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Homosexualitäten

Josef Kohout (1915 – 1994) und Heinz Heger (1914 – 1978)

Zuletzt aktualisiert am 5. September 2022 von Ulrich Würdemann

Ein Homosexueller berichtet über seine Zeit im KZ – ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‘ von Heinz Heger war bei seinem Erscheinen 1972 der erste Erfahrungsbericht eines schwulen Mannes über seine Zeit im KZ. Schnell wurde das Buch bekannt – die Verwirrung um Autor, Protagonist und Pseudonym löste sich erst viel später auf.

Der ‚Rosa Winkel‚ war in der NS-Zeit das Kennzeichen für homosexuelle Häftlinge in KZs (sofern sie wegen ihrer Homosexualität dorthin verschleppt wurden) – ein Stoffaufnäher, ein auf der Spitze stehender rosafarbener Winkel mit einer Nummer, der an der Häftklingskleidung auf der linken Brustseite getragen werden musste. Die ‚Männer mit dem Rosa Winkel‘ wurde so zum Begriff für die Gruppe homosexueller KZ-Insassen – und zum Titel eines bedeutenden Buches, Heinz Hegers im Januar 1972 veröffentlichtes ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‚.

Lange Zeit wurde – u.a. aufgrund der Erzählstruktur des Ich-Erzählers – davon ausgegangen, dass ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‚ ein autobiographischer Bericht und der Autor Heinz Heger derjenige KZ-Häftling sei, über den das Buch berichtet.

Doch weder war Heinz Heger der wahre Name des Autors, noch waren Autor und Protagonist die gleiche Person.

Die Männer mit dem Rosa Winkel

Die Männer mit dem Rosa Winkel‚ erschien im Januar 1972 im 1957 in Hamburg gegründeten unabhängigen Verlag Merlin, nachdem der Verfasser zuvor jahrelang vergeblich nach einem Verlag gesucht hatte. Das ‚Vorwort des Verfassers‘ war gezeichnet mit ‚Heinz Heger‘; der Verfasser verwies dort darauf, er habe was er berichte ‚nicht selbst erleiden müssen‚.

Das Buch wurde fast ein ‚Klassiker‘ zum Thema Homosexuelle in der NS-Zeit. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und inspirierte andere. ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‚ war für den US-Schriftsteller Martin Sherman Anregung für sein Bühnenstück ‚Bent‚ (1979; auch ‚Bent – Rosa Winkel‘) sowie dessen Verfilmung ‚Bent‘ (Sean Mathias, 1997). Für Pierre Seel war das Buch, wie Kurt Krickler anmerkt, direkter Auslöser zu seinem Buch ‚Moi, Pierre Seel, déporté homosexuel‚ (Paris 1994). Rudolf Brazda (1913 – 2011) galt als letzter überlebender Rosa-Winkel-Häftling.

Josef Kohout (1915 – 1994)

Josef Kohut wurde am 15. Januar 1915 in Wien geboren. Nach einer Lehre als Friseur arbeitete er in Wien als Postbeamter. Im März 1939 wurde Josef Kohout von der Gestapo wegen ‚homosexueller Vergehen‘ verhaftet. Nach Verbüßen einer siebenmonatigen, von einem Gericht in Wien im September 1939 verhängten Haftstrafe wurde er nicht entlassen, sondern ins KZ überstellt.

Kohout wurde zunächst im Januar 1940 im Sachsenhausen und ab Mai 1940 im KZ Flossenbürg interniert (Rosa Winkel, Nummer 1896). 1945 musste er am Todesmarsch zur Evakuierung von Flossenbürg teilnehmen. Am 25. April 1945 vermerkt er kurz und knapp die Befreiung: ‚Mittwoch 25.4.1945 Amerikaner gekommen‚.

Nach 1945 lebte Kohout in Wien und arbeitete als Angestellter. 1946 lernte er Wilhelm Kröpfl kennen, der sein Partner bis zu seinem Tod wurde.

Nach langjährigen Bemühungen um Entschädigung erhielt Kohout 1992 (!) als einer der wenigen Rosa-Winkel-Häftlinge die KZ-Zeit auf seine Pension angerechnet. Bis zu seinem Tod erhielt er keine Entschädigung nach dem österreichischen Opferfürsorgegesetz. Noch 1993 wurde ein Antrag Kohouts, einen Opferausweis zu erhalten, abgelehnt.

Josef Kohout starb am 15. März 1994 in Wien. Sein Grab befindet sich auf dem Baumgartner Friedhof.

Im November 1994 übernahm das United States Holocaust Memorial Museum zahlreiche Dokumente aus dem Nachlass Josef Kohouts von dessen Lebensgefährten Wilhelm Kröpfl, insbesondere über seine KZ-Zeit. In diesem Video berichtet Klaus Müller (Europa-Repräsentant des Holocaust Museums) 2013 darüber:

Heinz Heger aka Johann Hans Neumann (1914 – 1978)

Josef Kohout lernte nach dem Ende der NS-Zeit über einen Bekannten Hans Neumann kennen, dem er von seinen Erlebnissen als Homosexueller im KZ erzählte. In den Jahren 1965 bis 1967 trafen sie sich im Büro des gemeinsamen Bekannten (eines Delikatessenhändlers) zu zahlreichen meist zweistündigen Gesprächen, in denen Neumann Kohouts Berichte stenographisch aufnahm. Kohouts Partner Wilhelm Kröpfl erinnerte sich später an diese Zeit

So entstand, gedacht als allgemein gehaltene Erlebnisse der Homos im KZ, die Geschichte des Josi im KZ. Nachdem Josi mit seinen Erzählungen 1967/68 fertig war, sagte Josi damals sehr, sehr erleichtert: fertig.

Wilhelm Kröpfl, Partner von Josef Kohout

Auf dieser Basis entstand das Buch Die Männer mit dem Rosa Winkel. Kohout wollte hierin nicht namentlich genannt werden.

Hans Neumann wählte für seine Veröffentlichung im Jahr 1972 ein Pseudonym: Heinz Heger. 2011 erläutert der Merlin Verlag klarstellend

„Heinz Heger ist das Pseudonym des Autors Neumann, der allerdings nicht schildert, was er selbst erlebt hat, sondern was Josef K. widerfahren ist, der ihm davon berichtet hat.“

Stellungnahme Merlin-Verlag 2011

Johann Neumann wurde am 1914 geboren. Er diente im Zweiten Weltkrieg zunächst als Soldat, war (laut Verlagsinformation) 1944/45 im niederländischen Widerstand aktiv. Er lebte zunächst in Wien, später mit seinem Partner in Strasshof in Niederösterreich. Neumann starb am 29. Juni 1978 in Strasshof.

Heinz Heger Park Wien

Am 30. November 2009 wurde auf Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Kultur und Wissenschaft eine neu gestaltete Fläche am südlichen Teil des Zimmermannplatzes im 9. Bezirk Alsergrund umbenannt in Heinz Heger Park.

Nachdem es anfänglich Irritationen um den Text der Erläuterungs-Tafel gab – der weder Homosexualität noch Buchtitel erwähnte -, wurde der Text geändert. Er lautet nun

„Willkommen im Heinz Heger Park. Benannt nach Josef K., KZ-Überlebender (1915 – 1994), der unter dem Pseudonym Heinz Heger in seinem Buch ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‘ die Geschichte der von den Nazis verfolgten und ermordeten homosexuellen Männer aufschrieb. Er lebte hier am Zimmermannplatz Nr. 1“

Der Park  hat so zumindest eine dem Kontext gerecht werdende Erläuterung. Aber trägt er auch den richtigen Namen? Benannt ist er nach dem Pseudonym des Autors, nicht des Rosa Winkel Häftlings – müsste er eingentlich Josef Kohout Park heißen ?

Heinz Heger Park Wien Fotos

Heinz Heger Park Wien
Heinz Heger Park Wien
Heinz Heger Park Wien
Heinz Heger Park Wien
Heinz Heger Park Informationssäule
Heinz Heger Park Informationssäule
Heinz Heger Park
Heinz Heger Park
Heinz Heger Park / offener Bücherschrank
Heinz Heger Park / offener Bücherschrank

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Frank Gassner März 2011: Wer war Heinz Heger? (pdf)

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

4 Antworten auf „Josef Kohout (1915 – 1994) und Heinz Heger (1914 – 1978)“

[…] Die erste Ausgabe hatte den Titel „Un plaisir si simple“ (ein Vergnügen, so einfach), signiert Michel Foucault, dazu ein Bild das Yves Charfe zeigt.  Im Heft unter anderem Berichte über von GLH und CHA organisierte Demonstrationen gegen den Iran, sowie Auszüge aus dem Zeitzeugen-Bericht von Heinz Heger ‚Die Männer mit dem Rosa Winkel‚. […]

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