Kategorien
Homosexualitäten Italien Kulturelles

Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975)

Pier Paolo Pasolini war ein Künstler mit beeindruckender Produktivität.

Träume sind manchmal schlechte Lehrmeister, Dunya, denn die ganze Wahrheit ist nie nur in einem Traum zu finden. Die ganze Wahrheit findet sich nur in vielen Träumen.
(’Il fiore delle mille e una notte’, 1973)

Die Ermordung Passolinis

Am 2. November 1975, noch vor Uraufführung seines letzten Films ‚Salo oder Die 120 Tage von Sodom‚, wurde Pier Paolo Pasolini (geb. 5. März 1922 in Bologna) in der Nähe von Ostia ermordet aufgefunden.

Der Tod macht eine fulminante Montage aus unserem Leben, das heißt, er wählt dessen wirklich signifikante … Momente aus und stellt sie in eine Folge. Er macht also aus unserer infiniten, instabilen und unsicheren und also linguistisch nicht beschreibbaren Gegenwart eine klare, stabile und sichere und also linguistisch … beschreibbare Vergangenheit.
(in: Empirismo eretico, 1967)

Ich liebe das Leben wild und verzweifelt. Und ich glaube, daß diese Wildheit und diese Verzweiflung mich an mein Ende führen… Ich bin skandalös.
(Pasolini in seinem letzten Interview, 31.10.1975)

Er hat es doch so gewollt„, soll der Christdemokrat Andreotti, damals Regierungschef, die Ermordung Pasolinis kommentiert haben.

Warum diese Verachtung?
In Italien hat kaum jemand Pasolini gemocht, denn er war unbequem für alle Italiener“ (Rossana Rossanda).

Pier Paolo Pasolini, Portrait von Graziano Origa 1976 (wikimedia commons / origafoundation)
Pier Paolo Pasolini, Portrait von Graziano Origa 1976 (wikimedia commons / origafoundation; Lizenz cc by-sa 3.0)

Pier Paolo Pasolini, portrait by italian artist Graziano Origa, pen&ink, 1976OrigafoundationCC BY-SA 3.0

Pino Pelosi, der damals 17jährige Stricher, war womöglich kein Einzeltäter, darauf deuteten 2014 neue Ermittlungsergebnisse hin. Pelosi selbst sagte inzwischen aus, mindestens sechs weitere Männer seien am Tatort anwesend gewesen. zudem sollen DNA-Spuren vion drei Personen auf Pasolinis Kleidung nachgewiesen worden sein.

Petrolio – Der unvollendete Roman

Eines seiner Werke, der Roman „Petrolio“ („Erdöl“), ist unvollendet.  Er gilt als Schlüsselroman, als Enthüllungsroman. Steht die Ermordung von Rasolini am 2. November 1975 in Zusammenhang mit diesem unvollendeten Roman? Dies wurde immer wieder spekuliert. Immerhin, das 21. Kapitel fehlt bis heute …

2010 sei das fehlende Kapitel 21 des unvollendeten Romans wieder aufgetaucht, behauptete ein Senator. Er habe es selbst in den Händen gehabt, und es habe einen „beunruhigenden Inhalt„, teilt er Roman Herzog mit, der dies in ‚Briefe und Kommentare‘ in der aktuellen ‚Lettre‘ berichtet.

Leider sei seine Quelle nie wieder aufgetaucht. Aber immerhin, aufgrund der Ankündigung seien die Ermittlungen über die Umstände der Ermordung Pasolinis wieder aufgenommen worden – immer wieder waren massive Zweifel an der These des ‚Alleintäters‘ Pelosi aufgekommen.

Herzog erinnert in ‚Lettre‘ anlässlich der Geschichte um das fehlende Kapitel 21 an die Zeit Ende der 1970er Jahre in Italien, an die Zeit des „historischen Kompromisses“ zwischen (Euro-) Kommunisten der PCI und Aldo Moros Christdemokraten, an die Ermordung Moros, an die bleierne Zeit danach.

Aldo Moro. PPP. Zwei Morde. Zwei Tabus.

Der Senator berichtet, ebenso wie Herzog, von bizarren Allianzen. Von einem Pakt zwischen abtrünnigen (von Aldo Moros Linie abweichenden) Christdemokraten um Andreotti und Moskau-treuen (und von Berlinguers Linie abweichenden) Kommunisten.

Pasolini – ebenso wie Aldo Moro ein Opfer von Machenschaften, die einem Zweck dienten, dem Aufrechterhalten des status quo?

Nun also neue Ermittlungen zur Ermordung Pasolinis.
Und das fehlende 21. Kapitel?

(Roman Herzog: ‚Pasolini, der Senator, das Buch‘; in: Lettre International 92, Frühjahr 2011)

.

.

Kategorien
HIV/Aids Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Elizabeth Taylor (1932 – 2011)

Die us-amerikanisch – britische Filmschauspielerin Elizabeth Taylor starb am 23. März 2011 in Los Angeles. Taylor engagierte sich umfassend auch gesellschaftlich und politisch, besonders bekannt wurde ihr Aids-Engagement.

Nach langer Krankheit ist die in London am 27. Februar 1932 geborene Schauspielerin Elizabeth Taylor am 23. März 2011 im Alter von 79 Jahren in Los Angeles gestorben. Aufgrund eines Herzfehlers hatte sie sich bereits seit mehreren Wochen in einem Krankenhaus aufgehalten. Taylor wurde am 24. März entsprechend traditionellen jüdischen Zeremonien auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale (Kalifornien) beigesetzt worden. Sie war 1959 zum jüdischen Glauben übergetreten.

Taylor spielte in nahezu 50 Filmen und erhielt drei Oscars, zwei für ihre Filme „Telefon Butterfield 8“ (1961) und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1967) sowie einen Ehren-Oscar 1993 für ihre humanitären Verdienste, insbesondere auch ihr Engagement für die Aids-Hilfe.

Elizabeth Taylor am 16. März 1971 (Foto: Anefo / Mieremet, R. / Dutch National Archive; Lizenz cc-by-sa 3.0)
Elizabeth Taylor am 16. März 1971 (Foto: Anefo / Mieremet, R. / Dutch National Archive; Lizenz cc-by-sa 3.0)

Elizabeth Taylor after landing at SchipholAnefo / Mieremet, R.[1] Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989, Nummer toegang 2.24.01.05 Bestanddeelnummer 924-3581CC BY-SA 3.0 nl

Anfang der 1980er Jahre, ganz zu Beginn der Aids-Epidemie, war Elizabeth Taylor die erste Prominente, die ihren Status dazu  nutzte, um auf die Situation der an Aids Erkrankten aufmerksam zu machen. Taylor war Vorsitzende einer der ersten großen Aids-Benefiz-Veranstaltungen der USA, des „Commitment of Life“ 1985.

Elizabeth Taylor war ebenfalls 1985 – nach dem Tod ihres Schauspiel-Kollegen und Freundes Rock Hudson an den Folgen von Aids – gemeinsam mit Dr. Mathilde Krim und einigen wenigen weiteren Ärzten und Wissenschaftlern beteiligt an der Gründung der „American Foundation for AIDS Research“ (AmfAR), die sie immer wieder unterstützte. Zudem gründete sie 1991 die „Elizabeth Taylor AIDS Foundation“ (ETAF).

Schätzungen zufolge soll Elizabeth Taylor Spenden in Höhe von über 100 Millionen US-$ für den Kampf gegen Aids eingeworben haben (1).

Christophe Martet erinnert sich in einem Nachruf auf Elizabeth Taylor an ihr Auftreten bei der Welt-Aids-Konferenz in Vancouver 1996:

„Die Dreier-Kombinationstherapie wurde gerade eingeführt. Die kanadische Regierung weigerte sich damals, diese bereit zu stellen. Taylor kommentierte dies, in der Intonation der ‚Katze auf dem heißen Blechdach‘, unter dem Applaus des Publikums mit den Worten „Ehrlich gesagt hatte ich besseres erwartet von einem reichen Industriestaat“.

Michel Sidibé, Generaldirektor von UNAIDS, bezeichnete Elizabeth Taylor in einer Presseerklärung anläßlich ihres Todes als „erste Aids-Aktivistin“:

„Elizabeth Taylor was one of the first AIDS activists and one of the first celebrities to use her influence and public persona to help educate people about HIV and remove the fear and stigma surrounding the disease.“

Elizabeth Taylor selbst begründete ihr Engagement gegen Aids früh – in Zeiten einer ignoranten Haltung gegenüber Aids durch die US-Politik unter Ronald Reagan – mit folgenden Worten:

„I have to show up because it galvanizes people. [They] know . . . I’m not there to sell or gain anything. I’m there for the same reason they are: to get something done.“

The industry knew homosexuals were being hit hard, but instead of extending a loving hand and saying, ‘You helped me get to where I am today, without you I wouldn’t have made it,’ they turned their backs. … I remember complaining, ‘Why isn’t anybody doing anything? Why isn’t anyone raising money?’ … And it struck me like lightning: ‘Wait a second, I’m not doing anything.’”

Dann wurde sie aktiv.

.

POZ November 1997: Elizabeth Taylor Tells the Truth
DAH-Blog 24.03.2011: Saint Elizabeth
.

(1) Von 50 Millionen US-Dollar sprechen die englischsprachigen Wikipedia sowie Websters online Dictionary. Die New York Times nennt in ihrem Nachruf vom 23.3.2011 die Summe von über 100 Millionen Dollar.

.

Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

Kategorien
Kulturelles

Land des Lächelns

Kann eine Operette anderes als oberflächlich, banal sein? Kann Operette tragisch sein? Ja – zum Beispiel ‚Land des Lächelns‚, aktuell in einer Wiederaufnahme von 2007 wieder zu sehen in der Komischen Oper Berlin.

Die „romantische Operette in drei Akten“ von Franz Lehár stammt aus der Zeit der ‚Silbernen Operette‘ (Operette nach dem 1. Weltkrieg). Sie handelt von Liebe und letztlich Scheitern. Kein Happy End, kein vordergründiges Glücksgefühl-Gedusel. Sondern ein Stück über den Versuch, aus Liebe aus der eigenen Kultur, den ihr innewohnenden Konventionen und Zwängen auszubrechen, das Fremde zu wagen – und doch letztlich zu scheitern.

‚Immer nur Lächeln‘, den Anschein bewahren, Schein und Realität, Außenwelt und Innenwelt –

„Wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an.“

Die Komische Oper selbst beschreibt Konwitschnys Inszenierung

„Peter Konwitschny schaut in der Komischen Oper Berlin Lehárs Operette hinter die Fassade des immerwährenden Lächelns. Indem er die Figuren und ihre Gefühle nicht weiter verkitscht, sondern sie ernst nimmt, gewinnt Lehárs Musik in dieser Inszenierung eine große Fallhöhe, eine berückende Eindringlichkeit und eine Ehrlichkeit, die man beim »kleinen Mann sein Puccini« (Kurt Tucholsky) so nicht vermutet hätte. Dass er dabei auch den Unterhaltungswert nicht vernachlässigt, ist die große Kunst dieser gefeierten Arbeit von Peter Konwitschny.“

Das ‚Land des Lächelns‘ – weit mehr als nur glatte Oberfläche, amüsante Unterhaltung – besonders in der beeindruckenden Inszenierung Konwitschnys (die ich  nun zum dritten mal begeistert gesehen habe).

Die jetzige Inszenierung von ‚Land des Lächelns‘ ist seit dem 1. Juli 2007 auf dem Spielplan und seit 12.1.2011 wiederaufgenommen.

Komische Oper Berlin

Kategorien
Kulturelles

Selbstoptimierung

„Selbstverbesserung ist Masturbation“

Tyler Durden (Brad Pitt), Figh Club, 1996

.

Wer nur an seinem Ego (und Körper) arbeitet, der befriedigt sich nur selbst, ohne dabei fruchtbar für die Welt zu sein.

Christian Zippel, Wider die Oberflächlichkeit
Kategorien
Kulturelles

Pornographie und Holocaust

„Pornographie und Holocaust“, geht das zusammen? Ja – im Israel der 1960er Jahre, in pornographischen Heftchen, in denen weibliche KZ-Aufseher alliierte männliche Soldaten quälen und vergewaltigen. Ein israelischer Dokumentarfilm, der jetzt in Deutschland in die Kinos kommt, gibt verstörende Blicke frei auf einen manchmal schockierend wirkenden Versuch, mit dem Schrecken des Holocaust umzugehen.

Vollbusige weibliche SS-Soldaten, Sadismus, Folter und Vergewaltigung – es ging derb und anzüglich her in den ‚Stalag‘-Heften im Israel der 1960er Jahre. Im damals sehr puritanistischen und konservativen Israel wurden die pornographischen Hefte offen verkauft – z.B. am Busbahnhof von Tel Aviv. Ihre Geschichte erzählt der Film „Pornographie und Holocaust“ des israelischen Dokumentarfilmers Ari Libsker, der nun in Kinos in Deutschland kommt.

Der Film „Pornographie und Holocaust“ behandelt das Thema der „sexuellen Ausbeutung des Holocaust“ an zwei Medien: einerseits den ‚Stalag‘-Heftchen der 1960er Jahre, andererseits bereits in den 1940er und 1950er Jahren erschienenen Büchern des Autors ‚K. Zetnik‘, die der als eine Art frühen ‚Vorläufer‘ der Stalag-Hefte sieht. Beide fanden ihre jeweils eigene, dennoch verwandte Art, die Themen Holocaust und Pornographie mit einander zu verknüpfen.

Unter den Namen „K. Zetnik“ berichtete der in Polen geborene israelische Autor und Holocaust-Überlebende Yehiel Dinur u.a. im Prozess gegen Adolf Eichmann über die Verbrechen der Nazis in KZs. Er verfasste -ebenfalls unter dem Pseudonym ‚K. Zetnik‘- mehrere Bücher über den Holocaust, bekannt u.a. „Das Haus der Puppen“ (1953) und „Salamandra“ (1946). Dinur berichtete darin nicht nur, er schrieb statt Reportagen über das Erlebte oft Passagen, die von Lesern als pornographisch oder gar sexuell stimulierend empfunden werden konnten.

Dinurs Bücher, insbesondere „Das Haus der Puppen“, sind noch im heutigen Israel aktuell, haben „das israelische Bewusstsein durchdrungen“. Gehören seit den 1990er Jahren zum Lehrstoff höherer Schulklassen und sind Prüfungsstoff im Abitur.

Offener pornographisch griffen das Thema einige Jahre später die ‚Stalag‘-Hefte auf. Sie waren -nach den Büchern Dinurs- mit die ersten Formen öffentlicher Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Israel – zu einer Zeit, in der gerade der Prozess gegen den ‚Architekten des Holocaust‘ Adolf Eichmann in Israel stattfand.

Der erste der drei Autoren der ‚Stalags‘ war „Mike Baden“ (i.e. Eli Keidar), ihm folgten „Ralph Butcher“ und „Mike Longshot“. Das erste Stalag unter dem Titel „Stalag 13″ wurde direkt zum Verkaufserfolg – über 80.000 Exemplare wurden verkauft. Schnell folgten weitere Ausgaben, bald auch von weiteren Autoren (unter ihnen Miram Uriel), viele verlegt von Isaac Gutmann. Geworben wurde für die Hefte in Zeitungsanzeigen – oft mit Anzeigen, die direkt neben Berichten platziert waren, die über den gerade stattfindenden Eichmann-Prozess informierten.

Der große Erfolg führte bald zu Nachahmern. Die Zahl der Stalag-Bändchen wuchs schnell, wechselnde Cover über der von Grundmuster her immer gleichen Geschichte. Nach gut zwei Jahren, einem Prozess und einer Übersättigung des Marktes verschwanden die Stalag-Heftchen wieder – und sind heute Objekt einer kleinen Gruppe Sammler.

Der Film“Pornographie und Holocaust“ behandelt ausführlich beides – die Bücher Dinurs wie auch die Stalag-Hefte der 1960er. Er lässt damalige Autoren, Leser, aber auch Wissenschaftler zu Wort kommen – und den Zuschauer immer wieder irritiert, bestürzt zurück. Eine Sexualisierung des unfassbaren Grauens, die selbst wieder kaum fassbar scheint – und doch ein Versuch ist, einen Weg des Umgangs mit eben jenem Grauen zu finden.

Sie bemühe sich, über den Holocaust „nur in kleinen Worten“ zu sprechen, denn eigentlich gebe es dafür überhaupt keine Worte, bemerkt eine der befragten Expertinnen gegen Ende des Films. Ein eigentümlicher Kontrast, wohltuender Abstand zu Worten und Bildern sowohl der Dinur’schen Bücher als auch der Stalag-Heftchen, in einer insgesamt wohltuend distanziert – ruhigen und sehr sehenswerten Dokumentation.

.

„Pornographie und Holocaust“ (Original-Titel: ‚Stalags‘)
Dokumentarfilm, Israel 2008, 63 min.
Regie und Drehbuch: Ari Libsker
Verleih: Movimiento, Berlin

derzeit (seit 30.12.2010) zu sehen im Kino ‚Movimiento‘ Berlin

siehe auch:
Website des Films Stalags
SpON 30.12.2010: Kinodoku „Pornografie & Holocaust“
taz 29.12.2010: Die Inszenierung der Gewalt
SZ 30.12.2010: Die Hündin des Hauptmanns

Eichmann-Prozess /Transkript Aussage Yehiel Dimur am 7. Juni 1961 (auf Nizcor Project)
.

Kategorien
Homosexualitäten Kulturelles

Take the A Train – Billy Strayhorn, offen schwuler Jazzer

Am 31. Mai 1967 starb in New York der Pianist, Arrangeur und Komponist Billy Strayhorn. Strayhorn, Schöpfer unvergessener Stücke wie ‚Take the A Train“, war einer der bedeutendsten Jazz-Arrangeure – und lebte in den USA der 30er und 40er Jahre offen schwul.

Am 29. November 1915 in Dayton (Ohio) als William Thomas Strayhorn geboren, wuchs Billy Strayhorn zunächst in der Nähe von Pittsburgh auf. Seine Großmutter, selbst Pianistin für den örtlichen Kirchenchor, unterstützte sein frühes Interesse für Musik, doch erhielt er -auch aufgrund seiner Hautfarbe- in seiner Kindheit kaum  musikalische Ausbildung.

Anfang der 1930er Jahre begeisterte er sich für Jazz, begann mit eigenen Kompositionen, bildete 1937 eine eigene Band. 1938 lernte er Duke Ellington kennen, damals bereits ein erfolgreicher Bandleader. Am 2. Dezember 1938 durfte Strayhorn Ellington vorspielen. Ellington nahm in in seine Band auf – und in sein Haus in Harlem, Strayhorn wurde Mitglied der ‚Ellington Family‘.

Billy Strayhorn am 14. August 1958 (Foto: Carl Van Vechten / wikimedia)
Billy Strayhorn am 14. August 1958 (Foto: Carl Van Vechten / public domain)

Portrait of Billy Strayhorn – Carl Van Vechten Photographs – Public Domain

Von 1939 an bis zu seinem Tod war Billy Strayhorn Mitglied des Orchesters von Duke Ellinton. Er schuf dabei zahlreiche unvergessliche Stücke, unter anderem „Take the A Train“ (das von Strayhorn, nicht wie oft angenommen Ellington stammt).

Zu ‚Take the A Train“ gibt es eine nette Geschichte zur Entstehung des Titels: Nachdem Strayhorn nach einer Matinee-Show in Pittsburgh bei Ellington vorspielen durfte, reiste Ellington mit seinem Orchester wieder ab. Er versprach sich zu melden. Doch Strayhorn war ungeduldig – und reiste nach einem Monat selbst nach New York. Er suchte Ellington, der ihm eine Notiz hinterlassen hatte, wie er in New York zu finden sei: ‚Nehmen Sie U-Bahn-Linie A‘ – Take the A Train. Strayhorn tauchte unangemeldet bei Ellington auf, im Gepäck als Gastgeschenk eine Komposition – eben jenes ‚Take the A Train‘, das bald zur Erkennungsmelodie des Duke Ellington Orchesters werden sollte. Strayhorn selbst wurde aufgenommen – in Orchester und Familie.

Strayhorn selbst wohnte nur ein Jahr in Ellingtons Haus, zog schon 1939 mit seinem Freund, dem Musiker Aaron Bridgers zusammen. Ihre offen schwule Beziehung war bald in der ganzen farbigen Musik-Szene bekannt.

Für Ellington war Strayhorn zeitlebens mehr als „nur“ Musiker und Orchester-Mitglied. Beide verband eine sehr innige Freundschaft, die Ellingtons Enkelin einmal mit „ich glaube es war eine Form von Liebe“ beschrieb.

Strayhorn blieb bewusst immer eher im Hintergrund – und ist so bis heute zwar einer der wichtigsten, aber auch einer der unbekanntesten ‚Größen‘ des Bigband-Jazz.

1964 wurde bei ihm Speiseröhren-Krebs diagnostiziert. Am 31. Mai 1967 starb Billy Strayhorn im Alter von nur 59 Jahren in New York.

Billy Strayhorn – ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlicher Mann. Ein zurückhaltender und in seiner Bedeutung nicht zu überschätzender Jazz-Musiker, und ein Mann, der als Farbiger offen schwul lebte, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – in einer Zeit und Gesellschaft, in der dies alles andere als ’normal‘ war …

.

 

Kategorien
Frankreich Kulinarisches

Skandal: Asterix geht fremd

Darf der das? Darf Asterix, diese Ikone französischer Kultur, ausgerechnet für eine Inkarnation amerikanischer Barbarei werben?

Ganz Frankreich gerät in Wallungen, ja in helle Aufregung im Spätsommer 2010. Ganz Frankreich? Ja, selbst ein kleines gallisches Dorf – denn es steht im Mittelpunkt der Aufregung.

McDonalds, die aus den USA stammende Burger-Braterei, ist gerade in Frankreich lange Zeit auf Widerstand gestoßen. Hat aber seit vielen Jahren Erfolg, eröffnet eine Filiale nach der anderen. Unter anderem auch, weil sie sich clever bemühte, auch französische Elemente zu integrieren.

Ist die Burger-Braterei nun zu weit gegangen?

Der neueste Werbe-Partner der US-Amerikaner ist – ausgerechnet Asterix. Landesweit wirbt McDonalds im Spätsommer 2010 mit riesigen Plakatwänden, die eines der bekannten feucht-fröhlichen Gelage der widerspenstigen Gallier zeigen – in einer Filiale der Burger-Braterei:

McDonalds wirbt mit Asterix & co.
McDonalds wirbt mit Asterix & co.

Das ist doch … als würde Asterix zu den Römern überlaufen, ihnen einen Zaubertrank bringen. Frankreich ist empört. Blogger, Kommentatoren in Foren, selbst Journalisten schäumen vor Entrüstung (sogar der ‚Figaro‘ thematisierte dieses Motiv auf Seite 1).

Braut Miraculix (der bei den Franzosen Panoramix heißt) etwa jetzt bald nur noch Cola? Ist die Zeit des Widerstands gegen die Burger-Kette, die Zeit der Aktionen eines José Bové, schon so lange vorbei – oder ist gar die Zeit dafür wieder gekommen?

Erfreut ist hingegen die US-Kette, über die Medien-Aufmerksamkeit – für ihre inzwischen über 1100 Etablissements in Frankreich, aber auch für ihre neue Kampagne „venez comme vous etes“ („Kommen Sie so, wie sie sind“).

Aber McDo kann auch anders …

.

Kategorien
Frankreich Kulinarisches

Meersalz – Sel de Guerande

Frankreich hat kulinarisch viel zu bieten. Eine der Spezialitäten: Salz – bessonders das Sel de Guerande

Direkt an der Atlantik-Küste, zwischen dem mittelalterlichen Ort Guérande und dem früheren Salz-Umschlagpunkt und heutigen Touristen-Städtchen Le Croisic. Eine bizarr anmutende Landschaft, trist einerseits, andererseits im Sommer inzwischen ein Magnet für Touristen. Die ‚marais salants‚, die Salinen der Region um Guérande, der größte Salz-Garten Europas.

Etwa 300 Salzbauern (nicht alle im Voll-Erwerb), davon 180 in der Genossenschaft, die restlichen als Privat-Unternehmer, erzeugen auf den Salzwiesen der Region Salz.

„Sel de Guérande“ – dieser Name steht für eine, nein gleich für zwei Spezialitäten der südlichen Bretagne: für das leckere „Alltags-Salz“ ‚Sel gris‚ sowie das feine „Fleur de Sel„.

Sel de Guerande
Sel de Guerande (sel gris)

Meersalz, das Sel de Guérande, unterscheidet sich von industriellen Salzen. Getrocknet in (oft schon seit Generationen in Familienbesitz befindlichen) Becken aus Ton und Sand, hat es ein besonderes Aroma. Und eine andere Konsistenz als industrielle Salze.

Sel gris, das ‚Haushalts-Salz‘, hat einen höheren Feuchtegehalt als industrielle Salze – und durch den Boden der Salzbecken, durch Minerale seine spezielle, den Namen gebende Farbe. Geerntet wird von Mitte Juni bis in den Oktober.

Fleur de Sel, die feinere Variante, ist eine in den letzten Jahren auch international in Mode gekommene Spezialität. Fleur de Sel, die Salzblume, bildet sich vom Mittag bis Abend auf der Oberfläche der Erntebecken – wenn Wind und Sonne stimmen. Die Ernte ist somit noch mehr als beim sel gris abhängig von den Wetterbedingungen.

Die Salzwiesen der Guérande sind heute bei Touristen beliebtes Gebiet, und Fleur de Sel selbst in Deutschland geschätzte Spezialität. Noch vor wenigen Jahren war das anders.

Ende der 1960er Jahre standen die lokalen Salzbauern (paludiers) vor dem endgültigen Niedergang, verursacht durch günstigeres industrielles Salz. Die Salzgärten, so die Regionalplanung, sollten aufgelassen, das Land zu Bauland umgewidmet werden. Doch genau diese Planungen führten zu einer Wiederbelebung lokaler Traditionen – in von der Politik nicht geahntem Ausmaß kam es zu lokalen Protesten.

Und viele Bewohner, vor allem auch jüngere Leute, schritten zur Tat – und nahmen die alten Salzwiesen wieder in Betrieb. Die Mühe sollte sich lohnen. Waren ihre Eltern meist noch die verlachten armen Salzbauern, die kaum den eigenen Lebensunterhalt erwirtschaften konnten, so wurde Sel de Guérande nun nach einigen Jahren zur wieder geschätzten Spezialität

Nebenbei, die Marais haben noch ein Nebenprodukt, eine weitere, in Deutschland weniger gut bekannte Spezialität zu bieten: Salicornes, eine Queller-Pflanze, die am Rand der Salzbecken wächst – und sich vorzüglich als Gemüse eignet …

… und für den schwulen Touristen empfiehlt sich ein Abstecher nach ‚Pen Bron‘, nahe Le Croisic, einer der zahlreichen schwulen Strände der Atlantik-Küste

.

Kategorien
Köln Kulturelles

Rautenstrauch Joest Museum – Kulturen der Welt

Lange war es geschlossen, das 1906 eröffnete ehemalige ‚Museum für Völkerkunde Rautenstrauch-Joest‘. Seit dem 22. Oktober 2010 ist es wieder für die Öffentlichkeit da, das neue ‚ Rautenstrauch Joest Museum – Kulturen der Welt‘. Beeindruckend in Sammlung, Präsentation – und neuem Gebäude (Neubau des Braunschweiger Architekturbüros Schneider & Sendelbach).

Rautenstrauch Joest Museum – Kulturen der Welt – Fotos (2010)

Rautenstrauch-Joest-Museum - Kulturen der Welt
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt
Kategorien
Kulturelles

Nan Goldin. Berlin Work. Fotografien 1984 bis 2009

Am 20. November 2010 eröffnet in Berlin die Ausstellung “Nan Goldin. Berlin Work. Fotografien 1984 bis 2009″

Die Berlinische Galerie zur Ausstellung:

Nan Goldins Fotografien sind Bilder ihres Lebens. Sie zeigen in unerschöpflicher Fülle die „Familie“ Goldins – ihre Freunde, Bekannten, Liebhaber. Seit sie mit 14 Jahren ihr Elternhaus verließ, lebte sie mit einer Subkulturszene von Drag Queens, Transvestiten und Homosexuellen zuerst in Boston und ab 1978 in New York. 1991 kam sie durch ein DAAD-Stipendium nach Berlin und blieb hier mit kurzen Unterbrechungen bis 1994. Seither ist sie immer wieder zurückgekehrt.
Die Ausstellung gibt mit 80 teils noch nie gezeigten Fotografien einen umfassenden Überblick der in Berlin entstandenen Arbeiten. Thematisch und chronologisch präsentiert gewähren Künstler- und Selbstporträts, Interieurs und Stillleben einen Einblick in die Person und das Umfeld der Künstlerin. Vier Bildtableaus, die so genannten „grids“, leisten als narrative Sequenzen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Goldins Berlin-Bild und zeigen die Stadt in ihrer Bedeutung als Ort künstlerischer Kreation und Transition.

Goldin besuchte 1982 (auf Einladung von Alf Boldt † 18.8.1993 an den Folgen von Aids) erstmals Berlin. Sie lebte von 1991 bis 1994 in Berlin.

Nan Goldin setzte sich in ihren Arbeiten immer wieder mit HIV und Aids auseinander. Sie betont selbst “AIDS changed everything in my life. There’s life before AIDS, and after AIDS.”

Die 1953 geborene Goldin erzählte (auf digitaljournalist) selbst, wie es dazu kam:

“My art was the diary of my life. I photographed the people around me. I didn’t think of them as people with AIDS. About ’85, I realized that many of the people around me were positive. David Armstrong took an incredible picture of Kevin, his lover at the time, right before Kevin went into the hospital. I photographed him when he was healthy. At that stage, we still didn’t know very much. There was a lot of ignorance. We were very obsessed with what caused it: There were all kinds of rumors, everything from amyl nitrate to bacon. People were tested and being told they had something called ARC, that quickly became medically non-relevant. I was in denial that people were going to die. I thought people could beat it. And then people started dying.”

Goldins bisher bekannteste (und m.E. bewegendste) Arbeit ist “The Ballad of Sexual Dependency” (Titel entlehnt aus Brechts Dreigroschenoper), eine Serie von ungefähr 700 Dias aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, die 1986 auch als Buch erschien.

Nan Goldin. Berlin Work. Fotografien 1984 bis 2009
Berlinische Galerie – Landesmuseum für Kunst, Fotografie und Architektur
20.11.2010 – 28.03.2011