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Homosexualitäten

Stonewall Berlin ? ein Name kehrt zurück

Zuletzt aktualisiert am 9. Januar 2024 von Ulrich Würdemann

Heißt es bald Stonewall Berlin ? Der Berliner CSD benennt sich um. Die Mitgliederversammlung Ende Januar 2014 beschloss, zukünftig solle die Demonstration einen neuen Namen tragen, im Gespräch sei „Stonewall Parade“, meldete damals die Siegessäule. Stonewall – so neu ist der Name nicht, in Hamburg wurden Schwulen- und Lesbendemonstrationen bereits seit 1980 nach den Aufständen in New York 1969 benannt.

New York Ende der 1960er Jahre. Immer wieder führt die Polizei Razzien durch in Bars, die als Homosexuellen-Treffpunkte gelten. Drangsalierungen, Erniedrigungen, Diskriminierungen. So auch in der Nacht des 27. auf den 28. Juni 1969. Wieder einmal Polizei-Razzia im ‘Stonewall Inn’ in der Christopher Street im New Yorker Greenwich Village.

Doch in dieser Nacht war etwas anders. Anders als zuvor kuschten die Gäste nicht, beugten sich nicht der Willkür der Polizei – sondern wehrten sich. Edmund White hat die Ereignisse (wie einige andere auch) eindrücklich beschrieben: “The big news here is Gay Power”.

Stonewall – in Hamburg bereits ab 1980

Das Stonewall Inn, die Stonewall Riots wurden zu einem Synonym für Aufbegehren gegen Unterdrückung, das Eintreten für die eigenen Rechte. Auch in Deutschland (und nicht erst 2014):

Aus aktuellem Anlass – Drangsalierungen von Schwulen durch die Polizei – fand die ersten “Homosexuellen Aktionswoche”, schon damals auch genannt “Hamburger Stonewall-Aktionswoche” im Jahr 1980 statt, mit einer großen Abschluss-Kundgebung mit 1.500 Teilnehmer/innen sowie einer breit durch die Medien gehenden Aktion gegen Rosa Listen und Schwulen-Überwachung auf Klappen, der so genannten ‘Hamburger Spiegel-Affäre‘.

Die zweite Hamburger ‘Stonewall-Demonstration’ fand 1981 statt, während des Deutschen Evangelischen Kirchentags (mit verdoppelten Teilnehmer/innen-Zahlen). Allerdings stand Stonewall 1981 auch für eine weitere Entwicklung: Streit unter den Veranstaltern, letztlich der darum, wie ‚alternativ‘ oder wie ‚angepasst‘ Schwulen-Bewegung sein soll. Die Folge: 1981 gab es zwei Schwulen- und Lesben-Demonstrationen: Stonewall 1981 und vom 14. bis 27. Juni 1981 die ‘Lesben- und Schwulentage Interschwul.

Der Wechsel von Stonewall ’82 (unter dem Motto “Für das Recht auf Homosexualität“, Veranstalter UHA) zu Stonewall ’83 (Motto: “Für die Vielfalt der Liebe – gegen Diskriminierung“) stand dann auch für den großen Schritt von einem einzigen Veranstalter wieder zu einer Gemeinschaftsveranstaltung vieler Hamburger Lesben- und Schwulengruppen, dem Forum Hamburger Lesben und Schwule (FHLS).

Stonewall '83: Für die Vielfalt der Liebe - gegen Diskriminierung
Stonewall ’83: Für die Vielfalt der Liebe – gegen Diskriminierung

Noch bis Anfang der 1990er Jahre wurde der Name Stonewall in Hamburg für Lesben- und Schwulendemonstrationen verwendet. Gestrichen wurde er m.W. erst 1992 – zugunsten des neuen Namens „Christoper Street Day“.

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Nachtrag 2024: Die vom ‚Berliner CSD e.V.‘ ausgerichtete Veranstaltung trägt inzwischen den Namen ‚Berlin Pride‘.

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Das Entstehen des Namens und den direkten Bezug auf die Vorgänge in New York erläutert der schwule Stadtführer ‚Hamburg Ahoi!‘ (Verlag rosa Winkel, Berlin 1982):

Die mächtige ‚Gay Liberation‘ Bewegung in den USA feiert seit vielen Jahren diesen Tag mit Riesendemonstrationen in San Francisco und anderswo.
Seit 1980 gibt es das – in kleinerem Rahmen – in Hamburg auch. Unter den Motto Stonewall organisieren viele der Hamburger Gruppen gemeinsam in jedem Jahr die Hamburger Lesben- und Schwulenwoche mit Podiumsdiskussionen, Lesungen in den Buchläden, Ausstellungen und schwulen Filmen in den Programmkinos. Den Abschluss bildet die Gay-Pride Demonstration an einem Sonnabend um den 28.6. herum, so daß Onkel Heinz und Tante Gerda, die doch nur zum Einkaufen in die City wollen, plöttzlich über 2000 echte Schwule vor sich haben. Ab April/Mai liegen Programmhefte in den Kneipen und Buchläden aus, so daß jeder sich rechtzeitig informieren und mit eigenen Initiativen eingreifen kann, damit das ganze nicht zum Ritual erstarrt.“ [Hervorhebungen im Original, d.Verf.]

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Stonewall : gemeinsam von Beginn an

Die Ursprünge des Christopher Street Days sind stark migrantisch und trans*-geprägt, auch wenn sich die Schwulen die Bewegung später angeeignet haben.“ Sagt Bodo Niendel laut Siegessäule zur möglichen Umbenennung des Berliner ‪CSD‬ in ‪Stonewall‬ Parade.

Die Schwulen haben sich „die Bewegung“ erst angeeignet?

Edmund White beschreibt die Vorgänge damals in einem nur wenige Tage nach den Stonewall Riots geschriebenen Brief so:

“… Someone shouted “Gay Power,” others took up the cry–and then it dissolved into giggles. A few more gay prisoners–bartenders, hatcheck boys–a few more cheers, someone starts singing “We Shall Overcome”–and then they started camping on it. A drag queen is shoved into the wagon; she hits the cop over the head with her purse. The cop clubs her. Angry stirring in the crow. The cops, used to the cringing and disorganization of the gay crowds, snort off. But the crowd doesn’t disperse. …”

Für diesen Beginn einer Bewegung ist „angeeignet“ wohl kaum der zutreffende Ausdruck. Stonewall war der Anfang von gaylib [1], der (siebziger Jahre) Schwulenbewegung. Und von Beginn an waren Tunten, Queens und Transen aktiv mit beteiligt.

Zusammen – nicht angeeignet, egal durch wen.

Der Rückbezug auf die Vielfalt ist daher ein Gewinn für die Zukunft.“ Diesem Resümee von Bodo Niendel stimme ich zu. Gemeinsam sind wir stark.

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[1] Nebenbei, gaylib war auch in Deutschland lange eine von Gruppen verwendete Bezeichnung. gay liberation front, so begannen auch in (West-) Deutschland einige Schwule sich zu organisieren (z.B. in Köln, wo die Gruppe den Namen noch bis in die 1990er Jahre trug).

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

7 Antworten auf „Stonewall Berlin ? ein Name kehrt zurück“

„. . . von Beginn an waren Tunten, Queens und Transen aktiv mit beteiligt.“

Und solange genau diese Gruppen die seit einigen Jahren ihren Eigenen den Transgenialen CSD durchführen aussen vor sind und bleiben, ist der „neue“ Name „Stonewall Parade“ nichts weiter als verbale Kosmetik.

Guter Hinweis auf den tCSD

Wobei ich es nie sehr problematisch fand zwei Demos zu haben, eher Ausdruck einer größeren Breite und Vielfalt.

Der tCSD existiert ja aus mehreren Gründen ( und spiegelt damit auch Debatten die es seit Jahrzehnten gibt)

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