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„Alles war auf der Flucht“ – Erinnerungen

Eine Text-Passage bei Anna Seghers lässt es mir kalt den Rücken hinunter laufen.

Alles war auf der Flucht, alles war nur vorübergehend, aber wir wussten noch nicht, ob dieser Zustand bis morgen dauern würde oder noch ein paar Wochen oder Jahre oder unser ganzes Leben.”

Anna Seghers, Transit

Erinnerungen werden wach, spontan, unreflektiert.
Erinnerungen an “die schlimmen Jahre”.
Erinnerungen an eine Zeit, als schwule Männer, besonders die aktivsten unter ihnen, reihenweise starben, nein krepierten. Eine Zeit, zu der tief unten irgendwo im Bauch das Gefühl grummelte “die bringen uns alle um”.
Erinnerungen an Gefühle wie unmögliche Flucht, verlorene Zukunft, tiefe Trostlosigkeit. Nicht vorübergehend, Ende nicht absehbar.
Damals.

Seghers hat diese Worte gefunden in einem Roman über  einen aus dem KZ geflohenen jungen Deutschen, “Transit”, zuerst veröffentlicht 1944.

Unreflektiert, meine Gedanken. Bestürzende Erinnerungen.

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Kulturelles

meine Mütter – Rosas Suche nach der Mutter

Am 6. März 2008 hatte Rosa von Praunheims neuer Film “ meine mütter – Spurensuche in Riga” NRW-Premiere im Kölner ‘Filmhaus’.

Rosa von Praunheim wurde geboren als Holger Mischwitzky, am 25. November 1942 in Riga. Kurz nach seiner Geburt flüchteten seine Eltern, über Berlin in den Frankfurter Raum.

Seine Eltern?
Kurz vor ihrem Tod erzählt ihm seine damals weit über 90jährige Mutter, Rosa sei nicht ihr leibliches Kind, vielmehr habe sie ihn in einem Kinderheim in Riga ‘gefunden’. Mehr nicht, keine weiteren Angaben.

Rosa macht sich auf die Suche. Auf die Suche nach Spuren seiner Herkunft, Spuren seiner Mutter, seines Vaters. Spuren, die ihn tief in die deutsche und lettische Geschichte führen. Spuren, die er in dem Film “meine mütter – Spurensuche in Riga” dokumentiert.

Rosa von Praunheim bei der Premiere von "meine mütter"
Rosa von Praunheim bei der Premiere von „meine mütter“

Die Suche führt in Berliner Archive, norddeutsche Kleinstädte, zu Treffen von Heimatvertriebenen und in triste Knäste und Krankenanstalten. Zu möglichen Vätern, und zur leiblichen Mutter sowie der realen Geburtsurkunde.

Rosa von Praunheim dokumentiert in einem sehr persönlichen Film neben einem Ausschnitt seiner eigene Biographie auch ein Stück deutscher Zeitgeschichte.

Rosa von Praunheim bei der Premiere von "meine mütter"
Premiere von „meine mütter“
Rosa von Praunheim bei der Premiere von "meine mütter"
Rosa von Praunheim bei der Premiere von „meine mütter“

Der Film stieß bei seiner (nicht gut beworbenen und nur mäßig besuchten) NRW-Premiere auf etwas verhaltene Resonanz.

Hinterher sind mein Mann und ich verschiedener Ansicht. Mein Mann mag den Film spontan, schätzt gerade die als spannend empfundene Verknüpfung zwischen persönlicher und deutscher Geschichte. Einige Passagen von Rosa von Praunheims neuem Films erscheinen mir hingegen als larmoyant, manchmal ‘soßig’, viele spekulativ. Allerdings, sehr zu schätzen, Rosa geht wie immer respekt-, geradezu liebevoll mit seinen Figuren um, lässt sie zu Wort und zu ihrem Recht kommen. Insgesamt ein warmer, netter aber doch mir nicht übermäßig bemerkenswert erscheinender Film.

Rosa von Praunheim: ‘meine mütter – Spurensuche in Riga’, Dokumentarfilm, Deutschland 2007, 87 min.

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