Das Lindenblatt- Portal der Polnische Botschaft Berlin : ein Vogel, der sich auf ein Lindenblatt gesetzt hat. Motiv auf der (wundervollen) Eingangs-Verkleidung des früheren (und im Herbst 2016 abgerissenen) Gebäudes der Botschaft Polens in Berlin Unter den Linden.
Polnische Botschaft Berlin – Lindenblatt-Plastik, Prof. Fritz Kühn, Detail
Piepmatz, Polnische Botschaft Berlin (Metallplastik, Prof. Fritz Kühn 1964)
Das Botschaftsgebäude wurde als Stahlskelettbau von der DDR errichtet 1963/64 nach Entwürfen der Architekten Emil Leybold und Christian Seyfarth.
„Ist das mein wunderbares Leben? Perspektiven der Überlebenden der Aids-Generation“ war der Titel einer Panel-Diskussion in New York, die Situation, Lebensgefühl und Perspektiven von Schwulen über 40 thematisierte, die die Aids-Krise ‘überlebt’ haben (‚ Aids-Überlebende ‚). Nun ist ein erstes zusammenfassendes Video über die Diskussion online verfügbar.
Das gut zehnminütige Video gibt einen guten Einblick in ein über 3 Stunden dauerndes Forum, das am 9. Mai 2013 im Baruch College in New York City stattfand. Teilnehmer der Podiums-Diskussion waren Jesus Aguais, Dr. L. Jeannine Bookhardt-Murray, Dr. Mark Brennan-Ing, Jim Eigo, Joe Jervis und Peter Staley (Kurz-Biographien hier). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Perry N. Halkitis.
Schock, Alptraum, Unverständnis, Ignoranz – mit vielfältigen Gefühlen beschrieben Panel-Diskutanten und Zuhörer ihre Wahrnehmungen und Gefühle, ihre Lebenssituationen als ‚ Aids-Überlebende ‚. Oft mit im Spiel: Erschütterung und Hilflosigkeit angesichts von Desinteresse und Unverständnis ihres Umfeldes.
“Für Schwule über 40 ist es als seien wir aus einem Krieg zurückgekehrt, einem Krieg der den meisten weit weit weg und entfernt war, selbst als er stattfand.“
Peter Staley, langjähriger ACT UP Aktivist und Mitgründer der Treatment Action Group TAG, fragt,
„was sagt das alles über uns selbst? Wie geht es uns heute? Wie gehen wir selbst mit einander um? Gibt es überhaupt eine Community, die sich um uns Gedanken macht?„
Jesús Aguais berichtete zur Situation bei Migranten über bemerkenswerterweise nahezu identische Ergebnisse aus Befragungen in New York und in Lateinamerika:
„Das höchste Ausmaß an Isolation: Meine letzte Frage lautete, was wissen Sie über Menschen wie Sie selbst, vor 1996 HIV-positiv getestet? Und 100 Prozent der Befragten sagten: absolut nichts. Darüber sprechen wir nicht.„
Gegen Ende des Videos fragt Peter Staley nüchtern:
„Viele von uns sehen, wie unsere landesweiten Schwulengruppen, ebenso wie unsere großen Stiftungen, all dieses viele ’schwule Geld‘ [gay money], wie sie sich alle ausschließlich auf den Wohlfühl-Kampf für die Homo-Ehe konzentrieren. So wertvoll dieser Kampf auch ist, stellen wir uns nicht selbst eine Falle mit dieser Konzentration auf nur ein einziges Thema? Schweigen mag nicht weiterhin in einem Ausmaß wie früher Tod bedeuten [Staley spielt an auf den ACT UP Slogan SILENCE = DEATH, SCHWEIGEN = TOD], aber es ist weiterhin Triebfeder eines alarmierenden Anstiegs von HIV-Infektionen bei jungen Schwulen, besonders bei den offensichtlich besonders leicht zu ignorierenden jungen schwulen Farbigen.„
Durch das ganze Video ziehen sich als (sehr unter die Haut gehender) ‚roter Faden‘ Tagebuch-Auszüge, die Joe Jervis (dem Autor des nicht nur in den USA beliebten Blogs Joe.My.God) als Selbst-Therapie schrieb, über einen Bekannten der an Aids erkrankte.
.
In Kürze soll auf YouTube ein umfangreicheres Video über die Veranstaltung online verfügbar sein.
Die Medius Working Group wurde gegründet in Erinnerung an Spencer Cox (1968 – 2012), der als Aids- / ACT UP – und Therapie-Aktivist sowie Mitbegründer der Treatment Action Group TAG einer der Vorkämpfer dr Vertretung der Interessen HIV-Positiver insbesondere in klinischen Studien und Aids-Forschung war.
.
Medius Working Group: „Is this my beautiful life“ Trailer (11:35 min.)
Warum bekommen wir so etwas , solch ein Podium, solch ein öffentliches Reflektieren nicht hin? Wo ist unsere Nachdenklichkeit? Wo ist unsere Wut? Unsere gemeinsame Stimme?
Pozitively Healthy – heißt so die neue US-weite HIV-Positiven-Interessenvertretung in den USA, Nachfolger der erst jüngst in Insolvenz gegangenen NAPWA?
Eine neue Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, USA-weit für die Interessen der Communities von HIV-Positiven einzutreten. Pozitively Healthy, so der Name der neuen Organisation, sei Teil der Aids-Organisation HealthHIV aus Washington, so die Organisatoren in einer Mitteilung vom 10. Mai 2013.
Pozitively Healthy (Logo, Grafik HealthHIV)
„Das Ziel von Pozitively Healthy ist es, eine starke unabhängige Stimme der 1,3 Millionen Menschen mit HIV/Aids in den USA sicherzustellen“. Ziel sei es, den Zugang zu qualitativ hochwertiger gesundheitlicher Versorgung und bestmöglicher Prävention sicherzustellen in Zeiten der Umsetzung der US-Gesundheitsreform.
An der Organisation beteiligen sich, so die Mitteilung Presseberichten zufolge, u.a. auch das Names Project und Aids-Publikationen. Hauptsitz werde Washington sein. Aids-Aktivisten überall aus den USA seien eingeladen sich zu beteiligen.
Unter den 16 Mitgliedern des Vorstands von Pozitively Healthy sind auch 5 Mitglieder des ehemaligen Vorstands von NAPWA, darunter dessen ehemaliger Direktor Frank Oldham.
Aids-Aktivisten wie Michael Petrelis warnen angesichts der personellen Nähe zur früheren NAPWA zur Vorsicht.
.
HealthHIV: Pozitively Healthy – A National Coalition Advocating for HIV-positive Communities Washingtion Balde 16.05.2013: New AIDS group debuts as NAPWA successor Michael Petrelis 13.05.2013: Meet the New NAPWA, Same as the Old NAPWA?
Die Orgasmus Woche Lyon (‚ Orgasm‘ Week Lyon ‚) – eine „festliche und kulturelle Woche zum Thema Lust und sexuelle Gesundheit“, findet unter dem Mottto „Stöhnen in Lyon“ vom 18. bis 26. Mai 2013 statt.
Clubbings, Veranstaltungen, Konferenzen, Tagungen, Literatur … die Orgasmus-Woche Lyon versteht sich als ein ‚Marathon der sexuellen Wohlbefindens‘, in dem alle Themen rund um die fleischliche Lust und Unlust frei diskutiert werden können.
Orgasmus Woche Lyon (Grafik: Aides)
Zudem finden im Rahmen der Orgasmus Woche Lyon zwei Konferenzen statt, die eine unter dem Titel „Comment jouirons-nous dans 20 ans ?“ (übers. Wie genießen wir in 20 Jahrne, aber vulgo auch ‚Wie spritzen wir in 20 Jahren ab?‘), die zweite unter dem Titel „Le trou du cul expliqué aux enculé-e-s“ (vulgo ‚Das Arschloch, den Gefickten erklärt‘).
OrgasmWeek Lyon (Grafik: Aides)
Die Orgasmus Woche Lyon wird von der französischen Aidshilfe-Organisation Aides veranstaltet in Kooperatrion mit dem INPES (Institut national de prévention et d’éducation pour la santé, Nationales Institut für Prävention und Gesundheitserziehung; 2016 aufgegangen in Santé public France), mit dem Lavoir Public und den Écrans Mixtes, Keep Smiling sowie der Vereinigung schwuler und lesbischer Unternehmer/innen SNEG.
.
Aides Lyon: ORGASM’WEEK : RUGIR À LYON ! (auch Programm)
“ H.I.V. positive “ – ein Arsch, tätowiert mit diesen Buchstaben, ein Motiv der Benetton Werbung (HIV-Kampagne) sorgte 1993 für Aufregung. Die HIV-Kampagne des Textilienkonzerns wurde Gegenstand nicht nur breiter Entrüstung, sondern auch langwieriger juristischer Auseinandersetzungen, die erst nach zehn Jahren im Mai 2003 endeten. Photograph Oliviero Toscani (1942 – 2025) beendete seine Arbeit für den Textilkonzern 2000, kehrte jedoch im Dezember 2017 im Alter von 75 Jahren für eine neue Werbekampagne zurück.
Abgestempelt – Sozialkritik oder Mode-Marketing?
Groß war die Aufregung 1993. Darf man einen Arsch mit „HIV-positiv“ stempeln, das ganze photographieren und für Benetton Werbung verwenden? Auf dem Höhepunkt der Aids-Krise? Erinnert das nicht an die Tätowierungen der Häftlingsnummern, mit denen die SS Insassen im KZ Auschwitz kennzeichnete? Kann man Stigma sichtbarer machen? Werbung als sichtbarer Ausdruck des Makels Stigma HIV? Und das für kommerzielle Zwecke? Ein wohlkalkulierter, aufmerksamkeitheischender Werbeskandal? Oder lag darin ein früher Anklang HIV-positiven Selbstbewusstseins? Ein Diskriminierung bekämpfender, gar emanzipatorischer Akt?
Die Anzeige der ‚Benetton Aids-Werbung‘ erregte (wie viele der damaligen, meist vom für die Benetton–Werbung zuständigen Oliviero Toscani konzipierten Anzeigen von Benetton, so das „Blut – T-Shirt“) die Gemüter, führte zu Diskussionen über die Grenzen der Werbung, beschäftigte den Deutschen Presserat. Harmlose Lifestyle-Werbung? Kalkulierter Werbeskandal? Entsetzliche Schockwerbung?
Viele Aids-Gruppen weltweit wenden sich gegen dieses Motiv. In Frankreich lehnen u.a. Aides, Arcat und die AFLS es ab. Anders hingegen ACT UP Paris, die sich nicht gegen diese Kampagne ausspricht. Im Gegenteil, für die spektakulärste Aktion der Gruppe, die Verhüllung des Obelisken im gleichen Jahr am 1. Dezember 1993 mit einem ‚Riesen-Kondom‘ aus Stoff, arbeitet die Gruppe mit dem Modekonzern zusammen, lässt sich sponsorn.
Oliviero Toscani selbst erläuterte später, auf die Idee zu diesem Motiv der Benetton HIV Kampagne habe ihn ein US-amerikanischer Schüler gebracht, der sich „H.I.V. positive“ auf dem Arm tätowiert habe und dann nackt zur Schule gegangen sei. Man habe ihn festgehalten und „man bedeckte schleunigst … nicht seine Blöße, sondern die tätowierte Haut!“ [4]
Oliviero Toscani, Schöpfer der umstrittenen Benetton HIV Kampagne, im Sommer 2007 (Foto: Leandro Emede; Lizenz GNU freie Dokumentation)
Toscanis ‚HIV-Tattoo-Foto‘ für das Benetton HIV Plakat war nicht die erste Auseinandersetzung mit dem Thema Aids in Benetton-Kampagnen. Bereits ein im Magazin ‚Life‚ publiziertes Photo des an den Folgen von Aids sterbenden David Kirby (1991 mit dem ‚World Press Photo Award‘ ausgezeichnet) [1] wurde mit Einwilligung der Angehörigen für ein Plakat des Modekonzerns verwendet. Benneton spendete großzügig für eine Aids-Stiftung [2]; das Motiv wurde mit dem Preis des ‚European Art Directors Club‘ als beste Kampagne des Jahres 1991 ausgezeichnet. Das Photo wurde durch die Life-Veröffentlichung sowie die Benetton-Kampagne zu einer Ikone der frühen Visualisierung von Aids.
Oliviero Toscani arbeitete 14 Jahre lang von 1986 bis 2000 für den Modekonzern [3]. Inhaber Luciano Benetton distanzierte sich von ihm ohne Angabe eines Grundes, nachdem eine von Toscani gestaltete Kampagne dazu geführt hatte, dass zahlreiche US-Kaufhäuser die Textilien des Konzerns aus dem Programm nahmen.
„Man kann nie zu weit gehen„,
soll Toscani einmal gesagt haben. Hier war er scheinbar doch zu weit gegangen, zumindest für Familie Benneton. Im Dezember 2017 allerdings waren die Bedenken der Bennetons offensichtlich nicht mehr so gravierend – Photograph Toscani kehrte für eine neue Werbekampagne zurück. Toscani kommentierte „Wir werden wieder Spaß haben„.
Die Kampagne mit dem HIV-positiv-Motiv allerdings ging offensichtlich für Benetton auch damals schon nicht „zu weit“ – allerdings landete sie jedoch in Deutschland vor Gericht.
Benetton Werbung HIV Plakat – ein Motiv vor Gericht
Um das ‚ H.I.V. positive -Motiv‘ mit dem tätowierten Arsch, das im Laufe des Jahres 1993 entwickelt und im Herbst 1993 erstmals plakatiert wurde, entspann sich in Deutschland eine bis zum Mai 2003 andauernde juristische Auseinandersetzung.
Die ‚Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs‘ hatte vor Gericht seit 1992 durch mehrere Instanzen ein Verbot des Abdrucks diverser Motive von Benetton Werbung erreicht, darunter auch eben jenes Motiv ‚HIV-positiv‘ (das in der Anzeige international lautet “ H.I.V. positive „). Der Verlag Gruner & Jahr (u.a. ‚Stern‘) wandte sich per Verfassungsbeschwerde gegen dieses Verbot des Abdrucks dreier Motive, darunter auch des Motivs ‚HIV-positiv‘. Der BGH jedoch wies die Beschwerde ab und stellte fest
„Wer Gefühle des Mitleids in so intensiver Weise wie in den beanstandeten Anzeigen zu kommerziellen Zwecken ausnutzt, handelt wettbewerbswidrig.„
Insbesondere das Motiv HIV-positiv verstoße, so der BGH damals, in grober Weise gegen die Grundsätze der Wahrung der Menschenwürde, in dem es HIV-Infizierte und Aids-Kranke als abgestempelt und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt darstelle.
Im Jahr 2000 hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Verbote der Benetton Werbung wieder auf, insbesondere unter Verweis auf die Pressefreiheit. Zum Motiv ‚HIV-positiv‘ merkte das BVerfG an, es könne ja nicht ausschließlich so verstanden werden wie es der BGH interpretiert habe. Vielmehr könne gerade dieses Motiv auch als anklagender Hinweis auf die diskriminierende Behandlung HIV-Positiver gesehen werden. Der BGH habe sich mit diesen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinander setzen müssen.
Nach erneuter Verhandlung verbot der BGH 2001 aus der Benetton Werbung das Motiv ‚ H.I.V. positive ‚ erneut [5]. Zwar könne man die Anzeige als „aufrüttelnd“ verstehen. „Weit überwiegend“ jedoch werde die Anzeige als Werbung für Benetton wahrgenommen, nicht als sozialkritische Stellungnahme des Konzerns. Damit diene die Anzeige auch dazu, die Not der AIDS-Kranken zum wirtschaftlichen Vorteil des Konzerns auszubeuten, urteilte der BGH.
2003 hob das BVerfG auch dieses Verbot erneut auf [6].
Im Mai 2003 zog die ‚Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs‘ ihre die Verfahren auslösende Klage gegen das Benetton Werbung HIV Plakat zurück. Die gerichtliche Auseinandersetzung um das Motiv ‚HIV-positiv‘ fand endlich ihr überraschendes Ende.
Oliviero Toscani starb am 13. Januar 2025 im Alter von 82 Jahren.
Michelangelo Signorile, Aids-Aktivist und in den USA sehr bekannter Rundfunk-Moderator, stellt die Frage der Aids Veteranen, befasst sich in einem sehr lesenswerten Artikel mit dem Lebensgefühl von Schwulen über 40, die die Aids-Krise ‚überlebt‘ haben.
Ein mir wesentlich erscheinender Passus:
„Für Schwule über 40 ist es als seien wir aus einem Krieg zurückgekehrt, einem Krieg der den meisten weit weit weg und entfernt war, selbst als er stattfand – anders als die aktuellen Kriege der vergangenen zehn Jahre. Alle unter uns, die diese Phase von Aids mitmachten, haben heute mit Trauer und der Schuld der Überlebenden zu kämpfen. Manche kämpfen gar mit tieferen Narben und etwas das Posttraumatischen Belastungsstörungen nahe kommt. Vieles vermengt sich mit anderen Themen, wie der Frage des Älterwerdens. Aber, wie John Voelkers jüngst bemerkte, anders als für die Veteranen anderer Kriege gibt es für die Überlebenden des Aids-Kriegs keine Unterstützungsstrukturen, ganz zu schweigen von massenhafter Trauer wie bei Kriegsopfern oder anderen Denkmalen, Trauer über all die Tausenden die an Aids gestorben sind.“ [freie Übersetzung, UW]
Michelangelo Signoriles Artikel basiert auf seinem Beitrag für ein Symposium unter dem Titel „Ist das mein schönes Leben? Perspektiven von Überlebenden der Aids-Generation“ („Is this my beautiful life? Perspectives from survivors of the Aids generation“)
.
Michelangelo Signorile in New York während der (von ihm mit organisierten) Proteste gegen ‚Proposition 8‘ vor dem Lincoln Center Mormonen-Versammlungsraum (Foto: David Shankbone, Lizenz cc by-sa 3.0)
Viele von Signoriles Gedanken sagen mir einiges. Das Gefühl eines gepflegten (manchmal auch gelangweilten, seltener auch ruppigen) Desinteresses, das einem begegnet wenn man endlich doch einmal darüber sprechen mag, was für Verwüstungen Schmerzen Narben Aids im eigenen, in meinem Leben hinterlassen hat, und wie ich damit (oder auch nicht) klar komme. Die Gefühle stiller Bestürzung, wenn ich sehe wie (in welcher Form, an welchen Orten, zu welchen Zeiten, mit welcher Resonanz usw.) bei uns der an Aids Verstorbenen gedacht wird. Das Gefühl der Schuld des Überlebens (über das ich schon vor einigen Jahren kurz geschrieben habe). Usw usw. ‚Opa erzählt vom Krieg‘, nennen wir auf Positiventreffen schmunzelnd die Programm-Ecke, in der „altes Aids“ biographisch erzählt wird. Wenige bemerken, was alles in dieser ‚lustigen‘ Formulierung stecken mag. Auch wenn der begriff Aids veteranen befremdlich klingen mag … Die Aufarbeitung der ersten Aids-Jahre, wie sie in den USA nun beginnt (siehe das genannte Symposium), ist in Europa und Deutschland noch weitgehend unerforschtes Territorium …
Aids-Angst im Schwarzwald 2013. Die regionale Aids-Hilfe kann eine Beratungsstelle nicht eröffnen – der Vermieter knickt ein, eine Wohnungs-Eigentümerin im Haus habe ein „Veto“ eingelegt, aus Angst vor Junkies und Spritzen.
Die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg plant in Rottweil, der ältesten Stadt Baden-Württembergs und Mittelzentrum der umliegenden Kreis-Gemeinden, eine Beratungsstelle zu eröffnen. Bald ist ein geeignetes Ladenlokal gefunden, ebenerdig und barrierefrei. Der Vermieter sagt schriftlich zu, für den nahen 1. Juni 2013. Doch während die Aids-Hilfe sich um Förderung bemüht, kommt die Überraschung: statt eines Mietvertrages kommt die Absage des Vermieters. Die Besitzerin einer anderen Wohnung im Haus habe, so berichtet der ‚Schwarzwälder Bote‘, ein „Veto“ eingelegt, Begründung: ihre Angst dass „hier dann lauter Spritzen rumliegen“.
Blick auf Rottweil (Foto: Christoph Probst, public domain)
Blick auf Rottweil, Baden-Württemberg, Deutschland fotografiert vom Hochturm – Christoph Probst – Public Domain
Der Vorfall erinnert frappierend an ein Ereignis aus Berlin, aus dem Jahr 1986. Die frisch gegründete Deutsche Aids-Hilfe bezog in Berlin neue Räume, endlich raus aus dem ersten Büro, das ganze 10 m² ‚groß‘ war. Doch im neuen Gebäude gab es massiven Widerstand – andere Mieter schlossen sich zusammen, übten Druck auf Eigentümer und Vermieter aus. Die widerspenstigen anderen Mieter waren – Ärzte. Sie hatten Angst, um sich, um ‚die Gesundheit ihrer Patienten‘, und wohl auch um ihre Umsätze.
Im Gegensatz zum Vermieter im Schwarzwald 2013 war der Vermieter in Wilmersdorf 1986 resolut und aufgeklärt: er stand zu seinem Wort, setzte sich über die Beschwerden der anderen Mieter hinweg. Die deutsche Aids-Hilfe bekam und behielt ihren Mietvertrag.
Solche Courage scheint selbst 27 Jahre später im Schwarzwald zu fehlen. Der Vermieter steht nicht zu seiner schriftlichen Zusage, beugt sich vielmehr einem ominösen ‚Veto‘ einer Mit-Eigentümerin. Und der Vorsitzende des Aids-Hilfe-Vereins? Er gibt sich laut Bericht des ‚Schwarzwälder Boten‘ kämpferisch. Er würde sich am liebsten „reinklagen“ – leider trotz laut Anwalt guter Aussichten auf Erfolg aber nur im Konjunktiv. Auch 2013 noch.
.
Zum Welt-Aids-Tag 2012 habe ich für queer.de einen ‚Standpunkt‘ geschrieben mit dem Titel „Der alte Dämon Aids verliert seinen Schrecken“ … im Schwarzwald scheinen der Schrecken der Vergangenheit noch sehr real zu sein …
.
Aktualisierung 30.05.2013: Die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg hat inzwischen doch in Rottweil Räume anmieten können, an anderer Stelle, und eröffnet dort Anfang Juli 2013. Man fürchte den schlechten Einflusss auf eigene und Kinder in der Nachbarschaft, soll einer der geäußerten gründe für die Ablehnung seitens der vorherigen Vermieter gewesen sein, berichtet Bernd Ayasse vom Vorstand der Aidshilfe nach einem Gespräch mit einer der dortigen Bewohnerinnen. 06.06.2013: Seit dem 27.05.2013 ist die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg nach eigenen Angaben assoziiertes Mitglied der Aids-Hilfe Baden-Württemberg.
Verfolgung Homosexueller nach 1945 : in der Bundesrepublik ist sie bisher kaum aufgearbeitet. Gleich mit einem vierfach starken Zeichen geht nun Hamburg voran.
Die Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit von 1933 bis 1945 wird seit Jahren nach und nach aufgearbeitet. In manchen KZ-Gedenkstätten finden sich Tafeln oder Gedenksteine für verfolgte Homosexuelle. Seminare und Bücher untersuchen Aspekte der Verfolgung Homosexueller. Im Mai 2008 wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht.
Ganz anders die Verfolgung Homosexueller nach 1945 . Aufarbeitung: bisher weitgehend Fehlanzeige, besonders Aufarbeitung von offizieller Seite. Der berüchtigte Paragraph 175 (§175) galt in der Bundesrepublik (anders als in der DDR) weiterhin, in der von den Nazis 1935 verschärften Fassung. Justiz und Polizei verfolgten Homosexuelle weiter intensiv, ermittelten, klagten an, verurteilten zu Geld- und Haftstrafen, erfassten Schwule in Rosa Listen. Dieser Teil der Homosexuellen-Verfolgung, die Verfolgung Homosexueller nach 1945 , ist weitestgehend nicht aufgearbeitet.
Zwei Patronenhülsen mit der Post – die Botschaft, die ein Unbekannter dem offen schwulen Bürgermeister von Sigolsheim Thierry Speitel im Elsass zukommen ließ, war eindeutig.
Thierry Speitel ist seit 2008 (und derzeit in zweiter Amtszeit) Bürgermeister der Gemeinde Sigolsheim (knapp 1.200 Einwohner) im Elsass (Tal von Kaysersberg). Und er ist offen schwul (der einzige offen schwule Bürgermeister im Elsass). Vor wenigen Tagen wurde über ihn in einem Regionalblatt (Les Dernières Nouvelles d’Alsace) in Form eines Portraits groß berichtet. Dort berichtet Speitel, dass er die Forderung nach dem Recht auf Ehe für Homosexuelle unterstütze, und dass er sich selbst auch wünsche, seinen Partner heiraten zu können. Vielleicht wolle man sogar ein Kind adoptieren. Ebenfalls berichtete er in einer Sendung auf France 3 über seine Homosexualität.
In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden am Gebäude der französischen Aidshilfe-Organisation Aides in Paris im 10. Arrondissement homophobe Droh-Plakate geklebt.
Die Plakate zeigen eine vermummte Figur mit Schlagstock in eindeutiger Geste, mit dem Text „Souriez vous allez pouvoir vous marier“ („Lächelt – bald werdet ihr heiraten können„).
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktional
Immer aktiv
Der Zugriff oder die technische Speicherung ist unbedingt für den rechtmäßigen Zweck erforderlich, um die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Abonnenten oder Nutzer ausdrücklich angefordert wurde, oder für den alleinigen Zweck der Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Voreinstellungen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Nutzer beantragt wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Aufforderung, die freiwillige Zustimmung Ihres Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht zu Ihrer Identifizierung verwendet werden.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.