“Für die Vielfalt der Liebe – gegen Diskriminierung“ war das Motto von ‚Stonewall 1983‚ in Hamburg (dem, was heute CSD heißt) … natürlich auch mit großer Fete:

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“Für die Vielfalt der Liebe – gegen Diskriminierung“ war das Motto von ‚Stonewall 1983‚ in Hamburg (dem, was heute CSD heißt) … natürlich auch mit großer Fete:
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Generika? Das sind doch diese Pillen, bei denen Oma sich jedes mal in der Apotheke fragt, ob sie wirklich die gleichen Medikamente wie letztes Mal bekommt? Das hat doch nichts mit mir als HIV-Positivem zu tun. Oder? Oh doch, hat es – 2013 werden auch wir „Kontakt aufnehmen“, um es mit dem Titel eines Science-Fiction-Films zu sagen. Mit HIV-Generika nämlich, wirkstoffgleichen Kopien von HIV-Markenmedikamenten.
Arzneimittel haben nach ihrer Zulassung für eine bestimmte Zeit einen Schutz. Nur der Inhaber des Patentrechts darf die Substanz herstellen und vermarkten – eine Art ‚Monopol‘, mit dem der ‚Erfinder‘ geschützt werden soll. Nach Ablauf des Patentschutzes (Marktexklusivität in der EU bei Medikamenten i.d.R. 15 Jahre nach Erstzulassung) darf der Wirkstoff auch von anderen Unternehmen hergestellt werden.
Generika spielen bisher in der HIV-Therapie bei uns keine große Rolle. Zwar ist schon bei einigen Substanzen der Patentschutz auch in Europa ausgelaufen, so bei Zidovudine (AZT) im Jahr 2006, Didanosin (ddI) 2006, Saquinavir sowie Lamivudine (3TC) 2011 und Stavudin (d4T) 2011. Kaum ein HIV-Positiver allerdings nimmt diese Medikamente heute noch im Rahmen seiner Kombinationstherapie ein.
Im Juni 2013 jedoch verliert Nevirapin den Patentschutz, ein häufig verordnetes HIV-Medikament, das gemäß den Europäischen Therapieleitlinien auch für den Therapiebeginn empfohlen wird. Dann können auch andere Unternehmen die Substanz, die bisher exklusiv vom Pharmakonzern Boehringer Ingelheim unter dem Handelsnamen Viramune® vermarktet wird, herstellen und auf den Markt bringen.
Erste Hersteller, so ist zu hören, stehen bereits in den Startlöchern, um den für sie interessanten Markt zu bedienen. Das dürfte zu einem sinkenden Preis führen, vermutlich auch beim Original-Präparat Viramune®.
Und Nevirapin ist erst der Anfang. Bereits im November 2013 folgt Efavirenz. Bisher wird die Substanz unter dem Handelsnamen Sustiva® (in manchen Staaten auch unter dem Handelsnamen Stocrin®) vermarktet. Enthalten ist sie auch im Kombinationspräparat Atripla®. Auch hier gilt: ab November 2013 können generische Versionen von Efavirenz in Europa vermarktet werden. Und ein israelischer Generika-Hersteller soll bereit stehen, ab dem Tag des Patent-Endes auch tatsächlich Efavirenz-Generika liefern zu können.
Ritonavir (Handelsname Norvir®) verliert ebenfalls Ende 2013 den Patentschutz (allerdings nur in der Kapsel-Formulierung, die hitzestabile Pille ist weiterhin patentiert). Und in den kommenden Jahren folgen weitere Substanzen: Abacavir (Handelsname Ziagen®) Anfang 2016, Lopinavir (Kaletra®) Ende 2016. Und 2017 dann Tenofovir (Viread®, auch in Truvada®, Atripla® und Eviplera®).
Nun könnten Tom Positiv und Vera Positiva denken: Was geht mich das mit den Patenten und dem Generika an.
Nun, das geht ihn, sie, uns vermutlich recht bald ‚was an‘.
Schon bald werden Handelsnamen, die uns lange begleiteten, vielleicht seltener auftauchen. Wir werden uns stattdessen an andere Namen gewöhnen müssen, an die INN, die International Nonpropietory Names, die bei der Welt-Gesundheits-Organisation WHO registriert sind und weltweit und Hersteller-unabhängig gelten (wie ‚Nevirapin‘ für den Wirkstoff des Präparats, das bisher unter dem Namen Viramune® patentgeschützt war).
Doch die Veränderungen, die sich durch die Verfügbarkeit von Aids-Generika ergeben, werden weitreichender sein als reines ‚Name-Dropping‘:
Bisher interessiert sich kaum ein HIV-Positiver für die Kosten seiner Kombi und Therapie. Das dürfte sich ändern, Diskussionen dürften aufkommen, denn Generika kosten oftmals nur einen Bruchteil des Preises patentgeschützter Medikamente.
Krankenkassen werden sich vermutlich bald die Frage stellen, warum sie teure patentgeschützte Aids-Medikamente zahlen sollen, wenn es doch vielleicht auch Generika tun würden?
Das könnte auch Ärzte unter Druck setzen, wenn sie weiterhin teure Patent-Medikamente verordnen? Ist der Vorteil der Therapie mit den „Originalmedikamenten“ wirklich so gravierend, dass er die Mehrkosten wert ist? Die bisherige Therapie-Freiheit könnte angesichts der Kosten-Diskussion in Gefahr geraten. Kein rein abstrakter Gedanke, wie ein Beispiel zeigt:
Kein rein abstrakter Gedanken, wie ein Beispiel zeigt:
Nehmen wir an, Tom Positiv nimmt heute Atripla®. Bei Atripla® kostet eine Monats-Ration (30 Tage) derzeit 1.239,86 Euro.
Atripla® ist eine Kombi-Pille aus den Substanzen Emtricitabine, Tenofovir und Efavirenz. Efavirenz verliert im kommenden November seinen Patentschutz, und Emtricitabine (das weiterhin Patentschutz hat) ließe sich leicht durch das äußerst ähnliche Lamivudine (Patentschutz abgelaufen) ersetzen. Tom Positiv könnte also vielleicht anstelle von Atripla® auch generisches Efavirenz, generisches Lamivudin sowie (weiterhin patentgeschütztes) Tenofovir einnehmen. Kostensenkungen von über 50% seien auf diese Weise möglich, kalkulieren Forscher, bei nahezu gleicher Wirkung … wenn der Patient statt einer nun zwei oder drei Pillen nimmt.
Das Kostensenkungs-Potential scheint beträchtlich: Forscher haben in den USA bereits genauer ausgerechnet [1], welchen Betrag das US-Gesundheitssystem sparen könnte, wenn statt Atripla® zukünftig generische Versionen von Lamivudin sowie Efavirenz plus (weiterhin patentgeschützes) Tenofovir verordnet werden würden. Ihr Ergebnis: 920 Millionen US-Dollar – jährlich. Dimensionen, bei denen auch das Gesundheitssystem in Deutschland sich Fragen stellen wird …
Generische Versionen von Aids-Medikamenten werden vermutlich bald auch bei uns Teil der Lebensrealität HIV-Positiver werden. Und sie könnten zu weitreichende Konsequenzen führen. Die Kosten einer Therapie werden mehr zum Thema werden. Die Gefahr besteht, dass Therapie-Entscheidungen nicht mehr nur aus medizinischen Gründen getroffen werden, sondern zunehmend auch wirtschaftliche Aspekte einfließen. Und mittelfristig die Therapiefreiheit in Bedrängnis geraten könnte.
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[1] R.P. Walensky et al.: The clinical and economic impact of a generic first-line antiretroviral regimen in the U.S.. XIX International Aids Conference, Washington 2012, abstract
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Text für das Blog der Deutschen Aids-Hilfe, dort veröffentlicht am 08.01.2013
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Nachtrag
26.02.2013: Substanzen, die es lange am Markt geht, kann es auch anders ergehen: Zulassung erloschen statt Generika. So der Fall bei dem Proteasehemmer Nelfinavir (vom Pharmakonzern Roche unter dem Handelsnamen Viracept® vermarktet). Für Nelfinavir erlosch die Zulassung für die Europäische Union zum 23. Januar 2013, die EMA (European medicines Agency) vermeldet zu der Substanz trocken „This medicine is now withdrawn from use in the European Union“.
28.03.2013: „Erstes HIV-Generikum auf dem deutschen Markt„, berichtet die DAH am 28.3.2013.
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Stonewall Hamburg – Schwule und Lesben gehen auf die Straße, in Hamburg Anfang der 1980er Jahre unter dem Namen „Stonewall“, der an die Aufstände Schwuler gegen Polizei-Willkür und Unterdrückung in New York 1969 erinnert, die vom Stonewall Inn ausgingen. Der ersten „Homosexuellen Aktionswoche“ (auch: „Hamburger Stonewall-Aktionswoche“) 1980 mit der erfolgreichen Abschluss-Kundgebung (1.500 Teilnehmer/innen) und einer breit durch die Medien gehenden Aktion gegen Rosa Listen und Schwulen-Überwachung (‚Hamburger Spiegel-Affäre‚) folgten weitere unter dem Namen ‚Stonewall‘ in den folgenden Jahren.
Die zweite Hamburger ‚Stonewall-Demonstration‘ fand 1981 statt, während des Deutschen Evangelischen Kirchentags (mit verdoppelten Teilnehmer/innen-Zahlen). Allerdings stand Stonewall 1981 (‚Hamburger Lesben- und Schwulenwochen, 14. – 27. Juni 1981) auch für eine weitere Entwicklung: Streit unter den Veranstaltern. Stonewall 1980 war noch von einem breiten Bündnis Hamburger Schwulen- und Lesbengruppen (dem HLSV Hamburger Lesben- und Schwulenverbund) veranstaltet worden. 1981 brach jedoch ein Konflikt [letztlich der darum, wie ‚alternativ‘ oder wie ‚angepasst‘ Schwulen-Bewegung sein solle] offen aus – eine Gruppe um Corny Littmann, Teile des Hamburger Tuntenchors, der HAH sowie anderer spaltete sich ab und veranstaltete vom 14. bis 27. Juni 1981 die ‚Lesben- und Schwulentage Interschwul‚. 1981 gab es zwei Schwulen- und Lesben-Demonstrationen: Stonewall 1981 und Interschwul.
Der Wechsel von Stonewall ’82 (unter dem Motto „Für das Recht auf Homosexualität„, Veranstalter UHA) zu Stonewall ’83 (Motto: „Für die Vielfalt der Liebe – gegen Diskriminierung„) stand dann auch für den großen Schritt von einem einzigen Veranstalter wieder zu einer Gemeinschaftsveranstaltung vieler Hamburger Lesben- und Schwulengruppen.
Die „Schwusel-Nachrichten“ (Nr. 2/1983) vermelden:
„Stonewall ’83 wird zum ersten Mal von ALLEN Schwulen- und Lesbengruppen Hamburgs organisiert und durchgeführt. Bisher war es die UHA, die organisierte, Programme erstellte, Gruppen ansprach, Öffentlichkeitsarbeit machte und sich überhaupt um den ganzen Kram, der zu solchen Wochen gehört, kümmerte.
Dieses Jahr wird alles anders?
Trotz der großartigen Arbeit der UHA zu Stonewall in den letzten Jahren ist es ein guter Schritt, wenn das Forum Hamburger Lesben und Schwule (FHLS) jetzt die ganze Vorbereitung in die Hand nimmt.“
Doch der Wechsel vom Einzel-Veranstalter UHA zum Forum FHLS 1983 verlief weitaus nicht ohne Reibungen:
„Die Zusammenarbeit mit der UHA hätte besser sein können; sie hat uns nicht ihre Erfahrung konstruktiv zur Verfügung gestellt, aber dafür sind viele (neue) Ideen gekommen, die diese Schwulen-, Lesben-, Transi-, Pädo- Wochen bunter und vielleicht auch interessanter machen als zuvor.“
Der Name ‚Stonewall‘ blieb den Hamburgern noch einige Jahre erhalten für Schwulen- und Lesben-Demonstrationen. 1989 allerdings musste Bea Trampenau (Schwusel, Intervention e.V.) die Teilnehmer/innen [wie Bernd Rosenkranz in ‚Hamburg auf anderen Wegen‘ berichtet] auffordern, sich zu verteilen – damit der Demonstrationszug nach mehr Teilnehmern aussähe. Das Konzept vieler Wortbeiträge, Grußbotschaften und Statements aller denkbaren Gruppierungen ging zunehmend an den Interessen Hamburger Schwulen und Lesben vorbei.
1992 wurde ein Neu-Anfang gestartet – zunächst rein schwul, ohne Lesben-Beteiligung. Auch der Name ‚Stonewall‘ wurde gestrichen – von nun an hieß es statt Stonewall Hamburg schlicht ‚Christoper Street Day‘ (CSD), 1992 unter dem Motto ‚Das Wärmste im Norden‘.
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Der Konflikt, der 1981 um ‚Stonewall‘ offen zutage trat, befasste sich letztlich mit der Frage, soll Schwulen- und Lesbenpolitik Alternativen aufzeigen, experimentieren, Chancen des ‚Andersseins‘ nutzen (auch zu dem preis,. dass sich nicht alle Homosexuellen darin wiederfinden) – oder soll Schwulen- und Lesbenbewegung möglichst viele Homosexuelle mit einbeziehen, und entsprechend weniger radikal, angepasster, bürgerlicher sein, auch in Auftreten und Angeboten? Vertreter beider Linien schafften es 1981 nicht mehr, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, Unterschiede zu leben und dennoch Gemeinsamkeiten zu nutzen. Statt Gemeinsamkeiten wurde oft Trennendes kultiviert, zelebriert.
Dieser Konflikt (der nicht nur in Hamburg die damalige bundesrepublikanische Schwulenbewegung beschäftigte) durchzog in den Folgejahren viele Hamburger schwulenbewegte Prozesse. Auch die Gründung des Magnus-Hirschfeld-Zentrums 1982 durch eine einzige Gruppe ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Ein Konflikt, der viele Resourcen band, viele Energien verbrauchte und viele Aktive zermürbte.
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James Franco (‚Planet der Affen: Prevolution‘) dreht derzeit zusammen mit Travis Mathew die vernichteten 40 Minuten des 1980er Skandal-Films ‚Cruising‘ nach. Ein erster Trailer ist nun veröffentlicht.
Bei seinem Erscheinen (und zuvor schon bei den Dreharbeiten) löste Friedkins Film ‚Cruising‘ massive Proteste aus. Schwulen-Aktivisten warfen dem Film eine homophobe Grundhaltung vor.
Die Kritik an Friedkins ‚Cruising‘-Verfilmung richtete sich vor allem auf drei Punkte: die Gleichsetzung von schwuler Subkultur und Gewalt, die heterosexualisierte Sicht auf Schwule sowie besonders, dass die Hauptperson des Films mit dem Entdecken der eigenen Homosexualität psychotisch wird und zu morden beginnt. Als Beispiel einer möglichen anderen Darstellung wurde oft Felice Picanos Roman ‘The Lure’ (Dt. ‚Gefangen in Babel‘ und ‚Der Köder‘) gesehen, ein Zeugnis schwulen Selbstbewusstseins in den 1970ern.
‚Cruising‚ -Regisseur William Friedkin selbst wies darauf hin, dass der Film zunächst länger gewesen sei. Um eine bessere Einstufung der Behörden zu bekommen als das ursprüngliche X-Rating (‘aufgrund sexueller oder gewalttätiger Inhalte nicht für Jugendliche geeignet’), habe er etwa 40 Minuten mit Szenen aus New Yorker Schwulen-Bars entfernt, überwiegend Sex-Szenen. Diese entfernten Szenen gelten als vernichtet und endgültig verloren.
Diese verlorenen 40 Minuten vesuchen Franco und Travis nun nachzuempfinden bzw. neu zu interpretieren.
Ob bzw. wann ‚Interior. Leather Bar‘ (abseits von Festivals) jemals in die Kinos kommt (geschweige denn in Deutschland), ist derzeit unklar. Premiere soll auf dem Sundance Film Festival im Januar 2013 sein.
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taz 20.03.2012: Regisseur Travis Mathews über Pornos: „Das ist fast schon Punk“
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Spiegel-Affäre Hamburg: Polizei überwacht Schwule auf Klappen durch Einweg-Spiegel – In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1980 zerschlagen Schwule in Hamburg auf der Klappe am Spielbudenplatz einen Überwachungsspiegel, die Polizei muss die Existenz und Führung von ‚Rosa Listen‘ einräumen.
‚Rosa Listen‚ waren ein zentrales Element der Erfassung und Verfolgung von Homosexuellen. Polizei und Verfassungsschutz sammelten Daten über Homosexuelle, legten systematische, fortlaufend ergänzte und ausgewertete Karteien Homosexueller an – sie führten so genannte ‚Rosa Listen‚.
Basis dieser ‚Rosa Listen‘ war neben Razzien in Bars u.a. die Überwachung von Treffpunkten Homosexueller, u.a. Parks und öffentliche Toiletten (aka Klappen).
Ihren ‚Höhepunkt‘ erreichten die ‚Rosa Listen‘ vermutlich in der NS-Zeit nach der Verschärfung des Paragraphen 175 mit der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität’ – über 33.000 Personen seien in ihren Karteien erfasst, teilt das ‚Jahrbuch‘ 1939/40 mit; für die Zeit ab 1940 sprechen Historiker von 41.000 bis 95.000 erfassten Männern. Die ‚Rosa Listen‘ wurden zur Basis einer umfangreichen Verfolgung und Bekämpfung Homosexueller.
Ab 2013 möchte ich im Newsletter der Hannchen Mehrzweck Stiftung hms über von der hms geförderte Projekte berichten. Hierzu hat Josch Hoenes von der hms das folgende Interview mit mir geführt, das im aktuellen Newsletter (4/2012, pdf) der hms veröffentlicht ist:
Hoenes: Wie bist Du auf die Stiftung aufmerksam geworden? Und was findest Du an ihr so gut, dass Du angeboten hast, uns durch ehrenamtliches Engagement zu unterstützen?
Würdemann: Die hms kenne ich seit langem „aus der Ferne“. In ihrem Leitbild formuliert die hms als Ziel ihres Stiftungshandelns „Freiräume für subversive Praktiken zu schaffen bzw. zu erhalten“ – das ist z.B. einer der Punkte, die ich an der Arbeit der hms schätze.
Ich habe oft das Gefühl, wir sind auf dem Weg, viel zu „mainstreamig“ zu werden, viel zu angepasst. Emanzipation ist in meinen Augen mehr als ‘nur’ Anpassung an bestehende Verhältnisse. Ich habe in meinem Schwulsein oft auch eine Chance gesehen, nicht von vornherein alles so zu machen, wie es der ‘heterosexuelle Standardweg’ vorzuzeichnen scheint, sondern Anderes auszuprobieren. Ich wünsche mir, dass neben dem Fordern nach gleichen Rechten auch heute wieder mehr experimentiert wird mit den Chancen „anders“ zu sein, zu leben, andere als die etablierten Wege zu gehen.
Dies braucht natürlich auch entsprechende Strukturen, Wissen, Konzepte, Projekte. Dass die hms hier fördert, finde ich wichtig. Und mit ihrer Förderung ermöglicht sie ja gerade unabhängigeres Agieren, unabhängig z.B. von staatlichen Geldern und Auflagen – und ist damit auch dem Gedanken der Selbsthilfe sehr nahe.
Hoenes: Ich finde sehr wichtig und einleuchtend, was Du zu Mainstreaming sagst und zur Notwendigkeit, auch die Chancen zu sehen, die andere Wege und Arten und Weisen zu leben bieten. Kannst Du das – vielleicht an ein oder zwei konkreten Beispielen – noch etwas ausführen? Gibt es aus Deiner Sicht aktuell bestimmte Themen, Probleme oder Bereiche, in denen es besonders wichtig wäre, nach anderen Wegen zu suchen?
Würdemann: Nun, zum Beispiel die Frage, wie wir zusammen leben. Seit vielen Jahren dominiert hier die ‘Homo-Ehe’ fast alle Debatten. Die Möglichkeit fordern, dass auch Schwule und Lesben eine Ehe schließen können mit allen Rechten und Pflichten, wie sie auch Heteros haben, kann ich nachvollziehen. Allerdings scheint mir, dass sich die Debatte sehr auf die Frage der Ehe verengt hat bis hin zur Forderung nach Ehegatten-Splitting. Die Debatten um die Homo-Ehe wirken auf mich so, als sei die Homo-Ehe die einzig denkbare Form des Zusammenlebens zweier oder mehrerer nicht-heterosexueller Menschen. Diese freiwillige Reduzierung unserer Möglichkeiten wundert mich schon. Dabei gäbe es so viele andere Möglichkeiten oder Freiräume zum Erkunden und Experimentieren.
Ähnlich empfinde ich die allgemeinpolitische (nicht parteigebundene) überregionale Interessenvertretung von LGBTIQ als sehr eingeengt. Seit dem Ende des BVH gibt es nur einen Verband. Kann ein einziger Verband die gesamte Bandbreite der Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Queer abdecken? Und wie sieht die Realität aus? Eine größere Vielfalt z.B. an Ideen und Konzepten, besonders in der politischen Interessenvertretung und auch abseits eingetretener Pfade, scheint mir hier wünschenswert.
Ich habe zudem den Eindruck, wir schmoren immer wieder gern „im eigenen Saft“. Der eine oder andere „Blick über den Gartenzaun“, ein weiterer Horizont täte uns ganz gut. In Frankreich, Großbritannien, den USA und sicher auch vielen anderen Staaten tut sich einiges an spannenden Ideen – mehr Austausch, z.B. auch mehr europäische Blicke, Debatten, könnten bestimmt auch die LGBTIQ-Gruppen hier befruchten.
Hoenes: Die hms fördert Projekte aus einem breiten Spektrum von LGBTIQ-Bewegungen. Fühlst Du Dich diesen oder Teilen dieser Bewegungen verbunden und bist Du selbst dort aktiv oder aktiv gewesen?
Während und nach meinem Studium war ich in Schwulengruppen aktiv. Ich habe z.B. in Bremerhaven damals die erste Schwulengruppe mit gegründet, war dann in Hamburg bei der schwullesbischen Schüler- und Jugendgruppe. Später habe ich mich bei der Gründung des Kölner Lesben- und Schwulenzentrums SCHULZ engagiert und dort auch Veranstaltungsreihen organisiert (wie in Köln zum Thema Antifaschismus).
Ende der 1980er Jahre bin ich aufgrund der Aids-Krise (wie viele schwule Männer damals) von der Schwulenbewegung zum Aids-Aktivismus gewechselt. Zunächst bei ACT UP (einer Aids-Aktionsgruppe), später dann im Therapie-Aktivismus, um Therapien gegen HIV und Aids und Informationen darüber schneller verfügbar zu machen und die Interessen von Menschen mit HIV in Forschung und Studiengestaltung einzubringen. Daraus haben sich dann verschiedene Informations-Angebote zu HIV und zum Leben mit HIV ergeben, wie die ‘HIV Nachrichten’ oder in den letzten Jahren ondamaris.
Hoenes: Du wirst für uns in unserem Newsletter über die Stiftungsarbeit berichten und bist auch sonst journalistisch tätig. Gibt es bestimmte Dinge, die Du mit Deiner Arbeit erreichen möchtest und/oder, die Dir daran sehr wichtig sind?
Würdemann: Meine eigenen Projekte, wie ondamaris, sind auch aus der Idee heraus entstanden, Autonomie zu stärken – Menschen (bei ondamaris eben: Menschen mit HIV) möglichst umfassende und breite Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu ermöglichen, damit sie für sich und ihr Leben selbst eigene informierte Entscheidungen treffen können.
Ähnlich könnte ich mir vorstellen, dass es auch für Projekte und Initiativen im LGBTIQ-Bereich sinnvoll sein könnte, mehr darüber zu erfahren, an welchen Ideen und Projekten andere arbeiten – eben auch durch größere Öffentlichkeit und Informationen über diejenigen Projekte, die die hms gefördert hat (und vielleicht auch zukünftig da, wo es passt, was z.B. im Sinne eines ‘nachgefragt’ aus ihnen geworden ist).
“ The King’s Speech – die Rede des Königs “ wird seit 20. November 2012 (und inzwischen verlängert bis 11. April 2013) im Hamburger St. Pauli Thetaer gespielt – eine sehenswerte Inszenierung.
Eher unfreiwillig kam Georg VI. 1936 auf den Thron – sein Bruder Edward VIII. hatte u.a. seiner Beziehung zu Wallis Simpson zuliebe am 11. Dezember 1936 abgedankt. Glücklich war George VI. zunächst nicht über diese neue Rolle – öffentliche Auftritte, öffentliche Reden waren ihm eine Qual – seit seiner Kindheit stotterte er. Doch Lionel Logue, australischer Sprachtherapeut, bereitete ihn vor, und untersützte ihn auch in seiner Amtszeit als König.
George VI. und Lionel Logue, Bernie und Lionel – ihre Geschichte, die sich zu einer Freundschaft entwickelt, steht im Mittelpunkt von ‚The King’s Speech‘. Das Stück des britisch-US-amerikanischen Drehbuch-Autors David Seidler hatte im Frühjahr 2012 in London Uraufführung und wird seit 20. November 2012 in deutscher Uraufführung im Hamburger St. Pauli Theater (Regisseur: Michael Bogdanov) gespielt.
Das Stück ist boulevardhafter inszeniert als der Film, jagt manchmal zu sehr jeder Möglichkeit auf einen Lacher hinterher. Die teils sehr hektische und (besonders in ‚harten‘ Schnitten) an Film erinnernde Szenenfolge vermittelt einen effekthascherischen Eindruck – das Publikum würde vieles auch ohne Szenen- und Bünenbildwechsel im Minutentaklt verstehen. Das Bünenbild allerdings, über wiegend auf Hinterwandprojektion aufbauend, beeindruckt. Ebenso die teils grossartigen Schauspieler, besonders Marcus Bluhm als Bernie / Prinz Albert / König Georg VI. sowie Boris Aljinovic als Lionel. Bemerkenswert: anders als der Film geht die Hamburger Inszenierung stärker auf die politischen Dimensionen der Vorgeschichte der Krönung Georg VI. ein.
Auch wer (wir wir) den (mit vier Oscars ausgezeichneten) Film gesehen hat, erlebt in der Aufführung im St. Pauli Theater einen amüsanten, unterhaltsamen Abend.
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St. Pauli Theater, Hamburg:
The King’s Speech
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Den schönen Abend haben wir Uwe zu verdanken – der aufgrund Erkältung nicht ins Theater konnte, und den wir kartenmäßig ‚beerbten‘ – Danke, und gute Besserung!
Urheberrecht, Lizenzen und Lizenzgebühren … was heute (immer noch) ein heißes Thema von Kulturindustrie, Künstlern, Produzenten und Medien ist, intereressierte in den 1990er Jahren in manchen Staaten in Südostasien scheinbar kaum jemanden.
Eine weitere Trouvaille meiner Stöber- und Aufräum-Aktion zeigt dies: Musik-Kassetten, die ich 1993 in Malaysia (in Kuala Lumpur und Johor Bahru) legal kaufte (ich war dort im März bis Juni 1993 geschäftlich):
Interpreten, Titel, Hersteller in Malaysia – alles wird genannt. Nur keinerlei Informationen in Richtung Urheberrechte …
Die ‚Music Authors‘ Copyright Protection (MACP) Berhad‘ wurde erst im September 1989 gegründet.
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PS:
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