Zuletzt aktualisiert am 1. Dezember 2021 von Ulrich Würdemann
Am 28. Juni 1935 beschlossen die Nationalsozialisten in Deutschland die Verschärfung des Paragraph 175 . Insgesamt existierte der Paragraph 175 von seiner Einführung am 1. Januar 1872 bis zu seiner Abschaffung am 11. Juni 1994 über 122 Jahre.
Die Verschärfung des Paragraph 175, damals begründet u.a. mit einem Interesse an der “sittlichen Gesunderhaltung des Volkes”, trat mit Wirkung zum 1. September 1935 in Kraft. Schon gut ein Jahr später, am 10. Oktober 1936, wurde mit der ‚Reichszentrale für Homosexualität und Abtreibung‚ eine der zentralen bürokratischen Verfolgungsinstanzen geschaffen.
In der Bundesrepublik hatte die von den Nazis 1935 verschärfte Version des §175 unverändert bis 1969 Gültigkeit. Noch 1957 hielt das Bundesverfassungsgericht (u.a. unter Verweis auf die ’sittlichen Anschauungen des Volkes‘) den Paragraphen 175 in der NS-Fassung für verfassungsgemäß.
In der DDR galt ab 1950 Paragraph 175 in der Version vor der NS-Verschärfung.
Wikipedia erläutert die Verschärfung des Paragraph 175 :
“Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, indem sie die Höchststrafe im Zuge einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen von vier Jahren auf fünf Jahre Gefängnis heraufsetzten. Durch Streichung des Adjektivs „widernatürlich“ wurde die traditionsreiche Beschränkung auf beischlafähnliche Handlungen aufgehoben. Der Straftatbestand war nun erfüllt, wenn „objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten [zu] erregen“[6]. Eine gegenseitige Berührung war nicht mehr erforderlich.
Darüber hinaus wurde – ähnlich wie bereits 1925 geplant – ein neuer § 175a geschaffen, der sogenannte qualifizierte Fälle als „schwere Unzucht“ mit Zuchthaus zwischen einem und zehn Jahren bestrafte. Hierzu zählten:die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses
homosexuelle Handlungen mit Männern unter 21 Jahren
„widernatürliche Unzucht mit Tieren“
Paragraph 175 – Wortlaut ab 1935 bis 1969 (BRD) bzw. 1950 (DDR)
Der Paragraph 175 lautete ab der Verschärfung von 1935 (gem. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935. RGBl. I S. 839):
§ 175
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
- ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
- ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
- ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
- ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
§ 175b
Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
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Protestierte bereits 1922 mit der Publikation “§175 – Die Schmach des Jahrhunderts !” gegen den Paragraph 175 : Kurt Hiller
24 Antworten auf „28.6.1935: Verschärfung des Paragraph 175“
[…] und kam 1938 in ‘Schutzhaft’ in das KZ Fuhlsbüttel. Aufgrund von Vergehen gegen den 1935 verschärften Paragraph 175 ((a), Ziffer 4, “gewerbsmäßige Unzucht”) wurde Hirschberg verurteilt. Später wurde […]
[…] endete nicht 1945. Der von den Nazis 1935 verschärfte §175 hatte in der Bundesrepublik auch nach 1945 in der verschärften Fassung weiterhin unverändert […]
[…] §175 hatte in der Bundesrepublik auch nach 1945 in der von den Nazis 1935 verschärften Fassung seine Gültigkeit. Und er war der Hintergrund für eine Homosexuellenverfolgung , die auch nach […]
[…] die Angst vor der Homosexualität”, München 1974 [2] in wie weit bei der Verordnung Pétains die Verschärfung des Paragraph 175 durch die Nazis 1935 in Deutschland Impulse gegeben hat, ist mir nicht […]
[…] 14. Dezember 1936 wurde Emil Martens wegen Verstoß gegen den Paragraph 175 (in der ‘alten’ sowie in der von den Nazis 1935 verschäften Fassung) zu zehn Monaten Haftstrafe verurteilt und aus der NSDAP ausgeschlossen. Am 14. April 1939 wurde er […]
[…] ‘Sonderaktion gegen Homosexuelle in Bielefeld’. Meyer wird wegen Vergehens nach (dem erst kurz zuvor verschärften) Paragraph 175 angeklagt und zu 8 Monaten Gefängnis […]
[…] der verschärften Neufassung des §175 im Jahr 1935 verschärfte sich auch der Verfolgungsdruck gegen […]
[…] Verfolgung Homosexueller nach §175 in der von den Nazis 1935 verschärften Fassung ging in West-Deutschland bis 1969 weiter. Von Januar 1950 bis Dezember 1969 wurden 50.887 […]
[…] bereits in der NS-Zeit u.a. in Emslandlagern (Aschendorfer Moor, Brual Rhede), wurde1951 nach dem (von den Nazis 1935 verschärften) Paragraphen 175 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, die er im ehemaligen Emslandlager Versen verbüßte. […]
[…] Deutschland bleibt auch nach 1945 in der Bundesrepublik die von den Nazis 1935 verschärfte Version des §175 unverändert bis 1969 Gültigkeit. In der DDR galt ab 1950 Paragraph 175 in der Version vor der […]
[…] 14. Dezember 1936 wurde Emil Martens wegen Verstoß gegen den Paragraph 175 (in der ‘alten’ sowie in der von den Nazis 1935 verschäften Fassung) zu zehn Monaten Haftstrafe verurteilt und aus der NSDAP ausgeschlossen. Am 14. April 1939 wurde er […]
[…] engagierte sich die Gesellschaft für Reform des Sexualrechts für die Abschaffung oder Reform des Paragraphen 175 (der auch nach 1945 in der von den Nazis 1935 verschärften Fassung weiter bestand), sowie für eine einheitliche Schutzaltersgrenze bei einvernehmlichen sexuellen Kontakten von 16 […]
[…] und Moselle (Departement Moselle im Osten Lothringens, Hauptstadt Metz) – hier fand der (1935 von den Nazis verschärfte Paragraph 175 (sowie 175a) Anwendung. Allerdings, so Schwab, sei die Repression gegen Homosexuelle im Elsaß […]
[…] die Angst vor der Homosexualität”, München 1974 [2] in wie weit bei der Verordnung Pétains die Verschärfung des Paragraph 175 durch die Nazis 1935 in Deutschland Impulse gegeben hat, ist mir nicht […]
[…] NS-Zeit war 1945 vorbei – die Diskriminierung der Homosexuellen jedoch nicht. Der von den Nazis 1935 verschärfte Paragraph 175 bestand […]
[…] erreichten die ‚Rosa Listen‘ vermutlich in der NS-Zeit nach der Verschärfung des Paragraphen 175 mit der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität’ – über 33.000 Personen […]
[…] (vgl. Beispiele aus dem KZ Neuengamme: Häftlingsart Homo). Aufgrund von Vergehen gegen den 1935 verschärften Paragraph 175 ((a), Ziffer 4, „gewerbsmäßige Unzucht“) wurde Hirschberg verurteilt. Später wurde […]
[…] der offiziellen Gedenkkultur ausgeschlossen. Sie wurden von Entschädigungszahlungen ausgegrenzt. § 175 StGB, der sexuelle Begegnungen unter Männern unter Strafe stellte, blieb in der Bundesrepub…. In vielen Ländern dieser Welt sind Schwule und Lesben heute noch schwerer Verfolgung ausgesetzt. […]
[…] Versuche zu Hormonausscheidungen und Hormongaben an verschiedenen Gruppen von (oft aufgrund von Paragraph 175 verfolgten) Homosexuellen zu machen. Im Konzentrationslager […]
[…] Geschlechtsverkehrs zwischen Männern. Dr. Wiefelspütz (SPD) äußert auf Nachfrage, der §175 in der von den Nazis verschärften Fassung, von 1949 bis 1969 unverändert in der Bundesrepublik angewandt, sei kein Unrecht […]
[…] der 1960er Jahre zählte Italiaander zu den bedeutendsten Unterstützern einer Reform des §175. 1968 veröffentlichte er als Herausgeber im Hamburger ‚Gala Verlag‘ mit „Weder […]
[…] jährte sich in Deutschland ein beinahe schon vergessenes Jubiläum: am 11. Juni 1994 trat die Abschaffung des §175 in Kraft. Auch Frankreich hatte seine gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze. Und einen Mann, der […]
[…] Erst 30 Jahre her und dennoch hat sich viel seitdem geändert. Homosexuelle Handlungen waren nach Paragraf 175 teilweise noch strafbar, ein 19-Jähriger machte sich beim Sex mit seinem zwei Jahre jüngeren, […]
[…] Sicher hatte ich auch Angst als Homosexueller ‘enttarnt’ zu werden. Besonders seit 1935, als die Strafandrohungen uns gegenüber verschärft worden waren, hatte bei mir diese Angst zugenommen. Ich kann mich noch erinnern, daß die wenigen homosexuellen […]