Terre des Femmes – Menschenrechte für die Frau e.V. fordert in einer Pressemitteilung, die Bundesregierung solle „umgehend weitere Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Prostituierten“ beschließen. Die Schließung von Prostituionsstätten wurde begrüßt.
„Es kann nicht sein, dass man Prostituierte, die in einem Bordell tätig sind, von heute auf morgen im Stich lässt. Die meisten werden nicht von dem deutschen Sozialsystem aufgefangen und rutschen in prekäre Verhältnisse ab“, so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES. „Eine plötzliche Schließung von Bordellen, wie sie jetzt verordnet wurde, führt zur sozialen Katastrophe für betroffene Frauen. Sie muss unbedingt durch weitere Sozialmaßnahmen begleitet werden. Deswegen fordern wir als Frauenrechtsorganisation auch das sog. ‚nordische Modell‘, als Ausweg aus der Prostitution: weil es wichtige flankierende Maßnahmen mit sich bringt, wie die Bestrafung der Sexkäufer, um die Nachfrage nach käuflichem Sex zu senken und gutfinanzierte Ausstiegsprogramme für Prostituierte.“ [Pressemitteilung Terre des Femmes]
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Die Deutsche Aids-Hilfe DAH hatte dementgegen – damals noch ohne Bezug auf die Corona-Krise – Anfang Januar 2020 das ‚nordische Modell‘ abgelehnt.
Das Angebot sexueller Dienstleistungen werde durch ein Sexkaufverbot nicht weniger, sondern verlagere sich ins Verborgene, so die DAH. Prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse würden verschärft, die Betroffenen würden weiter marginalisiert. [Pressemitteilung DAH]
Das Coronavirus Sars-CoV-2 und seine (möglichen) Folgen (insbes. COVID-19) verändern derzeit massiv unsere Gesellschaft, unser Miteinander. Zwei Schlagworte kennzeichnen die grundlegende Entwicklung derzeit: „freiwillige soziale Distanz“ und „Einschränkung demokratischer Bürgerrechte„.
zweitens: ich lasse mir meine Bürgerrechte nicht auf Dauer nehmen
Coronavirus und Bürgerrechte – Freiheitseinschränkende Maßnahmen werden in atemberaubendem Tempo beschlossen. Bürgerrechte und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Ausgangssperren schon für ‚möglich‘ erklärt (§28 Infektionsschutzgesetz).
Maßnahmen, kaum von kritischer Debatte begleitet.
Was noch vor ganz kurzer Zeit unvorstellbar war, scheint heute neue Normalität.
Mit „freiwilliger sozialer Distanz„, Ausgangs- und Versammlungsverboten ist auch gefährdet – eine Grundlage unserer Demokratie. (Und das Internet ersetzt dies nur marginal und bei weitem nicht für jede:n).
Wir verlieren immer mehr an persönlicher Freiheit, an Autonomie, an Grundrechten, an – gesellschaftlichem Leben.
Coronavirus und Bürgerrechte – die Agora (Markt- und Versammlungsplatz), Merkmal der Polis und Ort der Bürgerrechte Athens Roman Agora 4-2004 1 – open street map – Lizenz CC BY-SA 3.0
Nein wir sind nicht die Borg. Totale Assimilation, gleiches Verhalten (siehe oben, einheitliche Strategie, einheitliche Führung) ist nicht unser Ziel. Verraten wir nicht unsere jeweils eigene Individualität. Unsere Bürgerrechte.
Wie oben: in der momentanen Situation mag das angebracht sein – aber was ist damit auf lange Sicht?
Die beschlossenen Einschränkungen könnten notfalls zwei Jahre in Kraft bleiben, lässt uns das RKI am 17. März wissen [Tageschau LiveBlog 17.3., 11:02]. Es bezeichnet das als ‚Extremfall‘ – aber wieviele Maßnahmen, die noch letzte Woche extrem schienen, sind längst Realität …
Was macht es mit einer Gesellschaft, mit unserer Gesellschaft, auf längere Zeit mit dermaßen grundlegenden Einschränkungen zu leben?
Passen wir auf dass unsere demokratischen Rechte nicht unterhöhlt werden.
Sorgen wir dafür dass wir weiterhin die Möglichkeit haben unsere Bürgerrechte auszuüben. Uns zu versammeln, uns auszutauschen, zu diskutieren und vor allem auch zu streiten, verschiedener Meinung zu sein.
Gibt es überhaupt irgend eine Exit-Strategie aus der Einschränkung der Bürgerrechte? Wie sieht die aus? Wann greift sie?
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Herzlichen Dank an Jan und Marcel für Anregungen !
Das Coronavirus Sars-CoV-2 und seine (möglichen) Folgen (insbes. COVID-19) verändern derzeit massiv unsere Gesellschaft, unser Miteinander. Zwei Schlagworte kennzeichnen die grundlegende Entwicklung derzeit: „freiwillige soziale Distanz“ und „Einschränkung demokratischer Freiheitsrechte„
In der derzeitige Situation scheint beides sinnvoll zu sein, angesichts der epidemiologischen Lage. Das Problem, scheint mir: beides wird wohl nicht eine Frage von wenigen Tagen sein, sondern eher auf länger.
Das wirft Fragen auf …
Erstens: ich bin ein soziales Wesen
Schon laut Aristoteles ist der Mensch ein ‚zoon politikon‚, ein ‚Lebewesen in der Polis-Gemeinschaft‘, ein soziales politisches Wesen.
Ich bin ein soziales Wesen. Und als soziales Wesen bin ich auf den Austausch und die Gemeinschaft mit anderen Menschen angewiesen. Lassen wir im weiteren einmal außer Acht dass ‚soziale Distanz‚ #stayathome für eine Strategie der Eindämmung mir keine sonderlich gelungene Formulierung scheint. ‚Freiwillige körperliche Distanz‘ schiene mir zutreffender.
Wir lassen uns unsere Räume nehmen, ob für Spaß Trinken Tanzen oder für gemeinsames Denken Hoffen und kritische Reflektion. Nein, wir lassen sie uns nicht nehmen, wir verzichten sogar freiwillig auf sie.
Wir tragen damit zum Schutz derer bei, die besonders gefährdet sind. Und das ist gut. Und das ist solidarisch.
Nur – was ist, wenn das ein Dauerzustand wird? Ich bin kann mir nicht vorstellen, auf Dauer auf Kontakte mit Freunden und auch auf Liebe und Leben mit Partner:in, Freud:innen, Geliebten nahezu völlig zu verzichten.
„Solidarität indem wir Abstand halten“, kann das wirklich auf längere Zeit eine Devise für unsere Gesellschaft sein?
Es muss nicht gleich Berghain oder Bierzelt sein – aber fast gar kein soziales Leben, das scheint mir für einen längeren Zeitraum nicht vorstellbar, zumindest nicht wenn ich mit ‚Leben‘ auch ‚Lebensqualität‘ verbinde.
Zwischen nahezu völliger ’sozialer Isolation‘ und ‚grenzenlosem Partyleben in Eng-Kontakt‘ muss und wird es Zwischenstufen geben. Und manche von ihnen sind vielleicht auch epidemiologisch vertretbar. Suchen wir nach ihnen …
Und – wollen wir ernsthaft glauben, Solidarität bestünde in sozialer Isolation?
’soziale Distanz‘ und Egoismus
Nur am Rande gedanklich erwähnen möchte ich die Frage welch egoistische Dimensionen diese Isolation enthalten könnte. Wir ziehen uns zurück, auf unsere eigenen Möglichkeiten an Zukunft.
Was ‚da draußen‘ vor der Haustür unserer ’sozialen Isolation‘ geschieht, gerät fast völlig in Vergessenheit.
seien es Menschen in prekären Situationen
oder mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus hierzulande,
Große Mobilfunk-Unternehmen in Europa geben Mobilfunkdaten für Bewegungsprofile an nationale und EU-Institutionen weiter. Ziel ist die Unterstützung der Coronavirus-Epidemie.
Das größte Tekekommunikations- Unternehmen in Österreich A1 hat, wie zahlreiche Medien am 17. März 2020 berichten, zur Coronavirus-Epidemie die Bewegungsprofile aller Handy- Nutzer:innen anonymisiert an die Regierung gegeben. Ohne rechtliche Grundlage, aus eigenem Ermessen, auf eigene (!) Initiative.
Die Daten zeigen für einen beliebigen Tag das Verhalten der Mobilfunk-Nutzer:innen. Ermöglicht wurde der Regierung so ein Vergleich aktueller Bewegungsdaten mit denen vor den beschlossenen Ausgangssperren angesichts der COVID-19 – Epidemie.
bald auch Coronavirus Bewegungsprofile von Infizierten? – Real Time Mobile Tracking Application – Lizenz CC BY-SA 4.0
Coronavirus – Bewegungsprofile – Ein Schritt in den Überwachungsstaat, wie Kritiker monieren? Verstoß gegen den Datenschutz? Ein rechtswidriges Vorgehen? Ein Präjudiz?
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A1 bestätigte inzwischen Bewegungsanalysen zu erstellen … und diese ‚relevanten staatlichen Stellen zur Verfügung zu stellen‘ … DSGVO-konform …
Ein israelisches Unternehmen wirkt inzwischen damit, es habe eine Tracking Software entwickelt, mit der Gesundheitsbehörden die Virus-Ausbreitung verfolgen könnten. Die Software sei bereits in zahlreichen Staaten testweise im Einsatz.
Facebook betonte am 19.3.20, in den USA teile das Unternehmen keine Informationen mit der US-Regierung im Rahmen der Coronavirus-Bekämpfung. Er widersprach damit einem anderslautenden Wericht der Washington Post.
Weitergabe von Mobilfunkdaten an das RKI
Auch die Telekom liefert in Deutschland über ihre Tochter Motionlogic Bewegungsdaten (Daten von Mobilfunkzelle, nicht GPS)an das Robert- Koch- Institut RKI, „um Ansteckungsketten besser nachzuvollziehen“. Die Übermittlung der Daten von 46 Millionen Mobilfunknutzern (Quelle) erfolge ‚in anonymisierter Form‘. Kleinste Dateneinheit seien 30 Kunden.
Am RKI wird in der Projektgruppe P4 (Modellierung der Ausbreitung und Dynamik von Infektionskrankheiten) von Prof. Brockmann bereits seit längerem ein entsprechendes mathematisches Modell erarbeitet (s.u. Links).
Und am 19. März 2020 erklärte sich auch O2– Muttergesellschaft Telefonica zu ähnlichen Datenübermittlungen bereit. (Hinweis: Kunden müssen laut netzpolitik.org einer etwaigen Datenübermittlung über opt-out selbst widersprechen. Links s.u.)
Am 18. März 2020 ergänzte RKI-Chef Wieler, die Daten würden genutzt um zu prüfen ob „die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen“ habe [ laut Tagesschau Liveblog 11:59].
Datenschützer befürchten einen Dammbrauch und kritisierten das Vorgehen und befürchten massive Eingriffe in die Privatsphäre.
Doch auch individuelles Handy-Tracking ist in der Diskussion. Unter anderem könne so die Ermittlung möglicher Kontaktpersonen erleichtert werden. RKI-Chef Wieler sagte am 17. März 2020 in Berlin laut Tagesspiegel, auch personalisierte Handy-Daten auszuwerten hielte er für „ein sinnvolles Konzept“.
Eine Sprecherin des Justizministeriums bemerkte, hierfür sei „auf den ersten Blick keine spezifische Rechtsgrundlage ersichtlich“. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bezeichnete das Ansinnen als rechtlich bedenklich. Und er äußerte Befürchtungen, die Daten könnten re-personalisierbar sein.
Dr. Niels Zurawski vom Institut für kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg sieht die Gefahr, dass Ausnahmezustände zur Etablierung von Überwachungsmaßnahmen genutzt werden könnten. Mit der Kombination von zwischenmenschlichen Beziehungen und Krankheitsdaten (Verknüpfung von Bewegungs- und Gesundheitsdaten) dringe die Überwachung in bisher nur erahnbare Bereiche vor.
Am 27. März berichtet RND von einem vertraulichen Strategiepapier der Innenminster. In diesem fordern sie eine deutliche Ausweitung von testabgeboten sowie die Isolierung von Infizierten – und langfristig ‚location tracking‘ von Mobiltelefonen.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte am 28. März, die Coronavirus-Epidemie dürfe nicht dazu führen dass „Grundrechte über den Haufen geworfen werden“.
Weitergabe von Mobilfunkdaten an die EU
Am 25. März wurde bekannt, dass acht Mobilfunk-Unternehmen sich mit der EU-Kommission geeinigt haben. Anonymisierte ‚aggregierte‘ Mobilfunkdaten werden zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie an die kommssion weitergegeben. Die Initiative ging von EU-Kommissar Thierry Breton (früher France Telekom) aus.
Zu den beteiligten Unternehmen zählen mit der Deutschen Telekom und Vodafone die beiden wichtigsten Mobilfunkanbieter in Deutschland. zudem sind Orange, Telefonica, Telecom Italia, Telenor, Telia und A1 einbezogen.
Kein Provider habe sich dem Begehren verweigert, so die Kommission. Erstmals sollen ‚in den kommenden Tagen‘ Daten übermittelt werden. Zuständig auf EU-Seite sei die ‚Gemeinsame Forschungsstelle‘.
Die EU-Kommission betonte, nach Ende der Epidemie sollten die Daten wieder gelöscht werden.
Die EU beabsichtigt, mit den Daten die Wirksamkeit der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu überwachen.
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Passen wir auf, dass aus der Corona-Epidemie nicht auch eine Überwachungs-Epidemie wird …
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RKI Projektgruppe P4 Prof. Dirk Brokmann: Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten
zu mobile tracking während der Corona-Krise in China siehe dieser lesenswerte taz-Artikel.
siehe auch Coronavirus and data protection – Guidance by data protection authorities (pdf)
Bundesbeauftragter für den Datenschutzn und die informationsfreiheit: Datenschutzrechtliche Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Arbeitgeber und Dienstherren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (html)
EFF Electronic Frontier Foundation 10. März 2020: Protecting Civil Liberties During a Public Health Crisis
Israel setzt nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet „Überwachungstechnologien ein … Mobiltelefone von Kranken zu überwachen, um zu sehen mit wem sie vor der Diagnose in Kontakt waren … überwachen ob Infizierte gegen Auflagen verstoßen …“ [laut Tagesschau.de Liveblog 17.3.20, 09:15]
… ein Virus verändert unseren Alltag …
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„Auf einer Webseite des litauischen Rundfunks werden die Bewegungsdaten von Staatsbürgern veröffentlicht, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben“, meldet das tagesschau.de blog am 19. März (12:46). Die Date seien anonymisiert; genannt werde Datum der Einreise, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Aufenthalt an öfentlichen Orten.
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RKI App Bewegungsprofil
In Deutschland arbeitet das RKI an einer App, die das Tracking von Infizierten und Aufspüren von Kontaktpersonen erlauben soll. Nutzer können dort freiwillig angeben, ob sie sich mit dem Cortonavirus infiziert haben. dann wird ihr Bewegungsprofil geteilt.
‚Vorbild‘ für eine solche App ist Singapur. Dort können andere Nutzer dieser App mithilfe von Bluetooth feststellen, wenn sich eine Person nähert, die mit dem Coronavirus infiziert ist.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte bereits davor, auch in Zeiten der Coronavirus-Epidmeie dürften nicht „Grundrechte über den Haufen geworfen werden“.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Stephan Mayer plädierte am 28. März 22020 für die Nutzung von Handydaten.
Das Siechenhaus war im Mittelalter eine ‚Absonderungs-Anstalt für Aussätzige‘. Das Wort Siechenhaus leitet sich ab von Siechtum – mittelhochdeutsch für Krankheit.
‚Befallene‘ wurden hier unter Quarantäne gestellt, von der Gemeinschaft der Gesunden ausgestoßen. Sie verloren alle Rechte, erhielten aber Schutz. Sie waren ökonomisch weitestgehend angewiesen auf Almosen, Mildtätigkeit und Gnade von Kirche und Mitmenschen. Für die ‚gesunde‘ Gesellschaft waren sie nicht mehr existent, unsichtbar.
Zugleich war das Siechenhaus eine Endstation, Sackgasse – es gab in der Regel kein zurück. Meist war ein Friedhof angeschlossen (wie z.B. in Oldenburg der Gertrudenfriedhof noch heute davon zeugt). Heilung und Rückkehr in die Gesellschaft blieben im Siechenhaus die große Ausnahme. Eine Gleichheit mit ’normalen‘ Bürgern gab es erst nach dem Tod wieder – vor dem ‚Jüngsten Gericht‘.
Das Siechenhaus, Darstellung im Volkacher Salbuch – Niklas Brobst von Effelt – Volkacher Salbuch Public Domain
Die Geschichte des Siechenhauses beginnt früh. Schon im 8. Jahrhundert gab es erste Absonderungs-Häuser. Und bereits 1179 wird auf dem Dritten Lateran-Konzil unter Papst Alexander III. beschlossen:
„Die Leprakranken dürfen nicht mit den Gesunden zusammen leben.“
Drittes Laterankonzil, Lateran, März 1179
Zudem durften sie nicht die selben Kirchen besuchen und nicht auf den selben Friedhöfen bestattet werden. Diese Haltung zu infektiös Kranken blieb über Jahrhunderte erhalten.
Hildegard von Bingen (1098 – 1197) proklamiert gar die Lepra als göttliche Strafe für unnatürlich gesteigerten Sexualtrieb, warf Lepra-Kranken ‚Unzucht‘ vor. Ein Konzept das später immer wieder auftaucht, auch in Zeiten der Aids-Krise – und auch an das Konzept des ‚Bös-Kranken‘ erinnert.
Aus diesen Siechenhäusern gingen später die Leprosenhäuser hervor. Zunehmend wurde nun auch medizinisch gebildetes Personal hinzu gezogen. Damit begann eine Tendenz, die sich mit dem Rückgang der Lepra im 16. Jahrhundert verstärkte und die dazu führte dass letztlich auch Pflegeheime und Kliniken aus Siechenhäusern entstanden. Die Berliner Charité z.B. begann einst als Pest-Haus.
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Ausgrenzung, Absonderung, Schließungen blieben auch später Strategien der Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Robert Koch, Leiter des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, und später Namenspatron des Robert-Koch-Institus (oberste bundesbehörde für Infektionskrankheiten), kommentierte z.B. das späte Reagieren der Behörden in Hamburg auf die Cholera-Epidemie im heißen Sommer 1892 mit den Worten
„Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, die man mir gezeigt hat, am Hafen, an der Steinstraße, an der Spitalerstraße oder an der Niedernstraße. … Ich vergesse, daß ich mich in Europa befinde.“
Robert Koch ( in: Hamburger Freie Presse vom 26. November 1892 )
Koch forderte die Schließung von Schulen und das Untersagen von Versammlungen.
Sie sieht Freiheit nicht nur als Willens- oder Wahlfreiheit,
„In dem Verhältnis von Politik und Freiheit handelt es sich nicht um die Willens- oder Wahlfreiheit, das ‚liberum arbitrium‘, das zwischen Vorgegebenem, dem Guten und Bösen, eine Entscheidung trifft“
Hannah Arendt, Freiheit und Politik, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, München 1994
Arendt sieht Freiheit vielmehr als Handlungsfreiheit.
Freiheit als positive Freiheit, als Möglichkeit etwas Neues zu schaffen:
„die Freiheit, etwas in die Wirklichkeit zu rufen, das es noch nicht gab“
Hannah Arendt, Freiheit und Politik, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, München 1994
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Arendt schrieb, autoritäre Herrschaft beginne in der Schule – Bildung müsse deswegen darauf abzielen, junge Menschen zu selbständigem Denken und Urteilen zu erziehen.
Die Weisse Rose Hamburg war eine der bedeutenden Gruppen des Widerstands gegen das NS-Regime in Hamburg. Sie gilt als ‚Hamburger Zweig‘ der Münchner Widerstandsgruppe Weißen Rose. Bedeutendstes Mitglied in Hamburg war Hans Leipelt (1921 – 1945). Traute Lafrenz (geb. 3.5.1919 – 6.3.2023 Meggelt, Charleston) hatte wesentliche Bedeutung als Verbdinungsmitglied zur Münchner Gruppe.
An die Weiße Rose Hamburg erinnert im Hamburger Stadtteil Volksdorf ein Denkmal.
Denkmal Weisse Rose Hamburg (Hamburg Volksdorf) mit Hinweis auf die Gedenkveranstaltung am 25.2.2023
Die Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus Weiße Rose entstand in München 1942 um die Studenten Hans und Sophie Scholl und Alexander Schmorell. Im ersten Halbjahr 1943 wurde die Gruppe aufgedeckt, zahlreiche Mitglieder ermordet.
Bereits ab 1942 engagierten sich auch in Hamburg zwei Gruppen von Studenten und Eltern gegen das NS-Regime. Die Münchner Gruppe um die Geschwister Scholl hatte starke Impulse in die Hamburger Gruppe. Auch wenn sie älter ist, wird die Hamburger Gruppe oft als Hamburger Weiße Rose bezeichnet.
„Ja, es ist wahr: Als ich, involviert in die zwischen München und Hamburg verzweigte ‚Weiße Rose‘, am 19. April 1945 in Hamburg vor dem Volksgerichtshof stand, angeklagt der Vorbereitung zum Hochverrat, der Feindbegünstigung, des Rundfunkverbrechens, der Wehrkraftzersetzung und, damit nicht genug, auch noch der Verabredung eines Sprengstoffverbrechens, da war ich 17 Jahre alt.“
Thorsten Müller, ‚Ich war im Widerstand‘. in: Löwenthal / von zur Mühlen: Widerstand und Verweigerung in Deutschand 1933 bis 1945, Berlin Bonn 1982
Weiße Rose Hamburg
Die Weiße Rose Hamburg war generationsübergreifend und umfasste ungefähr 50 Personen (Freundes- und Familienkreise, mit teils unterschiedlichen Motivationen).
Maßgebliche Person war der Chemie-Student Hans Leipelt. Ein wichtiger Ort für die Gruppe war die Buchhandlung „Agentur des Rauhen Hauses“ und deren Juniorchef Reinhold Meier.
Mehrere Gruppenmitglieder hatten persönliche Kontakte zur Müncher Gruppe Weisse Rose.
Gedenkveranstaltung Weisse Rose, Volksdorf 25. Februar 2023
Hans Leipelt (1921 – 1945)
Hans Leipelt wurde am 18. Juli 1921 in Wien geboren. Er war gut vernetzt in Kreisen des Widerstands gegen das NS-Regime in Hamburg. Nach massiven Schikanen an der Universität Hamburg wechselte er nach München an das dortige Chemische Institut.
Part of sidewalk monument near Munich University, depicting White Rose member Hans Leipelt – Nicoasc – Lizenz CC BY-SA 4.0
Leipelt war auch die wesentliche Kontaktperson der Gruppe zur Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose. Mit den Geschwistern Scholl war er gut befreundet.
Nach der Ermordung von Mitgliedern der Münchner Weißen Rose beschlossen sie, deren Arbeit fortzuführen:
„Ganz spontan entschlossen wir: Wir müssen das weitermachen.“
Marie-Luise Schultze-Jahn (1918 – 2010), Freundin von Hans Liepelt
Ab 1943 wurde die Gruppe unter anderem vom Gestapo-SpitzelMaurice Sachs (eigentlich: Maurice Ettinghausen) ausspioniert. Dieser war wesentlich an der Aufdeckung der Widerstandsgruppe beteiligt. Sachs, französischer Schriftsteller der in Hamburg lebte, war früher Sekretär von André Gide und eng mit Jean Cocteau befreundet.
Hans Leipelt wurde am 8. Oktober 1943 festgenommen. Im Oktober 1944 folgte der Prozeß in Donauwörth, Leipelt wurde zum Tod verurteilt.
Hans Leipelt wurde am 29. Januar 1945 in München – Stadelheim mit dem Fallbeil ermordet.
Der Name ‚Weiße Rose Hamburg‘ wurde von den Mitgliedern der damaligen Gruppe selbst nicht verwendet. Er entstand erst nach Kriegsende (vermutlich erstmals 1948 vom VVN verwendet).
Denkmal Weiße Rose Hamburg Volksdorf
Der damalige Ortsausschuss-Vorsitzende von Volksdorf Dr. Martin Meier-Siem (SPD) erreichte 1977, dass ein Platz in der nach Verlegung des Ferck’schen Hofes neu gestalteten Mitte Volksdorfs sowie das angrenzende Einkaufszentrum nach der Weißen Rose benannt wurden.
Zudem wurde eine Skulptur bei dem Hamburger Maler und Bildhauer Franz Reckert (1914 – 2004) in Auftrag gegeben. Die über 2 Meter hohe weiße Muschelkalk-Skulptur wurde am 1. Juni 1978 eingeweiht.
Denkmal Weisse Rose in Hamburg Volksdorf
Meier-Siem erinnerte sich 1977 an die Beweggründe für die Benennung:
„Wir entschieden uns schließlich dafür in dem Bewußtsein, daß die Erinnerung an die Taten und das Opfer des Kreises der Weißen Rose in der Öffentlichkeit viel zuwenig lebendig ist und daß man sie nicht wachhalten kann mit Zeichen an wenig besuchten, meist friedhofsähnlichen Gedenkstätten.“
Dr. Martin Meier-Siem 1977 in der ‚Zeit‘
1981 wurde das Denkmal ergänzt um eine Tafel mit den Namen der hingerichteten Mitglieder der Münchner Weißen Rose. 1993 wurden die Namen von acht ermordeten Mitgliedern der Hamburger Weißen Rose auf einer neuen Tafel ergänzt.
Gedenktafel am Denkmal Weisse Rose in Hamburg Volksdorf
2006/07 wurde die Skulptur während der Bauarbeiten einer Umgestaltung auf einen Bauhof ausgelagert. Seit Mai 2007 hat sie ihren neuen Standort im Eingangsbereich der Fußgängerzone. Im Januar 2012 wurde eine (blaue) Informationstafel ergänzt, die in deutscher und englischer Sprache über die Skulptur informiert.
In Hamburg Wilhelmsburg erinnert an Hans Leipelt eine nach ihm benannte Straße.
Stoppt die braune Gefahr – Schwule und Lesben gegen Nazis ! (Aufkleber, 1999)
Die Veranstaltung „Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?“ organiserte die glf– Politgruppe (in der ich mitarbeitete). Sie war Auftakt einer Veranstaltungsreihe Antifaschismus mit mehreren Veranstaltungen in den Jahren 1989 und 1990 im Schwulen- und Lesbenzentrum SCHuLZ in Köln.
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Es ist mir heute nicht mehr möglich herauszufinden, wer von uns wie an der Erstellung dieses Aufklebers beteiligt war. Sollte jemand meinen Rechte daran zu haben, bitte ich um Kontaktaufnahme.
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