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Berlin Kulturelles

urban nation Berlin

Talking … & Other Banana Skins (urban nation, Januar 2023)
urban nation Berlin – ‚Martha Cooper taking pictures‘ (Februar 2022)
urban nation (November 2019)
urban nation – caps (Oktober 2019)
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Kulturelles Oldenburg

Pferdemarkt – die Vier Pferde von Oldenburg (1970)

Die Skulptur Vier Pferde wurde 1970 auf dem Pferdemarkt in Oldenburg aufgestellt. Geschaffen vom Bildhauer und Maler Heinrich Schwarz, soll sie einen der zentralen Plätze der Stadt symbolisieren. Und erzählt nebenbei eine Geschichte über fehlende Bürgerbeteiligung …

Pferdemarkt Vier Pferde Oldenburg
Vier Pferde (Heinich Schwarz, 1970) – Oldenburg, Pferdemarkt

Vier Pferde (1970) – Großplastik auf dem Pferdemarkt Oldenburg

Vier stilisierte Pferde aus Beton – eine Skulptur versinnbildlicht seit 1970 den Namen eines der zentralen Plätze in Oldenburg – der Pferdemarkt.

‚Vier Pferde‘ – eine Großplastik aus Beton mit beeindruckenden Maßen: 4,50 Meter hoch, und jeweils 4 Meter breit und tief, bestehend aus in einander gesteckten ‚Beton-Scheiben‘.

Im April 1970 wurde die Plastik errichtet. Und sie sorgte für heftige Diskussionen und Proteste. So manchem wäre eine ’naturalistischere‘ Darstellung lieber gewesen …

Pferdemarkt Vier Pferde Oldenburg
Vier Pferde (Heinich Schwarz, 1970) – Oldenburg, Pferdemarkt

Hinzu kam die ein wenig problematische Geschichte der Skulptur. Sie wurde ohne jegliche Beteiligung der Bürger errichtet. Mit der Stadtverwaltung in Person des Oberstadtdirektors Heinz Rathert sowie Stadtbaurat Horst Neidhardt fanden ab 1968 zwei Jahre dauernde Gespräche statt. Die Oldenburger Bevölkerung jedoch wurde erst im Frühjahr 1970 unterrichtet – besser, de facto vor vollendete Tatsachen gestellt. Am 25. April 1970 stimmte der Rat der Errichtung der Skulptur trotz lebhafter Proteste zu.

Ein weiterer Grund für das Staunen vieler Bürger: die Skulptur war ein Geschenk – genau derjenigen Baufirmen (Hecker und Stefen), die zuvor an der Umgestaltung des zentralen Platzes Pferdemarkt mit Großaufträgen beteiligt waren.

der Pferdemarkt in Oldenburg

Am nördlichen Rand der Innenstadt von Oldenburg befindet sich seit dem 17. Jahrhundert ein Platz, der auf ein Weidegelände zurück geht: der Pferdemarkt. Schon seit dem Mittelalter soll auf diesem Weidegelände vor dem Heiliggeisttor mit Pferden gehandelt worden sein.

1682 wird er erstmals urkundlich als ‚Marktplatz von Oldenburg‚ erwähnt. Vom 19. Jahrhundert bis Ende der NS-Diktatur wurde der Pferdemarkt als Exerzierplatz genutzt. Später wurde hier zeitweilig der Kramermarkt veranstaltet (seit 1962 auf der Fläche vor der Weser – Ems – Halle).

Seit den 1960er Jahren (Umbau 1963 – 1967) ist der Pferdemarkt im wesentlichen – ein dem Verkehr gewidmeter Platz. Ein Kreisel von Verteiler-Straßen des Straßenverkehrs, ohne echte Funktion als Platz. Auf einen (westlichen) Teil der Fläche findet weiterhin ein Wochenmarkt statt (ansonsten Parkplatz). Den Südrand des Pferdemarkts schneidet zudem die 1967 in Betrieb genommene Hochbrücke der zentralen Bahnstrecke Oldenburg – Leer bzw. Oldenburg – Wilhemshaven (bis 1966 blieben hier die Schranken lange, sehr lange geschlossen).

Der Pferdemarkt ist somit indirekt auch Symbol einer ‚Großstadt über Nacht‘ – einer Stadt, die in den 1960er Jahren neue Aufgaben und Dimensionen bekam, und sich wandelte. Und dem (Straßen-) Verkehr mehr Raum gab …

Und der Pferdemarkt Oldenburg ist immer wieder auch Ort politischer Debatten, Aktionen und Demonstrationen – wie zu Zeiten der Corona- Epidemie (siehe Foto unten), oder 2023 bei Klimaprotesten (am Freitag 9. Juni 2023 riefen Klimaaktivisten von Fridays for Future zu einer dreistündigen ‚Performance für die Verkehrswende‘ auf und wollten die innere Spur blockieren um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen).

Vier Pferde Oldenburg Pferdemarkt Corona Maske
Vier Pferde, Oldenburg Pferdemarkt – in Zeiten der Coronavirus Pandemie 2020 mit Maske …

Nahe dem Pferdemarkt in nördlicher Richtung befindet sich der Gertrudenfriedhof, auf dem sich u.a. das Grab von Horst Janssen befindet, etwas südlich des Platzes das Horst-Janssen-Museum.

Polizeikaserne Pferdemarkt in der Reichspogromnacht

In der Reichspogromnacht 9. auf 10. November 1938 wurde die Synagoge von Oldenburg sowie die kleine jüdische Schule zerstört. Alle Oldenburger Juden wurden verhaftet.

Sie wurden in der Polizeikaserne am Pferdemarkt interniert, die als Hauptsammelstelle diente. Frauen und Kinder wurden am nächsten Morgen wieder freigelassen. Die Männer wurden gezwungen durch die Stadt an der zerstörten Synagoge vorbei zum Gerichtsgefängnis zu gehen. Sie wurden in das KZ Sachsenhausen deportiert.

Das Gebäude wird heute als Landesbibliothek Oldenburg genutzt. Am Hof- Durchgang erinnert eine Gedenktafel an die Deportation Oldenburger Juden:

Gedenktafel zur Erinnerung an die Deportation Oldenburger Juden 1938

Heinrich Schwarz – Schöpfer der Vier Pferde

Der Bildhauer und Maler Heinrich Schwarz wurde am 19. Dezember 1903 in Berlin geboren. 1922 nahm er das Kunst-Studium an der Staatlichen Kunstschule Berlin auf, wechselte allerdings 1923 zum Jura-Studium nach Jena. Bereits 1948 wurde er aus gesundheitlichen Gründen (Tuberkulose) in den Ruhestand versetzt – und konnte sich ganz der Kunst widmen.

In den Jahren 1966 bis 1972 war Schwarz Vorsitzender des Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler BBK Nodwestdeutschland.

Heinrich Schwarz starb am 9. November 1977 in Oldenburg. Nach Heinrich Schwarz wurde in Ganderkesee- Steinkimmen eine Straße benannt.

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Konzerte & Festivals Kulturelles Oldenburg

Watt en Schlick Fest 2019

Watt en Schlick 2019 – Chillen, feiern, tanzen, alles direkt am Wattenmeer. Seit 2014 geht das in Dangast beim Kultur- und Musikfestival Watt en Schlick, ganz zauberhaft direkt am Strand unterhalb des Kurhaus Dangast. 6.000 Besucher kamen 2019.

Watt en Schlick 2019
Watt en Schlick 2019 – das Festival am Schlick

Watt en Schlick 2019 Festival

Es ist eines der kleineren, und eines der neueren Festivals in Deutschland: Watt en Schlick in Dangast.

2012 hatte Initiator Till Krägeloh die Idee, und 2014 war es soweit, das erste Festival ging über die Bühne. Krägeloh hatte zuvor jahrelang im Kurhaus Dangast gearbeitet, war aber nie vorher selbst auf einem Festival.

Und der Erfolg des Newcomers kam schnell – bereits 2017 wurde das Festival beim Helga auf dem Reeperbahn-Festival als bestes Festival Deutschlands ausgezeichnet.

2019 fand die sechste Ausgabe #WeS19 vom 2. bis 4. August statt. U.a. traten Sophie Hunger, Moop Mama, Irma, Fatoni, Lars Eidinger, The Black Seeds, Say Yes Dog, Mavi Phoenix, Die Goldenen Zitronen, das Golden Dawn Arkestra, Dendemann und Bilderbuch auf.

Watt und Schlick Fest 2019 – Fotos

Sophie Hunger bei Watt en Schlick 2019
Sophie Hunger beim WeS 2019
LGoony bei Watt en Schlick Fest 2019
LGoony
Moop Mama bei Watt en Schlick Fest 2019
Moop Mama bei Watt en Schlick Fest 2019 (mein Favorit …)
Dendemann bei Watt en Schlick 2019
Dendemann bei Watt en Schlick Fest 2019
Fatoni und Keno Moop Mama bei Watt en Schlick 2019
Fatoni und Keno (Moop Mama) bei WeS 2019
Mavi Phoenix bei WeS Fest 2019
Till Krägeloh Watt en Schlick 2019
Till Krägeloh, der Initiator des Festivals

Watt und Schlick

Watt, das ist jene Fläche im Gezeitenbereich an Küsten, die bei Ebbe trocken fällt. Der Begriff Watt soll vom Ostfriesischen abstammen – weil man durch diese Flächen waten muss.

Hat Watt einen besonders hohen Ton-Anteil, wird es rutschig – und wird Schlick oder Schlickwatt. Schlickwatt ist meist nur in geschützten Bereichen und in Buchten zu finden (so eben am Jadebusen in Dangast / Norddeutschland).

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Vor 40 Jahren waren die Festivals, die ich besuchte, kleine Veranstaltungen mit wenigen Hundert Besucher_innen (siehe Umsonst und Draußen Wardenburg 1979). Inzwischen sind viele Festivals Großveranstaltungen mit mehreren Zehntausend Teilnehmern.

Wie angenehm, dass Dangast mit WeS noch ein Festival mit überschaubaren Dimensionen und fast ‚familärer‘ Atmosphäre ist.Und wie wunderbar 2019 zu erleben wie friedvoll das Miteinander ist, fast erinnert es mich an …

... die Utopie, die wir damals in Wardenburg hatten … umsonst, und draußen und frei … wie der Wind so frei …

…und ich hoffe wir sehen uns 2020 2021 wieder … beim #WES21 in Dangast … 🙂
[nach der Absage Watt en Schlick Fest 2020 aufgrund der Coronavirus Pandemie]

Auch im Jahr 2020 gab es doch ein Watt en Schlick Fest … im Rahmen des Zeitgleich Festival 🙂

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Deutschland Kulturelles

Die Bremer Stadtmusikanten (Marten Vaanden Eynde 2019)

Die Bremer Stadtmusikanten – Interpretation 2019 : mit seiner Installation pinpointing progress interpretiert Maarten Vaanden Eynde vor der Kunsthalle Bremen das bekannte Märchen ‚Die Bremer Stadtmusikanten‘:

die Bremer Stadtmusikanten 2019 - pinpointing progress von Maarten Vaanden Eynde
Die Bremer Stadtmusikanten 2019 – pinpointing progress von Maarten Vaanden Eynde vor der Kunsthalle Bremen , Foto & Bearbeitung Ulli Würdemann 2019

Die Installation pinpointing progress von Maarten Vaanden Eynde war Teil der Sonderausstellung „Tierischer Aufstand“. Sie wurde in der Kunsthalle Bremen vom 23. März bis 1. September 2019 gezeigt. Zuerst war die Installation 2018 auf der Biennale Riga RIBOCA zu sehen. Riga ist Partnerstadt von Bremen.

Der belgische Künstler Maarten Vaanden Eynde wurde 1977 in Leuven geboren. Er lebt und arbeitet in Brüssel. 2017 gewann Eynde den Publikumspreis des Belgischen Kunstpreises BOZAR Brüssel.

Die Ausstellung in Bremen wird gezeigt anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Veröffentlichung des Märchens ‚Die Bremer Stadtmusikanten‚ durch die Gebrüder Grimm. Ihr Grab befindet sich auf dem Alten St. Matthäus Kirchhof in Berlin Schöneberg.

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Köln Kulturelles

Jürgen Zeltinger 70

Am 25. Mai 2019 wurde Jürgen Zeltinger ( Hans Jürgen Maria Zeltinger, aka de Plaat) 70.

Jürgen Zeltinger kurz vor seinem 70. Gebrutstag bei einer Filmpremiere in Hamburg
Jürgen Zeltinger kurz vor seinem 70. Geburtstag in Hamburg bei der Premiere von ‚ Asi mit Niwoh – Die Jürgen Zeltinger Story‘

1979 Debut-Auftritt im Roxy in Köln (Weiberfastnacht, im Keller mitgeschnitten von Conny Plank).

Bekannt u.a. durch ‚Müngersdorfer Stadion‚ (August 1979), Cover-Version des Punk Ramones – Hits ‚RockawayBeach‚ (mit Text von Arno Steffen).

Im Herbst 2019 erschien ‚Best of Zeltinger

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Asi mit Niwoh – Die Jürgen Zeltinger Story
Dokumentation von Oliver Schwabe
Kinostart Deutschland 7. Februar 2019

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Kulinarisches Paris

Death in the afternoon Cocktail

Er ist einer der weniger bekannten, noch weniger getrunkenen Cocktailsdeath in the afternoon (Tod am Nachmittag). Ursache mag sowohl sein, dass es sich um einen Champagner- Cocktail handelt, als auch dass Absinth wie auch Pastis in Deutschland wenig beliebt sind.

Death in the afternoon hat eine kurze Geschichte: der Schriftsteller Ernest Hemingway (21.7.1899 Oak Park, Illinois – 2.7.1961 Ketchum, Idaho) soll ihn in Paris ‚erfunden‘ haben, inspiriert von einem Nachmittag rive gauche, bei dem er reichlich Absinth genossen hat. Benannt hat er ihn nach seinem gleichnamigen 1932 veröffentlichten Buch. 1935 wurde das Rezept des Cocktails erstmals veröffentlicht in dem Cocktail-Buch „So red the nose, or Breath in the afternoon„.

Hemingways Original-Rezept lautet ganz einfach

„Pour one jigger absinthe into a Champagne glass. Add iced Champagne until it attains the proper opalescent milkiness.

Ernest Hemingway

Wie genießt man Death in the afternoon? Auch dazu hatte hHmingway einen Rat:

„Drink three to five of these slowly.“

Ernest hemingway

death in the afternoon ist ein eher starker Cocktail. Die Herausgeber des Cocktail-Buches kommentierten damals

„It takes a man with hair on his chest to drink five Absinth and Champagne cocktails and still handle the english langauge in the Hemingway fashion …“

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Variationen von death in the afternoon

Die ursprüngliche Version dieses Cocktails wird mit einem Teil Absinth (aka la fée parisienne oder die grüne Fee) auf vier Teile Champagner zubereitet. Manche verwenden einen kleinen Spritzer Lime oder Zitrone für etwas mehr Fruchtigkeit.

Doch es existieren mehrere grundlegende Variationen. So kann z.B. statt des Absinth auch Pastis verwendet werden – eine Version, die ich vorziehe:

death in the afternoon Pastsis Champagner Cocktail
Death in the Afternoon – Version mit Pastis statt Absinth

Bei Verwendung von Pastis erhält der Cocktail ein gelblich – milchiges Aussehen aufgrund des Louche-Effekts.

Eine weitere etwas geschmacksintensivere Variante ist jene mit dem bitteren Orangenlikör China China:

Death in the afternoon Variante China China
Death in the afternoon, Variante China China

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Tipps:
für die Absinth-Version: den Absinth nicht zuerst in das Glas geben, sondern nach dem Champagner – und langsam. Bei manchen Marken gelingt, dass der Absinth eine Zeit lang als ‚Schicht‘ auf dem Champagner ’schwebt‘
für die Pastis-Version dieses Cocktails nicht einen Anisée nehmen, sondern einen besonders aromatischen Pastis de Marseille. Sehr gut passt zum eher geschmacksstarken Pastis de Marseille ein sehr trockener Champagner.

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Kulturelles

Oi! Warning (1999)

Der Film Oi! Warning der Brüder Reding ist ein auch queerer Independent Film über Aussteigen, über Skins und Punks, über Männlichkeitsphantasien, Autonomie und Träume. Er erzählt eine auch heute sehr sehenswerte coming of age Geschichte.

Janosch, siebzehn Jahre alt, haut ab. Verlässt seine Freundin, seine Mutter, das Zuhause am Bodensee. Mit dem Roller auf nach Dortmund zu seinem langjährigen Freund Koma, den er schon von der katholischen Landjugend kennt. Koma und Janosch, Hauptfigur des Films, steigen aus ihren bisherigen Lebenswelten aus. Raus aus kleinbürgerlichem Mief – alles, nur das nicht.

Koma trainiert hart Thaiboxen. Das für ihn mehr ist als Sport. „Gleich allemachen. Nicht so halbe Sachen!“ Und Koma ist inzwischen überzeugter Skin geworden. „Parole Spaß – Mal zum Kühlschrank, mal zum Klo, sonst nur Rummachen. Wochenlang.“

Janosch ist begeistert von Koma und dessen Verwandlung. Blicke die auch Begehren erahnen lassen. Janosch folgt Koma, wird auch zum Skin. Ist Janoschs Begeisterung für Koma mehr als freundschaftlich? Seine Blicke scheinen es anzudeuten. Er wohnt zunächst bei Koma und dessen Freundin, übernimmt dessen Gewohnheiten, Klamotten, Stil. Doch beim Tätowierer trifft er zufällig auf Zottel, einen Punk, dessen Tattoo er bewundert. Zottel, eher das Gegenteil von Koma, beginnt ihn zu faszinieren, als er sieht wie dieser bei Blancas Geburtstag die Gäste mit Feuerspucken unterhält. Das will er auch lernen. Janosch besucht Zottel in seinem Bauwagen.

„Was hat keine Haare und kann nur ein Wort?“ (Zottel)
„Oi! – Ein Skin!“ (Janosch)
„Was hat Stachel und kann schon vier Wörter? – Haste ma ne Mark?“
„Ein Punk!“

Oi! Warning : Zottel – Darsteller Jens Veith bei einer Tonaufnahme – GraurheindorfCC BY-SA 3.0

Janosch und Zottel, der Möchtegern-Skin und der Punk – finden sie zusammen?

„Hey, das is nicht so dein Ding, Dreck Matsch Pampe – aber ich mag das.“ (Zottel zu Janosch)

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Männerphantasien, latent gewaltbereites Verhalten, Saufen Gegröle und verzerrte Gesichter, aggressive Kumpelhaftigkeit, Frauen die als Zuschauerinnen und Sexobjekte degradiert sind. Der Film zeigt Skinheads, die eher nicht politisch motiviert sind. Und doch eine Skin-Szene die wie eine eingeklemmte letzte Bastion abgestandener gewaltaufgeladener Männlichkeitsphantasien wirkt.

Der Punk Zottel wirkt hier geradezu als Gegenentwurf. Aussteiger auch er, doch auf eine fast verträumte Weise, friedlich, gelegentlich zärtlich, voller Phantasien und Träume. Wo der Skin Koma von Gegröle der Kameraden begleitet bei einem Boxkampf auf einen Unbekannten einprügelt, wird im Gegenschnitt Janosch gezeigt, Zottel beim Jonglieren beobachtend, begleitet von Vogelgezwitscher im Freien auf einer Obstwiese.

Die unterschiedlichen Freiheits-Entwürfe von Skin und Punk, hier fast Proll-Skin und Romantik-Punk, sie sind neben dem Verhältnis von Aussteigen und Gewalt eines der Themen des Films. Dass Koma zum Schluss der Box-Szene KO auf die Bretter geht und seinen Boxkampf verliert, wirkt hier wie ein didaktischer Regie-Kommentar, der dieser Deutlichkeit nicht einmal bedurft hätte. Koma hat mehr als nur einen Boxkampf verloren …

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Dominik und Benjamin Reding bereiteten den Film Oi! Warning fünf Jahre vor. Sie drehten mit Laien aus lokalen Skin- und Punk-Szenen und wenig erfahrenen Schauspielern. Die Dreharbeiten fanden in Hamburg, Bochum, Hagen, Iserlohn, Haltern, Dortmund, Lindau und am Bodensee statt.

Die Musik in Oi! Warning ist u.a. von Terrorgruppe (1993 – 2005, 2014; Deutschpunk / Aggropop, Berlin) und Smegma (1992 – 2000; am Bass der spätere Audiolith-Gründer Lars Lewerenz; unpolitischer Oi!-Punk, die Band äußerte sich immer wieder deutlich gegen rechts; im Film Auftritt unter dem Namen „rOi!mkommando„).

Oi! Warning wurde bei seinem Kinostart 2000 sehr kontrovers aufgenommen. Grobkörnige Gewaltästhetik, Selbstfindung in schwarz – weiß, Handlungsstränge und Figuren holzschnittartig gestrickt. ‚Prädikat wertvoll‘, urteilte die FBW.
Nach seinem Kinostart in Deutschland im Jahr 2000 wurde der Film – obwohl die Skins bei Oi! Warning unpolitische sind – als Teil der Debatten über den Umgang mit neonazistischen Tendenzen wahrgenommen. Mehrere Diskussionsveranstaltungen mit den Regisseuren in ostdeutschen Bundesländern mussten nach massiven Drohungen aus rechtsextremen Kreisen abgesagt werden, andere wurden niedergeschrieen.

„Was wir erreichen wollten ist, dass sich der Otto-Normal-Verbraucher fragt, wie eigentlich Homophobie entsteht und an welcher Stelle ein unpolitischer zu einem homophoben Mörder wird und das Opfer ein toller, queerer Mensch ist.“

Dominik Reding, zitiert nach Homopunk History

Das Schlammbad im Film Oi! Warning hat ein reales Vorbild und politischen Hintergrund … den ‚Rattenwagen‘ beim CSD 1997

Und schwule Szenen entdeckten den Schlamm als Fetisch …

Ullis Karre wartet vor dem Ostgut / Lab, 2003

Oi! Warning als Schritt in die Welt des filmischen Umgangs mit Aids in Zeiten der Normalisierung

Das Schlammbad, das Zottel kurz vor Schluss des Films nimmt, und die hier noch offene Frage, ob das tatsächlich ’nicht so Janoschs Ding‘ ist, sie sind einer der zentralen Momente in der Darstellung der Beziehung zwischen Janosch und Zottel. Ein sexuell aufgeladener Moment – mit Hintergrund.

Gerade dem Schlammbad des Films kommt auch im Kontext schwule Sexualität und Aids eine besondere Bedeutung zu. Philipp Meinert berichtet in Homopunk History im Kontext des Rattenwagens 1997

Der lustvolle Umgang mit Dreck war laut Benjamin [Reding; d.Verf.] auch eine Antwort auf die endlosen Safer-Sex- und Reinheits-Diskussionen in denen z.B. ernsthaft darüber gestritten wurde, ob es beim ’safer‘ Küssen zum Speichel-Austausch kommen dürfe.“

Schlamm und Lust am Dreck als Kontrast, ja Kontrapunkt zu Sterilität und Reinheit.

Ende der 1990er Jahre. Wirksame Aids-Medikamente stehen (in Industriestaaten) breiter zur Verfügung. Aids beginnt nicht länger tödliche Drohung zu sein. Ein coming of age Film in dem Aids nicht stattfindet. Ein selbstbewusster junger Schwuler badet im Schlamm. Er genießt lustvoll Dreck Siff Matsch Unreinheit. Das ganze Gegenteil der sterilen reinen sauberen risikobefreienden Welt der Prävention. Lust und Dreck statt Reinheit und Angst.

Auf diese Weise gelesen kann Oi! Warning wenn auch nicht als früher post-Aids- Film, so doch als wichtiger filmischer Schritt der Befreiung, eines anderen (vor allem auch: weniger dominanten) Umgangs mit dem Thema Aids gelesen werden.

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„War einmal ein kleines Schwein
das grunzte frech und dreckig

und wenn es nicht gestorben ist
dann grunzt es noch heute
und wühlt mit Lust im Matsch herum
und versaut die braven Leute“

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Oi! Warning (aka: Oi! Warning – Leben auf eigene Gefahr; Arbeitstitel Fettes Gras)
Deutschland 1999, schwarz/weiß
Regie, Drehbuch & Produktion Benjamin & Dominik Reding

Erstaufführung 11. Juli 1999 (Los Angeles Outfest, Gay and Lesbian Film Festival)
Erstaufführung Deutschland 16. Februar 2000 Berlin, Berlinale (noch ohne Off-Kommentar von ‚Janosch‘)
Kinostart Deutschland 19. Oktober 2000

auch 2019 weiterhin als DVD erhältlich

ausgezeichnet mit
Outstanding Emerging Talent (Dominik & Benjamin Reding) – Los Angeles Outfest 1999
Max Ophüls Preis (Dominik & Benjamin Reding) – Max Ophüls Festival 1999
Lobende Erwähnung Kamera Spielfim (Axel Henschel) – Deutscher Kamera-Preis 1999
Filmpreis des DGB – Internationales Filmfest Emden 2000
Le Prix Spécial du Jury – 17. Festival International du premier Film d´Annonay 2000
Main Jury Award / Best Feature Film – Mezipatra, Czech Gay and Lesbian Film Festival 2003

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Frankreich Kulturelles Oldenburg

der Wind wird uns tragen – le vent nous portera

Le vent nous portera – Ein kleiner Song von Noir Desir, 2010 gecovert von Sophie Hunger, wird nach und nach zu einem viel gecoverten Indie-Hit.

2001 bringen Noir Desir auf ihrem Album Des Visages Des Figures einen Song, der zu einem kleinen Hit wird. Klang Le vent nous portera 2001 bei Noir Desir noch fast ein wenig zwischen Blues-Rock und Reggae, interpretierte Sophie Hunger ihn 2010 eher chansonhaft. Zahlreiche weitere Cover-Versionen folgen.

Mag das Leben noch so kompliziert sein, noch so viele Irrwege parat haben, Verletzungen, Hingabe und Wunden, mühsam sein und manchmal aussichtslos scheinen, der Wind wird uns tragen.

Ein Lied über Unabhängigkeit, Zärtlichkeit, Freiheit und Spuren. Keine Angst vor dem Weg haben. Jegliche Wendung des Weges mitgehen, bis es gut ist. Denn der Wind wird uns tragen.

Le vent nous portera / Noir desir (2001)

Bereits in den 1980er Jahren entstand in Bordeaux die Rockband Noir Desir, getragen insbesondere von Frontman Bertrand Cantat (geb. 5.3.1964 in Pau) und Serge Teyssot-Gay (geb. 16.5.1963 in Saint-Étienne). Eine Gruppe mit einer sich durch die Alben ziehenden Geschichte sehr kritischer Texte, engagiert antifaschistisch, antirassistisch, Kapitalismus-kritisch, Globalisierungs-kritisch.

Noir desir gilt, so laut.de, „neben Mano Negra als wichtigster Vorreiter für den modernen französischen Rock“. Bald wurden sie eine der populärsten französischen Rock-Gruppen (mit zeitweise Anklängen von Punk).

2001 veröffentlicht Noir Desir das Album Des Visages Des Figures. Darauf als dritter Track Le vent nous portera. Eine leichte, fast gefällig in einem dem Reggae nahen Stil daher kommende Musik (aufgenommen mit Manu Chao (geb. 21.6.1961 Paris) als Gitarristen).

Das Lied erscheint bald als erste Single-Auskopplung aus dem Album, wird ein Independant-Hit und erreicht Chart-Plätze (Italien z.B. 4 Wochen Nr. 1). Das zugehörige unter der Regie des französischen Musikvideo-Regisseurs Alexandre Courtes entstandene Video wird 2001 als Music Video of the Year ausgezeichnet.

Von Noir Desir erschien am 24. Januar 2020 ein weiteres Album mit elf zuvor nicht veröffentlichten Chansons aus den jahren 1997 bis 2002.

Le vent nous portera / Sophie Hunger (2010)

Im Jahr 2010 covert die Schweizer Sängerin Sophie Hunger (i.e. Émilie Jeanne-Sophie Welti, * 31. März 1983 Bern) den Song Le vent nous portera auf ihrem selbst produzierten zweiten Studio-Album 1983 als siebten Track.

Eine Interpretation, fast im Stil einer Ballade. Mit milder Stimme zur Gitarre, einem nahezu zaghaft anmutenden, liebevollen Saxophon. Nicht Zerbrechlichkeit, aber doch respektvolle, fast zaghafte Annäherung auf liebevolle Weise.
Hunger spielt den Song auch heute (2019) noch oft auf ihren Konzerten.

Sophie Hunger Konzert im Februar 2019 in Oldenburg

Hungers Chanson-Version wird im Jahr 2018 Titelsong der Arte- Miniserie Fiertés – Mut zur Liebe über drei Jahrzehnte gesellschaftlichen Kampf für die Rechte Homosexueller und gegen Aids.

https://youtu.be/AyUp1rnv7rY

weitere Cover-Versionen

Le vent nous portera wird im Laufe der Jahre ein Indie-Hit. Bertrand Cantat selbst singt dieses ‚kleine Chanson‘ weiterhin bei seinen Auftritten [Video 2018 in Lyon].

Im Laufe der Zeit wird der Song von zahlreichen Interpret_innen gecovert. Element of Crime singen ihn 2009 auf ihrem Album Fremde Federn (Track 17), eigentlich aufgenommen 2009 als Bonustrack des Albums „Immer da wo du bist bin ich nie“.

Der Indie-Rock-Chor Scala & Kolacny Brothers sind das Lied 2011 im Stil fast einer Happy Music mit Frauen-Chor und frühen Mickey-Comics [Video].

Einige weitere Beispiele: Das Jazz-Ensemble Mea Culpa aus Montreal interpretiert es neu [Video]. Ganz akustisch 2017 Cybèle Castoriadis und Orestis Kalampalikis [Video]. Ebenfalls akustisch 2010 Les Charbonniers de l’enfer [Video]. Oder ganz klein 2018 als jours hereux [Video].

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Kulturelles unterwegs

Guernica (Pablo Picasso 1937)

Das Gemälde Guernica ist von Pablo Picasso ist eine Ikone der Moderne. Es ist das Anti-Kriegs-Bild schlechthin, und vermutlich eines der am meisten reproduzierten Bilder.

Guernica wurde erstmals präsentiert im von der Spanischen Republik finanzierten spanischen Pavillon zur Weltausstellung 1937 in Paris, der am 12. Juli 1937 nach durch den Bürgerkrieg bedingter Verspätung eröffnet wurde. Ein Modell dieses Pavillions ist im Museo Reina Sofia in Madrid zu sehen.

Die eindeutige politische Stellungnahme sorgte für großes Aufsehen. Picasso (25.10.1881 Malaga – 8.4.1973 Mougins) hatte sich klar positioniert – und mit Guernica den Versuch von Franco-Anhängern gekontert, die die Schuld an der Zerstörung der baskischen Stadt am 26. April 1937 den republikanischen Verteidigern zuschanzen wollten.

Guernica / Pablo Picasso im Pavillon Spanien Weltausstellung 1937
Guernica / Pablo Picasso im Pavillon Spanien Weltausstellung 1937 (Modell)
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Kulinarisches

sugar daddy ® in Frankreich

Ein sugar daddy der ganz besonderen Form ist in französischen Supermärkten erhältlich :

sugar daddy - ganz goß, und mit Ausgieß-Öffnung ...
sugar daddy – ganz goß, und mit Ausgieß-Öffnung …

Diese Art von sugar daddy ® [sucre = Zucker, sugar] gibt es in Frankreich gar in mehreren Varianten:

sugar daddy - in Puder - Form, oder als Bio ?
sugar daddy – in Puder – Form, oder als Bio ? Volles Rohr, oder aus der Nuss ?

Den ‚französischen sugar-daddy‘ gibt es auch von der Nuss, nämlich der Kokosnuss.

Die ‚grüne‘ Version dieses Sugar Daddy ist gar aus reinem Rohr:

sugar daddy - volles Rohr bio ...
sugar-daddy – volles Rohr bio …

sugar daddy – alt, jung und der Zucker

Ein älterer Mann, ein deutlich jüngerer Partner, eine auf Dauer angelegte Beziehung, in der Regel (auch) sexuell gefärbt – sugar daddy und sugar boy (girl) haben eine klare Konstellation. Im Wesenskern der ‚Zucker‘: die Beziehung beinhaltet eine materielle Komponente.

Im Gegensatz zur ‚klassischen‘ Prostitution, zum Freier ist die sugardaddy – sugar baby (auch: toy boy bzw. boy toy) Beziehung längerfristig angelegt. Sie ist oft de facto von einer finanziellen Abhängigkeit des jüngeren Partners geprägt.

sucre Daddy® – …

Der erste sugar daddy, nein der erste Sucre Daddy® kam im Jahr 1981 in Frankreich auf den Markt – damals noch unter dem Namen ‚Daddy suc‘. 1991 wird daraus schlicht ‚Daddy‘, ab 2007 wird die Kunststoff-Verpackung mit dem Ausgießer (siehe Fotos oben) verwendet.

Sucre Daddy® ist eine geschützte Marke von Cristalco SAS, einem Unternehmen der Groupe Cristal Union. Es entstand im Januar 2000 aus der Fusion von vier Kooperativen und vergrößerte sich in den Folgejahren durch Übernahmen.