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Wally Bremerhaven (1976 – 1989)

Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2023 von Ulrich Würdemann

Es war schon bald etwas wie mein zweites Wohnzimmer während meiner Zeit in Bremerhaven (1979 bis 1982), das Wally in der früheren Kaiserstraße, Alte Bürger – die damals insgesamt eine große Ausgeh-Zone und Kneipen-Meile war.

Das Wally war ein ganz eigenes Biotop, hier trafen sich Popper und Punker, Ökos und Rest-Hippies, Stammgäste. Ein weitgehend friedliches Miteinander verschiedenster Subkulturen, in den Nischen rumhängen tanzen trinken (ohne Konsumzwang) … und eine Zuflucht, ein Rückzugsort.

Wally-Wirt und Musiker Mick (i.e. Rolf) Kaiser hatte das Wally 1976 vom namensgebenden Wirt Wally übernommen. Und machte daraus schon bald eine über Bremerhaven hinaus bekannte Jugendkneipe mit Kult-Status.

1989 – das plötzliche Aus für das Wally Bremerhaven

1989 kam das Ende des Wally – zumindest für Gäste, Angestellte und Au0enstehende trotz gelegentlich grassierender Gerüchte völlig unerwartet. Auf Betreiben einer Bank und einer Brauerei wurde die Schließung des Wally in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1989 zwangsweise durchgesetzt.

‚Ohne Wally gibt’s Krawally‘

In den folgenden Tagen kam es zu massiven Protesten. Die Kreuzung Alte Bürger & Schleusenstrasse wurde ‚besetzt‘, es wurde auf der Kreuzung gegen die Schließung protestiert und getanzt.

Demonstrationen mit deutlich über 1.000 Teilnehmer_innen und Krawallen folgten. Die Bremerhavener Polizei forderte Unterstützung aus Bremen an. Fenster und Türen wurden zugemauert, konnten jedoch eine kurzzeitigen Besetzung (ohne Wally gibt’s Krawally) nicht verhindern.

Wally Bremerhaven – Rettungsversuche scheitern

Die Proteste gegen die Schließung dauerten wochenlang an. Eine Initiative „Wally forever“ gründete sich. Jusos, Grüne und selbst Junge Union setzten sich für den Fortbestand des Wally ein.

Alle Rettungsversuche blieben erfolglos, das Wally ist seit dem 6. Januar 1989 nur noch Geschichte – und längst zum Mythos geworden.

Rolf Kaiser eröffnete das Wally zwar am 14. Mai 1989 in der Rickmersstraße 45 neu – doch erfolglos (Schließung am 23. September 1990).

Ein weiterer Wiederbelebungsversuch ehemaliger Mitarbeiter scheiterte 1991 ebenfalls …

das Gebäude des ehemaligen Wally Bremerhaven im Jahr 2019
Bremerhaven Alte Bürger / Standort des ehemaligen Wally 2019

Micky Kaiser (1946 – 1997)

Micky (später Mick) Kaiser, im Januar 1946 in Wesermünde (heute zu Bremerhaven gehörend) geboren, Gymnasium Körnerstrasse, war Sänger, Bassist und Komponist. Er spielte in zahlreichen Bands (als erste die „Raggamuffins“, später „Soulbeats“, „Just us“ (mit Stefan Remmler und Gerd Krawinkel), „Cravinkel“ / Album „Heuhafen“, „Maier Miller Kaiser“) oder ‚East Flight‘ (u.a. mit Lu Lafayette)

„Wir halten die Beatles für die beste Gruppe der Welt, Jack Bruce (Cream) halte ich für den Größten – sein Bassspiel ist das Ei des Kolumbus. Kralle bevorzugt Eric Clapton, George B.´s Mann ist Mitch Mitchell (Hendrix).“

Mick Kaiser auf die Frage nach den Lieblings-Musikern, Presseinterview, Cravinkel-Zeit

Kaiser lebt nach dem Abitur in einer ‚Musikkommune‘ in Hamburg. Zieht nach Volkmarst (Landkreis Bremervörde). 1973 kommt seine Tochter Esther zur Welt. Kaiser studiert Pädagogik in Oldenburg (Umzug 1974). 1976 übernimmt er das Wally in Bremerhaven, über dem auch seine große Wohnung lag (in die er später auch ein Studio einbaute). Und wird zu einer der schillerndsten Figuren der Stadt, prägt eine ganze Szene mit.

Nach der Schließung des Wally ging Kaiser zurück nach Oldenburg, arbeitete (ABM) als Jugend- und Drogenberater. 1996 zog er nach Billerbeck.

Rolf ‚Mick‘ Kaiser starb am 9. Februar 1997 in Billerbeck.

„Das war keine Kneipe – das war das Leben!

Micky Kaiser über das Wally

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Micky Kaiser – Video 1986

Micky Kaiser, George Meier, George B. Miller & Keyboards Sabine

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

3 Antworten auf „Wally Bremerhaven (1976 – 1989)“

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