Kategorien
HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

HIV hetero : „HIV ist eher nebensächlich für uns“ – Interview mit Isabel und Rene, der „ersten hetero PoBe-Beziehung“

Positiv, hetero – und eine glückliche Beziehung, die zudem eine bemerkenswerte Geschichte hat. In zwei parallelen Interviews erzählen 2012 Isabel und Rene über sich und ihre ‚PoBe-Beziehung‘:

Isabel, Rene, ihr seid seit 4 Monaten fest zusammen. Mögt ihr euch zunächst kurz vorstellen?

Isabel: Ich bin gebürtige Sächsin, lebe aber schon seit 1985 im Großraum Düsseldorf, zähle inzwischen 36 Jahre und bin seit Ende 2000 positiv – infiziert von meinem Ex-Mann, der mir seinen HIV-Status verschwiegen hat. Seit 2002 nehme ich HIV-Medikamente und hab eigentlich keine größeren Einschränkungen dadurch. Habe aber auch das große Glück, eine Kombination zu nehmen, die nur einmal täglich verabreicht wird. Ich habe zwei Kinder – mein Sohn wurde 2003 geboren – durch ihn auch der frühe Therapiebeginn. Beruflich komme ich aus der Bank – ich habe vor 20 Jahren dort gelernt und bin bis heute im Konzern tätig.

Rene: Ich wurde 1972 in Quedlinburg geboren und lebe heute in Erfurt. Seit 1996 bin ich positiv getestet und seitdem in Therapie, die ich allerdings anfangs durch meine Suchterkrankung nicht regelmäßig eingenommen habe. Seit 2002 nehme ich die Medikamente allerdings durchgehend – meine Therapie besteht aus Kaletra und Truvada. Ich bin seit Jahren unter der Nachweisgrenze bei ca. 700 Helferzellen. Bis auf kleine Nebenwirkungen (Migräne) vertrage ich die Therapie ganz gut. Beruflich schlägt mein Herz grün (Garten- und Landschaftsbau) und nachdem ich nun körperlich und seelisch wieder hergestellt bin, hoffe ich, auch in diesem Bereich wieder voll durchstarten zu können.
Seit 4 Jahren bin ich komplett trocken – da hab ich gleich Nägel mit Köpfen gemacht und auch das Rauchen aufgehört.

Ihr seid euch nicht ganz zufällig begegnet – die Geschichte eurer Beziehung ist eng mit den ‚Positiven Begegnungen‘ verbunden?

Isabel: Für mich war es die 3. PoBe und ich freute mich darauf, wieder neue Leute kennenzulernen und alte Bekanntschaften aufzufrischen. Schnell hatte ich vertraute Gesichter wiederentdeckt und gesellte mich zu diesen. Dabei war neben vielen neuen Gesichtern eben auch das von René. Wir warfen uns schon mal den ein oder anderen verstohlenen Blick zu und wenn ich mich zum Rauchen nach draußen schlich, tauchte er meist auch auf und wir unterhielten uns. Auf der Abschlussveranstaltung wurde „sein“ Video ausgestrahlt, welches im Workshop entstanden ist und ich zog den Hut vor seinem Weg. So tief hatte er mich natürlich in den vorangegangenen Tagen noch nicht in sein Leben blicken lassen und ich lernte einen ganz anderen René kennen. Kurz vor meiner Abfahrt kam er dann auf mich zu und fragte ganz höflich, ob er mir seine Telefonnummer geben dürfe. Es folgten dann Telefonate, Briefe und kleine persönliche Geschenkpäckchen über einen Zeitraum von 1,5 Jahren – wobei ich gestehen muss, dass ich mich schon teilweise ziemlich rar gemacht habe und René manches mal mehrere Wochen auf ein Lebenszeichen von mir warten musste. Allerdings war es toll für mich, trotzdem immer die wahre und echte Freude in seiner Stimme zu hören, wenn ich endlich mal wieder zum Hörer griff. Wir lernten uns, ohne es richtig zu bemerken, immer intensiver kennen und nachdem ich dann verschiedene Dinge in meinem Privatleben geregelt hatte, schrieb ich ihm kurz vor seinem 40. Geburtstag eine Nachricht, in der ich fragte, ob er an seinem Geburtstag den ganzen Tag auf Festnetz zu erreichen sei. Er hat recht schnell geahnt, worauf ich hinaus wollte und fragte ganz ungläubig an, ob ich eventuell vor habe, ihn besuchen zu kommen. Ja und bei diesem Besuch hat es dann ganz heftig gefunkt – seitdem verdienen die Mineralölkonzerne richtig gutes Geld an uns.

Rene: Ich war das erste Mal bei den Positiven Begegnungen und war überrascht von der Menge der Teilnehmer. Ich kam mir anfangs ein wenig verloren vor, stellte dann aber schnell fest, dass ich schon ein paar Leute durch die Positiv & Hetero Gruppe kannte. Mit dem Verlauf dieses Treffens taute ich nach und nach immer mehr auf und bemerkte interessante Menschen um mich herum. Im Gegensatz zu Situationen aus meinem früheren Leben erfuhr ich hier nicht Ablehnung und Diskriminierung, sondern mir wurde ehrliche Sympathie, Respekt und Anerkennung entgegen gebracht. Für mich war auf diesem Treffen klar, dass ich etwas bewegen möchte, dass heißt Gesicht zeigen. Deswegen habe ich auch beim Videoworkshop mitgemacht, bei dem ich glaube, recht authentisch rüber zu kommen.
Zu den Mahlzeiten fiel mir Isabel schon positiv auf und unsere Blicke trafen sich in der nächsten Zeit recht häufig. Das erste Grinsen war schon mit dabei. Nach den 4 Jahren meiner Abstinenz hatte ich wohl den Kopf frei, um das Projekt „zwischenmenschliche Beziehungen“ zu beginnen. Da ich noch nie in meinem Leben über einen längeren Zeitraum liiert war – sozusagen ein Langzeitsingle – aber immerhin nicht mehr bei Mutti wohnend – wollte ich hier einen ganz neuen Weg gehen. Das Treffen neigte sich am Sonntag dem Ende zu, als ich nach der Frühstückszigarette raus ging. Mit meiner Telefonnummer in der Hand und klopfendem Herzen in der Brust ging ich auf Isabel zu und gab ihr das Zettelchen. In den Satz: „Darf ich Dir meine Telefonnummer geben?“ legte ich all meine Hoffnung. Die Angst vor einem Korb war aber schon ganz schön groß.
Damals wusste ich noch nicht, wie verrückt diese Frau ist und dass sie keine Spielerin ist. Der Grundstein war gelegt…

Ihr beide seid also die erste hetero- „PoBe-Beziehung“, von der wir wissen, oder?
Weswegen seid ihr zu den ‚Positiven Begegnungen‘ gefahren?

Isabel: Klasse, so habe ich das noch gar nicht gesehen – aber es stimmt schon, ich habe bisher noch von keiner anderen hetero PoBe-Beziehung gehört.
Die Positiven Begegnungen sind für mich schon immer ein toller Ort gewesen, um neues Wissen zu erlangen, Wissen zu vermitteln und eben andere Betroffene kennenzulernen. Ich wurde für Bielefeld als Referentin angefragt, wäre aber auch als rein private Teilnehmerin gekommen. Im weitesten Sinne wollte ich also schon neue Menschen kennenlernen, aber keinesfalls einen neuen Partner. In Bielefeld war ich selbst noch gebunden, wenn auch nicht glücklich, so aber doch in einer Beziehung.
Ich hatte da erstmal einiges in meinem Leben auf die Reihe zu bekommen und war vom Thema Partnerschaft so bedient, dass ich ganz sicher erstmal nichts neues wollte.

Rene: In erster Linie ging es mir darum, positive Energie zu tanken. Eine mögliche Partnersuche stand keinesfalls im Vordergrund. Es war mir aber von vorneherein auch klar, dass es nicht tragisch wäre, wenn sich in diese Richtung etwas entwickeln würde.

Wie wichtig ist euer HIV-Status für euch in eurer Beziehung?

Isabel: Wir achten sehr aufeinander, können nachempfinden, wenn der Partner sich nicht wohl fühlt – ohne dass er sich großartig erklären muss.
Ansonsten nimmt der HIV-Status eher einen kleinen Raum in der Beziehung ein – es tut gut, sich vor dem Partner nicht verstecken oder verstellen zu müssen und natürlich ist es auch toll, spontan und unkompliziert Sex haben zu können.

Rene: Eigentlich ist der HIV-Status eher nebensächlich für uns.

Nach der ‚PoBe Bielefeld‘, dem Beginn eurer Beziehung – wie geht’s weiter?
Seid ihr auf Positiventreffen, oder auf den nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ in Wolfsburg?

Isabel: Wir sind auf jeden Fall in Wolfsburg dabei und hoffen inständig, dass die gemeinsame Zimmerreservierung auch wirklich klappt! Und auch sonst sind wir gerade in der Phase, in der wir unser Glück mit anderen teilen möchten, ihnen davon erzählen möchten – so habe ich kürzlich Renés „Positiv & Hetero“ Gruppe bei einem Treffen besucht und auch in unseren örtlichen AIDS-Hilfen sind wir beide zusammen zu finden, wenn gerade Veranstaltungen auf die Tage fallen, an denen wir zusammen sein können. Für 2013 haben wir geplant, an einem Partnertreffen im Waldschlösschen teilzunehmen. Ich hoffe also sehr, dass wir zukünftig öfter mal als Pärchen auf Treffen zu finden sind.

Rene: Ich denke, hier hat Isabel die Frage komplett für uns beantwortet <lacht>

Heterosexuelle HIV-Positive haben es, scheint mir, oft schwerer, Beziehungs-Partner zu finden als Schwule, oder täusche ich mich da? Habt ihr einen Tipp für positive Heteros?

Isabel: Nun, es ist wohl generell schwer, den passenden Partner zu finden – noch dazu habe ich das Gefühl, dass viele Heteros doch dazu neigen, keine „gemischten“ Beziehungen eingehen zu wollen, was die Partnersuche nicht wirklich einfacher macht.
Ich habe aber erlebt, dass es durchaus legitim und auch möglich ist, sich in einen „negativen“ Partner zu verlieben und mit ihm zusammen zu sein. Die Hürden waren bei mir gar nicht so groß, wie ich es im Voraus immer befürchtet habe und der Umgang mit HIV wurde im Alltag ein ganz normaler.
Von daher kann ich nur den Tipp geben, auf das Herz zu hören und mit dem Selbstbewusstsein in eine neue Situation hineinzugehen, dass uns zusteht. Wir brauchen uns wegen nichts zu schämen oder zu verstecken.
In René habe ich mich nicht verliebt, weil er positiv ist, sondern weil er René ist.

Rene: Ich denke auch, dass man sich keinesfalls verstecken sollte, sondern sich einfach öffnen und in die Welt rausgehen muss. Frei nach dem Motto „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Dank EKAF wird meiner Meinung nach auch vieles leichter. Ich denke, auch mit HIV sind wir vollwertige Menschen.

Isabel, Rene, ganz herzlichen Dank für das Interview!

.

Text 21. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

Kategorien
Nachdenkliches

liebende Existenz in Freiheit – nicht im Seitensprung – Zimmer

Seitensprung -Zimmer? Was nur ist ein Seitensprungzimmer? Und was überhaupt ein Seitensprung?
Beim Herumstromern in der großen Stadt entdecke ich im Schaufenster eines Pornokinos einen merkwürdigen Begriff:

Seitensprung - Zimmer (Hinweistafel an einem Pornokino in Berlin)
Seitensprungzimmer (Hinweistafel an einem Pornokino in Berlin)
Kategorien
HIV/Aids Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Erinnerungen an Ernst Meibeck (1950 – 1995)

Ernst Meibeck, Schauspieler, Musiker, Sänger, Kabarettist und ACT UP Aktivist, wurde am 14. April 1950 in Essen geboren. Ernst Meibeck starb am 10. Oktober 1995 im Alter von 45 Jahren in Hamburg.

Ernst Meibeck 1991 © Florian Wüst
Ernst Meibeck, Januar 1991 © Florian Wüst

Ernst Meibeck lernte ich kennen, kurz nachdem er sein HIV-positives Testergebnis bekommen hatte, Ende der 1980er oder ganz zu Beginn des Jahres 1990 muss das gewesen sein. Wir waren zu einem Koordinierungs-Treffen der ACT UP – Gruppen in Deutschland, und Ernst war einer der aktivsten Hamburger ACT UP Aktivisten.

Der Präsident des Deutschen Aids-Kongresses, der bald in Hamburg stattfinden sollte, wollte uns nicht teilnehmen lassen?Da machen wir ne Aktion draus!‚, Ernst hatte gleich eine Idee, ein Bild im Kopf, ‚die sollen schon mal sehen, ob sie uns draußen halten können‘. Bald waren Krankenhaus-Klamotten, ein Krankenbett und allerlei medizinisches Zubehör organisiert, eine Gruppe HIV-Positiver, teils als Patient im Krankenbett, teils als ‚Professor‘ (‚Dr. Meibeck-Makarowsky‚) vorneweg, steuerte direkt auf den Eingang des Kongresses zu – und war bald drin. ‚Nicht über uns, mit uns‘, ‚Wir sind nicht das Problem, wir sind Teil der Lösung‘.

Auch in den folgenden Jahren war Ernst (oft gemeinsam mit Klaus Knust) engagierter Mitstreiter, Strippenzieher, Organisator, so z.B. beim damals recht erfolgreichen ‚Marlboro Boykott‘, bei dem ACT UP weltweit dagegen protestierte, dass der Marlboro herstellende Zigarettenkonzern den ultrarechten und inzwischen längst verstorbenen US-Politiker Jesse Helms unterstützte – eben jenen Helms, dem wir das erst Anfang 2010 wieder abgeschaffte Einreiseverbot für HIV-Positive in die USA zu ‚verdanken‘ hatten.

Irgendwann konzentrierte sich Ernst mehr auf die Fragen Hospiz und Pflegedienst – er hatte bei einem Besuch in London (wieder: mit Klaus Knust) das ‚London Lighthouse‘ besucht, brachte die Idee mit nach Hamburg – und wurde einer der aktiven Mitstreiter für ein ähnliches Hamburger Projekt. ‚Hamburg Leuchtfeuer‚ wurde 1994 gegründet – und Ernst konnte als er selbst schwer erkrankte längere Zeit von Ehrenamtlichen von ‚Leuchtfeuer‘ zuhause in seiner Wohnung auf der ‚Langen Reihe‘ gepflegt und betreut werden.

Multitalent Ernst Meibeck

Ernst Meibeck wurde am 14. April 1950 in Essen geboren. Nach einem BWL-Studium wurde er Leiter eines Jugendzentrums in Duisburg. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war er Mitglied der 1976 gegründeten schwulen Theatergruppe Brühwarm (Corny Littmann, Danny Lewis, Ralph Mohnhaupt, Ernst Meibeck, Lutz Ulbrich, Claus Plänkers und Götz Barner). Ernst ist u.a. der Sänger des wunderbaren Liedes „Sie ham mir ein Gefühl geklaut …“ auf der ‚Brühwarm‘-LP ‚entartet‚.

1979 trennte sich die Gruppe Brühwarm. Ernst machte Solo-Programme, sang mit im Hamburger Tuntenchor, jobbte als Modell. Er war Herausgeber der ersten beiden Ausgaben von ‚Hamburg von hinten‚ (1982, 1984/85).

HIV-positiv getestet, engagierte sich Ernst ab 1989 in der Aids-Bekämpfung.

Ernst Meibeck starb am 10. Oktober 1995 in Hamburg – nicht zuhause, wie er es sich gewünscht hatte, sondern im UKE (Universitäts-Krankenhaus Eppendorf). Beigesetzt ist er auf dem Friedhof Hamburg Ohlsdorf in der Gemeinschaftsgrabstätte ‚Memento 1‚ (Lageplan K10, 13-22).

Das ‚virtuelle Kulturhaus‘ auf der (längst eingestellten, aber seit 2013 wieder online als Archiv verfügbaren) schwulen Platform etuxx wurde ihm zu Ehren am 12. Dezember 2001 „Kulturhaus Ernst Meibeck“ benannt.

Ernst Meibeck – Grab

Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1, Grabplatte u.a. mit dem Namen von Ernst Meibeck
Gemeinschafts-Grabstätte Memento 1, Grabplatte u.a. mit dem Namen Ernst Meibecks

.

Memento 1 – Ruhezeit Ende 2022 abgelaufen

Am 24. Oktober 2022 teilte Memento e.V. mit

„Ende dieses Jahres wird die 25-jährige Ruhezeit nach der letzten Beisetzung auf der ersten Grabstätte unseres Vereines:MEMENTO I ablaufen.
Somit wird der Patenschaftsvertrag dieser Grabstätte mit zugehörigem historischem Grabmal zum 31. Dezember enden. Das Grabmal wird dauerhaft an seinem jetzigen Standort verbleiben, da es vom Friedhof als erhaltenswert eingestuft wurde und unter Denkmalschutz steht.
Auch unsere Vereinsbeschriftung, die ersten 10 in den Sockel eingravierten Namen der Verstorbenen, sowie die Namenstafel mit den übrigen 22 Namen verbleiben vorerst an ihrem Standort. Sollte sich eines Tages eine Person, Familie oder Verein finden, welche einen neuen Patenschaftsvertrag mit dem Friedhof für diese Grabstätte abschließt, könnten diese dann natürlich ihre eigenen Namen am Grabmal anbringen. In diesem Falle würde unsere Namenstafel auf der Grabstätte MEMENTO II integriert werden. Auch die ersten 10 Namen aus dem Sockel des Grabmals würden dann, sobald dies finanziell machbar wäre, in irgendeiner Weise auf MEMENTO II eingefügt werden.
Am Totensonntag dieses Jahres wird also das letzte gemeinsame Grabbegängnis des Vereines am Grabmal MEMENTO I stattfinden und wir wollen die Grabstätte dabei mit einer kleinen Zeremonie verabschieden.“

Memento e.V., 24.10.2022

.

Ernst war eine Inspiration.
Ernst war anstrengend.
Ernst war liebenswert.
Ernst war eine Bereicherung.
Ernst – ich vermisse dich.

.

Ernst Meibeck hören?

Das geht noch – sich um die Brühwarm-LP ‚entartet‘ bemühen, und das wirklich wunderbare Lied ‚Sie ham mir ein Gefühl geklaut‘ anhören.

Oder bei radioaton anhören, wie Ernst Meibeck und Onan Onair Weihnachten 1987 von der Talstrasse zur Hafenstraße pilgern, in der Heiligen Nacht auf der Suche nach dem wahrhaft Heiligen.

Oder bei Monty Arnold Songs gesungen von Ernst Meibeck hören: Paris Bar hierLetztes Geleit hier, Cocteaus letzter Einkaufszettel hier, Steife Brise hier, Geiles Gerücht hier; (Komponist jeweils Erwin Spinger, außer ‚Paris Bar (dort Nach-Mischung)).

Onan Onair erinnert sich auf etuxx an Ernst Meibeck: Erinnerung an schwule Cliquenbildung

.

Kategorien
Homosexualitäten

Cruising (Film) – ‚homophobes Machwerk‘ & ‘Teil der queeren Geschichte’

Er führte zu heftigen Kontroversen und Debatten um Homophobie, und geriet schnell wieder in Vergessenheit: der Film ‚Cruising‘ von William Friedkin aus dem Jahr 1979/1980 mit Al Pacino in der Hauptrolle. Der Film „Cruising“ – ein ‚homophobes Machwerk‘ ? und zugleich ‘Teil der queeren Geschichte’.

‚Cruising‘

Ein heißer Sommer in New York zur Zeit des Langzeit- Bürgermeisters Ed Koch (1924 – 2013). Eine Mordserie wühlt die schwulen Lederszene des ‚West Village‘ auf. Leichenteile schwimmen im Hudson River – die Polizei vermutet einen Serien-Killer, der seine Opfer in Schwulen-Bars kennen lernt. Undercover wird ein den Opfern ähnlich aussehender Polizist (Al Pacino als Steve Burns; Pacino soll sehr um diese Rolle gekämpft haben) in die Szene eingeschleust (ebenfalls ein ‚Lockvogel‚, wie im Plot des meisterhaften Romans The Lure von Felice Picano), dem sadistischen Täter auf der Spur.

Der (nota bene heterosexuelle) Polizist entdeckt in den Bars des Village eine Szene (unterlegt von Punk und Musik u.a. von Willy de Ville und den Germs (mit ihrem nicht offen schwulen Sänger Draby Crash)) der Drogen und des hemmungslosen Sex – und sieht sich mit seinen eigenen homosexuellen Anteilen konfrontiert. Er verdächtigt bald einen Barkeeper als Täter, von dem die Polizei mit Gewalt ein Geständnis  zu bekommen versucht. Doch die Spur erweist sich als falsch. Ist der wahre Täter unter den Schwulen zu suchen? Oder an ganz anderer Stelle?

‚Cruising‘, 1980:

Kategorien
Hamburg

Mispel-Probleme

Unsere geliebte Mispel macht Probleme … schon das zweite Jahr … 🙁

Im Frühjahr ganz normales Austreiben, oppulente Blüte. Doch die Blätter werden nicht satt dunkelgrün wie früher, bleiben bei einem hellen grün … und bekommen bald teilweise rote Zeichnungen. Derzeit sieht sie so aus:

Im Herbst letzten Jahres hat die Mispel ihre Blätter viel zu früh verloren, kaum Früchte bis zur Reife getragen.

Die bisherigen Ratschläge von Gartenfreunden und Gärtner/innen waren erfolglos:

  • das trockene Frühjahr / der nasse Sommer letztes Jahr (dieses Jahr war’s anders – der Mispel gehts nicht ebsser)
  • das sind Wühlmäuse (Befund: negativ)
  • zu karger Boden (Mispel ist nicht sher anspruchsvoll; Düngen; keine Änderung)
  • das ist ein Pilz (komplett Laub letztes Jahr entfernt, verrbannt, keine Änderung).

Weiß jemand Rat?

Kategorien
HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

3. Juli 1981 – erster Bericht über Aids

Erster Bericht über Aids – “Rare cancer seen in 41 homosexuals”, unter diesem Titel berichtete die New York Times am 3. Juli 1981 erstmals in der breiten Öffentlichkeit über das, was später als Aids bezeichnet wurde.

Eine ungewöhnliche Häufung von Fällen des ansonsten seltenen Kaposi Sarkoms unter jungen Homosexuellen war Fachleuten aufgefallen. Wenige Wochen zuvor, im Juni 1981 erschien ein erster Bericht über das, was später ‘Aids’ genannt wird, in der Fachpresse (dem ‘MMWR’).

Anfang Juli 1981, erster Bericht über Aids in der Publikumspresse, in der New York Times. Noch war nichts über Ursache, Erreger und Verbreitungswege bekannt.

“The cause of the outbreak is unknown, and there is as yet no evidence of contagion”

Doch Ärzte beschrieben die Situation bereits als “rather devastating“. Zwar sei Krebs nicht übertragbar. Aber für den Ausbruch könne auch ein Virus oder Umweltfaktoren verantwortlich sein, spekulierte der Autor bereits. Es gebe erste Hinweise auf einen Verursacher.

“Cancer is not believed to be contagious, but conditions that might precipitate it, such as particular viruses or environmental factors, might account for an outbreak among a single group.”
Und “The medical investigators say some indirect evidence actually points away from contagion as a cause.”

Die Fälle beträfen überwiegend Homosexuelle mit vielen Sexpartnern:

“most cases had involved homosexual men who have had multiple and frequent sexual encounters with different partners, as many as 10 sexual encounters each night up to four times a week”.

Dies bedeute auch Entwarnung – für Heterosexuelle bestehe voraussichtlich keine Gefahr:

“Dr. Curran said there was no apparent danger to nonhomosexuals from contagion. ”The best evidence against contagion,” he said, ”is that no cases have been reported to date outside the homosexual community or in women.””

.

New York Times 03.07.1981: RARE CANCER SEEN IN 41 HOMOSEXUALS

.

Kategorien
Homosexualitäten

1922: Kurt Hiller „§175 – Die Schmach des Jahrhunderts !“

Kurt Hiller, Schriftsteller und Pazifist,  veröffentlicht 1922 im Paul Steegemann Verlag in einer Auflage von 3.000 Exemplaren seine 132-seitige programmatische Schrift „§175: Die Schmach des Jahrhunderts !“. Die Schrift wird sein Meilenstein der Bemühungen zur Liberalisierung der gegen Homosexuelle gerichteten Strafbestimmungen.

Kurt Hiller: ' §175: Die Schmach des Jahrhunderts ! ' (1922) (public domain)
Kurt Hiller: ‚§175: Die Schmach des Jahrhunderts !‘ (1922) (public domain)

.

Kategorien
unterwegs

Unterhose im Wandel der Zeit … 1935, 1945

Die Unterhose im Wandel der Zeit – heute: 1935 und 1945

Die Unterhose, getragen unter Hose, Rock oder Kleid, soll Analbereich und Geschlechtsteile be- (ver-?) decken. Sie zählt begrifflich zur Unterwäsche.

Die Brouche / Bruoch / Bruch – Vorläufer der Unterhose im Mittelalter

Brouche, Vorläufer der Unterhose im Mittelalter (hier: Grafik aus der Maciejowski-Bibel, 13. Jhdt.; public domain)
Brouche / Bruoch, Vorläufer der Unterhose im Mittelalter (hier: Grafik aus der Maciejowski-Bibel, 13. Jhdt.; public domain)
Zwei Männer in Braies / Brouches (Saint Geneviève Bibel, um 1370, gemeinfrei)
Zwei Männer in Braies / Brouches (Saint Geneviève Bibel, um 1370, public domain)

Unterhose 1935

Unterhose 1935, Chemiefaser (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Unterhose um 1935, Chemiefaser (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Unterhose 1945

Unterhose 1945, Leinen / Baumwolle, selbstgenäht (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Unterhose um 1945, Leinen / Baumwolle, selbstgenäht (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

.

Kategorien
Hamburg Homosexualitäten

Ludwig Meyer: Jude, schwul, NS-verfolgt – & nicht entschädigt

Ludwig Meyer wird 1903 als Sohn einer jüdischen Familie von Vieh- und Fleischhändlern geboren. Zwar soll auch Ludwig den Familenbetrieb der „en-gros-Schlachterei“ fortführen – doch nach der Lehre geht er 1923 für ein Jahr nach Berlin. Erst 1930 kommt er nach Bielefeld zurück, arbeitet nun im Familienbetrieb und wird bald dessen Mitinhaber.

Am 17. Oktober 1936 wird Ludwig Meyer von der Gestapo verhaftet – im Rahmen der ‚Sonderaktion gegen Homosexuelle in Bielefeld‘. Meyer wird wegen Vergehens nach (dem erst kurz zuvor verschärften) Paragraph 175 angeklagt und zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Dezember 1937 wird der Familie das Ausüben des Schlachterhandwerks verboten – das Aus für den Betrieb. Ludwig Meyer wird arbeitslos – und ist als Jude auch chancenlos auf dem Arbeitsmarkt in Nazi-Deutschland.

Am 2. Juni 1938 wird Ludwig Meyer in ‚Vorbeugehaft‘ genommen. Im September 1938 wird er nach Buchenwald deportiert. Nach fünf Jahren Aufenthalt im KZ Buchenwald wird er im Mai 1943 in das KZ Auschwitz verlegt, später in das KZ Mauthausen.

Ludwig Meyer überlebt jahrelange KZ-Haft und NS-Verfolgung. Nach der Befreiung von Mauthausen am 8. Mai 1945. Er kehrt kurz darauf, völlig mittellos, in seine Heimatstadt Bielefeld zurück. Im Mai 1946 wird Ludwig Meyer als rassisch Verfolgter anerkannt.

1949 steht Ludwig Meyer erneut vor Gericht – nach dem unverändert in der NS-Fassung weiter gültigen Paragraphen 175. Wegen ‚unzüchtiger Handlungen‘ wird er zu 5 Wochen Gefängnis verurteilt. Die Bielefelder Wiedergutmachungsstelle plant daraufhin, seine Anerkennung als rassisch Verfolgter zu widerrufen, diese habe er aufgrund seiner Homosexualität verwirkt. Die jüdische Kultusgemeinde, in der Meier seit der Befreiung 1945 Mitglied ist, interveniert vergeblich. Sein Verfolgten-Status wird zunächst aberkannt. Meyer gewinnt ein Einspruchs-Verfahren, doch die Stadt Bielefeld legt Widerspruch ein. Als er wegen Betrugs und Bestechlichkeit im Amt zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wird, verliert er den Status als rassisch Verfolgter. Erst 1956/57 „kamen alle Entschädigungs- und Rentenangelegenheiten zu einem positiven Ausgang“, wie Niko Evers in der taz resümiert.

1953 eröffnet Ludwig Meyer gemeinsam mit seinem Freund Günter Heidemann eine der ersten Schwulenkneipen Hannovers, das ‚Wielandseck‚ in der Glockseestrasse. 1960 gibt er die Kneipe ab, zieht später nach Hamburg.

Im April 1975 meldet die Hamburger Lokalpresse „wieder ein Mord auf St. Pauli: Rentner erschlagen“, das Opfer sei „homosexuell veranlagt“ gewesen. Ludwig Meyer wird Opfer eines Raubmords, sein Leben fand im Alter von 71 Jahren ein gewaltsames Ende.

.

Berichtet hat die Geschichte von Ludwig Meyer der Journalist Niko Ewers vom ‚Bielefelder Stadtblatt‘ (einer aus der 1970er Protestbewegung entstandenen alternativen Zeitung, die 2001 nach 25 Jahren in Insolvenz ging) in der taz.

Als Theaterstück umgesetzt wurde das Schicksal Ludwig Meyers in dem Stück „Schlachter-Tango“ (2010; Konzept: Michael Grunert) das 2012 in Bielefeld (mit Förderung durch die hms Hannchen Mehrzweck Stiftung) erneut aufgeführt wurde.

.

In der Gedenkstätte Buchenwald erinnert seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuellen NS-Opfer.

.

Lesezeichen
Niko Ewers: Homosexuell und Jude – Leben und Verfolgung des Bielefelders Ludwig Meyer, dessen Leidensgeschichte nach siebenjähriger KZ-Haft noch nicht zuende war. in: Capri, 13. Jg. 2001 (H. 30), S. 35 – 41
taz 02.09.2000: Nicht verfolgt?
Theater-Labor im Tor 6: Schlachter-Tango

.

Nachtrag
26.06.2012
: Das ‚Wielandseck‘ war Anfang der 1960er Jahre, in Zeiten des ‚Tanzverbots‘ für Schwule in Hamburg (1961 hatte das Verwaltungsgericht Hamburg das vom Ordnungsamt angeordnete Tanzverbot in Lokalen für Homosexuelle bestätigt), auch Zufluchtsort für Hamburger Homosexuelle, wie Mico Kaletta (Besitzer der ältesten Schwulensauna Deutschlands, der Vulkan in Hannover) berichtet (pdf):

Im Wielandseck hingen Plakate `heute kommt der Bus aus Hamburg. Wir begrüßen die Hamburger, seid alle pünktlich ́. Gegen 20 Uhr kam der Reisebus um die Ecke und die hannoverschen Tunten begrüßten die Hamburger Tunten, sogar mit Rosen. Es wurde getanzt und gefeiert, bis der Bus am nächsten Tag nur noch halbvoll nach Hamburg zurückfuhr.

.

Kategorien
Berlin

Transgenialer CSD 2012 Fotos – Berlin 23.6.2012

Transgenialer CSD 2012 Fotos : “Lasst es glitzern! Antifaschistisch – queerfeministisch – antirassistisch – solidarisch” – unter diesem Motto fand am 23. Juni 2012 in Berlin der ‘Transgeniale CSD 2012’ tCSD ’stay queer and rebel‘ statt.

Berlin Transgenialer CSD 2012 Fotos

tCSD 2012 - stay queer and rebel
Transgenialer CSD 2012 Fotos – tCSD 2012 – stay queer and rebel

Transgenialer CSD 2012 Fotos Transgenialer CSD 2012 Berlin tCSD201202

tCSD201203 tCSD201204 tCSD201205

tCSD2012 - POZ
tCSD2012 – POZ

tCSD201207 tCSD201208

tCSD2012 - Trans an die Macht
tCSD2012 – Trans an die Macht

tCSD201210 tCSD201209 tCSD201214 tCSD201213 tCSD201212 tCSD201215

tCSD2012 - Analverkehr statt Kapitalverkehr
tCSD2012 – Analverkehr statt Kapitalverkehr

tCSD201217 tCSD201218 tCSD201219

tCSD2012 - Rat Bohemia
tCSD2012 – Rat Bohemia

tCSD201222a tCSD201222

tCSD2012 - Für mehr Blümchensex
tCSD2012 – Für mehr Blümchensex

.