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Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Derek Jarman Blue – again

“Blue”, der wegweisende, unter die Haut gehende Film des Regisseurs Derek Jarman, ist in digitaler Version jetzt wieder in den Kinos.

“Blue” ist in meinem Augen (ähnlich wie Susan Sontags “Aids und seine Metaphern”) ein ‘Muss’ der kulturellen Auseinandersetzung mit Aids.
Claus Gillmann (gest. 29.8.1994), Weggefährte in früheren Jahren von schwulen- und aidspolitischem Engagement, schrieb 1994 über Blue:

„Die Leinwand ist – blau. Etwa 70 Minuten lang. Sonst nichts. Alltags- und Naturgeräusche, Gesprächsfetzen, meditative Musikelemente sind nur zu hören. Ein Monolog Jarmans bringt Erinnerungen, Bobachtungen und Reflexionen. Mitunter sarkastisch kommentiert er seine Krankheit.
‚Blue is darkness made visible’ sagte er einmal und lieferte damit den Schlüssel für die ästetische Umsetzung seiner Erfahrung. Das monochrome Blau setzt den Zuschauer der Befindlichkeit des in Folge von AIDS Erblindeten -Jarmans Realität- in radikaler Weise aus. Dem entginge man nur, wenn man seine Augen verschlösse. ‚Blau’ steht aber auch für die quälende Ungewissheit (‚incertainty’) der verrinnenden und noch zu lebenden Zeit bis zum gewissen Tod. ‚Blue’ ist nun wohl Jarmans letzter Film. Opulente Bilderfülle und Farben, wie wir sie etwa von ‚Caravaggio’ oder ‚Edward II’ kennen, wird es nicht mehr geben. ‚Blue’ ist eines der überzeugendsten Dokumente der vieldiskutierten ‚AIDS-Kultur’ – und das ganz persönliche Vermächtnis eines engagierten Künstlers.“
(Claus Gillmann in ‘Boulevard HIV’ Januar 1994),

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‚Blue‘ ist der letzte Film des Regisseurs und Malers Derek Jarman (31. Januar 1942 Northwood – 19. Februar 1994 London). ‚Blue‘ hatte am 19. September 1993 Premiere – hierfür kam es zu einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen dem TV-Sender Channel 4 und dem radiosender BBC Radio 3. Beide strahlten zeitgleich aus, so dass Zuschauer den Film mit Stereo-Ton genießen konnten.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Benimmregeln und Verwirrung

In Deutschland sowie der Schweiz scheinen sich spannende Weiter-Entwicklungen der HIV-Präventionskampagnen insbesondere für schwule Männer abzuzeichnen. „Prävention neu“ – Verantwortung, differenziertere Information, Situationsbezug und Risikomanagement, Prävention könnte mehr sein als „Kondome Kondome Kondome“ …

Ganz anders hingegen in Österreich. Hier scheinen die Uhren anders zu ticken. Zumindest in Sachen HIV-Prävention bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM).

Denn Vertreter österreichischer Aids-Hilfen kommentieren die Änderungen, die sich in Deutschland abzeichnen, äußerst – nun ja, pointiert wäre wohl eine höfliche Beschreibung dafür:

„Dahinter [hinter dem was sie als ‚Prävention neu‘ bezeichnen; d.Verf.] verbirgt sich eine gefährliche Abkehr von der Kondomempfehlung und die Erfolge der HIV-bezogenen Gesundheitsförderung werden gefährdet.“

A-ha. Zwar will niemand von der Kondom-Empfehlung abkehren, dieser hingegen weitere Empfehlungen an die Seite stellen. Aber nun denn, wir lesen weiter. Worum geht es denn?

„Durch die verbesserten Perspektiven in der Therapie darf es aber keineswegs zu einer Verwässerung der Safer-Sex-Botschaften kommen.“

Denn

„… ein sogenanntes Risikomanagement ohne konsequente Kondomempfehlung für schwule Männer [ist] eine Mogelpackung mit schweren Nebenwirkungen.“

Und, die Schwulen, na die sollen sich mal ja keine Hoffnungen machen …

„Etwaige Erwartungen in der schwulen Szene, dass im Kontext der Therapiemöglichkeiten die ‚Krise vorbei sei‘ und somit wieder eine Sexualität ohne Habitus der ‚Kontrolle‘ (sprich: Kondomanwendung) möglich sein könnte, müssen im Sinne der realistischen Verantwortung enttäuscht werden.“

Nun denn. Und was heißt das?

„Die Diskussion um eine ’neue Prävention‘ in Deutschland ist deshalb so unglaubwürdig, da sie sich nur scheinbar auf die Evidenz aus der Forschung bezieht, und die Schlußfolgerung‘ es muss nicht immer ein Kondom sein‘ plump und letztlich recht ungeniert referiert wird.“

(Alle Zitate bisher: Frank M. Amort: Prävention anders? – Die Erosion der Safer-Sex-Botschaft. in: PlusMinus, Magazin der Österreichischen Aidshilfen, Ausgabe 04/2007)

Nun, Herr Amort hat uns für’s erste einmal zur genüge aufgeklärt.
Aber – nein, das reicht noch nicht. Jetzt kommt noch Frau Fleck. Und die erklärt uns, wo es denn hin gehen soll:

„Dass man Kondome verwenden soll, darüber herrscht weitgehend Konsens. Diejenigen, die glauben, in einer entsprechenden Situation davon keinen Gebrauch machen zu müssen, wissen in diesem Moment wohl auch, dass sie diese Regel verletzen. In der Präventionsarbeit kann es also nur darum gehen, das normative Bewußtsein ‚Verwende Kondome!‘ zu stärken, um den Anteil derer, die in entsprechenden Risikosituationen davon keinen Gebrauch machen, zu reduzieren.“

Und weiter:

„Man sollte nicht übersehen, dass eine allzu liberale Haltung gegenüber risikoreichen Verhaltensweisen Auswirkungen auf die Präventionsarbeit mit allen Gruppen haben kann.“

Und deswegen …

„Benimm-Regeln haben es an sich, dass sie nur dann funktionieren, wenn sie als allgemein gültig betrachtet werden.“ Und „Schwierigkeiten von Einzelpersonen mit diesen Regeln sind Thema für Einzelberatungen. Wenn sie für eine ganze Zielgruppe verallgemeinernd diskutiert werden, stiftet das nur Verwirrung.“

Die Frage, was denn geschehen sollte, wenn diese erfolgreich vereinzelten und isolierten Benimmregelverweigerer uneinsichtig bleiben sollten, beantwortet uns Frau Fleck leider (noch?) nicht …

(Diese letzten Zitate: Lola Fleck: Prävention anders: Normen und Verhaltensweisen. in: PlusMinus, Magazin der Österreichischen Aidshilfen, Ausgabe 04/2007)

Nun sind Herr Amort und Frau Fleck nicht irgendwer, nicht von der katholischen Kirche und nicht von evangelikalen Sekten. Nicht aus der Vergangenheit, sondern schreiben das heute. Für Menschen von heute, für eine heutige Aids-Prävention.

Herr Amort ist Leiter der Präventionsabteilung der Aids Hilfe Wien, und Frau Fleck Leiterin der Steirischen Aids-Hilfe. Ihre Gedanken haben sie im offiziellen ‚Informationsmagazin der AIDS-Hilfen Österreichs‘ (PlusMinus, Ausgabe 04/2007, als pdf hier) zur Kenntnis gebracht.
In Reaktion auf Gedanken, die sich Menschen in Deutschland (wie auch in der Schweiz) über die Weiterentwicklung der Aids-Prävention machen. Gedanken, die sich z.B. mit dem HIV-Infektionsrisiko unter erfolgreicher Therapie beschäftigen oder mit der Abkehr von Patentrezepten, Mythen und Fehleinschätzungen.

Es gibt ganz offensichtlich Uhren, die anders gehen, und Gedanken, die nur Verwirrung stiften. Deswegen sollen sie möglichst auch gar nicht gedacht werden. Auch in der Aids-Arbeit und HIV-Prävention. Zumindest wenn es nach einigen unserer österreichischen Nachbarn geht.
Für mich klingt da erschreckend viel nach new gay right und schwulem Konservatismus.
Wenn man sich die Gedanken aus Österreich einmal etwas länger durch den Kopf gehen lässt, kann man wahlweise erschrecken oder amüsiert den Kopf schütteln. Die Konsequenzen für die Menschen in Österreich (insbesondere MSM) hingegen scheinen mir äußerst fragwürdig …

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Text 25. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Baba, Hubert Hartl (2.1.1963 – 18.1.2008)

Vor einigen Tagen. In der Post der letzten Tage habe ich die Zeitungen und Zeitschriften beiseite gelegt, auf den Lesestapel. Erst gestern Abend, beim Blättern im Wiener “Xtra!”, sehe ich die große, schwarz gerahmte Meldung “In memoriam Dr. Hubert K. Hartl”.

Mitte der 1990er Jahre. Ein österreichisches Unternehmen (das heute längst in einem US-Konzern untergegangen ist) forschte an der Entwicklung von Impfstoffen gegen HIV. Und hatte sich auf die Fahnen geschrieben, bei einer großen, europaweiten Studie auch die Vertretung der Interessen von Patienten zu realisieren, in Form eines ‘Community Advisory Boards‘ (Bericht über ECAB hier).

So lernte ich Hubert Hartl kennen. Genauer, Dr. Hubert K. Hartl. Denn in Wien hat ja jeder mindestens einen Titel, lieber zwei. Hubert bestand nie auf seinen ‘Dr.’ – begrüßte aber schmunzelnd jeden Kneipenwirt, bei dem wir abends ausgingen, mit “Servus, Herr Gastronomierat”.

Hubert war wohl das, was man einen Multi-Aktivisten nennen darf, engagiert auf den vielfältigsten Ebenen der österreichischen und europäischen Hämophilen-, Hepatitis- und HIV-Communities. Pionier der Communitybeteiligung. Unter anderem war zuletzt er ab 1990 Geschäftsführer der Österreichischen Hämophiliegesellschaft und im Vorstand der European Haemophilia Organisation.

Hubert war nicht immer ein leichter, unkomplizierter Partner bei der Vertretung von Patienteninteressen, und nicht immer teilten wir die gleichen Sichtweisen. Immer aber war er sehr engagiert bei der Vertretung der Interessen von Patienten im allgemeinen und der Hämophilen insbesondere.
Ich habe an Hubert Hartl neben dieser Ernsthaftigkeit und Authentizität seines Engagements immer geschätzt, wie unbefangen und vorbehaltlos er anderen Communities begegnete, er, der Familienvater mit drei Töchtern, besonders wenn er abends mit einer Schar schwuler Männer ‘um die Häuser zog’. Berührungsängste waren ihm fremd.

Dr. Hubert Hartl verstarb am 18. Januar 2008 im Alter von 45 Jahren während eines Treffens der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft im Krankenhaus Innsbruck an akutem Leberversagen. Hubert wurde am 31. Januar 2008 in seinem Geburtsort Vitis beigesetzt.

Servus Hubert, und baba …

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Frohes Neues Jahr 2008 !

Frohes Neues Jahr 2008 !
Frohes Neues Jahr 2008 !

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25. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Frohe Weihnachten

Frohe Weihnachten 2007
Frohe Weihnachten 2007

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Artikel 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Infektionsrisiko unter Therapie – widersprüchliche Signale (akt.)

Kann eine erfolgreiche anti-HIV-Therapie das Risiko einer HIV-Übertragung senken? Diese Frage wird insbesondere auch unter HIV-Positiven intensiv diskutiert. Von Experten kommen derzeit unterschiedliche Signale.

RKI: nichts genaues weiß man nicht
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet sich zu diesem Thema mit einem im wesentlichen bedächtigen Ergebnis zu Wort. Im Epidemiologischen Bulletin Nr. 47 schreibt das RKI „Zum HIV-Übertragungsrisiko unter antiretroviraler Therapie“.

In dem Beitrag wird u.a. besonders auf die teils sehr schlechte Datenlage hingewiesen, so liegen z.B. kaum Daten zur HIV-Konzentration an der Darmschleimhaut (ohne / mit ART) vor.
Grundsätzliches Problem aller Überlegungen sei: für die Prävention relevante Überlegungen erfordern prospektive Studien zum Übertragungsrisiko von HIV – diese gibt es jedoch bisher nicht. Daten einer laufenden Studie bei diskordanten heterosexuellen Paaren werden für 2009/10 erwartet; eine Studie für Infektionsrisiken bei homosexuellen Übertragungssituationen existiert bisher nicht.

Surrogat-Marker (ersatzweise herangezogene Laborwerte wie die Viruslast) können dabei immer nur ein ‚Hilfskonstrukt‘ sein.
Etwaige vorhandene sexuell übertragbare Infektionen (STI) können zudem bei nicht / nicht erfolgreich antiretroviral behandelten Positiven das Übertragungsrisiko zum Teil erheblich erhöhen (Daten bei erfolgreicher HAART liegen kaum vor).
U.a. aufgrund möglicher Veränderungen des Übertragungsrisikos z.B. durch Ko-Infektionen weist das RKI auf die Möglichkeit hin, dass zwischen monogamen Partnern und Partnern mit häufig wechselnden Partnern evtl. unterschiedlich hohe Übertragungswahrscheinlichkeiten bestehen könnten.

Mit aller Vorsicht der Wissenschaft kommt das RKI zur Frage des Infektionsrisikos bei erfolgreicher Therapie zu dem Schluss, dass
– eine effektive ART (Viruslast unter der Nachweisgrenze) mit hoher Wahrscheinlichkeit die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit deutlich senkt;
– für Aussagen auf individueller Ebene (konkrete Situation / Konstellation zweier Menschen miteinander) hingegen weitgehend Daten fehlen; und
– die Einschätzung zahlreicher Risiko-Situationen bei eindringendem und aufnehmendem Anal- sowie Vaginalverkehr aufgrund fehlender oder nur geringer verfügbarer Daten kaum möglich ist. Das RKI trifft hierzu aus diesem Grund keine Aussagen.

Schweiz: Positive mit erfolgreicher Therapie „nicht infektiös“
Ganz anders die Beurteilung der Situation und die gezogenen Konsequenzen in der Schweiz:
Bernard Hirschel vom Service des Maladies Infectieuses Département de Médecine Interne Hôpital Cantonal (Leiter der Einheit Aids) vertritt eine sehr dezidierte Meinung. Seiner in letzter Zeit auch mehrfach öffentlich geäußerten Ansicht zufolge sind HIV-Positive mit erfolgreicher Kombitherapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze) nicht infektiös, selbst nicht bei unsafem Sex.

Prof. Bernard Hirschel bringt seine Position in der ‚Tribune de Genève‚ auf den Punkt: „keine nachweisbare Viruslast, keine Infektion“(ähnliche Aussagen auch in 24 heures und Le Temps).
Eine Meinung, die auch die Schweizer Aids-Kommission teilt. Die ‚Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen‘ (EKAF) formuliert „ein zusätzlicher positiver Effekt einer erfolgreichen Therapie ist auch die fast vollständige Verhinderung einer weiteren Übertragung von HIV“ ((„Visionen und Empfehlungen für die HIV/Aids-Politik der Schweiz“, siehe unter ‚weitere Informationen‘)).

Hirschel führt seine Überlegungen sogar noch weiter. Er misst einer erfolgreichen Kombitherapie einen präventiven Aspekt bei. Präservativ und Pillen, Kondom und Kombitherapie seien zwei wirksame Schutz-Möglichkeiten, jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen.
Auch Hirschel betont allerdings, keine Infektiosität bedeute nicht ‚kein Risiko‘. Es bleibe weiterhin z.B. das Risiko sexuell übertragbarer Infektionen, die dann ihrerseits auch das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen könnten.

Zwei renommierte Aids-Institutionen bzw. Experten, und zwei recht unterschiedliche Äußerungen. Was zunächst überrascht – die Datenlage kann ja doch zu diesem Thema zwischen der Schweiz und Deutschland nicht so arg unterschiedlich sein.

Prof. Hirschel kann sich zu einer sehr pointierten Aussage durchringen, die auch für Menschen mit HIV eine konkrete verständliche Botschaft ist.
Das RKI hingegen windet sich deutlich, vermeidet geradezu zu einer klaren Aussage zu kommen.
Zu hoffen ist, dass bei der Zurückhaltung des RKI keine politische Einflussnahme im Spiel ist. Bei der Haltung des RKI ist sicher zu berücksichtigen, dass das RKI vermutlich auch befürchtet, angesichts des komplizierten Sachverhalts würden Teile der Informationen ‚in der Praxis‘ verloren gehen – so dass im Extremfall der (nicht berechtigte) Eindruck eines ‚Freifahrscheins‘ entstehen könnte.

Dennoch – (nicht nur) für Menschen mit HIV bietet sich nun ein äußerst widersprüchliches, unklares Bild. Im Sinne klarer Botschaften, die auch Orientierungspunkte für eigenes Verhalten liefern, wäre es wünschenswert, wenn sich Aids-Experten deutlicher auf eine verständliche Position einigen können.
Zudem bleibt zu wünschen, dass die Erkenntnisse zur Infektiosität bei Positiven unter Therapie auch in der strafrechtlichen Praxis ankommen (und bei denen, die Strafverschärfungen fordern).
So könnte sich die/der deutsche Positive (zumindest aus der Sicht der Infektionsitäts-Debatte) derzeit beinahe wünschen, in der Schweiz zu leben …

weitere Informationen:
Transmissionsrisiko unter HAART: ‚vernachlässigbar klein‘
HIV-Status und Prävention
Das Epidemiologische Bulletin Ausgabe 47 / 2007 gibt’s als pdf hier
EKAF und Sektion Aids, BAG: „Visionen und Empfehlungen für die HIV/Aids-Politik der Schweiz“, discussion paper für das Aidsforum 2007, S. 19; als pdf online hier

Prof. Hirschel hat seine Gedanken auch in einem Interview mit dem Schweizer Positiven-Radion survivreausida erläutert. Die Sendung kann hier online gehört werden (mp3, in französischer Sprache)

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Text 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Männlich? Weiblich? Spielt keine Rolle – genderneutraler Ausweis in SF

Innovative Wege bei Ausweis-Papieren geht San Francisco. Der Stadtrat hat beschlossen, eigene städtische Ausweispapiere auszugeben, die keinen Hinweis auf das Geschlecht enthalten – der genderneutrale Ausweis.

Das San Francisco Board of Supervisors beschloss am 20. November 2007, eigene ID-Cards auszugeben. Dies ist bereits in vielen Städten der USA in Überlegung. Einer der Vorteile städtischer ID-Cards: sie können ggf. unabhängig vom legalen Status der Person ausgegeben werden (und sind damit auch Bestandteil der Debatten um illegale Immigration in die USA).

Auch in San Francisco lagen die Beweggründe für städtische ID-Cards anfangs überwiegend in aufenthaltsrechtlichen Fragen. Zudem war Anlass, dass Bemühungen um eine Reform der Einwanderungs-Gesetzgebung vorher gescheitert waren. Die Stadt wollte Einwohnern, die nicht in der Lage sind, legale staatliche Papiere zu erhalten, zumindest eine städtische Ausweis-Möglichkeit bieten.

Dann allerdings traten Transgender-Organisationen auf den Plan. Ihr Anliegen: auch die Situation transsexueller Menschen mit in Betracht zu ziehen. Eine Personenstands- Änderung ist in den USA zwar möglich, aber Zeit- und besonders Kosten-aufwändig.

Das Ergebnis der Debatten: ab 2008 wird San Francisco ein eigenes Ausweis-Papier einführen, das neben einem Foto der Person ausschließlich den Namen und das Geburtsdatum erwähnt, nicht jedoch das Geschlecht – ein genderneutraler Ausweis

Trans-Männer und Trans-Frauen, Transgender- / Transsexuellen-Aktivisten feiern die neue Karte als Erfolg; endlich sei eine genderneutrale Ausweis-Möglichkeit vorhanden.

Das Gesetz über den geschlechtsneutralen städtischen Ausweis muss noch vom Bürgermeister der Stadt, Gavin Newsom, unterzeichnet werden.

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Das California Senate Bill No. 179 (SB 179; auch Gender Recognition Act; Gesetzestext) wurde am 15. Oktober 2017 verabschiedet. Damit haben alle Bürger Kaliforniens die Möglichkeit, nicht-binäre Ausweisdokumente zu erhalten.

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Pflege deinen Schwanz

„Pflege deinen Schwanz“ – was wie ein Wellness-Angebot aus dem Rotlicht-Bezirk klingt, erweist sich bald als umfassende Informationsquelle rund um ‚Männer-Gesundheit‘. Bis zu einer Länge von 30 Zentimetern …

Neben vielen bemerkenswerten und zahlreichen bunten und schrillen Aktionen (von Friseusen gegen Aids bis Spenden-Tunten im Flugzeug) bringt der Welt-Aids-Tag immer wieder auch spannende oder interessante Kampagnen an den Tag.

Eine spannende Kampagne kommt derzeit aus Dresden. Ja, die Stadt, die teuer eine zerstörte Kirche wieder aufbaut, und dann ihrem neu gewonnenen Panorama mit einer umstrittenen Brücke wieder Probleme macht.

Die Site „Pflege deinen Schwanz“ fällt schon durch ihren offensiven Titel auf. „Wir laden Sie ein über Themen männlicher Sexualität nachzudenken“ stellt sich das gemeinsame Projekt von Aids-Hilfe Dresden und Gesundheitsamt Dresden vor.

In vier Szenen wird der User eingeladen, über sich und seine Sexualität nachzudenken. Dabei wird (in Form von Text oder MP3) zu den Themen ‚Sex &Geschäft‘, ‚Sex & nur Sex‘, ‚Sex & Leidenschaft‘ sowie ‚Sex & Neugier‘ jeweils eine Art angeleiteter Gedankenreise vorgeschlagen. Per Click kann der User dabei frei wählen,wie „sein bestes Stück“ im Text angesprochen werden soll, z.B. ob eher als ‚Gemächte‘ oder banal ‚Schwanz‘.

Neben diesen situativen Erfahrungen bietet die Site auch eine Vielzahl Informationen, gegliedert in die vier Rubriken ‚Körper & Gesundheit‘, Schwanz & Liebe‘, ‚Beziehung & Verschiedenheit‘ und ‚Sexualität & Träume‘.
Von Hormonen über Beschneidung und Romantik bis Fremdgehen wird hier in Form kurzen Artikel auf jeweils ein Thema eingegangen, dazu werden meistens weiterführende Informationen per Link angeboten (die leider teilweise auf ‚Informationsangebote‘ der Pharmaindustrie führen).

Doch auch ungewöhnliche bis bizarre Informationen bietet die Website. So soll es immerhin 5.000 Männer geben deren Penis in erigiertem Zustand eine Länge von mehr als 30cm erreicht …

Pflege deinen Schwanz“ … bei dem, was für viele Männer vermutlich „ihr wichtigstes Teil“ ist anzusetzen, könnte sich als clevere Idee der Informationsvermittlung erweisen – ‚Wellness im Schritt‘ sozusagen …

Pflege deinen Schwanz scheint eine erfrischende Form neuer Ansprache zu sein, die Informationen vermittelt, gleichzeitig aber auch (über die situative Herangehensweise) ermöglicht, das eigene Verhalten zu überdenken.
Bedauerlich jedoch , dass auch Links zur Pharmaindustrie oder pharmanahen Angeboten führen (zudem unkommentiert, ohne diesbezüglichen Hinweis) – von einem Angebot aus dem Umfeld der Aids-Hilfe darf hier mehr Problembewußtsein (über Informationsbedarf der Pharmaindustrie) und kritische Distanz erwartet werden. Auch dass einer der Autoren gleichzeitig Vorstand der ‚Gesellschaft für Mann und Gesundheit‘ ist, wäre eine Erwähnung wert gewesen.
So bleibt leider auch der bittere Bei-Geschmack der Frage, wie weit sich hier Aids-Hilfe auch für die Öffentlichkeits-Arbeit anderer Interessengruppen instrumentieren lässt.

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Text 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids Kulturelles

Jürgen Baldiga 1959 – 1993

Am 4. Dezember 1993 starb Jürgen Baldiga in Berlin an den Folgen von Aids.

Jürgen Baldiga Grab
das Grab von Jürgen Baldiga in Berlin Schöneberg

“Der schwule Berliner Fotograf Jürgen Baldiga hat erst angefangen zu fotografieren, als er bereits wußte, daß er HIV-positiv ist. Er hat daraus eine Lebens- und Überlebensstrategie gemacht, die das bloße journalistische Dokumentieren der Seuche ebenso weit hinter sich läßt wie die rein tagespolitisch kämpferische Aussage.”

Tom Kuppinger / ‘AIDS macht 90 bis 95% meines Lebens aus’

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Jürgen wurde am 27. Oktober 1959 in Essen geboren. Baldiga war Fotograf und Künstler. Er begann zu fotografieren als er bereits von seiner HIV-Infektion wusste.

Er starb am 4. Dezember 1993 in Berlin, sein Grab befindet sich in Berlin-Schöneberg auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof.

Jürgen Baldigas Nachlass befindet sich im Schwulen Museum *.

Jürgen Baldiga Grab 2018
Baldigas Grab 2018

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Ich denke gern zurück … an Jürgen … an die Kraft, die seine Photographien auch heute noch haben … und an das damals für mich seltsame Gefühl, seinen (nach einer Cocteau-Zeichnung zu Jürgens Lebzeit gestalteten und entstandenen) Grabstein längere Zeit bei Harry im Atelier zu sehen …

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Der Bürgermeister der Castro Street

„The Mayor of Castro Street“ – unter diesem Titel wird das Leben des US-Politikers und schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk verfilmt. Im Januar soll mit den Dreharbeiten begonnen werden.

Harvey Milk war der erste offen schwule Stadtrat in San Francisco. Vermutlich war er der erste offen schwul lebende Politiker überhaupt in den USA.
Er wurde 1977 in den San Francisco Board of Supervisors gewählt. Unter Bürgermeister George Moscone gelangen ihm einige wesentliche Verbesserungen für Lesben und Schwule in San Francsico, unter anderem brachte er ein ‚gay rights bill‘ ein und verhinderte eine Verordnung, die offen schwul und lesbisch lebende LehrerInnen an der Berufsausübung gehindert hätte.

Harvey Milk konnte nur elf Monate als Stadtrat arbeiten. Am 27. November 1978 wurde Milk vom ehemaligen Stadtrat Dan White erschossen. Auch Bürgermeister Moscone fiel dem Attentat zum Opfer.

Der Attentäter Dan White wurde im Mai 1979 verurteilt. Das Strafmaß (sieben Jahre Gefängnis) wurde von vielen Einwohnern San Franciscos als skandalös niedrig empfunden. Es kam zu massiven Demonstrationen und schweren Zusammenstößen mit der Polizei (bekannt als White Night). Bei anschließenden Aktionen der Polizei wurden mehrere schwule Bars in der Castro Street zerstört.

Milk selbst hatte mit Gewaltaktionen gegen ihn gerechnet. Er hatte Tonbänder vorbereitet, die gespielt werden sollten für den Fall, dass er Opfer eines Attentats werde. „Sollte eine Kugel mein Gehirn treffen, lasst diese Kugel jede Schranktür zerstören“ (Schrank -> closet, Symbol für den (unfreiwillig) nicht offenen, den ‚Schrank-Schwulen‘).

Nach seinem gewaltsamen Tod wurde Milk endgültig zu einer schwulen Ikone, zu einem Symbol eines neu erwachten schwulenpolitischen Bewusstseins im San Francisco der 1970er Jahre. Viele Orte und Zentren schwulen- und lesbenpolitischen Lebens und Engagements wurden nach ihm benannt, am bekanntesten vielleicht die ‚Harvey Milk Highschool‘ in New York (inzwischen eine öffentliche High School). Das Leben Harvey Milks wurde von Rob Epstein unter dem Titel ‚The Times of Harvey Milk‘ verfilmt.

Der Regisseur Gus van Sant wird nun das Leben von Harvey Milk als Spielfilm (BioPic) verfilmen. Beginn der Dreharbeiten soll nach jahrelangen Vorarbeiten im Januar 2008 sein. In den Hauptrollen sollten als Darsteller des Harvey Milk Sean Penn sowie als Darsteller des Dan White Matt Damon im Gespräch sein. Damon solle aber aus terminlichen Gründen doch abgesagt haben, wie pinknews berichtet.

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Text von ondamaris auf 2mecs 22.01.2016