Zuletzt aktualisiert am 23. März 2023 von Ulrich Würdemann
Der chinesische Konzern Cosco kann Anteile am Containerterminal Tollerort CTT in Hamburg vom Betreiber HHLA übernehmen.
Trotz Ablehnung durch alle sechs beteiligten Fachministerien sowie durch EU, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst wurde eine Beteiligung von 24,9 % genehmigt, statt der ursprünglich geplanten 35%.
Kurz vor Jahresende 2022 ist weiterhin unklar, ob die Teilübernahme stattfindet – Cosco hat sich bisher nicht geäußert. Am 31.12.22. läuft eine wichtige Frist ab. Doch auch Ende März 2023 ist die Übernahme noch nicht vollzogen.

Nachdem sich im Wirtschaftsministerium Widerstand gegen die Übernahme abzeichnete, hatte China eine Frist für die Genehmigung bis Jahresende 2022 gesetzt. Eine Oktober 2022 erfolgte die Genehmigung auf dem Weg einer Teiluntersagung.
Das 1977 gegründete und 1996 von der HHLA übernommene Containerterminal Tollerort CTT hat insgesamt vier Liegeplätze an 1.205 m Kailänge und 14 Containerbrücken. Es ist eines von drei Containerterminals der HHLA (mit Burchardkai und Altenwerder; dazu Eurogate).
[Toll = Zoll, bis 1786 befand sich hier die Zoll-Grenze zwischen dänischem und hamburgischem Gebiet]
Etwa ein Drittel (1,2 Mio.) aller jährlich in Hamburg umgeschlagenen Container ist im China-Verkehr (Import oder Export).
Coscos & Cosco
COSCO ist zu 100% im Besitz des chinesischen Staates und Teil des Konglomerats SASAC. Coscos China COSCO Shipping Corporation (Teil des Cosco Konzerns) ist u.a. der Betreiber der größten Containerflotte weltweit (etwa 1.400 Schiffe).
Cosco Shipping kontrolliert etwa 11 Prozent des weltweiten See- Containerverkehrs.
Weltweit ist Cosco inzwischen in 37 Häfen Betreiber. Cosco hält Investitionen in 52 Containerterminals.
In China hingegen sind Häfen, Reedereien und Schiffe qua Gesetz staatlich und stehen ausländischen Investoren nicht für Beteiligungen offen.
Die Teil- Übernahme von CTT soll über die Cosco Shipping Ports Limited (CSPL, Sitz Hongkong) realisiert werden. Im Gegenzug will Cosco Hamburg zum ‚preferred hub‘ (bevorzugter Umschlagpunkt) machen [was im Umkehrfall als Hinweis auf mögliche Konsequenzen auch als Drohung interpretiert werden kann].
China ist seit einigen Jahren über staatliche Unternehmen in zahlreichen Häfen und Terminals in Europa engagiert. Die Beteiligung in Hamburg ist Teil eines größeren Bilds.
HHLA und Hamburg
Die HHLA ist ein Hamburger Logistikunternehmen und größtes Unternehmen im Hafen Hamburg. Seit einer Teilprivatisierung 2007 ist das früher zu 100% im Besitz der Stadt Hamburg befindliche Unternehmen börsennotiert.
Zudem wurde Anfang Dezember 2022 bekannt, dass die HHLA offensichtlich weitreicherende Kooperationen mit dem chinesischen Staatsunternehmen Cosco plant.
In der sogenannten Nordrange (Nord- und Ostsee) liegt Hamburg an dritter Stelle der bedeutendsten Containerhäfen nach Rotterdam und Antwerpen.
Häfen und Hafenterminals gelten politisch bisher nicht als ‚kritische Infrastruktur‚ (KritIS). Dies oll aber vermutlich im neuen ‚Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur (Kritis)‘ erfolgen, das 2023 vorgelegt werden soll.
CTT Tollerort an China – umstrittene Übernahme-Pläne
Die teilweise Übernahme von CTT Tollerort durch China bzw. Coscos ist umstritten. Cosco soll nicht nur 35% der Anteile übernehmen (Finanzbeteiligung), sondern auch operativen Einfluß, nämlich einen Geschäftsführer stellen sowie Mitspracherecht bei Entscheidungen bekommen. Zudem hat Cosco bereits jetzt deutlich Einmfluss – es ist seit Jahren der wichtigste Kunde des Hamburger Hafens.

Beim Bundeswirtschaftsministerium läuft ein Investitionsprüfungsverfahren.
Während einige Katastrophen-Szenarien bei einer Ablehnung malen, weisen andere auf politische Langzeit- Implikationen von Chinas strategischer Investitionspolitik im Fall einer Bewilligung hin.
„Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland.“
Axel Mattern, Vorstand Hafen Hamburg Marketing
„Wenn keine klaren Sicherheitskriterien nachvollziehbar sind, hat die Untersagung von Investitionen des für unsere Wirtschaft so wichtigen Handelspartners China negative Auswirkungen auf die Investitionsattraktivität unserer Standorte.“
Volker Treier, Außenwirtschafts-Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags
„Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, September 2022
„Wir müssen die Handelspolitik auch als neues Machtinstrument begreifen, auch als Solidaritätsinstrument begreifen.“
„Die Vision von Cosco Shipping besteht darin, die Mission der Globalisierung der chinesischen Wirtschaft zu erfüllen.“
Cosco, Selbstdarstellung / Internetseite
„Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen. … Eine häufig angewandte Taktik ist yi shang bi zheng, übersetzt bedeutet das in etwa: Unternehmen einsetzen, um die Regierung unter Druck zu setzen.“
Hamilton / Ohlberg: Die lautlose Eroberung: Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet (2020)
„Libertatem quam peperere maiores digne studeat servare posteritas“
Hamburger Rathaus, inschrift
(„Die Freiheit, die errungen die Alten, möge die Nachwelt würdig erhalten.“)

Genehmigung der Übernahme gegen Rat aller Fachministerien ?
Trotz Ablehnung durch alle sechs beteiligten Fachministerien (Wirtschaft, Innen, Verteidigung, Verkehr, Finanzen, Auswärtiges) scheint das Bundeskanzleramt die Übernahme durchsetzen zu wollen (durch Verhinderung der Ablehnung), berichten Medien am 20. Oktober 2022.
Am 22. Oktober teilte der Sprecher des Bundeskanzleramts mit, der Bundeskanzler habe sich zum Sachverhalt bisher nicht mit sienen Minstern ausgetauscht.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte eine Ablehnung der Übernahme durch das Bundeskabinett empfohlen, da es sich bei Tollerort um kritische Infrastruktur handele und zudem ein ‚Erpressungspotenzial‘ entstehen könne.
Aus den Fachministerien kommt vor allem (aber nicht nur) aufgrund der veränderten geopolitischen Situation nach Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine Widerspruch.
„Eine Untersagung des Erwerbs ist erforderlich, um einer Vertiefung der wirtschaftlichen Abhängigkeit Deutschlands von China namentlich eines größeren Einflusses von Cosco auf Hafenbetrieb und Handelsschifffahrt in Deutschland vorzubeugen.“
interne Einschätzung (tagesschau.de)
„Die Minister kommen offensichtlich zu der Meinung: Die Risiken sind zu hoch. Sonst hätte es nicht diese Meinung in der Bundesregierung gegeben.“
Reinhard Bütikofer, Europa-Abgeordneter Die Grünen, ehem. Parteichef, in der TV-Sendung Monitor
Widerspruch gegen die Übernahme soll auch von Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst kommen. Die EU-Kommission warnte (bereits im Frühjahr), es bestünde die Gefahr sensible Informationen an China abfliessen, zumal in Hamburg au8ch militärische Güter umgeschlagen würden.
Eine Entscheidung muss bis Ende Oktober 2022 fallen – kurz vor dem Staatsbesuch von Bundeskanzler Scholz in China.
Kompromiss – oder fauler Kompromiss?
Am Abend des 24. Oktober berichten Medien, als Kompromiss zeichne sich ab, China dürfe nur 24,9% übernehmen. Mit einem Anteil unter 25% sei kein Vetorecht (Sperrminorität), somit kein Einfluss auf geschäftspolitische Entscheidungen verbunden.
Die ‚Teilversagung‘ soll mit China abgestimmt sein.Die sechs Bundesministerien, die die Übernahme bisher ablehnten, sollen der niedrigeren Quote als ‚Notlösung‘ zugestimmt haben. Eine völlige Untersagung sei weiterhin die richtigere Lösung.
Einige Medien erwähnen allerdings, diese Begrenzung sei ‚vorübergehend‘, die restlichen Anteile sollten ‚zurückgehalten‘ werden. Später könnten auch die verbliebenen 10% übernommen werden.
26. Oktober 2022 – Genehmigung per Teiluntersagung
Das Bundeskabinett genehmigte am 26. Oktober 2022 eine Beteiligung von Cosco am Containerterminal Tollerort von 24,9%. Dies erfolgte auf dem Weg einer Teiluntersagung (statt der ursprünglich geplanten 35%).
Allerdings ließ das Auswärtige Amt aktenkundig eine Protokollerklärung dazu aufnehmen. In dieser heißt es u.a.
„China hat deutlich gezeigt, dass es bereit ist, wirtschaftliche Maßnahmen zur Erreichung politischer Ziele einzusetzen. Insofern hat der Erwerb des Containerterminals nicht nur eine wirtschaftliche, sondern eine geopolitische Komponente.“ Cosco dürfe keine „Mitentscheidungsrechte erhalten, welcher es dem Unternehmen erlauben, handelspolitische und finanzielle Druckmittel zur Einflussnahme auf die Politik zu erlangen.“
Auswärtiges Amt, Protokollerklärung vom 26. Oktober 2022 zu Tagesordnungspunkt 1 der Sitzung des Bundeskabinetts
Damit setzte sich Bundeskanzler Scholz gegen alle sechs beteiligten Fachministerien und zahlreiche Fachleute durch.
Per Teiluntersagung ist es Cosco dabei u.a. verboten, Mitglieder der Geschäftsführung zu benennen sowie sich ‚vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen‘.
Kurz vor Jahresende 2022 ist weiterhin unklar, ob die Teilübernahme tatsächlich stattfindet. Cosco hat sich bisher nicht geäußert. Eine Frist (‚long stop date‘) bis zu der alle Vertragsparteien ihre Pflichten erfüllt haben müssen läuft zum 31.12.2022 aus (verlängert von ursprünglich 30.9.2022).
HHLA-Cheffin Titzerath betonte in einem Interview Ende Dezember 2022, „wir warten derzeit noch die finale Abstimmung mit der Bundesregierung ab“. Cosco allerdings hatte in einer Börsen-Pflichtmitteilung mitgeteilt, noch nicht alle Voraussetzungen seien erfüllt, ob der Vertrag zustande komme sei unklar.
Ende März 2023 ist die Übernahme immer noch nicht vollzogen. Die finale Genehmigung durch das Bundeswirtschaftsministerium stehe noch aus, so HHLA Cheffin Titzerath.
.
Anfang Dezember 2022 warnte auch der Binnenmarkt-Kommissar der Euriopäischen Union Thierry Breton – ohne direkten Hinweis auf Cosco und Hamburg – vor einer Beteiligung chinesischer Staatskonzerne an kritischer Infrastruktur. Bis zur Schwelle von unter 25% sei dies akzeptabel, doch
„Oberhalb dieser Schwelle wird aus einer finanziellen eine strategische Beteiligung. Das sollten wir vermeiden.“
Thierry Breton, Spiegel, 02.12.2022
4 Antworten auf „Hamburg: Containerterminal Tollerort teilweise an China ?“
[…] Frage, wie eine teilweise Übernahme des Hamburger Containerterminals Tollerort CTT durch China bzw. Coscos zu beurteilen […]
[…] Cosco darf nach längeren Debatten und unter Protest u.a. der sechs zuständigen Bundesministerien e…. […]
[…] Erst jüngst hatte Hamburg für Schlagzeilen gesorgt. Nach Interventuion aller beteiligten Ministerien war eine geplante Übernahme eines Anteils von 35% am Containerterminal Tollerort durch Cosco per Teiluntersagung auf …. […]
[…] Die geplante (auch Anfang März 2023 überraschend noch nicht realisierte) Übernahme eines Anteils am H…. […]