zusammengefügt werden könnten.

2001

Beginn der Restaurierungsarbeiten durch die Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung. In einer großen Halle in Berlin-Friedrichshagen werden alle 27.000 (!) Trümmer-Teile auf Paletten ausgebreitet. Die Arbeiten an einem gigantischen dreidimensionalen Puzzle beginnen.

Das Unmögliche gelingt: nach neun Jahren ist ein Großteil der Basalt-Bruchstücke wieder zusammen gesetzt, Fehlstellen ergänzt – die über 3.000 Jahre alten Bildwerke sind großenteils gerettet, wieder auferstanden. Von den 27.000 Trümmerteilen konnten über 90% wieder zugeordnet werden. Alle Restaurierungsarbeiten wurden reversibel durchgeführt (z.B,. Verwendung von Epoxydharz-Kleber).

seit 2006

Nach 80jähriger Unterbrechung werden die Grabungsarbeiten im Gebiet von Tell Halaf fortgesetzt, von einem syrisch-deutschen Grabungs-Team unter der Leitung von Lutz Martin (Vorderasiatisches Museum Berlin), Mirko Novák (Universität Tübingen), Jörg Becker (Universität Halle) und Abd al-Masih Bagdo (Generaldirektion der Antiken und Museen Damaskus.

27. Januar 2011

Die Ausstellung „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ wird feierlich eröffnet. Ausgewählte Exponate der Tell-Halaf-Sammlung werden gezeigt. Ab 28.1. (bis voraussichtlich 14. August) ist die Ausstellung für das Publikum zugänglich.

Tell Halaf – Fotos

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Zukunft

Der Masterplan Museumsinsel Berlin sieht vor, dass die Fassade von Tell Halaf zukünftig im nach Plänen von O.M. Ungers neu zu errichtenden vierten Flügel des Pergamon-Museums gezeigt wird:

„Nach ihrer Restaurierung werden die Steindenkmäler als Teil der rekonstruierten Palastfassade im Pergamonmuseum den Übergang von Altägypten zum späthethitisch-aramäischen Ausstellungsbereich des Vorderasiatischen Museums bilden.“

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weitere Informationen:
Staatliche Museen zu Berlin: Gerettete Götter
Vorderasiatisches Museum Berlin: Tell Halaf Projekt
Universität Tübingen: Neue Ausgrabungen auf dem Tell Halaf in Syrien
Museumsinsel Berlin: Fassade von Tell Halaf (Planung 2015 Masterplan)
Archäologie online 28.01.2011: Die geretteten Götter – temporäres Tell Halaf-Museum eröffnet
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Frankreich

„quartier naturiste“ Cap d’Agde – Paradies der Nackten

Das Paradies der Nackten … liegt für viele FKK-Anhänger in Südfrankreich, genauer südlich von Montpellier am Mittelmeer: das „quartier naturiste“ von Cap d’Agde.

Das ‚quartier naturiste‚ (centre naturiste, früher CHM centre helio-marin) ist die (mit Abstand) größte Ferienanlage Europas für Nackt-Urlauber. An die 40.000 Nackte tummeln sich hier in der Hochsaison (Juli / August, der hauptsächlichen Sommer-Urlaubszeit in Frankreich) gleichzeitig; insgesamt kommt Cap d’Agde auf circa 1,5 Millionen Übernachtungen pro Jahr.

das quartier nudiste von Cap d’Agde

Cap d’agde, das heißt nackt zum Friseur, nackt zum Bäcker, nackt auf dem Fahrrad, nackt in den Supermarkt … und selbstverständlich: nackt an den Strand. Cap d’Agde hat wunderbare Strände zu bieten, und zwei der insgesamt 14 km Stand sind ausschließlich Nackten vorbehalten.

Strand von Cap d'Agde (Foto: Alex Fischer)
Strand von Cap d’Agde (Foto: Alex Fischer, Lizenz cc by-sa 3.0)

Der Strand vom FKK-Zentrum Cap d’AgdeAlex-fischer CC BY-SA 3.0

Gegründet wurde das Naturisten-Camp ‚quartier naturiste‘ von Cap d’Agde 1950 von Paul René Oltra – in einem unwirtlichen Sumpfgebiet. Einige wenige FKK-Urlauber aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden waren die Gäste in den ersten Jahren. Heute ist Sohn Jean-Michel der Chef … über einen riesigen Campingplatz (2.500 Plätze), zahlreiche Hotels, Apartmentanlagen und Bungalows.

Nur nicht über den ‚Schweinestrand‚. FKK-Anhänger sind ’sauber‘, schließlich entstand die FKK-Bewegung im Umfeld protestantischer Gruppen, bemühte sich immer um ein ’sauberes‘ Image – und möglichst große Distanz zu allem, was mit Schmuddel, gar Sex zu tun haben könnte. Nicht so am ‚Schweinestrand‘ von Cap d’Agde. An diesem gut 2 km von der FKK-Anlage entfernten Strand soll es ‚lebendiger‘ hergehen … gelegentlich allerdings inzwischen überwacht von Polizisten in Neopren-Polizei-Kombi auf Jet-Skis.

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Cap d’Agde

Der Badeort Cap d’Agde wurde auf dem Reißbrett entworfen, auf einem nur durch Sandstrände vom Meer getrennten früheren Sumpfgebiet.

Der Ort versucht inzwischen seine Attraktivität zu steigern und auch außerhalb der Badesaison zu einem attraktiven Reiseziel zu werden. So soll u.a. ein neues Kongreß-Zentrum mit 1.200 Plätzen entstehen. Zudem geplant: ein Casino sowie ein neues Vier-Sterne-Hotel. Und zahlreiche neue Wohnungen, geplant von dem Architekten Jean-Michel Wilmotte.

Der einst im Rahmen der unter de Gaulle entwickelten ‚mission Racine‚ entstandene Ort mit ca. 25.000 Einwohnern hat in der Hochsaison über 250.000 Bewohner.  Das ‚quartier naturiste‘ liegt im Osten des Ortes. Es gilt als bestbesuchte FKK-Anlage der Welt.

Zehntausende Besucher:innen genießen im Sommer täglich die Strände von Cap d’Agde, unter ihnen geschätzt 10 bis 20 Prozent LGBT.

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Während der Coronavirus Pandemie (COVID-19) wurden in Cap d’Agde erhöhte Zahlen von Coronavirus-Infektionen festgestellt. So ergaben Tests Mitte August 2020 95 positive Testergebnisse bei 490 untersuchten Personen, eine Rate von 19%.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Bugchasing: Pozzen im ZDF

Eine neue Reportage-Sendung des ZDF-Ablegers ‚ZDF neo‘ beschäftigt sich am 12. Februar 2011 mit bugchaising oder pozzen – mit Menschen, die sich bewusst mit HIV infizieren.

ZDF neo ist ein seit November 2009 sendender digitaler Ableger des ZDF, mit dem das ZDF experimentiert, wie es wieder attraktiver für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer werden könnte – mit teils beachtlichen, interessanten Ergebnissen.

Im Februar startet ZDF neo eine neue Reportage-Reihe, ‚Wild Germany‚. Realisiert wird diese für das ZDF vom internationalen Magazin und Medien-Unternehmen ‚Vice‚. Die erste Sendung am 12. Februar 2011 (22:15, ZDF neo) beschäftigt sich mit “ bugchasing “ ( “ pozzen „).

Als ‚bugchasing‘ wird im englischen Sprachgebrauch häufig bezeichnet, was im Deutschen gern ‚pozzen‘ genannt wird: sich bewusst und absichtlich mit HIV infizieren. ‚Bugchasing‘ ist wenig wissenschaftlich untersucht. Eine deskriptive US-Studie an 1.228 ‚bugchasing‘-Internetprofilen auf US-Internetseiten im Jahr 2006 identifizierte 7,5% der Profil-Besitzer als HIV-negativ und tatsächlich überzeugte ‚bugchaser‘ und 0,4% (5 von 1.228) als HIV-positiv und überzeugte ‚bugchaser‘. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Resüme

These data suggest bug chasing and gift giving do exist; however a sizable portion of both bug chasers and gift givers were not intent on spreading HIV.

Wie häufig dieses Phänomen in der Realität in Deutschland tatsächlich auftritt, ist nicht bekannt – oft gewinnt man den Eindruck, die mediale Aufmerksamkeit für ‚pozzen‘ oder ‚bugchaser‘ ist weitaus höher als die Realität.

ZDF neo schreibt selbst als Ankündigungs-Text zur Sendung zu ‚bugchaising‘:

„AIDS ist eine der gefährlichsten Krankheiten der Welt. In den 80ern und 90ern ist eine ganze Generation von homosexuellen Männern jämmerlich daran gestorben. Nur durch groß angelegte Aufklärungskampagnen konnte die Verbreitung verlangsamt werden. Später tauchten Gerüchte über so genannte „Bugchaser“ in den Medien auf, Männer, die sich willentlich mit dem HI-Virus infizieren lassen. Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen.

Als ZDFneo-Reporter begibt er sich in die Schwulenszene. Dort trifft er Claude. Er ist aidskrank, was ihn nicht davon abbringt, verhütungsfreie Sexpartys in seiner Wohnung zu veranstalten. Regelmäßig melden sich HIV-negative Männer bei ihm an, die sich von ihm anstecken lassen möchten. In Leipzig trifft Manuel Tobias und René, beide HIV positiv, die ihm die Leipziger Szene zeigen. Sie erzählen, dass sie schon andere Männer mit deren Einverständnis angesteckt haben. Zuletzt schaut Manuel sich das an, wovon er bisher nur gehört hat: die Darkrooms der Stadt, der ideale Spielplatz für Bugchaser.“

‚Vice‘-Deutschland- Herausgeber Benjamin Ruth kündigt die Reportage-Reihe „Wild Germany“ an als „eine Reise an die obszönsten Orte des Landes“ …

Der Reporter des Beitrags, ‚Manuel Möglich‚, wird als Autor oder Mitarbeiter u.a. genannt bei dem ‚Magazin für Pop-Kultur‘ Spex (2006/07), dem WDR-Radio – Ableger 1Live (2007) und der WDR-Sendung ‚Funkhaus Europa‘ (2010), war Autor in der ‚Berliner Zeitung‘ (2008) oder der ‚Zeit‚ (2010). Beiträge, die ihn als sachkundig zu HIV / Aids ausweisen, sind auf den ersten Blick nicht zu finden.

Autor des Beitrags ist Tom Littlewood, Chefredakteur der Reportage-Reihe ‚Wild Germany‘ bei ‚Vice‘.

Produziert wird die Reportage-Reihe von ‚Vice‘ (Vice: etwa: Laster, Fehler). Das 1994 in Kanada gegründete ‚Szene-Magazin‘ (früher ‚Voice of Montreal‘) hat sich längst zu einem global agierenden Medien-Unternehmen gewandelt – Magazin, Internet-TV (vbs.tv), TV-Beiträge für andere Sender. Das Print-Magazin erscheint in 26 Ländern in einer Auflage von insgesamt 1,2 Millionen Exemplaren. Die SZ schreibt über das Magazin „Jeder findet etwas, das ihn abstößt, fast jeder etwas, das ihn fasziniert. Ein Gesamtkonzept gibt es nicht.“
Die deutsche Redaktion des Magazins (2005 gegründet) sitzt in Berlin, Herausgeber in Deutschland ist Benjamin Ruth.

Zuständig für ‚Wild Germany‘ beim ZDF: Andrea Windisch, stellvertretende Redaktionsleiterin bei ZDF Neo.

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weiter hier: wie die Sendung zu ‚Bugchasing‘ war? siehe hier: Bugchasing – viel neo-Lärm um nichts

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weitere Informationen:
ZDF neo 12.02.2011 22:15 Uhr: „Wild Germany – Bugchasing“
Manuel Möglich auf 1Live
SZ 28.09.2010: Erfolgsmodel: „Vice“-Magazin – Obszön geschlitzte Früchte
Christian Grov, Jeffrey T. Parsons: Bug Chasing and Gift Giving: The Potential for HIV Transmission Among Barebackers on the Internet. in: AIDS education and prevention, Dezember 2006 (abstract)

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