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Lacanau in der NS Zeit

Zuletzt aktualisiert am 8. Dezember 2020 von Ulrich Würdemann

Lacanau und Le Porge sind heute gerade auch bei deutschen Touristen beliebte Reiseziele, für einige auch dauerhafter Wohnsitz geworden. Nur wenige jedoch wissen um die Geschichte von Lacanau in der NS Zeit .

Lacanau lag nach der Besetzung Frankreichs durch NS-Truppen in der ‚Zone occupée‘, dem von NS-Truppen besetzten Teil Frankreichs, vom Vichy-Frankreich des Marschall Petain getrennt durch eine Demarkationslinie.

Die Nazi-Führung beschloss, die französische Atlantik-Küste zu sichern – sie befürchtete hier einen Angriff der Alliierten. 1942 erging der Befehl zum Bau der „Festung Europa„, Verteidigungsanlagen, die von Norwegen bis Frankreich reichen sollten. Entlang der Atlantik-Küste, auch in der Region Lacanau, entstanden – errichtet von der ‚Organisation Todt‘ – zahlreiche Bunkeranlagen: der „Atlantik-Wall„. Die Atlantik-Küste selbst wurde durch Minen gesichert, auch vor Lacanau Océan (vom 20.2. bis 3.3.1944 durch den auf der Marinewerft Toulon gebauten Minenleger ‚Rubis‘).

Zwischen Montalivet und Le Cap-Ferret befand sich die „Festung Mündung Gironde Süd“. Vier zu dieser Festung gehörige bewaffnete Befestigungsanlagen wurden in Lacanau Océan errichtet (darunter als „Ar 15“ eine am ‚plage central‘ genau am Standort des heutigen ‚Kayoc‘).

Die NS-Besatzer requirierten in Lacanau und umliegenden Gemeinden zahlreiche Gebäude, darunter auch das ‚Sanatorium Le Moutchic‘ (auch genannt ’station climatique‘). Die direkt hinter der Küste gelegenen Seen dienten den NS-Besatzern für Flugübungen.

Lacanau in der NS Zeit – Die indische Legion in Lacanau Océan

In der Region um Lacanau wurden umfangreich NS-Truppen stationiert – auch aus weiter Ferne: Die sogenannten ‚Indischen Legion‘ (auch: „Indisches Infanterie Regiment 950“), ein aus indischen Freiwilligen gebildeter Kampfverband unter Leitung von Netaji Subhas Chandra Bose, wurde ab September 1943 zunächst nahe Soustons (bei Bayonne), dann ab Oktober 1942 nach Lacanau Océan verlegt. Ihre Aufgabe: der Schutz des ‚Atlantikwalls‘.

Soldaten der Legion "Freies Indien" sichern den "Atlantikwall", Frühling 1944
Soldaten der Legion „Freies Indien“ sichern den „Atlantikwall“, Frühling 1944 (Photo: Bundesarchiv Bild 101I-263-1580-05 / Wette / CC-BY-SA 3.0))

Bundesarchiv Bild 101I-263-1580-05, Soldaten der Legion „Freies Indien“ sichern den „Atlantikwall“Bundesarchiv, Bild 101I-263-1580-05 / Wette / CC BY-SA 3.0 de

Ab August 1944 wurde die „Indische Legion“  der deutschen Waffen-SS unterstellt (Kommandant wird ‚Oberführer der Waffen-SS‘ Karl-Heinz Bertling).

Lacanau in der NS Zeit – Rommel in Lacanau Océan

Am 10. Februar 1944 besuchte Feldmarschall Rommel Lacanau Océan und inspizierte die „Indische Legion“.

Lacanau in der NS Zeit - 10.2.1944: Feldmarschall Rommel besucht Lacanau(Photo: Bundesarchiv)
Lacanau in der NS Zeit – 10.2.1944: Feldmarschall Rommel besucht Lacanau Océan (Photo: Bundesarchiv Bild 101I-263-1598-04 / Müller / CC-BY-SA 3.0)

Bundesarchiv Bild 101I-263-1598-04, Frankreich, Rommel, „Indische Legion“Bundesarchiv, Bild 101I-263-1598-04 / Müller / CC BY-SA 3.0 de

Im gleichen Jahr (1944) erschoss sich der Kommandant von Lacanau – um dem Kriegsgericht zu entgehen, 14 seiner Soldaten waren bei einer Tauchübung ertrunken.

Im August 1944 wurde Lacanau von alliierten Truppen befreit. Die „Indische Legion“ war zuvor (am 15. August 1944) abgezogen worden Richtung Deutschland.

Auch in der Region Lacanau gab es Widerstand gegen die NS-Besatzer. So fanden z.B. im August 1944 Aktionen der Resistance- ‚Brigade Carnot‘ im Raum Lacanau statt.

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Eine der ‚Nachlassenschaften‘ der Nazis nach dem Krieg waren entlang fast der gesamten Atlantik-Küste große und kleine Bunker-Anlagen – die Jahre später oft zu beliebten Cruising-Arealen für Schwule wurden, an den zahlreichen schwulen Stränden Frankreichs. Auch in der Nähe von Lacanau, am schwulen Strand von Le Porge Océan.

Ab Ende der 1980er Jahre wurden die meisten dieser Bunker – so sie nicht verlandet, zerbrochen oder im Meer versunken waren – abgerissen. Die letzten Bunker in Lacanau Océan wurden im Frühjahr 2002 durch die Firma ‚Alonso S.A.‘  gesprengt. Überreste der einstigen Bunker-Kette befinden sich heute noch südlich von Le Porge (nahe ‚Le Grand Crohot‘).

Gelegentlich werden im Sand verschüttete Bunker von der Sturmflut freigespült, wie hier südlich von Lacanau Océan (Foto September 2015):

Lacanau Océan Bunker 2015
Lacanau Océan Bunker 2015

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Bunker nördlich von Lacanau Océan, August 2019

Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

7 Antworten auf „Lacanau in der NS Zeit“

Hallo Ulli,

ein sehr interessanten Bericht. Ich wusste nicht, dass es sogar Fotos von der indischen Legion in Lacanau gibt. Da hätte ich auch gerne eins in meinem Buch „Bordeaux, mon amour“ veröffentlicht..

Vielen Dank auch für den Artikel über das Buch.

Eine schöne Weihnachtszeit und herzliche Grüsse aus Lacanau.
Erich Schaake

Hallo Her Schaake,

vielen Dank für den Kommentar (und das bewegende Bordeaux-Buch)!

Und herzliche Grüsse nach Lacanau (wo wir so viele schöne Urlaube verbringen, aber immer nur davon träumen, ganz dort zu leben)

Ulli Würdemann

[…] Zwischen 20 und 30 Meter Strand verlor Lacanau Océan innerhalb von drei Monaten während der Stürme des Herbstes und Winters 2013 / 2014 – das Meer rückte bedrohlich nahe direkt an die letzten Dünen und erste vorgelagerte Bebauungen. Normal war in früheren Jahren der Verlust von ein oder zwei Metern Strand, die oft im darauf folgenden Sommer wieder angespült wurden (und das gelegentliche Sichtbarwerden von ins Meer abgerutschten Bunker-Resten – Überbleibsel der NS-Besatzung von Lacanau Océan). […]

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