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unterwegs

Waldfrieden

Ein auffälliger Bau weckt während einer frühsommerlichen Motorradtour (mit Storch-Spotting) das Interesse.

Bei näherem hinsehen erweist sich die zunächst industriell wirkende Halle als Kirche – auf dem Gelände des ‘ Kirchenzentrum Waldfrieden ’ in den Glauer Bergen / Blankensee bei Trebbin.

Ein Haus der ‘Johannischen Kirche’ (bis 1975 ‘Evangelisch-Johannische Kirche nach der Offenbarung St. Johannis’), einer von Joseph Weißenberg 1926 gegründeten christlichen Sekte.

Das Gebäude ist eine 1928/29 erbaute Doppelbogen-Halle für über 1.000 Besucher, darin eine 1980 erbaute Jehmlich-Orgel.

Waldfrieden

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Berlin

Kiss Me, Kate

“Wenn sich im Theater Rolle und Privates vermischen, kommt es meist zu Komplikationen”, weiß der Programmzettel. Cole Porters 1948 uraufgeführtes Musical ‘Kiss Me, Kate’ lebt von genau diesen Komplikationen. “Vom promisken Ensemble über Spiel- und Trunksucht bis hin zur Verwicklung in Ganovengeschäfte ist alles dabei.”

Nun haben auch wir es geschafft, gestern Abend gab’s ‘Kiss Me, Kate’ in der Komischen Oper …

Zu “Kiss Me, Kate” an der Komischen Oper Berlin ist ja fast alles bereits gesagt, in vielen begeisterten Presseberichten und z.B. bei Antiteilchen (”Glitter Glamour famose Show“).

Mein Resumé: du magst Musical? Du magst Cole Porter? – Kiss Me, Kate ist beinahe ein Muss … Entertainment at it’s best … :-)

(und – dazu ein äußerst lesenswertes Programmheft … u.a. mit einem interessante Essay von Susan Sontag über ‘Camp’)

Eines allerdings sei nachgetragen:
Die Komische Oper hat ja seit Zeiten Walter Felsensteins die Tradition, alles auf deutsch zu singen (ich erinnere mich bisher nur an eine Ausnahme). Diese Tradition ist auch sehr angenehm, dient für mich sehr der Verständlichkeit. Allerdings – bei Cole Porter hab ich dann doch ein kräftiges “Too darn hot …” vermisst, “verdammt heiß” ist halt etwas anderes … auch wenn die Nummer szenisch einer der Höhepunkte ist …

Kiss Me, Kate
Musical in zwei Akten von Cole Poter
Komische Oper Berlin
nächste Vorstellungen: 20./25.6., 2./10./11./26.7., 24./25,10., 8./24./25.11., 6./7./10./11./31.12.2008, 3./4./23.1.20092./3.2.2009

PS.
Cole Porter hat weit mehr wunderbare Songs geschrieben, als in diesem einen Musical Platz finden. Wer Cole Porter – Songs mag, bekommt einige geboten an dem Abend “It’s cool, Porter! Across the Broadway – Night & Day”. Am Montag, 23. Juni 2008 in der Komischen Oper Berlin (Foyer-Konzert).

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Politisches

Auch Ökostrom kann ‘dreckig’ sein … (akt.)

Ich bin mittelmäßig enttäuscht. Da kauft man seit Jahren seinen Strom bei einem Unternehmen, das verspricht, zu bezahlbaren Konditionen “sauberen Strom” zu liefern – und erfährt dann via FTD und SpON, dass einem doch Atom- und Kohlestrom untergejubelt wird.

Lichtblick selbst wirbt auf seiner Site für sein Produkt mit den Worten ” LichtBlick bietet umweltfreundlichen Strom zum günstigen Preis. Dieses Ziel erreichen wir mit einem Strommix, der zugleich höchste ökologische und ökonomische Anforderungen erfüllt.” Und weiter: “Seit 2003 wird unser Strom vollständig aus regenerativen Energiequellen wie Wasser, Biomasse, Sonnenenergie oder Windkraft erzeugt.”

Es geht (wenn ich den Sachverhalt richtig verstanden habe) darum, dass geplanter Strombedarf und reale Situation nicht immer überein passen, und entstehende Fehlmengen kurzfristig abgedeckt werden müssen. Diese werden an Strombörsen zugekauft – und darunter kann sich dann auch Kohle- und Atomstrom befinden. Der den Kunden dennoch als Ökostrom geliefert wird.

Oder, wie SpON treffend formuliert, “hätte Lichtblick von vornherein in seinen Broschüren darauf hingewiesen, dass minimale Mengen an Strom an der Leipziger Strombörse European Energy Exchane (EEX) dazugekauft werden, also Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken – niemand hätte das als Betrug am Kunden aufgefasst.”

Die Details kann der interessierte Leser bei FTD und SpON nachlesen.
Lichtblick selbst reagierte immerhin schnell, hat bereits morgens eine Presseerklärung auf seiner Site.

Die jedoch zeigt auch, dass Lichtblick nicht verstanden hat. Es mag ja sein, dass ein Zukauf geringer Mengen via Strombörse erforderlich ist, dass hier nicht gesteuert werden kann, ob dieser Zukauf aus regenerativen Quellen stammt. Nur – warum sagen sie dies nicht (bzw. erst “wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist”)? Warum dieses sorgsam gepflegte Saubermann-Image, das nun das schale Gefühl hinterlässt, ich sei in Energiefragen einer “Öko-Mogelpackung” aufgesessen, einer Werbelüge?

Ich bin enttäuscht – enttäuscht weniger von der Notwendigkeit des Zukaufs (schließlich, es geht bei Lichtblick um im Saldo 0,5% des verkauften Stroms). Enttäuscht vielmehr von eine, Unternehmen, das nicht den Mut findet, dies auch (vorher) öffentlich seinen Kunden zu sagen, vielmehr an einem Sauberstrom-Image strickt, das wissentlich ziemliche Laufmaschen hat …

An Lichtblick habe ich spontan folgende Mail geschickt:

“Sehr geehrte Damen und Herren,
in FTD und SpON lese ich, Lichtblick habe auch Atom- und Kohlestrom geliefert. In ihrer Pressemitteilung bestätigen Sie dies und stellen es als “zwangsläufig”, “unvermeidbare Abweichungen”, “gängige Praxis” usw.

Ich bin kein Experte in Sachen Stromhandel und -lieferung. Aber sowohl mein Lebenspartner und ich als auch zahlreiche unserer Freunde sind zu Lichtblick gewechselt gerade auch weil sie den Eindruck erwecken, hier gebe es 100% sauberen Strom – und nicht auch untergemischt Atomstrom.

Der von ihnen zur Begründung dargestellte Sachverhalt mag zutreffend sein, das vermag ich nicht zu beurteilen. aber in ihrer Kommunikation ist dies nie so dargestellt worden, ich habe den Eindruck gewonnen, Lichtblick sei garantiert ohne Atomstrom.

Wollte ich einfach günstigen Strom, inkl. Atomstrom, wäre ich längst bei Yello & co — ich bin gerade Lichtblick-Kunde, weil sowohl das Produkt als auch der Preis im Verhältnis stimmen.
Selbst wenn ihr gewähltes Verfahren “branchenweiter Konsens” ist, wie sie schreiben, wäre ich als Kunde dankbar gewesen, davon auch zu wissen – und nicht in jeder Abrechnung, jedem Kundenbrief ein sauberes Ökostrom-Gewissen vorgegaukelt zu bekommen.

Schade – wieder ein Traum eines gangbaren Wegs gelebten Umweltschutzes na nicht geplatzt aber entzaubert …

Ich wäre ihnen dankbar, wenn ihre Unternehmenskommunikation zukünftig wieder ‘sauberer’ wäre …
Mit freundlichen Grüßen, ihr enttäuschter Kunde …

Nebenbei – wenn sie selbst regenerative Mengen am Spotmarkt verkaufen, warum gibt es dann nicht an der eex auch einen “Unter-Markt” für regenerative Energie, an dem sie im Bedarfsfall zukaufen? Das könnte doch zur Lösung des Problems beitragen …

Mal sehen, wie Lichtblick reagiert … ich werde berichten

11:34, Lichtblick hat reagiert. Dass sie ein Informationsproblem haben, scheinen sie bisher nicht verstanden haben. Dass sie genervt sind, kann man dem Ton der Mail hingegen gut entnehmen …

Hier LichtBlicks Antwort.
“Sehr geehrter Herr Würdemann,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Die von der FTD aufgegriffene Thematik betrifft nicht den planbaren Stromeinkauf, der den prognostizierten Bedarf der Stromkunden vollständig deckt. Vielmehr geht es hier nur um die Mengen, die zur Kompensation von kurzfristig auftretenden Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Verbrauch der Kunden erforderlich sind. Es handelt sich dabei um zwangsläufig auftretende Mengen, die weniger als ein Prozent der Gesamtmenge ausmachen. Diese sogenannte Regelenergie kann nicht “grün“ beschafft werden.
Der planbare Stromeinkauf erfolgt bei LichtBlick wie durch die unabhängigen Zertifizierer bestätigt – vollständig in generativer Qualität. LichtBlick führt eine zeitgleiche Versorgung seiner Kunden durch, deckt den Bedarf der Kunden also zeitgleich in dem Moment des Verbrauchs.
Alle Ökostromanbieter, die das Modell der zeitgleichen Versorgung bei Haushalts- und Gewerbekunden anwenden, und alle Zertifizierer von Ökostromprodukten kennen diese grundsätzlichen Abläufe des Strommarktes und akzeptieren aus diesem Grund die oben beschriebenen, unvermeidbaren Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Kundenverbrauch.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
i. A. Natalie Kassab, Kundenservice, Privat-und Gewerbekunden, LichtBlick – Die Zukunft der Energie GmbH & Co. KG, Zirkusweg 6, 20539 Hamburg”

Auf weitere Nachfrage teilt Lichtblick am 12. Juni 2008 mit:
“Wir verstehen Ihren Unmut und möchten uns auf diesem Wege bedanken, dass wir zu diesem Thema noch einmal Stellung nehmen dürfen.

Wir denken darüber nach, die Kunden in Zukunft auf den kleinen, unvermeidlichen Anteil von Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken hinzuweisen. Damit wären wir der erste Anbieter der diese Problematik in der Werbung ausdrücklich anspricht. Selbstverständlich versuchen wir zukünftig die branchenüblichen Praxen für unsere Kunden noch transparenter zu gestalten um das Vertrauen zu halten, bzw. zu stärken.
…”

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Berlin

Schwerbelastungskörper (1941)

Der aufmerksame Beobachter kann in Berlin zwischen dem Bahnhof Südkreuz (früher: Papestraße) und der Kolonnenbrücke ein seltsames Objekt entdecken, den Schwerbelastungskörper .

Der erstaunliche Beton-Klotz, mehr als haushoch, doch fensterlos, ist ein stiller Zeuge eines besonderen Größenwahns: der ‘ Schwerbelastungskörper ’ von Berlin-Tempelhof.

Einst plante Albert Speer im Auftrag Hitlers den Umbau Berlins zur ‘Reichshaupstadt Germania‘. Teil dieses gigantomanischen Plans war eine 120 Meter breite ‘Nord-Süd-Achse’, die Berlin vom Wedding bis Tempelhof durchziehen sollte. Südlicher Abschlusspunkt dieser Achse sollte ein riesiger Triumphbogen sein (etwa in Höhe der heutigen Kolonnenbrücke): 170m Breite, 140m Höhe – fast dreimal so groß wie der Arc de Triomphe in Paris.

Doch leider – Berlin ist auf Sand gebaut, genauer auf Mergel (Ton-Sand-Kalk-Schichten). Und ob der Berliner Boden eine dermaßen große Baumasse tragen könnte, war unklar.
Speers Lösung: die Bodenbelastung, die der Boden trage konnte, musste in einem Versuch gemessen werden. Hierzu wurde 1941 von ‘Dyckerhoff & Widmann’ und u.a. unter Einsatz französischer Kriegsgefangener für 400.000 Reichsmark aus Beton der ‘ Schwerbelastungskörper ’ gebaut – als technischer Versuchsbau, um die Belastbarkeit des Baugrunds vor Ort zu prüfen.

12.360 Tonnen Beton, 14 m über und 18m unter der Erde, 21m Durchmesser – der Versuch zur Analyse der Bodenbelastung hat beeindruckende Dimensionen.

Die Bauarbeiten am Triumphbogen wurden nie begonnen. Die Ergebnisse der Tests mit dem Schwerbelastungskörper konnten erstmals nach dem Krieg 1948 ausgewertet und veröffentlicht werden – der Boden hatte sich innerhalb von zweieinhalb Jahren um 19,3 cm gesenkt. Die Messungen wurden bis 1977 fortgesetzt (durch die Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik DeGeBo, die seit den 1920er Jahren an den Versuchen beteiligt war und heute als Institut der TU Berlin angegliedert ist).

Seit 1995 ist der Schwerbelastungskörper offiziell Denkmal. 2007 bis 2009 wurde der Schwerbelastungskörper saniert, das umliegende Areal neu gestaltet (Gesamtkosten knapp 1 Mio. €). Ein Informations-Pavillon wurde gebaut, auf dem Körper eine Ausssichtsplatform errichtet. Am Tag des Denkmals 2009 (12. September 2009) wurde der Informationsort (Ecke General-Pape-Str. und Loewenhardtdamm) eröffnet.

Detail-Infos zum Schwerbelastungskörper auch in einem Info-Blatt des Vereins Berliner Unterwelten (pdf).

Schwerbelastungskörper – Fotos 2008

Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Schwerbelastungskörper
Sockel des Schwerbelastungskörpers
Sockel des Schwerbelastungskörpers
Sanierung des Schwerbelastungskörpers 2007 - 2009, Baustellenschild
Sanierung des Schwerbelastungskörpers 2007 – 2009, Baustellenschild

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Informationsort Schwerbelastungskörper

Schwerbelastungskörper Öffnungszeiten
Schwerbelastungskörper Öffnungszeiten
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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Infektiosität von erfolgreich behandelten Positiven – Theorien und Praxis

Vor sechs Monaten hat die EKAF (Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen, Schweiz) ihr Statement zur Frage der Infektiosität von erfolgreich antiretroviral behandelten Positiven veröffentlicht. Seit langem ist eine gemeinsame Stellungnahme deutscher Stellen hierzu angekündigt – sie wird immer noch diskutiert. Derweil läuft die Realität der Politik davon.

Das Statement der EKAF ist eindeutig:
„Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD [sexuell übertragbare Erkrankungen, d.Verf.] unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie (im Folgenden: ‘wirksame ART’) ist sexuell nicht infektiös, d.h., sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, solange folgende Bedingungen erfüllt sind:
– die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch den HIV-infizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert;
– die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze (d.h., die Virämie ist supprimiert);
– es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern (STD).”

Das Statement der EKAF sorgte für vielfältige Reaktionen. Nachdem die Deutsche Aids-Hilfe zunächst einige ermutigende Aussagen traf (siehe Rede Maya Czajka auf dem parlamentarischen Abend der DAH, „Betroffene zu Beteiligten machen“), folgte bald eine enttäuschende gemeinsame Presseerklärung von DAH, RKI und BZgA. Seitdem wird an einer gemeinsamen Stellungnahme gefeilt – die bisher immer noch nicht vorliegt.
Und auch auf internationaler Ebene herrscht alles andere als Aussage-Freude. Ein von UNAIDS Anfang Juni organisiertes ‚closed meeting‘ mit Teilnehmern aus den Anliegerstaaten der Schweiz zeigte die Unterschiedlichkeit der vertretenen Meinungen – und die Unfähigkeit, sich auf gemeinsame Positionen zu einigen. Fast kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, interessierte Kreise setzten sich mit ihrer Meinung ‚das darf man doch nicht laut sagen‚ doch wieder durch.

Derweil ist das EKAF-Statement längst in der Praxis angekommen. In des Wortes doppelter Bedeutung …

Menschen mit HIV und ihre Partnerinnen und Partner fragen sich längst, was heißt dieses Statement für mich, für uns, hat es praktische Konsequenzen, eröffnet es neue Möglichkeiten, und wenn ja – wie lassen sie sich in der Praxis umsetzen? Und viele zeigen dabei weit mehr Überlegtheit und Nachdenklichkeit als in hektischen Szenarien einiger Präventions-Zyniker an die Wand gemalt.

Und auch in der ärztlichen Praxis sind diese Fragen längst angekommen. Ärzte, die über die dem EKAF-Statement zugrunde liegenden Sachverhalte schon seit mindestens Monaten informiert sind, überlegen längst, was sie ihren HIV-Positiven Patienten und deren PartnerInnen sagen können.

Ein Weg, der gelegentlich nicht nur aus einigen Berliner Praxen zu hören ist, sieht so aus:
Ein schwules Paar, serodiskordant – einer HIV-positiv, einer HIV-negativ oder ungetestet. Seit längerer Zeit ist der Positive aufgrund einer erfolgreichen Therapie mit seiner Viruslast unter der Nachweisgrenze.
Zusammen mit ihrem Arzt beratschlagen sie, was möglich ist. Der Arzt untersucht beide gründlich auf sexuell übertragbare Erkrankungen. Eventuell Festgestelltes wird therapiert, ggf. werden zusätzlich einige Tage Breitband-Antibiotika eingesetzt, um z.B. auch die letzten möglichen Chlamydien zu verdrängen. Beide versprechen sich sexuelle Monogamie – u.a. um das Risiko sexuell übertragbarer Infektionen zu minimieren, die auch das HIV-Übertragungsrisiko erhöhen könnten. Und haben ab dann kondomfreien Sex, der dennoch ’safer‘ ist. Regelmässig lassen sie sich vom Arzt untersuchen.

Ein denkbarer Weg unter vielen. Ein Weg, der viel Information und vor allem viel Vertrauen auf allen Seiten voraussetzt.
Ein Weg, von dem mehr als nur gelegentlich zu hören ist, dass er von informierten Ärzten und informierten Patienten gemeinsam gegangen wird.

Ein Weg, der u.a. auch eines zeigt: Prävention und Politik müssen acht geben, dass die Lebenspraxis, die gelebte sexuelle Realität (sowohl bei HIV-Positiven und ihren PartnerInnen als auch bei Ärzten) ihren fehlenden Aussagen, ihrer Zögerlichkeit nicht zu weit davon läuft. Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der Prävention stünden sonst auf dem Spiel.

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Homosexualitäten

Regenbogenfahne 1978 entworfen von Gilbert Baker

Die Regenbogenfahne, inzwischen längst zum Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung geworden, wurde 1978 vom Künstler Gilbert Baker geschaffen.

Regenbogenfahne Berlin Nollendorfstr.
Regenbogenflagge, Berlin Nollendorfstr.

Gilbert Baker, am 2. Juni 1951 in Kansas geborener Künstler, entwarf 1978 in San Francisco eine Fahne mit ursprünglich 8 Streifen: pink, rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, lila als Symbole für Sexualität, Leben, Heilung, Sonne, Natur, Kunst, Harmonie und Seele.

1978 verwandte er die Regenbogenfahne erstmals beim San Francisco Gay Freedom Day,  am 25. Juni 1978.

 regenbogenfahne Berlin
Regenbogenflagge, Berlin

Im Jahr darauf, 1979, bekam Gilbert dann den Auftrag, die Market Street zum San Francisco Pride (Gay Freedom Day) 1979 farbenfroh zu schmücken – nach der Ermordung von Harvey Milk, offen schwulem Supervisor von San Francisco, sollte der Gewalt und dem Entsetzen in den Communities farbenfrohe Zuversicht entgegen gesetzt werden.

Gilbert Baker starb am 31. März 2017 im Alter von 65 Jahren in New York, wie ein langjähriger Freund auf Twitter mitteilte:

Seit dem 19. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel in Paris an Gilbert Baker, auf der square Sainte-Croix de la Bretonnerie.

Die Farben der Regenbogenfahne

Entgegen Gilberts erstem 8-farbigen Entwurf kam schon hier nur die sechsfarbige, heute noch verwendete Version zum Tragen – pink wurde aus produktionstechnischen Gründen entfernt, indigo aus Gründen der Symmetrie (man wollte drei Farben auf jeder Straßenseite flaggen).

Seitdem besteht die Regenbogenflagge aus den Farben rot, orange, gelb, grün, blau und lila. Heute werden die Farben meist weniger symbolträchtig erklärt. Oft wird einzig angemerkt, die Farben der Flagge sollen die Vielfalt der schwullesbischen Communities darstellen.

Aus US-Communities heraus und vom Pride Philadelphia entstand 2017 der Vorschlag, die Regenbogenfahne um schwarz und braun zu erweitern. Hiermit sollten people of color (poc) und deren Situation thematisiert werden, lautete die Begründung für den umstrittenen Vorschlag.

Rosa Winkel - Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz
Rosa Winkel – Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz

Längst ist die Regenbogenflagge (Regenbogenfahne, auch genannt CSD-Fahne, Schwulenfahne, Gayfahne) zu dem Symbol schwullesbischen Stolzes geworden – und löste den bis dahin weit verbreiteten ‘Rosa Winkel‘ als Symbol ab (siehe Foto oben: Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen am Nollendorfplatz in Berlin).

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Regenbogenfahne im Museum

Am 17. Juni 2015 teilte das MoMa mit, die Regenbogenfahne in die Design-Sammlung des Museums aufgenommen zu haben.

Aus Anlass der Aufnahme in die Kolletion des Museums berichtete Gilbert Baker in einem Interview noch einmal, wie die Regenbogenfahne entstanden ist.

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Homosexualitäten Kulturelles

Forum Homosexualität und Literatur (1987 – 2008)

Das “ Forum Homosexualität und Literatur ” wurde 2008 nach über 20 Jahren Erscheinen eingestellt.

Seit Mai 1987 erschien es, das “Forum Homosexualität und Literatur”, zuletzt herausgegeben vom Forschungsgebiet Homosexualität und Literatur der Universität-GH Siegen. Betreut von Prof. Wolfgang Popp (3. Juni 1935 – 5. Mai 2017) und Dr. Dirck Linck sowie Marita Keilson-Lauritz, Wolfram Setz und Gerhard Härle, wurde über 20 Jahre lang kritisch-nachdenklich über die theoretische Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Homosexualität und Literatur berichtet. Nun ist es nicht mehr, das ‘Forum’.

Forum Homosexualität und Literatur
Forum Homosexualität und Literatur

Bereits im März 2008 meldete die taz, das Forum “stelle das Erscheinen ein”.

Erschreckend die Begründung, die Prof. Popp, Gründer des ‘Forum’, in der taz für den der Einstellung zugrunde liegenden Mangel an Beiträgen sieht:

“Seinen Wissenschafts- und Forschungsschwerpunkt in diesem Themenbereich anzusiedeln, ist auch heute noch (oder wieder) für eine wissenschaftliche Karriere eher abträglich als nützlich.”

In der fr-online meint Popp,

„einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin [könne man] nicht mehr raten, sich auch nur nebenbei mit dem fast wieder zum Tabuthema gewordenen Thema Homosexualität zu beschäftigen.“

Zur Bedeutung des ‚Forum Homosexualität und Literatur‘ stellte Joachim Bartholomae 2008 fest

„Von allen wissenschaftlichen Zusammenschlüssen, die im Zuge der Neuen deutschen Schwulenbewegung entstanden, haben die Literaturwissenschaftler mit den 50 Ausgaben des “Forums Homosexualität und Literatur” ohne Zweifel die deutlichsten Spuren hinterlassen.“

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Paragraph 175 Unrecht und Recht?

Der Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuchs regelte bis 1994 die Bestrafung einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs zwischen Männern. Dr. Wiefelspütz (SPD) äußert auf Nachfrage, der §175 in der von den Nazis verschärften Fassung, von 1949 bis 1969 unverändert in der Bundesrepublik angewandt, sei kein Unrecht gewesen.

Abgeordnetenwatch ist ein (hier schon früh empfohlenes) Portal, das den direkten Dialog mit Abgeordneten ermöglicht. Ein kleines Stückchen Versuch von Bürgernähe und Transparenz.

Derzeit gibt es auf Abgeordnetenwatch wieder ein Lehrstück darüber, die ernst Politiker ihre Wähler nehmen, und vor allem wie nachdenklich sie bei Homo-Themen sind – oder nicht.

Dr. Dieter Wiefelspütz ist Bundestagsabgeordneter und innenpolitischer Sprecher der SPD, direkt gewählt im Wahlkreis Unna II. Auf Abgeordnetenwatch geht er auf die Frage ein, ob die Verfolgung Homosexueller nach Paragraph 175 in der NS-Version bis 1969 Unrecht gewesen sei.

Hintergrund der folgenden Antworten von Wiefelspütz ist eine Debatte, die auch durch die Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wieder aufflammte:
Das von den Nazis verschärfte Strafrecht gegen Homosexuelle (§175, §175a) bestand in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert fort. Erst 1969 (und dann 1975) erfolgte eine Reform. 20 Jahre lang (1949 bis 1969) wurden Homosexuelle in Westdeutschland also nach Nazi-Recht verfolgt, diskriminiert, verurteilt.

Die auf der Hand liegende Frage: wenn die Verfolgung Homosexueller in der Zeit des Nationalsozialismus Unrecht war – war dann nicht auch die Verfolgung Homosexueller in der Zeit danach nach den gleichen Paragraphen Unrecht?
Dazu entspann sich ein Dialog, hier sind in Auszügen Antworten von Dr. Wiefelspütz wiedergegeben:

Dr. Wiefelspütz antwortet am 22.5.2008 auf eine Frage von Frau Resch:
“Ich halte es persönlich für richtig, daß aufgrund gewandelter Rechtsüberzeugungen § 175 StGB gestrichen wurde. Ich habe selber daran mitgewirkt. Auch an dem Beschluß des Deutschen Bundestags vom 14. Mai 2002 habe ich mitgewirkt. Das heißt freilich nicht, daß Urteile von bundesdeutschen Strafgerichten vor der Aufhebung des § 175 StGB Unrecht waren und es Veranlassung für Opferrenten gäbe.”
Und Herrn Meier, der sich ebenfalls für die Sache fragend einsetzt, antwortet Wiefelspütz am 22.5.2008 klar: ” ich setze mich nicht für die von Ihnen vorgeschlagene Rente ein”.
Auf Nachfragen nach einer Wiedergutmachung an die in der Zeit von 1949 bis 1969 verurteilten Homosexuellen stellt Wiefelspütz am 24.5.20087 nochmals klar: ” ich habe meinen Antworten an Sie und Frau Resch nichts hinzuzufügen”.

Das verwirrt den interessierten Leser ja nun doch (schon seit vielen Jahren) … das von den Nazis 1935 verschärfte Strafrecht gegen Homosexuelle war in der Zeit zwischen 1935 und 1945 Unrecht. Die selben Paragraphen, unverändert gültig in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1969, waren nach Ansicht von (nicht nur) Herrn Dr. Wiefelspütz kein Unrecht. Paragraph 175 Unrecht und Recht – wie kann das sein?

Erinnert sei daran, dass gerade auch Abgeordnete der Fraktion der SPD vor 1933 den denjenigen Politikern gehörten, die eine Forderung von Magnus Hirschfeld und anderen nach einer Reform des §175 (Legalisierung der ‘einfachen Homosexualität’) unterstützten.

Und erinnert sei daran, dass viele der Opfer der Verfolgung Homosexueller nach Nazi-Recht in der Zeit zwischen 1949 und 1969 noch leben – und hier (im Gegensatz zum Denkmal) die Chance bestünde, Opfern noch zu Lebzeiten eine (wie auch immer geartete, materielle oder auch ideelle) Wiedergutmachung zukommen zu lassen.

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Text am 25.01.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Beobachtungen am Rande des Homo-Mahnmals

Sonntag 1. Juni. Ein Sonntag wie so viele touristische Sommer-Sonntage in Berlin.

Vor wenigen Tagen ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht worden. Es wird inzwischen recht gerne besucht, von Berlinern wie auch Auswärtigen.

Einige Beobachtungen, an einem Sonntag Nachmittag am Rande des Tiergartens.

14:50 Uhr. Kai kommt doch nicht auf einen Tee vorbei. Ohne ihn radel ich gen Tiergarten.
Was wird los sein am ‚Homo-Mahnmal‘? Von niemandem bemerkt? Einige wenige schwule Bestauner? Irritierte Touristen aus aller Bundesländer Dörfer?

15:25 Uhr. Ich komme am Denkmal an, schließe mein Fahrrad an einen der Bäume. Eine kleine Gruppe steht an dem das Denkmal erläuternden Schild, zwei Jungs am Denkmal, werfen gemeinsam einen Blick auf den Kuss.

15:30 Eine kleine Schlange von etwa 10, 12 Menschen bildet sich vor dem Guckloch, wartet auf Einblick. Die als vermutlich homosexuell zu identifizierenden Besucher wenden sich bald wieder mit einem leichten Grinsen ab. Hetero-Frauen bleiben erstaunlich lange stehen, wollen mehr sehen.

15:31 „Wenn’s denn sein muss“, höre ich einen dickbäuchigen Besucher sagen. Ja, es muss, möchte ich ihm hinterher rufen, halte aber doch den Mund.
Ob der zart keimende Rasen, bei der Eröffnung erst arg strapaziert, sich dieses Jahr noch erholen wir? Heute jedenfalls erfreuen sich höchstens ein paar Tauben daran.

15:33 Eine kleine Gruppe Homos am Denkmal. Erinnerungs-Fotos werden gemacht.

15:35 „Was ist das?“, höre ich die kleine Tochter fragen. „Ein Fenster,“ erklärt der Vater, und die Tochter schaut ihn ungläubig an. „Dahinter küssen sich zwei Männer.“ Das Töchterchen ist ruhig. Sein Sohn wird jetzt regsam. „Das ist aber komisch,“ protestiert er, „zwei küssende Männer!“. Der Junge mag vielleicht 5, 6 Jahre alt sein. „Da ist nichts dran komisch“, der Vater nimmt den Jungen bei der Hand. „Aber warum küssen sich denn die zwei Männer in dem Kasten?“, hakt Sohnemann nach. Vater ist ruhig und geduldig, erklärt ihm „Schau, das ist ein Denkmal. Das soll daran erinnern, dass Schwule von den Nazis umgebracht wurden.“
Ich erinnere mich an meine Eltern, ein kalter Schauer läuft mir den Rücken herunter.

15:36 Uhr. Kai kommt doch, direkt zum Denkmal. Freue mich. Ab nun geselliges Beobachten des unerwartet munteren Treibens am Denkmal.

15:40 Ich bin erst wenige Minuten da und doch erstaunt, wie viele Menschen hierher kommen, offensichtlich gezielt, sich das Denkmal anschauen. Manche nur mit hastigem Blick, andere ruhig, beinahe andächtig.
Gerade kommt eine kleine Gruppe radelnder Lesben herbei. „Ach, hier wolltest du hin!“ – „Ja, ich hab die Einweihung verpasst.“
Immer neue Menschen trudeln ein, viele von ihnen fremdsprachig. Dass die Erläuterungstafel auch einen englischsprachigen Text hat, erweist sich sofort als äußerst sinnvoll, wird teils erfreut, teils als wohl selbstverständlich wahrgenommen.

15:41 Ein wenig bedächtig gehe ich um das Denkmal herum. Alles noch okay, keine Schäden, Schmierereien? Schließlich, in dieser Stadt sind Graffitis, Scratching uns Ähnliches an der Tagesordnung, was ist dann hier zu erwarten? Aber – nichts, keinerlei Beschädigungen.
Ein Kiesel liegt im Guckfenster.

15:49 „Mehr sieht man nicht?“, beklagt sich ein Rotzlöffel ganz enttäuscht. „Voll eklig, zwei Typen!“, erwidert sein Kumpel. Sie zischen ab.

15:51 Eigentlich sind -seit ich hier bin- im Schnitt immer zwischen 10 und 15 Personen an Denkmal und Tafel.

15:52 „Das ist ein Denkmal. Für die fünfzigtausend Schwulen, die die Nazis umgebracht haben“, erklärt eine etwa Mitte 30 Jahre alte Mutter ihrer Tochter. Sie hatte sie zum Guckloch hochgehoben, die Tochter schaut ganz fragend drein.

16:05 „Das hab ich im Fernsehen gesehen,“ eine Gruppe offensichtlich hetero-Twens schlendert vorbei.
Die Scheibe im Guckloch könnte sich auf Dauer als unpraktisch erweisen. Sieht aus wie eine beeindruckende Fingerabdruck-Sammlung.

16:16 Es ist ein wenig ruhiger geworden die letzten Minuten – 3 bis 4 Personen gleichzeitig.
Die Mehrzahl der Besucher in der letzten knappen Stunde ist zwischen 20 und etwa 40 Jahre alt, ein Viertel bis ein Drittel von Kai und mir als vermutlich schwul verortet.

16:21 Eine kleine Gruppe Radler weckt mein Interesse. Vermeintlich fotografierend lausche ich ein wenig. „Na Ilse, wat ist det, mein Schatz?“ Ein in eine (zu) enge Radlerhose gezwängter Mittvierziger fragt seine unsicher dreinschauende Frau. „Ich weiß nicht?“ Sie ist ahnungslos, schaut in das Guckloch, schaut ihren mann an. „Das ist das Mahnmal für die Schwarzseher,“ plappert ihre Nachbarin? Freundin? Kollegin? ungefragt dazwischen, „sieh’ste nicht da unten das GEZ-Schild?“ Die angesprochene schaut tatsächlich nach unten, ist irritiert nichts zu finden. Gelächter. „“Det ham wa inne Abendschau jesehn, erinnerste dir? Det is doch det Mahnmal für die Schwulen. Weisste, Anfang der Woche war doch der jroße Bericht inne Glotze.“ Aha-Effekt, strahlend schaut sie ihn an. „Komm, vorn is det Schild, schaun wa uns noch an.“

kkk

16:36 Eine kleine Gruppe steht hinten am Erläuterungsschild. Ich sitze immer noch mit Kai auf dem Rasen, nahe dem Denkmal. Die Gruppe kommt zum Denkmal herüber, Jungs und Mädchen zwischen schätzungsweise 17 und 20 Jahren. Eine junge Frau gibt Erläuterungen. Klassenausflug zum Homo-Mahnmal? „Ey, jetzt küssen die sich nicht mehr!“ Der junge Mann möchte unbedingt ein Foto von der Kuss-Szene, jetzt muss er einige Sekunden warten. „Klasse, dass die hier ein Schwulen-Denkmal haben!“, höre ich einen anderen Jungen sagen, „wär doch bei uns undenkbar.“

16:46 Michael kommt vorbei, „was macht ihr denn hier?“, Plaudern kurz. „Ja, war toll, die Einweihung, nicht?“ Er grinst. „Ich muss denn mal weiter.“

16:54 Zum ersten Mal Ruhe, keine Besucher am Denkmal. Außer Kai und mir sitzt noch ein 3er-Grüppchen einige Meter von uns entfernt am Zaun, plaudernd. Einen Moment später kommt die nächste Besucher-Gruppe. Sie kommen meist als Pärchen oder in Gruppen, seltener Einzelbesucher.

16:58 Ein wohlproportioniertes Jung-Homo-Pärchen steht vor dem Mahnmal. Der eine freier Oberkörper, 6pack, der andere enge Radlerhosen und -Shirt (und er kann es tragen). Wäre ein gutes Bild, die beiden vor dem Denkmal, als Aufmacher. Ich bin zu schüchtern, die beiden zu fragen.

17:09 „Wie kommen die eigentlich da rein?“, fragt Kai. Stimmt, irgendwie, die müssen ja mal die Geräte warten, Stromanschluss, Filmwechsel und so. „Oben muss wohl ne Luke sein.“ „Nachschauen? Räuberleiter?“ Grinsender Blick. „Nee lass mal, is zu pietätlos.“

17:11 Ein Velotaxi kommt vorbei, leer. Der Fahrer steigt aus, fotografiert das Denkmal von allen Seiten.

17:13 Erstaunlich viele Menschen fassen ein wenig ungläubig dreinschauend an den Beton, klopfen, streicheln ihn.

17:15 „So, Schluss für heut. Ich brauch jetzt n Bier!“. Eine Gruppe japanischer Touristen sei noch vermerkt,glucksend, kichernd amüsieren sie sich über den Kuss. Und „ooohh, that’s a long kiss!“ freut sich ein rauschbärtiger Tourist mit unüberhörbar amerikanischem Akzent.

Das Fahrrad aufgeschlossen, und ab in die Schleuse. Abendliches Bier, abschalten.

Beim Schreiben dieses Posts lese ich, auch maha war „sonntags in Berlin“ unter den Besuchern – wieder eine verpasste Chance, einen Blogger zu treffen. „Publikums-Magnet“ – für diesen Sonntag stimmt seine Einschätzung sicherlich.

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Text 15. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Kulturelles Politisches

Benno Ohnesorg 15. Oktober 1940 – 2. Juni 1967

Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Schah von einem Polizisten erschossen. Nahe dem Ort erinnert daran seit 1990 das Relief “Der Tod des Demonstranten” von Alfred Hrdlicka.

Erinnerung an die Erschiessung von benno Ohnesorg - Alfred Hridlicka: Der Tod des Demonstranten
Erinnerung an die Erschiessung von Benno Ohnesorg – Alfred Hridlicka: „Der Tod des Demonstranten“

Juni 1967. Der Schah von Persien besucht im Rahmen seines Deutschlandsbesuchs auch Berlin. Im Vorfeld findet am 1. Juni 2016 eine Veranstaltung mit dem Exil-Iraner Bahman Nirumand im Audimax der FU Berlin statt. Nirumand betont, dass der Schah – anders als von manchen Organen der Yellow Press dargestellt – kein ‚Märchenkaiser‘ ist, sondern ein Diktator. Er berichtet über den Geheimdienst des Schah, und fordert die Anwesenden zu Demonstrationen auf.

2. Juni 1967 – Proteste gegen den Schah und Ermordung von Benno Ohnesorg

Am 2. Juni findet bei gutem Wetter vor dem Rathaus Schöneberg eine Demonstration gegen den Schah von Persien statt – von Zeitzeugen zu Beginn eher als in heiterer Stimmung, besonders als friedlich beschrieben. Doch plötzlich sehen sich die Demonstranten sog. ‚Jubel-Persern‘ gegenüber, die mit Latten auf sie einprügeln. Ohne von der Polizei daran gehindert zu werden.

Am Abend es Tages findet erneuter Protest statt. Der Schah will eine Gala-Aufführung der ‚Zauberflöte‘ an der Deutschen Oper besuchen. Die Demonstranten treffen auf einen massiven Polizei-Einsatz. Die Polizei fordert die Protestierer zur Räumung auf.

Die Situation eskaliert, wird zunehmend unkontrolliert. Polizeikräfte drängen die Demonstranten, die sich auch bedroht sehen von prügelnden Schah-Anhängern, von der Strasse vor der Deutschen Oper. Panik breitet sich aus unter den teils eingeschlossenen Demonstranten.

Unter den fliehenden Demonstranten befindet sich auch Benno Ohnesorg. Er flieht in Richtung Krumme Strasse. In eienm innenhof beobachtet er, wie Polizisten eine Gruppe von Demonstranten einkreisen, auf sie einprügeln. Ohnesorg selbst wird von drei Polizisten festgehalten, geprügelt. Um etwa 20:30 Uhr fällt ein Schuss. Benno Ohnesorg, am Kopf getroffen, geht zu Boden.

Ein Schuss, der die Republik verändert.

Der Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras ist an diesem Abend in Zivil im Einsatz, beauftragt vermeintliche Rädelsführer festzunehmen. Direkt nach dem Schuss wird er zurückgezogen, ins Polizeipräsidium gebracht.

Einem anwesenden Arzt verweigert die Polizei zunächst, Ohnesorg erste Hilfe zu leisten. Erst nach zwanzig Minuten trifft ein Krankenwagen ein. Benno Ohnesorg stirbt kurze Zeit später.

Benno Ohnesorg (1940 – 1967)

Benno Ohnesorg wurde am 15. Oktober 1940 in Hannover geboren. Nach Mittlerer Reife und Lehre als Schaufenster-Dekorateur holte er 1963 sein Abitur nach. 1964 begann er an der FU Berlin ein Studium der Germanistik und Romanistik. Ohnesorg war Mitglied der Evangelischen Studentengemeinde.

Am 27. April 1967 heiratete Benno Ohnesorg seine schwangere Freundin Christa. Beide lebten in der Prinzregentenstrasse in Berlin Wilmersdorf.

Am 2. Juni 1967 wurde Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen.

Am 8. Juni 1967 fand eine Trauerfeier für Benno Ohnesorg an der FU Brlin statt. Anschließend wurde der Leichnam nach Hannover überführt, begleitet von Hunderten PKW. Am 9. Juni 1967 wurde Benno Ohnesorg auf dem Stadtteilfriedhof Bothfeld in Hannover beigesetzt.

Christa Ohnesorg brachte imNovember 1967 den geiemsamen Sohn Lukas zur Welt. Sie starb 2000 und wurde neben ihrem Mann beigesetzt.

50 Jahre später – eine Entschuldigung, auch für die Erschiessung von Benno Ohnesorg?

50 Jahre später, am 2. Juni 2017, bat Justizsenator Dirk Behrendt um Entschuldigung: „Die Opfer dieser Gewalt & Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden, möchte ich um Entschuldigung bitten.“

Unklar blieb in Behrendts Bitte um Entschuldigung, ob diese auch die Erschiessung Benno Ohnesorgs beinhaltet.

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Karl-Heinz Kurras (1927 – 2014)

Gegen Karl-Heinz Kurras wurde 1967 ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Er wurde am 22. Dezember 1967 freigesprochen. In der Revisionsverhandlung ab 1968 wurde Kurras am 22. Dezember 1970 erneut freigesprochen.

2007 äußerte sich Kurras noch einmal zu seinen Schüssen auf Benno Ohnesorg (zitiert nach taz 19.2.2015):

Fünf, sechs Mal hätte ich hinhalten sollen. Wer mich angreift, wird vernichtet.

Am 21. Mai 2009 wurde bekannt, dass Kurras SED-Mitglied war und als ‚Inoffizieller Mitarbeiter‘ für die ‚Staatssicherheit‘ der DDR gearbeitet hatte.

2011 führten neue Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass auf Benno Ohnesorg ohne Auftrag geschossen wurde, der Schütze nicht bedrängt worden war und wahrscheinlich gezielt geschossen hat. Eine erneute Anklageerhebung erfolgte nicht.

Kurras starb am 16. Dezember 2014.

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Der Bildhauer Alfred Hridlicka schuf 1971 das Bronze-Relief ‚Der Tod des Demonstranten‘. Es durfte erst 1990 vor der Deutschen Oper aufgestellt werden.

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