Kategorien
Kulturelles Oldenburg

Geschlechtertrennung beim Baden – Friesoythe wahrt die Moral (1959)

Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2023 von Ulrich Würdemann

Baden getrennt nach Geschlechtern – das war in den 1950er Jahren noch in zahlreichen Städten üblich. Entweder gab es getrennte Badezeiten, oder getrennte Badebereiche.

Wie in Oldenburg, im damaligen ‚Strandbad‘ an der Mühlenhunte (inzwischen geschlossen, damals das einzige öffentliche Bad im überwiegend protestantischen Oldenburg). Dort gab es sei den 1920er Jahren getrennte Bereiche, die Frauen-Badeanstalt und die Männer-Badeanstalt, beide Bereiche waren auch ‚im Wasser‘ deutlich voneinander getrennt.

In vielen anderen Bädern war jedoch längst gemeinsames Baden üblich. So auch im überwiegend katholischen Friesoythe, einer kleinen Stadt südlich von Oldenburg.

keine Geschlechtertrennung beim Baden: gemeinsames  Baden Stadtbad in Stockholm ca. 1915
gemeinsames Baden, ein Stadtbad in Stockholm, ca. 1915
(Hässelby strandbad – – Stadsmuseet i Stockholm – Public Domain)

In Friesoythe im Landkreis Cloppenburg (Oldenburger Münsterland) gab es das getrennte Baden nicht. Dort wurde getrenntes Baden für Frauen und Männer erst auf Betreiben des lokalen Pfarrers im Jahr 1959 (!) neu eingeführt.

August Wehage, sittenstrenger Dechant von Friesoythe, predigte von der Kanzel der St. Marien Kirche, beklagte das „gemeinschaftliche Baden von Personen verschiedenen Geschlechts„. Gleiches ließ er auch von anderen Kanzeln verkünden.Es gelte das ‚vorzeitige Erkennen der Geschlechter‘ zu verhindern. Nur mit dem Einführen des getrenmnten Badens sei es möglich, Sitte und Moral aufrecht zu erhalten.

Der Stadtrat von Friesoythe unter Leitung von Bürgermeister Block reagierte prompt auf die ‚Wasserpredigt‘ vom 14. Juni 1959.

Schon fünf Tage darauf, am 19. Juni 1959, wurde die Badeordnung von Friesoythe (mit 13 gegen 2 Stimmen) geändert. Die Geschlechtertrennung beim Baden wurde eingeführt. Im städtischen Freibad durften seitdem die Geschlechter nur noch getrennt baden.

Die Aktion in Friesoythe war selbst für das noch recht ‚verklemmte‘ Nachkriegs- Westdeutschland recht ungewöhnlich. Sie sorgte für zahlreiche Schlagzeilen – Friesoythe wurde zum Sinnbild für Prüderie und zum Gespött.

Doch weder Gespött noch Beschwerden aus der Bevölkerung halfen – die neue Badeordnung galt das ganze Jahr 1959. Erst ein Jahr später, 1960, wurde die Badeordnung erneut geändert, die Geschlechtertrennung beim Baden wieder abgeschafft.

August Wehage

August Wehage wurde am 3. Oktober 1908 in Dinklage geboren. Wehage war über 40 Jahre in Friesoythe tätig, davon 1951 bis 1977 als Pfarrer.

Er starb am 7. Mai 1977 in Friesoythe.

Seit Juni 2012 wird er dort mit einer ‚Propst-Wehage-Straße‘ geehrt.

„Er hatte eine Tatkraft, die nicht jedem gegeben ist.“

Ferdinand Cloppenburg, früherer ehrenamtlicher Bürgermeister und seit 2007 Ehrenbürger von Friesoythe, 2012 bei der Straßen-Benennung

.

Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert