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Köln

Heinrich Böll Platz – Betreten verboten!

Heinrich Böll Platz – Betreten verboten

Köln: Betreten Verboten
Köln: Betreten Verboten (Foto: August 2006)

… hier immerhin nett formuliert …

Ist Deutschland eigentlich an Platz eins oder an Platz zwei auf der Liste der Länder mit den meisten “Betreten verboten” – Schildern?

Köln hat ein schönes Museum Ludwig (mit der sehenswerten Ausstellung ‚Das achte Feld‘ zu sexuellen Identitäten) und mit einer besonders schönen Philharmonie.
Diese Philharmonie liegt sozusagen im Keller des Museums, und auf ihrem Dach ist einer der sehr schön gelegenen Plätze des Museums, der Heinrich Böll Platz – direkt zum Rhein hin. Sehr schön, um hier spazieren zu gehen, Kaffee zu trinken – oder Skateboard zu fahren…

Was wiederum die Musiker in der Philharmonie in den Wahnsinn zu treiben scheint – denn gut gebaut wie das alles ist (in Köln wird nur gut gebaut) …

Köln Museum Ludwig / Heinrich Böll Platz
Köln Museum Ludwig / Heinrich Böll Platz

… werden die Schallwellen vom Platz direkt in die Philharmonie übertragen und stören bei Proben und Konzerten. Und deswegen kann man/frau bei jedem Konzert, bei jeder Probe das wunderbare Schauspiel beobachten, das auf obigen etwas dunklem Foto nur zu erahnen ist: Bedienstete der Philharmonie sperren den Platz ab, fordern alle Fußgänger (Skater erst recht!) auf, außen herum zu gehen.
Immerhin, Köln will ja modern und weltoffen sein, die Schilder gibt’s in drei Sprachen…

2022:
Bis heute darf bei Proben, Konzerten und Aufnahmen der Platz nicht betreten werden, die Einhaltung des Betretungsverbots wird überwacht. Diese Sperrung erfolgt nicht eben selten – sondern etwa 1.000 (!) mal im Jahr, berichten Medien 2008.

Eine nachträgliche Schallisolierung der Konzertsaal-Decke wäre möglich – doch mit Kosten von über 10 Mio. Euro wesentlich teurer als die Überwachung der Platzsperrung (über 100.000 € Kosten jährlich).

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Köln Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Das achte Feld

Ein riesiger ‚David‘ blickt vor dem Museum Ludwig über den Rhein. Eine pinkfarbene, neun Meter hohe Skulptur des Künstlers Hans-Peter Feldmann weist schon von weitem den Weg zur Ausstellung „ Das achte Feld “.

das achte Feld

Innen drin: Lass einmal deine herkömmlichen Vorstellungen außer Acht, gehe auf die Reise. Experimentiere, probiere aus. Alles ist möglich, nur nicht „das Normale“. Dazu scheint die Ausstellung „Das achte Feld“ ihre Besucher aufzufordern.

Als erstes unter den „großen“ der deutschen Kunstmuseen wagt das Kölner Museum Ludwig eine umfassende Schau künstlerischer Auseinandersetzung mit Formen sexuellen Begehrens jenseits des Hetero-Mainstreams.

Der Titel der von Frank Wagner kuratierten Ausstellung, das „achte Feld“, spielt dabei an auf das Schachspiel: rückt ein Bauer auf das achte Feld vor, kann er sich in jede andere Spielfigur verwandeln, auch in eine Dame – die stärkste Spielfigur im Schach. Dieser Wandel, der Bauer wird Dame, der Schwache wird zum Starken – die Ausstellungsmacher haben diesen „Geschlechterwechsel“ auf die Kunst übertragen und als Metapher verwendet für alle Möglichkeiten der Sexualität, die „außerhalb“ des heterosexuellen Mainstreams liegen, von Homo- bis Inter- und Transsexualität, Gender und Transgender, Queer und Travestie.

Die Ausstellung zeigt auf mehreren Etagen strukturiert in thematischen Feldern über 250 Werke von 80 Künstlern, darunter bekannte wie David Hockney oder Andy Warhol, aber auch für den ein oder anderen vielleicht erst zu entdeckende Künstler wie Piotr Nathan, Kaucylia Brooke oder Sunil Gupta.

Sehr intensiv haben mich selbst (wieder einmal) die Fotografien Nan Goldins berührt – besonders (auch: wieder) das Triptychon eines schwulen Paares, einer von beiden an Aids erkrankt; sowie eine Installation aus Klappen-Türen und Fotografien, die das Spannungsfeld zwischen dem Suchen nach schnellem Sex und der Sehnsucht nach Nähe thematisiert.
Einer meiner ersten Gedanken hinterher, nach Verlassen der Ausstellung: jetzt kommen Homosexualitäten schon ins (Kunst-) Museum. Ist das jetzt ein Fortschritt? Oder ein weiterer Hinweis auf die (selbst gewählte) Selbstauflösung des Schwulseins?

Das achte Feld – Leben und Begehren in der Kunst seit 1960
Museum Ludwig, Köln
noch bis 12. November 2006
weitere Informationen: Museum Ludwig

Zur Ausstellung ist ein Band mit Erzählungen erschienen („Feldforschung“, im Eintrittspreis der Ausstellung enthalten; erhältlich auch in der Edtion Suhrkamp): Thomas Meinecke berichtet anhand einzelner Exponate über historische Ereignisse, erzählt Geschichten und Geschichtchen von und zu Kunstwerken, Tief- und Vordergründiges, erweitert mit seiner ‚Feldforschung‘ diese Studie sexuellen Begehrens.

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Text 01.06.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Hamburg

Egal oder anders – CSD: Spielt doch keine Rolle …

Anfang August. Die Zeit der (aufgrund der Fußball- Weltmeisterschaft eh schon zahlreich verschobenen) schwul-lesbischen Hochämter geht dem Ende entgegen, am vergangenen Wochenende mit dem Hamburger CSD.

CSD Hamburg 2006: "Schwuchtel - Spielt doch keine Rolle"
CSD Hamburg 2006: „Schwuchtel – Spielt doch keine Rolle“

Ein CSD, auf den überall in der Stadt mit Plakaten aufmerksam gemacht wurde. In der schwulen Version: ein junger Mann Anfang 20 grinst uns nett an, grüne Jacke über dem T-Shirt, quer darüber in großem Lettern „Schwuchtel?“. ‘Na hoffentlich’, denkt der homophile Betrachter, nur um etwas weiter gen unterem Plakatrand zu erfahren „Spielt doch keine Rolle – Christopher Street Day Hamburg 2006“.
In der weiblichen Version lacht uns ein junges Mädchen unter weißem Brautschleier an, vor ihr groß „Kampflesbe?“, darunter die schon bekannte Antwort „Spielt doch keine Rolle“. Immerhin, ich muss grinsen, zwischen Brautschleier und Kampflesbe ein schönes Spiel mit (nicht nur heterosexuellen) Vorurteilen.

Nun hat der CSD in den vergangenen Jahren viel von seinen politischen Inhalten verloren; angesichts so manchen Homo-Spektakels fühle ich mich bald eher an Schützenfest oder Love Parade erinnert.
Und jetzt „Spielt doch keine Rolle“?

Schön wär’s, denke ich. Wäre es nicht toll, wenn Menschen nicht (mehr) nach ihrer Haut- oder Haarfarbe bewertet werden, danach wen sie lieben oder mit wem sie Sex haben? Sondern nach ihrem Selbst, nach ihrer Persönlichkeit? Klar, das wäre schön, denke ich.
Und stolpere gedanklich. Wie war das damals, Hamburg Anfang der 80er Jahre? Meine ersten CSDs? Schwulsein, mein Schwulsein, das hat damals eine Rolle gespielt. Hat vor allem auch für mich selbst eine Rolle gespielt.
Die CSDs, die ich besuchte, hießen noch Stonewall, hatten Inhalte (von Piratenradio über Coming-Out- und Selbsterfahrungs-Workshops bis zu gut besuchten Diskussionsveranstaltungen) und wurden von Demonstrationen begleitet. Schwulsein, das war (und in Teilen: ist) für mich auch eine Möglichkeit, Dinge im Leben anders zu gestalten, anders leben zu können als der bürgerlich-heterosexuelle Mainstream.

Nun gut, durchgesetzt hat sich heute anscheinend eine andere Denke, die weniger ausprobiert, Freiheiten nimmt und nutzt, vielmehr eine Denke, die -so scheint mir- bestrebt ist, so ähnlich, so angeglichen wie möglich zu sein.
Verloren gegangen ist dabei weitgehend die Idee, das Potential zu nutzen, das in Andersartigkeit liegen könnte, das Potential zu experimentieren, Neues zu versuchen, andere als die bereits breit ausgetretenen Wege zu gehen.
Das Hamburger Motto „Spielt doch keine Rolle“ bringt das für mich vielleicht ganz gut auf den Punkt. Sind wir schon so normal, so angeglichen, dass schwul, lesbisch oder hetero keine Rolle mehr spielt? Eine Frage der Kategorie „ist doch egal“ ist?

Da bleibt mir dann fast nur noch die erstaunte Frage, wenn’s doch eh’ keine Rolle spielt, wozu brauch ich dann überhaupt noch ‘nen CSD?

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Berlin

Irgendein Sonntag Abend

Sonntag früher Abend. Einer der Momente, für die ich diese Stadt liebe. Nach regnerischem Tag scheint endlich verhalten die Sonne. Leicht verpeilt, ganz leicht nur nach 3 Becks, komme ich aus dem Lab. Guten Sex gehabt, viele Leute da, einige wenige Bekannte, niemand zickig, sie wissen weswegen sie dorthin gehen. Spaß gehabt. An DDR-Hinterlassenschaften, Neuem Deutschland und Plattenbauten vorbei zum Ostbahnhof. S-Bahn zur Warschauer, dort rüber zur U-Bahn. Ein längst abgelegter Bekannter eilt vorbei, erwidere seinen flüchtigen „Hi Hi“ Gruß. In der U-Bahn gut gelaunte Menschen. Ein Uniformierter, aussehend wie was Fliegendes, fühlt sich unberechtigterweise von einem jungen Südeuropäer angerempelt, verzichtet aber mit säuerlicher Mine darauf, etwas zu sagen.