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Kulturelles

Die Affen sind los …

In Bremen sind (immer noch) die Affen los …
… und zwar die des Ende Mai 2007 verstorbenen Künstlers und Beuys-Schülers Jörg Immendorff

Jörg Immendorff: Affentor 1
Jörg Immendorff: Affentor 1
Jörg Immendorff: Affentor 1 (Detail)
Jörg Immendorff: Affentor 1 (Detail)

Jörg Immendorff: Affentor 1 (2006)
Plastik vor dem Bremer Hauptbahnhof anlässlich der leider bereits beendeten Immendorff-Ausstellung (bis 30.12.2007) in der “Weserburg”

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Kulturelles

Nike Triax Uhr – nicht sehr göttliche Zeit

also, Fräulein Nike, ich hab da mal ”ne Frage …

“Bei meiner Uhr ist das Armband gerissen.”
(Schau, prüf, guck, nach hinten geh, ratlos schauend zurück kommend)
“Tja, das tut mir leid. Für Ihre Uhr gibt es keine neuen Armbänder.”
(dummguck)
“Aber – so alt ist die doch noch gar nicht?”
“Nein. Aber wir stellen die nicht mehr her.”
“Ja und?”
“Ja, da können wir leider gar nichts machen.”
“Und nun?”
“Sie können sich gerne eine neue Uhr bei uns kaufen.”
“Ach?”

Vor einigen Jahren kaufte er sich für viele viele Euro eine Nike Triax Uhr.

Nike Triax Uhr 2007

Nicht nur, dass sie schön anzusehen ist.
Nein, sie erweist sich auch immer wieder als praktisch – zahlreiche Funktionen sind nützlich, und vor allem, im Gegensatz zu so mancher Uhr von adxxxs oder swxxxh ist aufgrund der eigenwilligen Form der Anzeige die Zeit auch beim Sport, z.B. während es Joggens sehr gut ablesbar.

Nun ist das Armband gerissen, und daraus entspann sich obiger Dialog in einem Ladengeschäft, das sich als ganze Hersteller-Stadt anpreist.

Klar, so eine Uhr, die darf nach einigen Jahren ihre Gebrauchsspuren aufweisen. Und auch das (Kunststoff-)Armband darf schon mal reißen.

Aber – ich darf doch erwarten, dass eine Nike Triax Uhr bei diesem Kauf-Preis repariert werden kann? Dass man zumindest das Armband wechseln kann? Immerhin, sie ist ja nicht Jahrzehnte alt, sondern vielleicht vier, fünf Jahre.

Aber nein, es ist scheinbar ein Wegwerf-Produkt.
Das hätten Sie mir in Ihrer göttlichen Weisheit vorher sagen dürfen, Fräulein Nike …
Wieder ein klassisches Negativ-Beispiel für die Wegwerf-Gesellschaft

* Übrigens, Fräulein Göttin, für meine uralte Swatch Irony bekomm’ ich immer noch Ersatz-Armbänder. Die benutz ich jetzt wieder, auch beim Sport …

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Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Derek Jarman Blue – again

“Blue”, der wegweisende, unter die Haut gehende Film des Regisseurs Derek Jarman, ist in digitaler Version jetzt wieder in den Kinos.

“Blue” ist in meinem Augen (ähnlich wie Susan Sontags “Aids und seine Metaphern”) ein ‘Muss’ der kulturellen Auseinandersetzung mit Aids.
Claus Gillmann (gest. 29.8.1994), Weggefährte in früheren Jahren von schwulen- und aidspolitischem Engagement, schrieb 1994 über Blue:

„Die Leinwand ist – blau. Etwa 70 Minuten lang. Sonst nichts. Alltags- und Naturgeräusche, Gesprächsfetzen, meditative Musikelemente sind nur zu hören. Ein Monolog Jarmans bringt Erinnerungen, Bobachtungen und Reflexionen. Mitunter sarkastisch kommentiert er seine Krankheit.
‚Blue is darkness made visible’ sagte er einmal und lieferte damit den Schlüssel für die ästetische Umsetzung seiner Erfahrung. Das monochrome Blau setzt den Zuschauer der Befindlichkeit des in Folge von AIDS Erblindeten -Jarmans Realität- in radikaler Weise aus. Dem entginge man nur, wenn man seine Augen verschlösse. ‚Blau’ steht aber auch für die quälende Ungewissheit (‚incertainty’) der verrinnenden und noch zu lebenden Zeit bis zum gewissen Tod. ‚Blue’ ist nun wohl Jarmans letzter Film. Opulente Bilderfülle und Farben, wie wir sie etwa von ‚Caravaggio’ oder ‚Edward II’ kennen, wird es nicht mehr geben. ‚Blue’ ist eines der überzeugendsten Dokumente der vieldiskutierten ‚AIDS-Kultur’ – und das ganz persönliche Vermächtnis eines engagierten Künstlers.“
(Claus Gillmann in ‘Boulevard HIV’ Januar 1994),

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‚Blue‘ ist der letzte Film des Regisseurs und Malers Derek Jarman (31. Januar 1942 Northwood – 19. Februar 1994 London). ‚Blue‘ hatte am 19. September 1993 Premiere – hierfür kam es zu einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen dem TV-Sender Channel 4 und dem radiosender BBC Radio 3. Beide strahlten zeitgleich aus, so dass Zuschauer den Film mit Stereo-Ton genießen konnten.

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Kulturelles

Böttcherstrasse Bremen – Inszenierung mit brauner Vergangenheit ?

Die von 1922 bis 1931 errichtete Böttcherstrasse ist heute eine der wichtigsten touristischen Attraktionen Bremens. An die 100 Meter lang, meist rotbraun, sehr kunstvoll, und mit einer nicht unproblematischen Geschichte.

Bremen Böttcherstraße Portal mit 'Lichtbringer'
Bremen Böttcherstraße Portal mit ‚Lichtbringer‘

Am bekanntesten hier: das Paula-Modersohn-Becker-Haus. Aber die Böttcherstrasse ist insgesamt ein Museum und Herberge zahlreicher Sehenswürdigkeiten.

Tausende Touristen schlendern durch die Böttcherstraße, die immer mehr als ’nur‘ Kulturträger war. Oft diente sie auch als Propaganda-Instrument von Unternehmer und Unternehmen. Und nur wenige Touristen machen sich Gedanken über die Hintergründe und Entstehungsgeschichte dessen, was sie hier bestaunen.

Wenige wissen z.B. – auch angesichts fehlender Hinweise – um die Geschichte des ‚Lichtbringer‘, den Hoetger 1936 schuf, und über den Roselius am 18. September 1936 in einem Brief an den Bremer NS- Bürgermeister Heider schrieb, er stelle „den Sieg unseres Führers über die Mächte der Finsternis“ dar.
Hoetger selbst:

„Gibt es wohl einen höheren Ausdruck der Verehrung unserer vom Führer geschaffenen Zeit, wie es sich in meinem neuen Relief „Der Lichtbringer“ offenbart?“

Bernhard Hoetger in einem Brief

Geschichte der Böttcherstrasse

Ermöglicht wurde die Böttcherstrasse in ihrer heutigen Form durch den Bremer Kaffeehändler Ludwig Roselius. Er war u.a. Gründer und zeitlebens Mehrheitseigner von und reich geworden mit dem koffeinfreien ‘Kaffee Hag’.

Roselius hatte ab 1902 hier Häuser erworben. 1979 jedoch verkaufte Roselius‘ Sohn die Firma einschließlich Böttcherstrasse an einen US-Konzern.  1981 erwarb er die Böttcherstrasse zurück, die bis zur Übereignung an die ‘Stiftung Bremer Sparer Dank’ 2004 immer noch in privater Hand war (ab 1989 Sparkasse Bremen).

Ludwig Roselius

Ludwig Roselius (2. Juni 1874 Bremen – 15. Mai 1943 Berlin), patriarchalischer Unternehmer mit autoritärem Führungsstil, ist keine unumstrittene Person. Roselius, völkisch-national eingestellt, war von der Überlegenheit der nordeuropäischen Kultur überzeugt. Er engagierte sich in völkisch-nordischen Kreisen, suchte nach einem ‚urdeutschen Selbstverständnis‘.

Roselius soll politisch mit dem Nationalsozialismus sympathisiert haben, unterstützte völkisches Gedankengut – auch in der Kunst. Finanziell unterstützte er die NSDAP hingegen nicht, sah sich vielmehr ab 1934 Anfeindungen durch Nazis ausgesetzt.

Ludwig Roselius Büste in der Böttcherstrasse (Bernhard Hoetger 1922)
Ludwig Roselius, Büste in der Böttcherstrasse (Bernhard Hoetger 1922)

Seine Förderung der Böttcherstraße begründete er u.a.

die Wiedererrichtung der Böttcherstraße ist ein Versuch, deutsch zu denken”.

Schmidle (s.u.) bezeichnet die Böttcherstraße als ‘inszenierte Genealogie des Nordischen’.

Ludwig Roselius (Rodulf Gangloff, Eichenholz, 1943 ? 1948?)
Ludwig Roselius (Rodulf Gangloff (1878 – 1967), Eichenholz, 1943 ? 1948?)

Roselius-Büste im Roselius-Museum in Bremen in der Böttcherstrasse. Doch – stammt die Büste, wie im Roselius-Museum ausgezeichnet, aus dem Jahr 1948? Mit einem Schriftzug, dessen Buchstaben ‚S‘ auffällig an wenige Jahre zuvor gebräuchliche Runen erinnern? Oder trifft eher die auf der Büste selbst angegebene Datierung „15.XI.1943“ zu?

Rudolf Gangloff: Büste Ludwig Roselius, seitliche Signatur
Rudolf Gangloff: Büste Ludwig Roselius, seitliche Signatur

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Bernhard Hoetger

Realisiert wurde die Böttcherstraße von verschiedenen Architekten, unter ihnen Bernhard Hoetger, deutscher expressionistischer Kunsthandwerker, Maler und Bildhauer, der das Paula-Modersohn-Becker-Haus sowie das Atlantis-Haus entwarf. Nach Umbau wurde die Böttcherstrasse feierlich eröffnet am 15. Oktober 1926, 1931 folgte die Fertigstellung des Hauses Atlantis und des Robinson-Crusoe-Hauses.

Hoetger, mit dem Roselius seit Anfang der 1920er Jahre freundschaftlich verbunden war, sympathisierte wie Roselius, sein Mäzen, mit dem Nationalsozialismus – und wie dieser mit einer nordisch-völkischen Ideenwelt. Die Nazis jedoch lehnten seine Kunstauffassung ab – Hoetger wurde aus der NSDAP ausgeschlossen, seine Kunst als ‘entartet’ gewertet. Die Böttcherstraße wurde am 7. Mai 1937 als ‘Beispiel der Verfallskunst der Weimarer Zeit’ (i.e. ‘entartete Kunst’) unter Denkmalschutz gestellt.

Böttcherstrasse – Atlantishaus (Fotos)

Das Atlantis-Haus von 1930/31 nach Entwürfen von Bernhard Hoetger – auch eine ‘nordische Inszenierung’. Auch hier begegnet einem wieder Roselius’ unseeliges Gedankengut. Er ließ sich beim Bau von völkisch-rassistischen Theorien inspirieren, nannte selbst bei der Eröffnung den von ihm geschätzten NS-Funktionär Herman Wirth einen der drei geistigen Paten.

Hoetger realisierte in Roselius’ Auftrag ein eigenwilliges Gebäude – kühn in der Mischung der Materialen (von Beton über Glas bis Holz), spannungsreich in der Gestaltung (von völkisch-germansichen Darstellungen bis abstrakten Art-Deco-Elementen). Ein Gebäude, dessen (an den Rasse-Mythen orientierte) Fassade das Ende des NS-Regimes nicht überlebte, dessen (ebenfalls von völkischer Ideologie geprägtes) Treppenhaus und Himmelssaal jedoch auf eigentümliche Art heute noch beeindrucken.

Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus
Bremen Atlantis Treppenhaus

Die Treppe bis oben erklommen, steht man vor der Tür zur nächsten Sehenswürdigkeit – dem Himmelssaal:

Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal
Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal
Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal
Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal
Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal
Bremen Atlantis-Haus Himmelssaal

Die Fassade des Hauses Atlantis hingegen wird von vielen Besuchern nur “nebenbei” wahrgenommen – fällt sie doch aus der üblichen Optik der Böttcherstraße heraus. Ein Blick lohnt sich jedoch – die Fassade ist die letzte Arbeit von Ewald Mataré (1966 von ihm am Bau gestaltet). Sie bildet einen verdeckenden Vorhang einerseits, wohltuenden Kontrapunkt andererseits – auch angesichts der Vergangenheit des ‘Inhalts’…

Bremen böttcherstrasse Atlantis-Haus Fassade Mataré
Bremen Atlantis-Haus Fassade Mataré

Das Atlantis-Haus ist heute Teil eines Hotels einer internationalen Kette. Dies mag bedauerlich erscheinen – aber in der Folge sind Treppenhaus und Himmelssaal in gut erhaltenem und gepflegten Zustand, werden genutzt (statt nur als Architekturmuseum zu stehen) und sind zugänglich (Tipp: Besichtigung möglich zu bestimmten Zeiten – Schlüssel für den Himmelssaal an der Hotel-Rezeption).

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Die Böttcherstraße – eine Straße, von Touristen als ‘Märchengasse’ erlebt, die bei weitem genau dies nicht ist. Ein vielbesuchter, immer noch beeindruckender Ort, ein fortbestehende Inszenierung, ein politischer Mythos, der heute noch fortwirkt.

Wohl auch, weil die Verquickung von Böttcherstaße und Nazi-Ideologien zumindest vor Ort bis heute kaum thematisiert, eher weiterhin verdrängt wird. Selbst die offizielle Website spricht eher von ‘ein Beispiel hanseatischen Mäzenatentums’ und ‘Rückbesinnung auf die niederdeutsche Kultur’, als offensiver mit der ideologischen Gesichte des Ensembles umzugehen.

Weitere Informationen:
sehr lesenswerter Artikel “Schande oder Mahnmal? Vom Umgang mit dem architektonischen Erbe der NS-Diktatur” (am Beispiel der Böttcherstraße) von Dr. Elisabeth Schmidle (als pdf)

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Kulinarisches unterwegs

Kohl und Pinkel

Kohl und Pinkel – In Norddeutschland beginnt jetzt wieder die Zeit der so genannten ‘Kohl-Fahrten’.

Dabei geht es nicht um irgendwelche Reisen auf ferne Planeten, Ernteeinsätze oder andere seltsame Dinge. Nein, ganz einfach – ein Tagesausflug zu Fuß, über Land – in den Kohl. In den Grünkohl genauer gesagt, denn der hat jetzt Saison.

Kohlfahrten finden meist im Januar / Februar statt, denn Grünkohl braucht einen harten Frost, damit er gut schmeckt. Dementsprechend sind die Außentemperaturen bei Kohlfahrten in der Regel deutlich unter Null – so dass mit ‘Brennstoff’ für erhöhte Innen-Temperaturen gesorgt werden muss. In der Praxis bedeutet dies, alle paar Meter findet ein Halt statt, ran an den Bollerwagen, und kontrollieren ob noch genügend in der Korn-Flasche ist …

Irgendwann kommt man dann dennoch am Zeil der Reise an – einer Landgaststätte, in der eingekehrt wird. Zu einem deftigen Kohl-Essen, bei dem auch der Kohl-König gekürt wird.
Die Königswürde wird nach einer einfachen Regel verliehen: Kohl-König oder Kohl-Königin wird der/diejenige, der/die am meisten Kohl verzehrt. In eher traditionellen Kohlfahrten-Gruppen gibt’s dafür auch noch nen ‘Kohl-Orden’ …

Im Mittelpunkt aber – neben Spaß und Saufen – immer: “ Kohl und Pinkel ”.
Dabei wird der Kohl nicht etwa mit irgendwelchen Körper-Ausscheidungen malträtiert.

Die “Pinkel” ist vielmehr eine Art regionaler Spezialität, insbesondere in Ostfriesland und bis Bremen bekannt. Eine Art Grützwurst, die ihren Namen von ihrem Aussehen haben soll [nun, ich hab da so meine Zweifel …]

Und deswegen findet man in Norddeutschland dieser Tage oft Schilder wie dieses hier …

Kohl und Pinkel
Kohl und Pinkel

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Berlin Kulturelles

Gratulation, Komische Oper Berlin

Eine “hippe Adresse” in Berlin wird heute 60 – und mehrfach ausgezeichnet.

An der Ecke ‘Unter den Linden’ und ‘Behrensstraße’ stand seit 1892 ein Theaterbau. Hier spielte zunächst das ‘Theater Unter den Linden’, ab 1898 das ‘Metropol-Theater’, ein weit über die Grenzen Berlins bekanntes Revue- und Operetten-Theater.

Ende 1944 wurde der Theaterbetrieb, der seit 1934 als ‘Staatliches Operettentheater’ und Teil der NS-Organisation ‘Kraft durch Freude’ erfolgte, eingestellt – sinnigerweise nach der Premiere von ‘Wiedersehen macht Freude’.

Im März 1945 wurden große Teile des Theaters durch Bomben zerstört, insbesondere der Zuschauerraum jedoch blieb beinahe unversehrt.
Nach der Befreiung wurde bereits im Februar 1946 mit dem Wiederaufbau begonnen, bis in den Dezember 1947 dauerten die Arbeiten.

Am 23.12.1947 eröffnete die Komische Oper unter Walter Felsenstein mit der Operette “Die Fledermaus” von Johann Strauß. Felsenstein leitete die Komische Oper bis zu seinem Tod 1975.

1956/66 erfolgte eine Neugestaltung der Außenhaut des Gebäudes (Kollektiv Kunz Nierade). 1986 wurde der neobarocke Zuschauerraum des Theaters saniert und unter Denkmalschutz gestellt; 2005/06 das Foyer nach Plänen von Stefan Braunfels umgebaut.

Und im 60. Jahr ihres Bestehens wurde die Komische Oper nun von 50 unabhängigen Musikkritikern zum “Opernhaus des Jahres” gekürt, zusammen mit dem Theater Bremen. Die Komische Oper Berlin sein eine “hippe Adresse für ein frisches Publikum”, heißt es in der Begründung.
Der ehemaliger Generalmusikdirektor der Komischen Oper, Kirill Petrenko, wurde zum “Dirigent des Jahres”. Dritte Trophäe an der Behrensstraße: der Chor der Komische Oper wurde zum “Chor des Jahre” ernannt.

Viel des Lobes für die Komische Oper, herausgetreten aus den langen Schatten ihrer Geschichte, und eine Dame ganz offensichtlich in den besten Jahren.

Der Komischen Oper habe ich einige spannende, anregende und überraschende Vorstellungen zu verdanken – ob ein viel geliebtes Mahagonny, eine Maria aus Buenos Aires, die amüsanten Neujahrskonzerte oder vieles anderes. Inzwischen ist die Komische Oper eines meiner ‘kulturellen Wohnzimmer’ – ein Ort zum Wohlfühlen und Entdecken, und ein Ort, ohne den mir der Zugang zu Oper und E-Musik sicher schwerer gefallen wäre …
Herzlichen Glückwunsch, Komische Oper !

siehe auch:

Lukullus ist tot
Auf nach Mahagonny

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HIV/Aids Kulturelles

Jürgen Baldiga 1959 – 1993

Am 4. Dezember 1993 starb Jürgen Baldiga in Berlin an den Folgen von Aids.

Jürgen Baldiga Grab
das Grab von Jürgen Baldiga in Berlin Schöneberg

“Der schwule Berliner Fotograf Jürgen Baldiga hat erst angefangen zu fotografieren, als er bereits wußte, daß er HIV-positiv ist. Er hat daraus eine Lebens- und Überlebensstrategie gemacht, die das bloße journalistische Dokumentieren der Seuche ebenso weit hinter sich läßt wie die rein tagespolitisch kämpferische Aussage.”

Tom Kuppinger / ‘AIDS macht 90 bis 95% meines Lebens aus’

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Jürgen wurde am 27. Oktober 1959 in Essen geboren. Baldiga war Fotograf und Künstler. Er begann zu fotografieren als er bereits von seiner HIV-Infektion wusste.

Er starb am 4. Dezember 1993 in Berlin, sein Grab befindet sich in Berlin-Schöneberg auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof.

Jürgen Baldigas Nachlass befindet sich im Schwulen Museum *.

Jürgen Baldiga Grab 2018
Baldigas Grab 2018

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Ich denke gern zurück … an Jürgen … an die Kraft, die seine Photographien auch heute noch haben … und an das damals für mich seltsame Gefühl, seinen (nach einer Cocteau-Zeichnung zu Jürgens Lebzeit gestalteten und entstandenen) Grabstein längere Zeit bei Harry im Atelier zu sehen …

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Kulturelles

Winter-Zirkus Flic Flac 2007

Winter ist nun eigentlich nicht die optimale Zeit, um in den Zirkus zu gehen. Oder doch? Schon bei der nachmittäglichen Einfahrt nach Köln sehe ich rechtsrheinisch die verlockenden Masten eines riesigen Zelts. “Flic Flac ist da”, sagt der Mann trocken, wohl wissend dass er mich damit locken kann. Schon kurze zeit später sind die Karten für einen der folgenden Abende reserviert.

Uns empfängt ein gut beheiztes riesigen Zelt von über 100 Meter Länge – und darin eine vor Beginn noch von einem Vorhang verhüllte bühnenartige ‘Manege’ von circa 45 m Länge und 10 m Breite (insgesamt das größte portable Zelt in Europa).

20:30 Uhr, los geht’s.
Akrobatik, Kunst-Rad und Trampolin sind doch langweilig?
Nicht bei FlicFlac!
Gabelstapler taugen nur für Häfen und Werkshallen? Und Motorräder für Straße?
Nicht bei Flic Flac.

Über zwei Stunden lang unterhält uns eine Action-reiche, dabei phantasievoll inszenierte Show voll Feuer und Wasser auf’s prächtigste. Dazu Musik von ‘Rammstein’, Feuer, und immer wieder überraschende Momente – Zirkus, wie ich ihn liebe.

Neben zahlreichen neuen Attraktionen (ein Clown, der nun wirklich Knochen aus Gummi haben muss …) sind wieder dabei die ‘Motorrad-Kugel’ – diesmal allerdings mit sechs (!) Fahrern, sowie das ‘Hamster-Rad’ – mit Seiltanz außen herum in schwindelnder Höhe und einem Lauftempo, bei dem einem vor Schreck der Atem stockt.

Bizarre Kostüme oder normale ‘Straßen- Kleidung’, ein wenig Anarcho-Optik, ein Stückchen gaga, ein bisschen alternativer Touch – Staunen, ungläubiges Augenreiben, Flic Flac hat wieder seine ganz eigene Mischung gefunden.

Der 1989 gegründete Zirkus bietet erneut (wie schon in einigen der früher bestaunten Shows) ein Zirkus-Spektakel der ‘anderen Art’ – mir gefällt’s prächtig, wesentlich besser auf jeden Fall als ein ‘Drachenlöwe mit Ethno-Soße im Sonnentempel

Circus Flic Flac: No limits!
noch bis 16. Dezember 2007 in Köln (Gummersbacher Str. nahe Köln Arena), danach in Kassel

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Berlin Kulturelles

Die Verurteilung des Lukullus – Komische Oper Berlin 2007

Erstmals führt die Komische Oper Brecht/Dessaus “Die Verurteilung des Lukullus” auf, einst Zentrum kulturpolitischer Debatten in der DDR.

Lukullus ist tot. Sein Leben war pompös, voller Luxus, pompös ist seine Beisetzung. Doch im Vorraum des Schattenreichs erwartet den erfolgreichen Feldherren und Politiker Lukullus nicht der sichere Weg in’s Paradies. Vielmehr muss er sich vor einem Gericht von Bauern, Lehrern, Bäckern der Bilanz seines Lebens stellen. Zehntausende mussten sterben, nur damit er Kirschen essen konnte – das Urteil kann nur lauten “Ins Nichts mit ihm!”. Soweit in Kürze die Handlung der Oper “Die Verurteilung des Lukullus”.

Lucius Licinius Lucullus war ein römischer Feldherr.

Und aufgrund seines Lebenswandels, der u.a. von üppigen Gastmählern geprägt war, wurde er zum Namensgeber ‘lukullischer Genüsse’, übertragen zum Symbol des Hedonismus.

Bertolt Brecht verfasste ab 1939 im schwedischen Exil zunächst ein Hörspiel “Das Verhör des Lukullus”. Zusammen mit dem Komponisten Paul Dessau erarbeitet er nach dem zweiten Weltkrieg verschiedene Fassungen einer Umsetzung des Hörspiels als Oper.

Diese Oper “Die Verurteilung des Lukullus”, komponiert 1949, wurde am 17. März 1951 in Berlin (Admiralspalast) erstaufgeführt (nicht öffentliche Probeaufführung, noch als ‘Das Verhör des Lukullus’).
Sie wurde nach ihrer öffentlichen Uraufführung am 12.10.1951 (unter modifiziertem Titel, nach deutlichen Text- und Musik-Eingriffen) bis 1960 nicht mehr gespielt. Die Oper war zum Gegenstand von Eingriffen der Regierungsspitze der DDR geworden, sie trage nicht zur Hebung des Bewusstseins der Werktätigen bei, sei volksfremd und zu formalistisch. “Die Verurteilung des Lukullus” geriet in den Mittelpunkt der sog. ‘Formalismusdebatte‘.
In der BRD wird die Oper drei Monate nach ihrer DDR-Uraufführung erstmals aufgeführt, allerdings in der (wohl als politisch opportuner erachteten) erste Text-Version.

Die jetzige Neu-Produktion des Lukullus ist die erste Aufführung dieser generell sehr seltenen gespielten Oper an der Komischen Oper Berlin.

Die Verurteilung des Lukullus Komische Oper Berlin 2007

Die Aufführung beginnt mit einem wahrlich beeindruckenden Auftakt, unterstützt von Chor, Kinderchor und Filmeinspieler. Doch kann die Inszenierung die hier geweckten Erwartungen im Folgenden nicht immer halten. Sie gleitet für meinen Geschmack manchmal teils in verspielte, teils in trashige optische Vordergründigkeit ab – in der allerdings immer wieder starke Szenen (wie “wer ist Rom” oder das “Fischerweib”) aufleuchten.
Die Übertitelung, im Prolog noch hilfreich, wünschte man sich teils auch während des weiteren Verlaufs – nicht immer wird verständlich gesungen.

Im Mittelpunkt der Handlung: der Zerfall, ja die Dekonstruktion dessen, was Lukullus einst zu Ruhm und Ehre zu gereichen schien, und seine Aufgeblasenheit, die Menschen, die Leben erdrückt. Das ganze eindrucksvoll unterstrichen von einer Musik, die sich nicht melodisch in die Handlung schmiegt, vielmehr Kontraste setzt, bewusst als eigenständig wirkt. Teils ungewöhnlich instrumentiert, bis hin zu dem (äußerst selten zu hörenden) Trautonium [vielen eher bekannt aus Hitchcocks ‚Die Vögel‘].

“Die Verurteilung des Lukullus” – für meinen Geschmack keine herausragende Inszenierung der Komischen Oper, aber eine sehr sehenswerte – besonders auch dank der beeindruckenden Musik und Leistungen von Chor und SängerInnen.

Anmerkung: Dieser Text basiert auf der Generalprobe vom 23.11.2007 (nicht der Premiere am 25.11.).

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“Die Verurteilung des Lukullus”, Komische Oper Berlin, weitere Aufführungen u.a. am 2., 7., 12. und 28. Dezember 2007

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Kulturelles

Messias in Rosa?

Oh Gott, ja, man braucht pointierte Schlagzeilen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Selbst, vor allem auch beim Spiegel.

Aber gleich so?

“der schwule Messias”
“der große Held des deutschen Queer-Films”
“der Held des schwulen deutschen Kinos schlechthin”

Geht’s noch dicker?
Gut, Rosa von Praunheim hat Geburtstag, einen besonderen, wird 65.

Und ja, einige seiner Filme schätze ich sehr – mein persönlicher Favorit ist “Anita“, der Film über Anita Berber mit Lotti Huber.
Und die Wirkung von “Nicht der Homosexuelle ist pervers …” ist auch kaum zu überschätzen.

Aber gleich zum Messias erklären?

Manchmal frage ich mich eher, ob nicht die Rente doch wieder mit 65 eingeführt werden sollte …
… oder zumindest ‘Antimoralin’ ausgegeben werden könnte …

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