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Berlin Homosexualitäten

Adolf Brand (1874 – 1945)

Zuletzt aktualisiert am 9. August 2023 von Ulrich Würdemann

Adolf Brand gründete Ende des 19. Jahrhunderts die weltweit erste reegelmäßig erscheinenden Homosexuellen-Zeitschrift. Der Anarchist, Verleger und Aktivist der Homosexuellen-Bewegung wurde 1874 in Berlin geboren und starb 1945 ebenda.

Adolf Brand wurde am 18. November 1874 in Berlin geboren. Brand arbeitete kurzzeitig als Lehrer gründete bald seinen eigenen Verlag.

Während des Ersten Weltkriegs diente Adolf Brand zwei Jahre als Soldat. Er heiratete kurz vor Kriegsende die Krankenschwester Elise Berendt, die von seiner Homosexualität wußte und sie akzeptierte. Mit ihr und seinem Freund Max Miede lebte er in seinem Haus in Wilhelmshagen (Bismarckstr. 7).

Adolf Brand in Berliner Illustrierte Zeitung 1907
Adolf Brand, in Berliner Illustrierte Zeitung, vol. 16 (1907)

Im März 1896 gründete Adolf Brandt – damals 21 Jahre alt – die erste Homosexuellen-Zeitschrift der Welt, ‚Der Eigene‘, ab dem dritten Jahrgang 1899/1900 mit dem Zusatz ‚Ein Blatt für männliche Kultur‘. (1) ‚Der Eigene‘ erschien bis Mai 1932.

Der Eigene – Ein Blatt für Alle und Keinen, erste Ausgabe März 1896, Adolf Brand’s Verlag, Berlin-Willemshagen

Brand stand dem freidenkerischen Friedrichshagener Dichterkreis nahe. Er hatte engen Kontakt mit dem Schriftstellerr und Antifaschisten Ludwig Renn (i.e. Arnold Friedrich Vieth von Golßenau, 22.6.1889 – 21.07.1979), mit Kurt Hiller (der auch im ‚Eigenen‘ häufig schrieb), mit dem Schriftsteller Sagitta (i.e. John Henry Mackay (1864 – 1933) sowie mit dem Anarchisten Erich Mühsam (1878 – 1934)

Aus ihrem Umfeld gründete Adolf Brand gemeinsam mit dem Sexualwissenschaftler und Soziologen Benedict Friedlaender (1866 – 1908) und dem Gutsbesitzer Wilhelm Jansen (der auch den ‚Wandervogel‘ finanziell unterstützte) im Jahr 1903 die bis 1933 bestehende ‚Gemeinschaft der Eigenen‚ GdE. Diese Vereinigung firmierte bis 1907 mit dem Zusatz ‚Philosophische Gesellschaft für Sittenverbesserung und Lebenskunst‘, ab 1908 als ‚Verein für Kunst und männliche Kultur‘, nach dem Ersten Weltkrieg als ‚Bund für Freundschaft und Freiheit‘.

Brand und die GdE vertraten eher maskulinistische Positionen [Maskulinismus, Begriff geprägt von dem US-amerikanischen Literaturwissenschaftler Andrew Hewitt]. Deutlich wird dies z.B. in einer Eigen-Werbung aus dem Jahr 1906

Im striktesten Gegensatz zu der Verweiberung, Verpfaffung und Versittelung unserer Zeit will die G.D.E. in unserem Volke wieder die höchsten Güter des Mannes pflegen, Freude an Freundschaft u. Freiheit, männlicher Kraft und Schönheit, und Freude am männlichen Sinn – zum Wohle und Wachsen des Staates und der Kultur.“

1933 sah sich Adolf Brand nicht mehr in der Lage, seinen Aktivismus fortzusetzen. Nach 5 Hausdurchsuchungen durch die Polizei 1933 (der weitere 1935 folgten) zermürbt, berichtete er selbst über seine Lage in einem Brief

Ich wurde durch diese 5 Konfiskationen vollständig ausgeplündert, habe nichts mehr zu verkaufen und bin nun geschäftlich ruiniert. Ich weiß auch nicht mehr, wovon ich mit meinen Angehörigen zusammen noch weiter leben soll. Denn meine ganze Lebensarbeit ist jetzt zugrunde gerichtet. Und die meisten meiner Anhänger haben nicht einmal den Mut, auch nur einen Brief an mich zu schreiben, und erst recht nicht, zur Unterstützung meiner Arbeit irgendeine Zahlung an mich zu leisten. … Aus dieser Lage ergibt sich die sehr einfache Tatsache, daß eine Fortsetzung meiner Arbeit und ein Weitererscheinen meiner Zeitschriften auf deutschem Boden nicht mehr möglich ist und daß die Weiterherausgabe meiner Zeitschrift DER EIGENE nur noch im Auslande geschehen kann, wo dafür die dazu notwendige Pressefreiheit und Rechtssicherheit besteht.

Adolf Brand am 29. November 1933 (in: Günter Grau: Homosexualität in der NS-Zeit)

Adolf Brand und seine Frau starben verarmt am 2. Februar 1945 in Berlin Wilhelsmshagen bei einem Luftangriff der Alliierten. Ihr Wohnhaus (Berlin – Wilhemshagen, das damals noch als Neu-Rahnsdorf bezeichnet wurde) in der Bismarckstraße 7 hatten sie schon zuvor verkaufen müssen, lebten nur noch in einem Zimmer darin.

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Adolf Brand und das Outing

Adolf Brand betrieb und vertrat offensiv das Outing (erzwungene Comingout von meist prominenten Personen), lange bevor dieser Begriff (m.W. Ende der 1980er Jahre) geprägt wurde.

So bezeichnete er im Umfeld der ‚Eulenburg-Affäre‘ 1907 den Reiuchskanzler Bernhard von Bülow (1849-1929) als Homosexuellen. Brand wurde verklagt – und verurteilt, da er keine Beweise für seine Behauptung vorlegen konnte.

Bereits 1904 hatte er den katholischen Priester, Verleger und Politiker der Zentrums-Partei Friedrich Dasbach (1846 – 1907) in einer Broschüre als Homosexuellen bezeichnet. Dasbach (der ähnlich mehrfach beschuldigt bzw. erpresst wurde) konnte ein gerichtliches Verbot der Broschüre erreichen.

Brand versuchte immer wieder, die Homosexualität bekannter Persönlichkeiten offen zu legen – mit dem Beweggrund, die Absurdität des Paragraphen 175 aufzuzeigen und die Betroffenen zur unterstützung seiner Bemühungen zu bewegen, den Paragraph 175 abzuschaffen.

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zur Frage der weltweit ersten Homosexuellen-Zeitschrift

Zwar hatte Karl Heinrich Ulrichs bereits 1870 die Zeitschrift Uranus herausgegeben. Es erschien jedoch nur eine Ausgabe.

Adolf Brands ‚Der Eigene‚ ist damit korrekter bezeichnet die erste fortlaufend erschienene Homosexuellen-Zeitschrift der Welt.

Ebenfalls im Jahr 1896 gab der Psychiater Pasquale Penta (1859 – 1904) in Italien die (’sexuelle Abweichungen‘ behandelnden) ‚Archivio delle psicopatie sessuali‚ heraus, die jedoch nur ein Jahr erschienen. Sie gelten als erste sexualwissenschaftliche Zeitschrift Italiens (und weltweit zweite).

1909 gründete Jacques d’Adelswärd-Fersen mit Akademos die erste Zeitschrift über Homosexualität in Frankreich.
Die erste Homoseuellen-Zeitschrift erschien in Frankreich 1924 – Inversions.

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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