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Ist Wladimir Putin Kriegsverbrecher ?

Zuletzt aktualisiert am 11. November 2023 von Ulrich Würdemann

Begeht Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen? Ist Wladimir Putin ein Kriegsverbrecher ? Wie und durch wen würden er und andere Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden?

Nach Bekanntwerden der Bilder aus Butscha stellt sich die Frage noch drängender … und die juristische Aufarbeitung wird zu einem bedeutenden poltischen Faktor.

Werden in der Ukraine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen? Wer sind die Täter, wer die Verantwortlichen? Werden sie zur Verantwortung gezogen?

Mit dem Völkerstrafrecht und dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gibt es Instrumente um die Frage zu klären: ist Wladimir Putin ein Kriegsverbrecher?

Inzwischen hat der Internationale Strafgerichtshof in den Haag am 17. März 2023 Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Putin und die Kinderrechts- Kommissarin Lwowa-Belowa erlassen.

Putin nach Den Haag
Ptuin Kriegsverbrecher ?
‚Putin nach Den Haag‘ – Protestschild, Bremen, März 2022

Kriegsverbrechen – Ausgangssituation

Die Charta der Vereinten Nationen ist vollkommen eindeutig:

‚Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.‘

Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Abs. 4

Russland verletzt mit seinem Angriff gegen die Ukraine die grundlegende Prinzip des Völkerrechts.

Wer ist verantwortlich? Staaten? Potentaten?

‚Verstöße gegen das Völkerrecht werden von Menschen begangen, nicht von abstrakten Einheiten.‘

Internationales Militärtribunal von Nürnberg, Urteil, 1946 [vgl. Memorium Nürnberger Prozesse]

Es gibt also nicht nur abstrakt Verantwortliche (z.B. Staaten) – sondern individuell Verantwortliche. Die Initiatoren von Gewalt, ob Politikerinnen und Politiker, Generälinnen und Generäle oder Soldatinnen und Soldaten können zur Verantwortung gezogen werden.

‚Ich habe die Entscheidung für eine Militäroperation getroffen.‘

Vladimir Putin, 24. Februar 2022

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Angriffskrieg auf die Ukraine persönlich angeordnet.

US-Präsident Biden bezeichnete Putin am 16. März 2022 als Kriegsverbrecher. US-Außenminister Blinken betonte am 23.3.2022

„Heute kann ich bekanntgeben, dass die US-Regierung auf Grundlage der derzeit verfügbaren Informationen zu der Einschätzung gelangt, dass Mitglieder der russischen Streitkräfte in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen haben.“

US-Präsident Biden am 23.3.2022

Der Internationale Strafgerichtshof (s.u.), der dieses Verbrechen sanktionieren könnte, wird von den USA nicht anerkannt. Der US-Regierung ist es vom Kongreß sogar explizit verboten, mit ihm zusammenzuarbeiten.

US Justizminister Merrick Garland teilte Anfang August 2023 allerdings mit, er könne dem Internationalen Strafgerichtshof Hilfe bei den Ermittlungen zu Kriegsverbrechen zusagen. Der US- Kongress habe den USA vor kurzem mehr Flexibilität bei der Unterstützung des IStGH bei Ermittlungen gegen ausländische Staatsangehörige im Zusammenhang mit der Ukraine zugestanden.

Ra Ra Raus Putin Russias Crazy Death Machine
Ra Ra Raus Putin Russias Crazy Death Machine

was ist ein völkerrechtlich strafbares Kriegsverbrechen?

Nicht jedes Kriegsverbrechen ist automatisch strafbar. Wesentlich sind die Umstände, unter denen Zivilisten zu Opfern des Kriegs werden.

Das am 12. August 1949 geschlossene ‚Genfer Abkommen IV über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten‚ regelt dies eindeutig.

Demzufolge sind Angreifer verpflichtet, zwischen kriegsführender und ziviler Bevölkerung zu unterscheiden. Schäden für die Zivilbevölkerugn sind kleinstmöglich zu halten. Der Einsatz von Mitteln muss verhältnismäßig sein. Zivile Krankenhäuser dürfen unter keinen Umständen angegriffen werden. Frauen sind besonders vor Vergewaltigung und erzwungener Prostitution zu schützen. Die Zerstörung von zivilen Einrichtungen ist verboten, wenn sie nicht Teil von notwendigen militärischen Operationen ist. Seit 1. Juli 2022 (Inkrafttreten Statut des ICC) wird auch sexuelle Gewalt erstmals offiziell als Verbrechen gegen die Menschlickeit und Kriegsverbrechen benannt.

Über die Einhaltung dieser Kriterien entscheiden Gerichte.

Völkermord

Über den Begriff Kriegsverbrechen weit hinaus ragt der Begriff des Völkermords. Völkermord gilt als ‚das Verbrechen der Verbrechen‚, das schlimmstdenkbare Verbrechen.

Die Antivölkermord-Konvention der UN von 1948 bezeichnet Völkermord in Art. II als Handlungen in der Absicht ‚eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören‘.

Kriegsverbrechen – das Problem der Beweise

Internationale Normen definieren, was ein Kriegsverbrechen ist (Definition im Rom-Statut, abgeleitet aus der Genfer Konvention von 1949).

Mutmaßliche Kriegsverbrechen im nachhinein zu untersuchen erweist sich oftmals als problematisch. Entsprechend kommt der Sammlung von Beweismaterial große Bedeutung zu.

Mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens (s.u.) beginnen i.d.R. auch Initiativen zur Beweiserhebung und -sicherung.

John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, teilte am 21. März 2022 mit, man sehe eindeutig Anzeichen für Kriegsverbrechen durch Streitkräfte Russlands. Das US-Militär unterstütze Bemühungen, Beweise hierzu sicherzustellen.
Das US- Repräsentantenhaus verabschiedete am 6. April 2022 mit großer Mehrheit ein Gesetz, das den US- Präsidenten auffordert dem Kongress einen Bericht vorzulegen über die Bemühungen zur Sicherung von beweisen zu Kriegsverbrechen.

die Bedeutung von Eurojust

Die europäische Justizbehörde Eurojust mit Sitz in Den Haag hat gemeinsam mit Polen, Litauen und der Ukraine ein internationales Ermittler-Team zum Sammeln von Beweisen eingerichtet. Weitere EU-Mitgliedsstaaten können sich beteiligen.

Am 25.4.22 kündigte der Internationale Strafgerichtshof nach Angaben der Europäischen Agentur für strafrechtliche Zusammenarbeit EuroJust seine Beteiligung an.

Die EU-Kommission schlug am 25.4.22 vor, EuroJust mit zusätzlichen Befugnissen auszustatten bei Sammeln, Speichern und Teilen von Beweisen. Insbesondere solle eine zentrale sichere Speicherung von Beweisen ermöglicht werden. Auch die direkte Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof und Weitergabe von Daten an diesen solle ermöglicht werden. Daten sollen zudem auch von nicht-behördlichen Institutionen übermittelt werden können.

Am 6. Mai 2022 nahm der Rat den Vorschlag an. Die Zustimmung des EU- Parlaments erfolgte am 19. Mai 2022. Die Botschafter der Mitgliedsstaaten hatten bereits zuvor deren Zustimmung erteilt. Vor dem Inkrafttreten ist noch die formelle Zustimmung der EU-Staaten erforderlich.

ICPA – Zentrum zur Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine

Anfang Juli 2023 nahm das in der europäischen Justizbehörde EuroJust angesiedelte Zentrum zur Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine (ICPA) seine Arbeit auf. Bereits im März hatte EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das neue zentrum angekündigt.

Aufgabe des ICPA ist die Koordination der Ermittlungen gegen Verantwortliche des russischen Angriffskriegs sowie das Sammeln unB Teilen von Beweisen (in einer dafür installierten Datenbank) mit dem Ziel einer Unterstützung einer zukünftigen Anklage.

Das ICPA wird getragen von den Mitgliedsstaaten Litauen, Lettland, Estland, Polen, Rumänien und Ukraine, weitere Staaten werden folgen. Die Finanzierung übernimmt die EU. Unterstützt wird das ICPA vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH, sowie von den USA).

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Der Internationale Strafgerichtshof entsandte am 17. Mai 2022 ein Team aus 42 Ermittlern, Gerichtsmedizinern und weiteren Mitarbeiter*innen in die Ukraine (der größte Einsatz seit Bestehen).

Um ukrainische Staatsanwät*innen für die Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen auszubilden, stellt die EU 7,5 Mio. € zur Verfügung.

Der Europarat richtete im April 2022 eine hochkarätig besetzte Expertengruppe ein, die die Staatsanwaltschaft der Ukraine unterstützen soll.

Der Verein um die Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar in Kiew plant eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen, mit der eine Experten-Gruppe beauftragt werden soll. Der Verein wurde von der katholischen Kirche Frankreichs und dem jüdischen Weltkongress gegründet. Er hat sich bisher der Dokumentation des Holocausts gewidmet.

Amnesty International stellte am 1. April 2022 eine erste Sammlung von Dokumenten und Zeugenaussagen vor.

Auch internationale Initiativen wie das OSINT Recherche-Netzwerk ‚Bellingcat‚ bemühen sich Hinweise zu dokumentieren.

Der BND habe Funkverkehr russischer Soldaten mitgeschnitten, die über Funk über Gräueltaten an Zivilisten sprachen, meldet der Spiegel am 7.4.22.

16. März 2022: IGH ordnet Stopp des Kriegs an

Der Internationale Gerichtshof urteilte am 16. März 2022 auf Basis eines Eilantragd der Ukraine, Russland sei grundlos agressiv in die Ukraine eingefallen. Die Behauptung Russlands, in der Ukraine geschehe ein Völkermord an vier Millionen Menschen in der Ost-Ukraine, sei falsch. Russland müsse den Krieg stoppen.

Russland äußerte umgehend, es lehne das Urteil des IGH ab.

Was nichts daran ändert, dass das wichtigste Rechtsprechungs-Organ der UN verbindlich geurteilt und eine bindende Anordnung getroffen hat, den Krieg gegen die Ukraine zu stoppen.

Kriegsverbrechen – auf beiden Seiten?

Nicht nur Russland wird vorgeworfen womöglich Kriegsverbrechen zu begehen. Auch die Ukraine ist ‚unter Beobachtung‘.

So forderte Human Rights Watch die Ukraine am 17.3.2022 auf, nicht weiter Bildmaterial von russischen Kriegsgefangenen zu veröffentlichen, insbesondere nicht in sozialen Medien und auf Messenger-Diensten. Dies verstoße gegen die Genfer Konvention und damit gegen das Völkerrecht.

der Internationale Strafgerichtshof

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist als permanenter Gerichtshof mit Sitz in Den Haag für die Verfolgung schwerster Verbrechen zuständig:

  • Kriegsverbrechen,
  • Völkermord,
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und
  • Aggression (seit Kampala)).

Der IStGH ist (anders als der Internationale Gerichtshof IGH, s.u.) nicht Organ der UN. Rechtliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs ist vielmehr das ‚Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs‘ (kurz: Rom-Statut) von 1998. Es trat am 1. Juli 2002 in Kraft. 123 der 193 Mitgliedsstaaten der UN sind diesem bisher beigetreten.

Der IGH hatte am 16. März geurteilt, Russlands Behauptung eines Völkermords in der Ost-Ukraine sei falsch.

Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt nicht Staaten, sondern Individuen wegen möglicher Straftaten. Dabei stehen im Fokus nicht die Soldaten auf dem Schlachtfeld, sondern die Verantwortlichen in der Befehlskette bis hoch zu Spitzenpolitikern.
Er ist neutral und unabhängig (die Polkitik kann z.B. nicht intervenieren um ein Verfahren einzustellen).

Der Internationale Strafgerichtshof hat keine Vollstreckungsgewalt.

Russland hat das Rom-Statut vom 1. Juli 2002 bisher nicht ratifiziert (ebenso nicht China, nicht USA). Russland hatte das Statut zwar ursprünglich 2000 unterzeichnet (aber nicht ratifiziert), 2018 aber auf Anordnung von Putin seine Unterzeichnung zurückgezogen. Ein Jahr später wurde der Rückzug gültig. Russland erkennt das Gericht somit nicht an.

Auch die Ukraine hat das Rom-Statut zwar unterzeichnet (am 20.1.2000), aber bisher nicht ratifiziert [was sich im nachhinein als politischer Fehler erweisen könnte]. Das Verfassungsgericht der Ukraine hatte 2001 entschieden, einige Bestimmungen seien mit der Verfassung nicht verträglich.
Allerdings hat die Ukraine nach dem Maidan mit zwei Erklärungen (2014 und 2015) die Gerichtsbarkeit des IStGH auf einer ad hoc Basis anerkannt (Völkerrechtliche Verbrechen auf dem Boden der Ukraine rückwirkend ab 20.2.2014); insofern wird sie wie ein Vertragsstaat behandelt.

Zudem kann der ISG auch von einem nicht-Mitgliedsstaat um Ermittlungen gebeten werden, für einen spezifischen Vorfall oder einen spezifischen Zeitraum. Diese Regelung wurde bereits einmal angewandt – bei der Invasion Russlands in die Krim.

Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin des Internatuionalen Strafgerichtshofs, forderte am 2. April 2022, einen internationalen Haftbefehl gegen Putin auszustellen. Putin sei ein Kriegsverbrecher, in der Ukraine würden eindeutig Kriegsverbrechen verübt.

‚Putin to The Hague‘ – Schild, Protestaktion in der Nähe der Botschaft der Russischen Förderation, Berlin, September 2022

Nach Bekanntwerden der Bilder aus Butscha (insbesondere der Funde von vermutlichen Hinrichtungsopfern) forderten zahlreiche Staatschefs und Minister, der Internationale Strafgerichtshof müsse Untersuchungen aufnehmen.

UN Menschenrechtsrat setzt Kommission ein

Der UN Menschenrechtsrat UNHRC hat Anfang März 2022 beschlossen eine Internationale Untersuchungs- Kommission einzusetzen, die mutmaßliche Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine untersuchen und für mögliche Strafverfahren dokumentieren soll. Sie soll sich auch mit den Geschehnissen in Butscha befassen.

Am 30. März wurde Erik Mose (Norwegen) mit der Leitung beauftragt. Mose war bereits als Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs Ruanda tätig. Er ist Mitglied des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Zudem sind Mitglieder Jasminka Dzumhur (Bosnien-Herzegowina) und Pablo de Greiff (Kolumbien).

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Putin Kriegsverbrecher ? – Varianten der Verfolgung

Ist Wladimir Putin Kriegsverbrecher? Wer kann gegen ihn ermitteln? Wer gegen Putin Anklage erheben?

Verschiedene Varianten bieten sich an:

Variante 1: der internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen Putin

39 Staaten (u.a. Deutschland) haben den IStGH angerufen mit dem Ersuchen, die Situation in der Ukraine zu untersuchen.

Chefankläger Karim A.A. Khan hat am 2. März 2022 offiziell ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Bereits am 28.2. hatte Khan betont es gebe „eine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine begangen wurden“.

Prof. Christian Tomuschat (emeritierter Professor für Völkerrecht, HU Berlin und 1977 – 1986 Mitglied des Menschenrechts-Ausschusses der UN sowie 1985 – 1996 der UN-Völkerrechtskommission) äußerte am 20.3.22, er sehe ‚viele Anzeichen‘ für den Tatbestand des Völkermords. Der gezielte Beschuss ziviler Einrichtungen und die Zerstörung von Versorgungsleitungen durch die russsiche Armee in Mariupol ’scheint mir kein Zufall zu sein‘, so Tomuschat gegenüber Medien. Hier ließe sich ein gezieltes Muster und ‚militärische Strategie‘ erkennen.

Politiker weltweit unterstützen die Bemühungen.

‚Es gibt sehr, sehr starke Beweise dafür, dass Kriegsverbrechen begangen wurden und dass Wladimir Putin dahinter steckt. Es ist letztlich Sache des Internationalen Strafgerichtshofs zu entscheiden, wer Kriegsverbrecher ist und wer nicht, und wir müssen die Beweise vorbringen.‘

Liz Truss, Außenministerin von Großbritannien, am 17. März 2022

Großbritannien kündigte am 24.3.2022 an, die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs mit einer Million Pfund zu unterstützen. Zudem sollen britische Militärexperten sowie eine Spezialeinheit der Metropolitan Police die Ermittluingen unterstützen.
Deutschland kündigte am 4. April 2022 an, dem IStGH eine Mio € zusätzlich bereit zu stellen und bietet an Spezialisten zu entsenden.

Variante 2: ein Kriegsverbrecher-Tribunal

Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen Personen (auch wenn sie Immunität besitzen, Art. 27), nicht gegen Staaten.

Putin persönlich die Verantwortung für Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachzuweisen, könnte schwierig werden, argumentieren manche Experten. Und bei Anklage wegen Angriffskrieg (Aggression, seit Kampala prinzipiell möglich) stünde Russland ein Vetorecht zu (als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats).

Angesichts dessen scheint manchen ein erfolgversprechender Ansatz die Einberufung eines Kriegsverbrecher-Tribunals (am bekanntesten: das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal).

Die beiden früheren britischen Premierminister John Major (Konservative) und Gordon Brown (Labour) forderten entsprechend am 19.3.2022 ein eigenes Kriegsverbrecher-Tribunal für den Krieg gegen die Ukraine. Eine Anklage Putins vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen seines Befehls zum Angriffskrieg halten sie für unwahrscheinlich, so Brown gegenüber der BBC.
Die britische Außenministerin Liz Trust erklärte am 18. Mai 2022, sie unterstütze grundsätzlich die Idee eines Kriegsverbrecher-Tribunals. London werde zudem weiterhin eng mit dem Internationalen Strafgerichsthof zusammenarbeiten.

Das EU-Parlament stimmter am 19. Mai 2022 für ein Sondertribunal über die politische und militärische Führung Russlands wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine (da der Internationale Strafgerichtshof für das Verbrechen der Aggression im Fall der Ukraine keine Zuständigkeit besitze).

Am 28. März 2023 erklärte das Außenministerium der USA, die USA unterstützten die Idee eines Sondertribunals gegen Russland wegen des Verbrechens des Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Auch der Europarat forderte am 11. September 2023 ein Sondertribunal.

Variante 3: Ermittlungen in Deutschland und anderen Staaten

Nerben dem IStGH auf internationaler Ebene können Verbrechen gegen das Völkerrecht auch von nationalen Gerichten verfolgt werden.

Allerdings gilt hier der Grundsatz der Immunität ausländischer Staatsoberhäupter. Solange Putin im Amt ist kann er hier nicht verfolgt werden. Ermittlungen allerdings können eingeleitet werden.

Ermittlungen in Deutschland

Bundesjustizminister Marco Buschmann betonte am 24. März 2022

“ … wir werden auch russische Kriegsverbrecher in Deutschland vor Gericht stellen, wenn wir ihrer habhaft werden. Niemand sollte unsere Entschlossenheit unterschätzen.“

Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, 24. März 2022

Am 7. März 2022 kündigten die ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen Wladimir Putin wegen Verletzung des Völkerstrafrechts zu stellen. Grundlage der Anzeige ist das seit 20902 existierende deutsche Völkerstrafgesetzbuch (VStGB), das die Möglichkeit bietet, auch Personen im Ausland für völkerrechtliche Straftaten anzuklagen.

Am 6. April 2022 wurde die 1.000 Seiten sowie Bilder, Dokumemnte, Videos, Zeugenaussagen umfassende Anzeige zu zehn konkreten Sachverhalten, gerichtet gegen Wladimir Putin und Militärangehörige beim Generalbundesanwalt eingereicht. Anzeige wurde gestellt gegen Wladimir Putin, die Mitgleider des Sicherheitsrats Russlands sowie jeden Soldaten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat.

‚Unser Ziel ist nicht nur eine nachträgliche strafrechtliche Aufarbeitung, sondern Einfluss auf das Kriegsgeschehen. … Es geht uns also nicht nur darum, die Täter an der Staatsspitze zur Rechenschaft zu ziehen, sondern um alle Täter.‘

die ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am 7.4.22

Zusätzlich zur Anzeige Baum / Schnarrenberger laufen bei der Bundesanwaltschaft auch sog. Strukturermittlungen (allgemeinerer Natur).

Ende September 2023 teilte die Bundesanwaltschaft mit, sie prüfe ein mögliches Kriegsverbrechen in Hostomel, ein erstes personenbezogenes Ermittlungsverfahren sei eingeleitet. Eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit soll von russischen Soldaten beschossen und verletzt worden sein.

Ermittlungen in Frankreich

In Frankreich hat die Justiz (für Terror zuständige Staatsanwaltschaft, Pnat) am 5. April 2022 Ermittlungen wegen des Verdachts von Kriegsverbrechen zum Nachteil französischer Bürger an drei Orten in der Ukraine (Mariupol, Hostomel und Tschernihiw) aufgenommen.

Ermittlungen in Polen

Der Justizminister Polens leitete am 1. März 2022 ein Ermittlungsverfahren gegen Russland ein wegen möglicher Kiregsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Strafrecht Polens ermöglicht entsprechende Ermittlungen, bei etwaigen Verbrechen auf polnischem Staatsgebiet sowie außerhalb.

Ermittlungen in Tschechien

Die Staatsanwaltschaft Prag teilte am 19. April 2022 mit, sie habe Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen beim Krieg Russlands gegen die Ukraine begonnen. Es gebe erste Anzeichen für mögliche Kriegsverbrechen; es gehe darum, von Zeugen und Opfern die nach Tschechien geflüchtet seien Beweise zu sammeln.

Ermittlungen in Estland

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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