Zuletzt aktualisiert am 30. Mai 2022 von Ulrich Würdemann
Es war neu, es war cool, es war unser neuer Tanz-Tempel. Das Front, das später legendär werden sollte, öffnete am 4. März 1983 seine Pforten.
Das Front. Eigentlich schlichte Kellerräume. Eine Treppe, an der Hausseite entlang des Heidenkampswegs. Innen alles sehr hell, weiß und grau (meiner Erinnerung nach) die dominierenden Farben, Beton, Neon. Direkt hinter dem Eingang eine langgezogene Bar, Video-Monitore an der Stirnseite. Lautsprecher unter der Decke über der Tanzfläche an Ketten aufgehängt.
Front – der Name war Programm. War der Gegenentwurf zu Spundloch (1963 eröffnet) oder Pit (1971 eröffnet) und dem antikisierenden Chic der Schwulensauna Club Uhlenhorst (letztere beide ebenso wie das Toms gegründet von Harald Tangermann und Peter Daun). Und auch zum nahezu zeitgleich eröffneten mhc.
Willy Prange (1949 – 2006), von Beruf Friseurmeister, eröffnete das Front am 4. März 1983 gemeinsam mit seinem Freund (Lebenspartner, Lebensgefährte – das waren damals keine Bezeichnungen) Phillip Clarke (gest. 2003). Willy berichtete 2005 [1]
„Den Namen Front dachte ich mir mit meinem verstorbenen Freund Phillip Clarke aus. Er sollte kurz sein, und im Deutschen, Englischen und Französischen gleich lauiten.“
Willy Prange 2005
Am Eröffnungstag, das Front war völlig überfüllt, wurden Willi und sein Team unterstützt von Jürgen Hauptmann (Café Spund).
Das prägnante Logo des Front wurde entworfen von Peter Brown (Designer auch zahlreicher Roxy Music Cover, gestorben an den Folgen von Aids).
Klaus Stockhausen, bis dahin noch DJ im Coconut in Köln, wurde Mitte 1983 hier Resident DJ, später kam u.a. Boris Dlugosch und Michi Lange hinzu.
Am 16. Februar 1997 schloß as Front endgültig seine Tore. Willy beendete Ende 2006 aus eigenem Entschluss sein Leben.
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„1982 kam Querelle von Fassbinder ins Kino. Im Front hatte ich das Gefühl, in einer Szene dieses Films gelandet zu sein.“
Sagte Christine Arp (später Chefredakteurin der Vogue) einmal über das Front – und trifft es vielleicht ganz gut.
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Willi Prange und Phillip Clarke waren 1993 gemeinsam mit Lutz Kretschmann-Johannsen und anderen die Gründer von Big Spender e.V., einem Fundraising-Verein, der u.a. die Partys zum Welt-Aids-Tag organisierte und mit zahleichen Benefiz-Veranstaltungen Gelder für den Kampf gegen Aids sammelte (und zeitweise auch Veranstalter des CSD Hamburg war). Nach Insolvenz wurde der Verein 2005 aufgelöst.
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Vom – später legendären – Front haben wir nur die Anfangs-Zeit miterlebt. Willy eröffnete 1983 – und schon Ende 1983 zog ich nach Köln, Frank folgte wenige Monate später. Bei Besuchen in Hamburg waren wir noch einige Male im Front, aber zunehmend seltener.
Es war die hohe Zeit des New Wave. Die sich auch in schwulen Szenen massiv realisierte. Statt plüschiger Cafés nun neoncoole Bars (Tibor nannte seines in Köln gar ‚Café New Wave‘) und New Wave Filme (wie der kultige Film Liquid Sky). Statt in Saunen mit (mehr als nur) Anklängen an griechelnde Romantik wie die legendäre Sauna ‚Club Uhlenhorst‘ gingen wir nun in die coole ‚Pool Sauna‚. Und eben … zum Tanzen Plaudern Cruisen ins Front.
Wenn ich heute lese, „das Front hatte einen bemerkenswert hohen Anteil schwuler Gäste“ (wikipedia) oder so, muss ich grinsen. Nein, für mich (und uns, unsere Freunde) war es de facto (damals, 1983, zu Beginn) – die schwule Disco. Die große Mehrzahl der Anwesenden war schwul. Tendenziell eher kerlig-ledrig. Eine Disco, in die vielleicht netterweise auch Heten durften. Dass die später (schon sehr bald) in der Überzahl waren …
Und House? Gab es damals (ganz zu Beginn des Front) noch nicht. Das Front war cool, war New Wave, war … anders. Hier gingen wir hin, um Spaß zu haben, um zu tanzen – nicht um schön zu sein. Keine Gänse. Wer hier her kam (immerhin, weit ab von den damaligen schwulen Ausgeh-Ecken), der wußte warum. Interessant waren vielleicht noch die Klos …
Aus der Front-Zeit finden sich leider in meinen Stapeln keinerlei Fotos – damals hatte man einfach nicht nicht sein Handy dabei, das gabs damals noch nicht, wir warteten 1983 gerade auf die Einführung von Btx (Bildschirmtext). Irgend ein Flugblatt, eine Werbung … die müsste sich noch finden … ich such mal …
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Dass hier einst der Cotton Club und das Dannys Pan residierten, einst legendäre Clubs, und Anfang der achtziger auch die Lederbar Eagle, das bekam ich erst viel später mit.
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kurzes Video im Front 1988
kurzes Video – Abschiedsparty am 16. Februar 1997
[1] Rosenkranz/Lorenz: Hamburg auf anderen Wegen
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5 Antworten auf „Front (1983 – 1997)“
[…] Lebens werden, so manche ‚Schwulenbar‘ (wie das geliebte Tuc Tuc uns später das Front in Hamburg, das Broad in Paris oder das SchuLZ in Köln) fast ein zweites Zuhause. Und meine erste Schwulenbar […]
[…] – ‘coolere’ Orte wie das (ebenfalls längst legendäre, 1983 eröffnete) Front oder die im Herbst 1982 eröffnete Pool Sauna waren nun ‘in’ […]
[…] Zehn Jahre war das Pit wohl die bedeutendste schwule Disco Hamburgs – bis 1983, als Willy Prange das inzwischen längst legendäre Front eröffnete. […]
[…] als Vermieterin hatte wegen Mietschulden gekündigt. Die Zeiten hatten sich geändert … das Front (1983 – 1997) war längst der heißeste Ort der Stadt […]
[…] 1983 büßte das Spundloch für uns deutlich an Attraktivität ein … das Front wurde der bevorzugte Tanztempel […]