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Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus? (1989)

Zuletzt aktualisiert am 16. Oktober 2022 von Ulrich Würdemann

Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?“ war der Titel einer Veranstaltung (im Rahmen der Antifa-Veranstaltungsreihe), die die glf – Politgruppe am 6. September 1989 im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum SCHULZ durchführte. Für diese Veranstaltung verfasste ich damals in Abstimmung mit der Politgruppe den folgenden Text für einen ‚Reader‘ (für den ich auch ViSdP zeichnete):

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Gewalt gegen Schwule und Lesben - Nährboden für Faschismus? (1989)
Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus? (1989)

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Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?

Seit einiger Zeit sehe sich Schwule und Lesben mit einem immensen Anstieg antihomosexueller Gewalt konfrontiert. Hierzu zählen nicht nur Schlägereien, Raub und Mord in Parks und an anderen homosexuellen Treffpunkten, auch die subtileren Formen der Gealt wie … [sic], Hetze und Ignoranz. Warum Gewalt gegen Schwule und Lesben? Was ist Gewalt gegen Schwule und Lesben? Eine neue Erscheinung, oder alte Realität? Wie können wir uns wehren? Gewalt – eine isolierte Erscheinung, oder etwa Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, Nährboden für Faschismus?

Die Veranstaltung „Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?“ will diese Themen behandeln und Licht in das Dunkel dieser brutalen Form der Diskriminierung von Schwulen und Lesben bringen.

Gewalt – unsere tägliche Realität

Seit einiger Zeit sehen sich Schwule und Lesben anscheinend mit einem Anstieg antihomosexueller Gewalttaten konfrontiert. Einige Beispiel der jüngsten Vergangenheit:

  • 17. November 1987: Etwa 20 militante Skinheads werfen in Braunschweig  die Scheiben eines Schwulenlokals ein, bedrohen die Gäste. [1]
  • Stuttgart, Schloßpark. Innerhalb der ersten sechs Monate dieses Jahres werden bereits 26 Überfälle auf Schwule bekannt. [5]
  • Juni 1989: wiedereinmal Überfall am Aachener Weiher in Köln. Vier Jugendliche bedrohen einen Schwulen mit einer Pistole, schlagen ihn zusammen. [5]

Wie umfangreich die Gewalt gegen Schwule und Lesben ist, beweist eine umfangreiche Studie, die 1984 von der ‚National Gay and Lesbian Task Force‘ in den USA durchgeführt wurde (zitiert nach [2]):

  • über 20% der befragten schwulen Männer hatten bereits gewalttätige Angriffe erlebt, waren wegen ihrer sexuellen Orientierung getreten oder geschlagen worden.
  • nahezu 50% hatte man schon mit Gewalt bedroht
  • mehr als 80% der Befragten kannte andere Schwule oder Lesben, die bereits antihomosexueller Gewalt ausgesetzt waren.
  • ebenso 80% rechneten damit, selbst irgendwann Opfer von gewaltsamen Angriffen zu werden.
  • Schwule werden damit beinahe viermal häufiger Opfer von Verbrechen als der männliche Bevölkerungsdurchschnitt.

Gewalt gegen Schwule und Lesben ist jedoch mehr als ’nur‘ physische Gewalt. Nicht jede Form antihomosexueller Gewalt manifestiert sich in Schlägereien, Bedrohung, Mord. Subtilere Formen der Gewalt begegnen uns jeden Tag, sind Bestandteil unseres täglichen Lebens. „Was ist mit ‚Gewalt gegen Schwule‘ gemeint? Jede Form von psychischen und physischen Gewaltakten, bei denen die Täter gezielt Homosexuelle als Opfer wählen.“ [2] Z.B. die Flugblätter, die eine braunschweigische Hochschulgruppe am 11.11.87 zum Thema „Schwule und Lesben“ verteilte und in denen Schwule für die Ausbreitung von AIDS verantwortlich gemacht werden (nach [1]). Neonazi-Postillen, die in Zusammenhang mit AIDS Parolen verwenden wie „Bei Schweinepest opfert man die Schweine“; CSU-Politiker, die vom „Ausdünnen“ reden (nach [2]).

Gewalt gegen Schwule und Lesben ist jedoch keine neue Erscheinung. Magnus Hirschfeld wurde schon 1920 „nach einem Vortrag in München von völkischen Studenten mit einem Stück Eisen niedergeschlagen und erheblich verletzt. In der völkischen Presse als ‚Oberbonze der Perversen‘ denunziert, galt seine Tätigkeit im rechten bürgerlichen Lager als Indiz für die Dekadenz der Republik“ Der ‚Völkische Beobachter‘ zur geplanten Reform des §175 1930: „Wir gratulieren zu diesem Erfolg, Herr Kahl und Herr Hirschfeld! Aber glauben Sie ja nicht, daß wir Deutschen solche Gesetze auch nur einen Tag gelten lassen, wenn wir zur Macht gelangt sein werden.“ In der Homosexualität seien „alle boshaften Triebe der Judenseele“ versammelt und diese würden „in Kürze“ als solche behandelt: „als allerschwerste, mit Strang und Ausweisung zu ahndende Verbrechen“ [4]

Opfer und Täter

Für die bundesdeutsche Kriminalwissenschaft ist Gewalt gegen Schwule kein Thema. Es existieren keine fundierten Forschungen über das Ausmaß dieses Kriminalitätssektors, keine Statistiken, keine gültigen Aussagen über Täterprofile. Nimmt sich die Kriminalwissenschaft überhaupt des Problemfeldes ‚Gewalt gegen Schwule‘ an, liegt ihr Hauptaugenmerk auf dem Gebiet der ‚Viktimilogie‘ (Kunde der Verbrechensopfer). Man sucht nach Merkmalen, die Schwule zu exponierten Verbrechensopfern disponieren und wird schnell fündig: schwule Partnersuche an Orten mit hoher Kriminalitätsrate, flüchtige intime Beziehungen zu Fremden. Ohne entfernt daran zu denken, soziohistorische Bedingungen schwuler Lebensformen zu hinterfragen, urteilen Kriminologen in seltener Schlichtheit: „Die (homosexuellen) Opfer werden aus dem Schaden nicht klug.“ (zitiert nach [13]). Natürlich, die Frage schwuler Lebensstile ist hierbei nicht unwichtig. Zumindest für die von ihnen untersuchten Mordfälle kamen die US-Soziologen Miller/Humphreys zu dem Schluß, daß versteckt lebende Homosexuelle, die wenig oder keinen Kontakt zur ‚gay community‘ haben, weitaus riskierter sind, Opfer von Verbrechen zu werden, als offen Schwule (nach [13]).

Wenig Aufmerksamkeit wird dagegen den Tätern und deren Motiven zuteil. Dabei ist es wohl eher die Ausnahme, daß diese aus kaltem Kalkül Schwule als leichte Opfer z.B. für Raub auswählen. Schließlich ist auffällig, daß Verbrechen gegen Schwule häufig durch besondere Brutalität gekennzeichnet sind, die Täter in der Tendenz gewalttätiger vorgehen, als bei einschlägigen Delikten normalerweise zu beobachten ist. Mangels Forschung kann man hinsichtlich möglicherweise typischer Täterprofile nur sehr vorläufige Antworten geben. Einzig gesicherte Erkenntnis scheint zu sein, daß Jugendliche und Heranwachsende überproportional in Erscheinung treten. Es lassen sich allerdings zwei ‚Grundmuster‘ antischwuler Gewalttaten beschreiben: Insbesondere bei Mordfällen scheinen es vor allem (Gelegenheits-) Strichjungen mit einer oft schauerlich miesen Heim- und Knast-Karriere zu sein, die mit der Situation, sich als Mann verkaufen zu müssen, nicht fertig werden, ausrasten und ihren gesamten angestauten Haß explosionsartig an dem Freier entladen. Anders sieht es beim gewöhnlichen ‚Schwulenticken‘ im Park, vor Schwulenkeipen etc. aus. Auch hier sind die Täter überwiegend Jugendliche und Heranwachsende. Allerdings kann man deren Tun kaum als spontanes ‚Ausrasten‘ bewerten: In der Mehrzahl der Fälle sind es mehrere Täter, die gemeinschaftlich ein einzelnes Opfer angreifen. Es scheint so, dass gesellschaftlich benachteiligte, sozial unterprivilegierte oder marginalisierte Jugendliche, die auch anderweitig mit dem Strafrecht kollidieren, einen nicht unbeträchtlichen Anteil der Täter stellen. Vielleicht sind ebenfalls Schwule klatschende ‚gute Jungs von nebenan‘ oder junge Ehemänner auf Sauftour nur weniger riskiert, von der Polizei ermittelt zu werden, als ihre ohnehin sozial auffälligen Altersgenossen (vgl. [13]).

Der Umgang mit Gewalt

Wie gehen wir um mit der Gewalt, die uns begegnet? Mit physischer, mit psychischer Gewalt? Welche Strategien, Maßnahmen helfen für die Zukunft?

Ein Beispiel aus dem Park: „Allein. Es ist zu spät um wegzulaufen. … Es ist so erniedrigend. Da steht er mit gespreizten Beinen. Jetzt, – ein gezielter Tritt in die Eier. Die anderen stehen da wie Salzsäulen und glotzen einfach saublöd. Die haben wohl garnicht damit gerechnet, daß ’so’ne Tunte‘ sich mal wehrt. Das paßte wohl nicht in ihr Bild von den Schwulen.“ [5] Gegenwehr scheint zu helfen. Aber, im gleichen Fall, das Verhalten anderer Schwuler: „Wo sind diese Scheißschwulen. ‚Wo bleibt ihr denn alle?!‘ Nichts rührt sich. Niemand kommt. Aber da sind sie bestimmt. Und mitbekommen haben sie’s auch.“ [5]

Schon dieses eine Beispiel aus Köln zeigt, daß Gegenwehr ein probates Mittel sein kann, sein muß. Daß Gegenwehr möglich ist. Aber auch, daß die Vereinzelung, das Ohnmachtbgefühl und die Feigheit jedes einzelnen wirksames Gegenhandeln oft verhindert. Erforderlich ist hier eine Solidarisierung untereinander, gemeinsames Handeln. Aktiv werden, statt in der passiven Rolle des Opfers zu bleiben. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine in Stuttgart vorgeschlagene Aktion ‚Schwule pfeiffen auf Polizei und Schläger‘: Flugblätter rufen Schwule auf, nachts im Park eine Trillerpfeiffe mit sich zu führen, um im Fall einer Bedrohung andere Schwule um Hilfe zu rufen. Weitere Möglichkeiten sind z.B. Selbstverteidigungskurse für Schwule („Den Schlägern ein’s in die Eier“) oder Rosa Telefone als „Schwuler Notruf“. (nach [7])

Und der Ruf nach der Polizei? „Einerseits müßte an dieser Stelle dazu aufgerufen werden, jeden Fall sofort anzuzeigen. Andererseits, wie soll ein Vertrauen zur Polizei entwickelt werden, wenn das Mißtrauen durch immer neue Rosa-Listen-Skandale bestätgit wird.“ [5]
Nur ein geringer Teil der Gewalt gegen Schwule wird bei der Polizei angezeigt. „Nach Studien aus den USA werden nahezu 80% aller Homosexuellen widerfahrenen gewalttätigen Angriffe niemals angezeigt.“ [2] Und auch in Köln: „So hätte man ‚Täter auf frischer Tat ertappt‘ und diese hätten bei der Vernehmung noch andere Straftaten zugegeben, die man aber nicht hätte verfolgen können, weil sich selbst auf Zeitungsanzeigen keine Opfer oder Zeugen gemeldet hätten.“ [5] Und wenn sich Opfer oder Zeugen bei der Polizei melden? „Gewalt gegen Schwule ist kein Thema, das automatisch Solidarität mit den Opfern hervorruft. Auch in der Presse, bei Polizei und Justiz können die Täter nicht selten auf augenzwinkerndes Verständnis bauen, erfahren die Opfer häufig einen Prozeß der ’sekundären Viktimisierung‘: Sie werden zu Mitschuldugen gestempelt. … Ein Gericht in Wuppertal hat diese Einstellung 1984 trefflich auf den Punkt gebracht: ‚Die Rechtsprechung stufe Wut und Verärgerung als Folgen homosexueller Annäherungsversuche als ‚einfühlbar und sittlich nicht verwerfbar‘ ein‘.“ [2] Ermittlungsverfahren werden von der Staatsanwaltschaft eingestellt, da die Täter aufgrund vermeintlicher schwuler Annäherungsversuche in ‚Notwehr‘ gehandelt hätten [12].
Also: gehen wir nicht zur Polizei, werden Art und Umfang der Gewalt gegen Schwule nicht oder kaum bekannt, können die Täter nicht belangt werden. Gehen wir zur Polizei, befürchten wir Rosa Listen, erwarten keine Solidarität. Was hier helfen könnte (wenn wir meinen, daß wir die Polizei brauchen), ist ein besseres, vertrauensvolleres Verhältnis zur Polizei. Eine Aufgabe für viele Schwulen- und Lesbengruppen, hier verstärkten Dialog mit der Polizei zu suchen.

Gewalt gegen Schwule und Lesben ist jedoch nicht nur ein Thema für die Polizei. „Aus der passiven Opferrolle herauszutreten, das Schweigen und die Ignoranz der Gesellschaft durchbrechen zu wollen, muß auch politische Forderungen mit beinhalten.“ [2] „Gewalt gegen Schwule ist keine isolierte Erscheinung, sondern die extremste Praxisform von Homophobie, die brutalste Form von Schwulendiskriminierung.“ [2] Und damit auch ein Thema für die Politik, für Forderungen und Aktionen der Schwulen- und Lesbenbewegung.

Doch wie sieht dies die Bundesregierung? Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN zu Übergriffen von Neonazis gegenüber Homosexuellen in Braunschweig: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß solche Äußerungen (Anm. die Gleichsetzung von Homosexualität und AIDS) bedauerliche Einzelfälle sind.“ Und zur Frage nach Handlungsbedarf, um Übergriffen entgegenzutreten: „Straftaten sind entsprechend den bestehenden gesetzlichen Regelungen zu verfolgen. Für die Bundesregierung besteht insoweit kein Handlungsbedarf.“ [8]

Ignoranz? Unkenntnis? Oder einfach kein Ernstnehmen dieser Fragen? Ein weites Handlungsfeld für die Schwulen- und Lesbenbewegung. Günter Dworek, Beiratsmitgleid des BVH formuliert folgende politische Forderungen für den BVH:

  • „kriminologische Forschungen müssen in Auftrag gegeben werden, die Aufschluß über das Ausmaß antihomosexueller Gewalt, über Täterprofile usw. liefern können. Ohne fundierte Informationen kann es keine zielgerichteten Präventionsstrategien geben.
  • nach Zahlen aus den USA werden über die Hälfte der einschlägigen Gewaltakte von Tätern unter 20 Jahren verübt. Auch hierzulande scheint es sich ähnlich zu verhalten. Bei aller Skepsis, inwieweit Pädagogisierungskonzepte Gewaltpotentiale verhindern können, ist damit dennoch die staatliche Bildungspolitik gefordert. Wird im Schulunterricht eine umfassende, Vorurteile abbauende Information über Homosexualität nicht zugelassen, tragen Kultusministerien zur Auftrechterhaltung von Ressentiments bei, leisten indirekt Gewalt Vorschub.
  • Auch Rosa Listen begünstigen Gewalttäter, wenn schwule Geschädigte aus Furcht vor Erfassung den Weg zur Polizei scheuen. Auch auf diesen Aspekt sollte der BVH in zukünftigen statements zur Rosa-Listen-Problematik hinweisen.
  • was in anderen Ländern längst selbstverständlich ist: insbesondere in der Polizisten- und Juristenausbildung muß ein sensibler Umgang mit Minderheiten als Lernziel verankert werden.“ [2]

Gewalt und Faschismus

Noch einmal Günter Dworek: „Gewalt gegen Schwule ist keine isolierte Erscheinung, sondern die extremste Praxisform von Homophobie, die brutalste Ebene von Schwulendiskriminierung“ [2]. Homophobie und Gewalt gegen Schwule und Lesben war und ist immer Bestandteil von Faschismus. „Homophobie ist ein universelles merkmal faschistischer Herrschaft. … Der Volksfremde wird vornehmlich als Sexualtäter gebrandmarkt, und alles sexuell Fremdartige muß ausgemerzt werden. Die faschistische Moral instrumentalisiert die Sexualität für Herrschaftszwecke. Ohnehin vorhandene antihomosexuelle Tendenzen werden benutzt, um Herrschaftsziele besser durchsetzen zu können.“ [9] Dies gilt nicht nur für den ‚historischen Faschismus‘, für die Nazi-Diktatur 1933 – 45, auch heutige Neonazi – Ideologie ist durch Homophobie gekennzeichnet: „Homosexualität ist eine geistige Verwirrung, eine Gefühlsverkehrung … Die Straffreiheit der Homosexualität würde durch öffentliche Verführung die Zahl der Gefühlsverwirrten kometenhaft ansteigen lassen und damit den Irrenhäusern, die breits überfüllt sind, letzthin weitere Opfer zuführen … Wird der Damm des §175 eingerissen, wird das für die westdeutsche Gesellschaft eventuell der letzte tödliche Schlag sein“ [10].

Homophobie ist also immer ein systemimmanentes Merkmal des Faschismus, Gewalt gegen Schwule und Lesben damit zwangsläufig auch Ausdruck einer gesellschaftlichen Situation, die durch unbewältigten Faschismus und zunehmendes Erstarken faschistischen Gedankenguts gekennzeichnet ist. Eine Auseinandersetzung mit dem Komplex „Gewalt gegen Schwule und Lesben“ muß sich somit immer auch mit Faschismus und seinen Theorien befassen, muß erkennen, daß Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt  gegen Schwule und Lesben auch Aktionen gegen Faschismus beinhalten müssen.

Gefragt sind Maßnahmen. Das Problem ist erkannt, bei Schwulen und der Politik. Die Konsequenzen sind unterschiedlich: „Der Bundesregierung ist bekannt, daß Teile der Neonazis eine Kampagne gegen Homosexualität durch Agitationen und Aktionen führen“ [8]. Maßnahmen hält sie jedoch scheinbar nicht für erforderlich, siehe weiter oben. Und die Schwulen: Laut einer Meinungsumfrage im Auftrag des Zeitgeist-Blattes „Wiener“ meinen 32% der Schwulen, Neonazis bedrohten die Schwulen in der BRD am meisten. Als gefährlichste Partei gaben 61% die ‚Republikaner‘ an, 28% die CSU. [11]

Der Einschätzung kann nur zugestimmt werden. Die ‚Neue Rechte‘ und der Faschismus können nicht ernst genug genommen werden. Deswegen setzen sich weitere Veranstaltungen z.B. auseinander mit Themen wie ‚Homophobie und Faschismus‘ (7.3.90), ‚Schwule im Nationalsozialismus‘ (6.12.89) und ‚Lesben im Nationalsozialismus‘ (10.1.90). ‚Strategien zum Umgang mit Faschismus‘ will die Veranstaltung am 4.4.90 aufzeigen.

Die Veranstaltung „Gewalt gegen Schwule – Nährboden für Faschismus?“ ist die erste Veranstaltung einer Reihe, die bis zur Bundestagswahl im Dezember 1990 kontinuierlich einmal im Monat Themen zum Faschismus und zur ‚Neuen Rechten‘ behandelt. Alle geplanten Veranstaltungen sind in dem beiliegenden Gesamtprogramm aufgeführt, die Veranstaltungen finden jeweils um 20:00 Uhr im Saal des SCHULZ, Köln statt. Zu jeder Veranstaltung soll ein kurzer Reader mit Materialien und wesentlichen Fakten, Thesen erscheinen.

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Quellen- und Literaturverzeichnis:

[1] Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin, Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN
„Übergriffe von Neonazis gegenüber Homosexuellen in Braunschweig“
Bundestagsdrucksache 11/1466, 4.12.1987

[2] Günter Dworek
„Gewalt gegen Schwule“
BVH-Magazin S. 8-10, Mai 1989

[3] „Gedenktafel für Homosexuelle abgelehnt“
Rosa Flieder Nr. 62, S. 15, Januar 1989

[4] Hans-Georg Stümke
Homosexuelle in Deutschland – Eine politische Geschichte
Beck’sche Reihe, 1988

[5] Werner Heck
„sex and crime“
in: RAUS IN KÖLN, Juli 1989

[6] Werner Heck
Gewalt gegen Schwule – die andere Seite
in: RAUS IN KÖLN, Juli 1989

[7] „Schwule pfeiffen auf Polizei und Schläger“
Rosa Flieder Nr. 62, S. 15, Januar 1989

[8] Antwort der Bundesregierungauf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin, Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN
„Übergriffe von Neonazis gegenüber Homosexuellen in Braunschweig“
Bundestagsdrucksache 11/1578, 22.12.1987 (pdf)

[9] Prof.Dr.Dr. Rüdiger Lautmann
„Homophobie und Faschismus“
in: „Rosa Winkel [Bent]“
Programmheft zur Aufführung am Keller-Theater, Köln
Köln 1988

[10] Institut für Revolutionäre Politik, 1996
in: Schwule und Faschismus
Elefanten Press, Berlin

[11] „Exklusiv im Wiener: Die 1. Meinungsumfrage unter deutschen Schwulen“
in: Wiener, Juni 1989

[12] „Gewalt gegen Schwule“
Gay Switchboard Frankfurt
Frankfurt, 1989

[13] Günter Dworek
Gewalt gegen Schwule
Hrsg.: Schwule Aktion Südwest
Stuttgart, 1989

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Anmerkungen 21.01.2013:
– Der ‚Reader‘ umfasst im Original zusätzlich noch eine Sammlung von Presseausschnitten zum Thema.
– im Umfeld der Veranstaltung verwandten wir den Aufkleber ‚Stoppt die braune Gefahr – Schwule und Lesben gegen Nazis!‘
– Link auf das pdf zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage heute nachgetragen
– Bei dem im Text genannten BVH handelt es sich um den ‚Bundesverband Homosexualität‘. Er wurde 19986 in Köln gegründet und 1997 aufgelöst. Einige der früheren BVH-Aktiven, unter ihnen Güntr Dworek, wechselten zum Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD).

Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

7 Antworten auf „Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus? (1989)“

[…] Kurze Zeit später traf sich ACT UP Köln erstmals – mein Kalender vermerkt ein erstes Treffen am 15. März 1990 (drei Tage nach der Trauerfeier für Jean-Claude, die am Nachmittag des 12. März stattfand). Für mich selbst war dies im wesentlichen der Beginn meines aidspolitischen Engagements, vorher hatte ich mich jahrelang in Schwulenbewegungen engagiert, zuletzt besonders im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum SCHuLZ und dort zuletzt 1989/90 bei der Organisation der ‘Antifa-Reihe’ “Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?“. […]

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