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Berlin

Springbrunnen Bayerischer Platz Berlin Schöneberg

Springbrunnen Bayerischer Platz – ‘Wassergolf’ taufte der Mann jüngst (nun gut, es war Spätsommer) diese beschauliche Anlage …

Springbrunnen Bayerischer Platz

… wohl inspiriert von der Optik einer 50er-Minigolf-Anlage und der Verwendung als Wasserspiel …

Der öffentliche Brunnen Springbrunnen Bayerischer Platz wurde 1958 nach Entwürfen von Karl-Heinz Tümler (1893 – ?) gebaut. Tümmler konzipierte die gesamte Mittelinsel des damals (nach der Begradigung der Trasse der Grunewaldstrasse) neu gestalteten Bayerischen Platzes in Berlin Schöneberg.

Der Brunnen besteht aus vier Becken jeweils mit Mittelfontänen, die mit einem Wasserlauf verbunden sind. 2006/07 wurde die Anlage zuletzt saniert.

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Pflege deinen Schwanz

„Pflege deinen Schwanz“ – was wie ein Wellness-Angebot aus dem Rotlicht-Bezirk klingt, erweist sich bald als umfassende Informationsquelle rund um ‚Männer-Gesundheit‘. Bis zu einer Länge von 30 Zentimetern …

Neben vielen bemerkenswerten und zahlreichen bunten und schrillen Aktionen (von Friseusen gegen Aids bis Spenden-Tunten im Flugzeug) bringt der Welt-Aids-Tag immer wieder auch spannende oder interessante Kampagnen an den Tag.

Eine spannende Kampagne kommt derzeit aus Dresden. Ja, die Stadt, die teuer eine zerstörte Kirche wieder aufbaut, und dann ihrem neu gewonnenen Panorama mit einer umstrittenen Brücke wieder Probleme macht.

Die Site „Pflege deinen Schwanz“ fällt schon durch ihren offensiven Titel auf. „Wir laden Sie ein über Themen männlicher Sexualität nachzudenken“ stellt sich das gemeinsame Projekt von Aids-Hilfe Dresden und Gesundheitsamt Dresden vor.

In vier Szenen wird der User eingeladen, über sich und seine Sexualität nachzudenken. Dabei wird (in Form von Text oder MP3) zu den Themen ‚Sex &Geschäft‘, ‚Sex & nur Sex‘, ‚Sex & Leidenschaft‘ sowie ‚Sex & Neugier‘ jeweils eine Art angeleiteter Gedankenreise vorgeschlagen. Per Click kann der User dabei frei wählen,wie „sein bestes Stück“ im Text angesprochen werden soll, z.B. ob eher als ‚Gemächte‘ oder banal ‚Schwanz‘.

Neben diesen situativen Erfahrungen bietet die Site auch eine Vielzahl Informationen, gegliedert in die vier Rubriken ‚Körper & Gesundheit‘, Schwanz & Liebe‘, ‚Beziehung & Verschiedenheit‘ und ‚Sexualität & Träume‘.
Von Hormonen über Beschneidung und Romantik bis Fremdgehen wird hier in Form kurzen Artikel auf jeweils ein Thema eingegangen, dazu werden meistens weiterführende Informationen per Link angeboten (die leider teilweise auf ‚Informationsangebote‘ der Pharmaindustrie führen).

Doch auch ungewöhnliche bis bizarre Informationen bietet die Website. So soll es immerhin 5.000 Männer geben deren Penis in erigiertem Zustand eine Länge von mehr als 30cm erreicht …

Pflege deinen Schwanz“ … bei dem, was für viele Männer vermutlich „ihr wichtigstes Teil“ ist anzusetzen, könnte sich als clevere Idee der Informationsvermittlung erweisen – ‚Wellness im Schritt‘ sozusagen …

Pflege deinen Schwanz scheint eine erfrischende Form neuer Ansprache zu sein, die Informationen vermittelt, gleichzeitig aber auch (über die situative Herangehensweise) ermöglicht, das eigene Verhalten zu überdenken.
Bedauerlich jedoch , dass auch Links zur Pharmaindustrie oder pharmanahen Angeboten führen (zudem unkommentiert, ohne diesbezüglichen Hinweis) – von einem Angebot aus dem Umfeld der Aids-Hilfe darf hier mehr Problembewußtsein (über Informationsbedarf der Pharmaindustrie) und kritische Distanz erwartet werden. Auch dass einer der Autoren gleichzeitig Vorstand der ‚Gesellschaft für Mann und Gesundheit‘ ist, wäre eine Erwähnung wert gewesen.
So bleibt leider auch der bittere Bei-Geschmack der Frage, wie weit sich hier Aids-Hilfe auch für die Öffentlichkeits-Arbeit anderer Interessengruppen instrumentieren lässt.

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Text 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids Kulturelles

Jürgen Baldiga 1959 – 1993

Am 4. Dezember 1993 starb Jürgen Baldiga in Berlin an den Folgen von Aids.

das Grab von Jürgen Baldiga in Berlin Schöneberg

“Der schwule Berliner Fotograf Jürgen Baldiga hat erst angefangen zu fotografieren, als er bereits wußte, daß er HIV-positiv ist. Er hat daraus eine Lebens- und Überlebensstrategie gemacht, die das bloße journalistische Dokumentieren der Seuche ebenso weit hinter sich läßt wie die rein tagespolitisch kämpferische Aussage.”

Tom Kuppinger / ‘AIDS macht 90 bis 95% meines Lebens aus’

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Jürgen wurde am 27. Oktober 1959 in Essen geboren. Baldiga war Fotograf und Künstler. Er begann zu fotografieren als er bereits von seiner HIV-Infektion wusste.

Er starb am 4. Dezember 1993 in Berlin, sein Grab befindet sich in Berlin-Schöneberg auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof.

Jürgen Baldigas Nachlass befindet sich im Schwulen Museum *.

Baldigas Grab 2018

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Ich denke gern zurück … an Jürgen … an die Kraft, die seine Photographien auch heute noch haben … und an das damals für mich seltsame Gefühl, seinen (nach einer Cocteau-Zeichnung zu Jürgens Lebzeit gestalteten und entstandenen) Grabstein längere Zeit bei Harry im Atelier zu sehen …

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Kulturelles

Winter-Zirkus Flic Flac 2007

Winter ist nun eigentlich nicht die optimale Zeit, um in den Zirkus zu gehen. Oder doch? Schon bei der nachmittäglichen Einfahrt nach Köln sehe ich rechtsrheinisch die verlockenden Masten eines riesigen Zelts. “Flic Flac ist da”, sagt der Mann trocken, wohl wissend dass er mich damit locken kann. Schon kurze zeit später sind die Karten für einen der folgenden Abende reserviert.

Uns empfängt ein gut beheiztes riesigen Zelt von über 100 Meter Länge – und darin eine vor Beginn noch von einem Vorhang verhüllte bühnenartige ‘Manege’ von circa 45 m Länge und 10 m Breite (insgesamt das größte portable Zelt in Europa).

20:30 Uhr, los geht’s.
Akrobatik, Kunst-Rad und Trampolin sind doch langweilig?
Nicht bei FlicFlac!
Gabelstapler taugen nur für Häfen und Werkshallen? Und Motorräder für Straße?
Nicht bei Flic Flac.

Über zwei Stunden lang unterhält uns eine Action-reiche, dabei phantasievoll inszenierte Show voll Feuer und Wasser auf’s prächtigste. Dazu Musik von ‘Rammstein’, Feuer, und immer wieder überraschende Momente – Zirkus, wie ich ihn liebe.

Neben zahlreichen neuen Attraktionen (ein Clown, der nun wirklich Knochen aus Gummi haben muss …) sind wieder dabei die ‘Motorrad-Kugel’ – diesmal allerdings mit sechs (!) Fahrern, sowie das ‘Hamster-Rad’ – mit Seiltanz außen herum in schwindelnder Höhe und einem Lauftempo, bei dem einem vor Schreck der Atem stockt.

Bizarre Kostüme oder normale ‘Straßen- Kleidung’, ein wenig Anarcho-Optik, ein Stückchen gaga, ein bisschen alternativer Touch – Staunen, ungläubiges Augenreiben, Flic Flac hat wieder seine ganz eigene Mischung gefunden.

Der 1989 gegründete Zirkus bietet erneut (wie schon in einigen der früher bestaunten Shows) ein Zirkus-Spektakel der ‘anderen Art’ – mir gefällt’s prächtig, wesentlich besser auf jeden Fall als ein ‘Drachenlöwe mit Ethno-Soße im Sonnentempel

Circus Flic Flac: No limits!
noch bis 16. Dezember 2007 in Köln (Gummersbacher Str. nahe Köln Arena), danach in Kassel

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Berlin

Hans Poelzig – Ausstellung

Bereits seit Mitte Oktober findet in der Akademie der Künste die Ausstellung “Hans Poelzig – Architekt Lehrer Künstler” statt.

Hans Poelzig (1869 bis 1936) war zunächst Architekt des ‘Heimatstils’ (wie bei der Erweiterung des Rathauses in Löwenberg). Bald jedoch entwarf er freier, fließender, bis hin zu expressionistischer Architektur – am beeindruckendsten in den Bauten für den expressionistischen Film “Der Golem, wie er in die Welt kam“von 1920 (Architektur-relevante Ausschnitte in der Ausstellung zu sehen).

Die Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin zeigt in insgesamt 12 Abteilungen die beeindruckende Vielfalt des Schaffens von Hans Poelzig anhand von Zeichnungen und Skizzen, historischen Fotos, Architekturmodellen oder Planungsunterlagen. Eine Entwicklung von frühen Anfängen des Heimatstils über Denkmal-Entwürfe und Planungen für Stadtraum-Gestaltungen (Platz der Republik) bis zu Höhepunkten wie dem großen Schauspielhaus (1920) in Berlin (später: der 1985 abgerissene Friedrichstadtpalast)

oder auch dem Haus des Rundfunks (1928; Foto Seiten-Treppenhaus).
Im Vorraum der Ausstellung kann zudem in einer Video-Dokumentation betrachtet werden, welche Bauten von  Hans Poelzig bis heute überdauert haben.

Mich persönlich faszinieren das Schauspielhaus Berlin sowie das Haus des Rundfunks am meisten, während viele andere Entwürfe und Realisierungen so gar nicht ‘meine Welt’ sind. Poelzigs Architektur, die teils sehr stark Emotionen anspricht, empfinde ich oftmals als eher im Kontrast stehend zu der persönlich eher geschätzten rationalen, funktionalen Architektur.

Dennoch, es ist beeindruckend selbst anhand von Zeichnungen, Fotos, Architektur-Modellen und Filmausschnitten mit zu erleben, wie Poelzig sein ganzes Leben lang offen blieb für Neues, neue Strömungen aufnahm und in sein Schaffen integrierte ohne sich untreu zu werden.

Die Ausstellung wurde verlängert und ist in Berlin noch bis 6. 20. Januar 2008 zu sehen.

Ab 1. März 2008 (bis 18. Mai) ist die Ausstellung anschließend im Deutschen Architektur-Museum Frankfurt/ Main zu sehen.

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Aktualsierung
13.04.2013: Einen Bau von Hans Poelzig entdeckten wir im April 2013 in – Wolgast, die Sparkasse Wolgast.

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Berlin Kulturelles

Die Verurteilung des Lukullus – Komische Oper Berlin 2007

Erstmals führt die Komische Oper Brecht/Dessaus “Die Verurteilung des Lukullus” auf, einst Zentrum kulturpolitischer Debatten in der DDR.

Lukullus ist tot. Sein Leben war pompös, voller Luxus, pompös ist seine Beisetzung. Doch im Vorraum des Schattenreichs erwartet den erfolgreichen Feldherren und Politiker Lukullus nicht der sichere Weg in’s Paradies. Vielmehr muss er sich vor einem Gericht von Bauern, Lehrern, Bäckern der Bilanz seines Lebens stellen. Zehntausende mussten sterben, nur damit er Kirschen essen konnte – das Urteil kann nur lauten “Ins Nichts mit ihm!”. Soweit in Kürze die Handlung der Oper “Die Verurteilung des Lukullus”.

Lucius Licinius Lucullus war ein römischer Feldherr.

Und aufgrund seines Lebenswandels, der u.a. von üppigen Gastmählern geprägt war, wurde er zum Namensgeber ‘lukullischer Genüsse’, übertragen zum Symbol des Hedonismus.

Bertolt Brecht verfasste ab 1939 im schwedischen Exil zunächst ein Hörspiel “Das Verhör des Lukullus”. Zusammen mit dem Komponisten Paul Dessau erarbeitet er nach dem zweiten Weltkrieg verschiedene Fassungen einer Umsetzung des Hörspiels als Oper.

Diese Oper “Die Verurteilung des Lukullus”, komponiert 1949, wurde am 17. März 1951 in Berlin (Admiralspalast) erstaufgeführt (nicht öffentliche Probeaufführung, noch als ‘Das Verhör des Lukullus’).
Sie wurde nach ihrer öffentlichen Uraufführung am 12.10.1951 (unter modifiziertem Titel, nach deutlichen Text- und Musik-Eingriffen) bis 1960 nicht mehr gespielt. Die Oper war zum Gegenstand von Eingriffen der Regierungsspitze der DDR geworden, sie trage nicht zur Hebung des Bewusstseins der Werktätigen bei, sei volksfremd und zu formalistisch. “Die Verurteilung des Lukullus” geriet in den Mittelpunkt der sog. ‘Formalismusdebatte‘.
In der BRD wird die Oper drei Monate nach ihrer DDR-Uraufführung erstmals aufgeführt, allerdings in der (wohl als politisch opportuner erachteten) erste Text-Version.

Die jetzige Neu-Produktion des Lukullus ist die erste Aufführung dieser generell sehr seltenen gespielten Oper an der Komischen Oper Berlin.

Die Aufführung beginnt mit einem wahrlich beeindruckenden Auftakt, unterstützt von Chor, Kinderchor und Filmeinspieler. Doch kann die Inszenierung die hier geweckten Erwartungen im Folgenden nicht immer halten. Sie gleitet für meinen Geschmack manchmal teils in verspielte, teils in trashige optische Vordergründigkeit ab – in der allerdings immer wieder starke Szenen (wie “wer ist Rom” oder das “Fischerweib”) aufleuchten.
Die Übertitelung, im Prolog noch hilfreich, wünschte man sich teils auch während des weiteren Verlaufs – nicht immer wird verständlich gesungen.

Im Mittelpunkt der Handlung: der Zerfall, ja die Dekonstruktion dessen, was Lukullus einst zu Ruhm und Ehre zu gereichen schien, und seine Aufgeblasenheit, die Menschen, die Leben erdrückt. Das ganze eindrucksvoll unterstrichen von einer Musik, die sich nicht melodisch in die Handlung schmiegt, vielmehr Kontraste setzt, bewusst als eigenständig wirkt. Teils ungewöhnlich instrumentiert, bis hin zu dem (äußerst selten zu hörenden) Trautonium [vielen eher bekannt aus Hitchcocks ‚Die Vögel‘].

“Die Verurteilung des Lukullus” – für meinen Geschmack keine herausragende Inszenierung der Komischen Oper, aber eine sehr sehenswerte – besonders auch dank der beeindruckenden Musik und Leistungen von Chor und SängerInnen.

Anmerkung: Dieser Text basiert auf der Generalprobe vom 23.11.2007 (nicht der Premiere am 25.11.).

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“Die Verurteilung des Lukullus”, Komische Oper Berlin, weitere Aufführungen u.a. am 2., 7., 12. und 28. Dezember 2007

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Homosexualitäten

Gegen das Vergessen homosexueller NS-Verfolgter – Gedenken an Pierre Seel (1923 – 2005)

Pierre Seel wurde wegen seiner Homosexualität verfolgt, im KZ inhaftiert und gequält. Seit 2008 erinnert die rue Pierre Seel in Toulouse an ihn. In Toulouse gedenkt seit 2010 eine Plakette.

Pierre Seel in Berlin 2000 (Foto James Steakley, Lizenz cc by-sa 4.0)

Pierre Seel 1923 – 2005

Am 16. August 1923 wurde Pierre Seel in Hagenau geboren. Als 17jähriger 1940 in Mulhouse von der Gestapo unter dem Vorwurf der Homosexualität verhaftet. Er wurde im KZ Schirmeck interniert, gefoltert und missbraucht. Er wurde gezwungen, die Ermordung seines Freundes mit anzusehen.

Nach seiner Entlassung im November 1941 wurde Seel als Soldat eingezogen und an die Ostfront in die Ukraine geschickt. Dort geriet er in Kriegsgefangenschaft.

Nach seiner Rückkehr nach Frankreich heiratete er – auch in Frankreich war nach dem Zweiten Weltkrieg kaum an ein offenes Leben als Homosexueller zu denken. So betand das unter dem Kollaborations-Regime von Pétain 1942 neu eingeführte Sonderstrafrecht gegen Homosexuelle in Frankreich auch nach 1945 weiterhin.

Erst spät, ab 1982, konnte Seel offen über seine Erlebnisse sprechen. Aus seinen Erzählungen und Berichten entstand in Zusammenarbeit mit dem im April 2010 verstorbenen Jean LeBitoux, Gründer des legendären ‚Gai Pied‚, das Buch “Ich, Pierre Seel, deportiert und vergessen”.

„Je me souviens d’un garçon, condamné à mort pour je ne sais quelle raison, que l’on fit se dévêtir. Nu. il se retrouvra au milieu du camp, un seau métallique sur la tête. Les SS lâchèrent sur lui en excitant les chiens de garde, qui le dévorèrent vivant. La nuit, jèntends encore ses cris dans lesd cauchemars …“ (Pierre Seel im Gai Pied 1983)
(‚Ich erinnere mich an einen Jungen, ich weiß nicht mehr warum zum Tod verurteilt, den man zwang sich auszuziehen. Nackt, einen Metalleimer auf dem Kopf, stand er in der Mitte des Lagers. Die SS-Leute hetzten die Wachhunde auf ihn, die ihn bei lebendigem Leib verschlangen. Nachts höre ich in meinen Albträumen immer noch seine Schreie. (Übers. UW))

Sel berichtet in dem Buch u.a. auch, bei seinen Zwangsarbeitseinsätzen an der Errichtung des benachbarten KZ Struthof mitgearbeitet zu haben.

Seel ist der erste und der einzige wegen Homosexualität Deportierte in Frankreich, der je offen über seine Erlebnisse gesprochen hat. Seel war in den 1990er Jahren auch des öfteren in Deutschland -für ihn auch das Land der Täter- zu Vorträgen und Veranstaltungen.
Bewegend auch Seel im Gespräch mit Hervé Joseph Lebrun, Ausschnitt als html (französisch) hier.

Pierre Seel starb am 25. November 2005 in Toulouse.

Pierre Seel – Gedenken

Bereits kurz nach dem Tod von Pierre Seel am 25. November 2005 forderte eine Initative aus Anlass seines Todes erneut in Frankreich ein Monument zur Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Homosexuellen.
Schon früher hatte die Initiative MDH unter Leitung von Jean Le Bitoux die Errichtung eines ‘Memorial de la Déportation Homosexuel’ gefordert. Nachdem es vergleichbare Monumente bereits in Italien, Deutschland und den Niederlanden gebe, sei es an der Zeit, ein ähnliches Monument z.B. in Strasbourg zu errichten.
Bis 2007 gab es in Frankreich keinerlei Homomonument oder ähnliches Mahnmal, das dezidiert an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors erinnert. [Aufstellung der Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen]

Das KZ Schirmeck ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Auf dem Gelände des früheren Lagers ist heute eine ‘idyllische’ Siedlung (Bericht eines Besuchs auf sintiundroma.de).

Pierre Seel – Gedenklen in Toulouse

Die Initiative forderte zudem von den Bürgermeistern der Städte Mulhouse und Toulouse, jeweils einen Platz oder eine Straße nach Pierre Seel zu benennen. In Toulouse böte sich der Square Steinbach an, in den 1930er Jahren ein Ort schwulen Cruisings. Pierre Seels Diebstahlmeldung einer hier verlorenen Uhr brachte ihm 1939 die behördliche Registrierung als Homosexueller, der die Deportation 1940 folgte.

Am 21. Dezemberr 2007 beschloss der Stadtrat von Toulouse, zukünftig im Quartier Saint Sauveur eine Straße in Toulouse nach Pierre Seel zu benennen. In Gegenwart von Bürgermeister Jean-Luc Moudenc (UMP) und nahezu 200 Gästen wurde das Straßenschild am Samstag, 23. Februar 2008 eingeweiht.
Französische Medien wiesen darauf hin, dass weder Seels langjähriger Partner noch seine Söhne oder Seels langjährige Biograph (Jean le Bitoux) zur Zeremonie eingeladen wurden.

rue Pierre Seel in Toulouse (Foto: Namaacha)

This file depicts the name plate of a street in the French city of Toulouse that was named after Pierre Seel, who suffered deportation under the Nazis on the basis of homosexuality.NamaachaCC BY-SA 3.0

Pierre Seel – Gedenken in Mulhouse

Am Samstag, 15. Mai 2010 wurde in Mulhouse (am Théâtre de la Sinne, avenue Auguste Wicky) eine Plakette eingeweiht, die an Piere Seel erinnert. Sie ist die erste Gedenk-Plakette Frankreichs, die an homosexuelle NS-Opfer erinnert. Die Plakette trägt den Text

Zur Erinnerung an Pierre Seel 1923 – 2005 und andere unbekannte Mulhouser, die wegen des Vorwurfs der Homosexualität festgenommen und deportiert wurden”.

Gedenk-Plakette für Pierre Seel in mulhouse (Foto Ji-Elle; Lizenz cc by-sa 3.0)

Mulhouse : plaque à la mémoire de Pierre Seel sur l’une des façades du théâtre côté parcJi-Elle – CC BY-SA 3.0

Pierre Seel Gedenken in Paris

Seit dem 19. Juni 2019 erinnert eine Strasse zwischen der Rue de Rivoli und der Rue du Roi de Sicile an Pierre Seel – die rue Pierre Seel.

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Kulturelles

Messias in Rosa?

Oh Gott, ja, man braucht pointierte Schlagzeilen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Selbst, vor allem auch beim Spiegel.

Aber gleich so?

“der schwule Messias”
“der große Held des deutschen Queer-Films”
“der Held des schwulen deutschen Kinos schlechthin”

Geht’s noch dicker?
Gut, Rosa von Praunheim hat Geburtstag, einen besonderen, wird 65.

Und ja, einige seiner Filme schätze ich sehr – mein persönlicher Favorit ist “Anita“, der Film über Anita Berber mit Lotti Huber.
Und die Wirkung von “Nicht der Homosexuelle ist pervers …” ist auch kaum zu überschätzen.

Aber gleich zum Messias erklären?

Manchmal frage ich mich eher, ob nicht die Rente doch wieder mit 65 eingeführt werden sollte …
… oder zumindest ‘Antimoralin’ ausgegeben werden könnte …

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Der Bürgermeister der Castro Street

„The Mayor of Castro Street“ – unter diesem Titel wird das Leben des US-Politikers und schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk verfilmt. Im Januar soll mit den Dreharbeiten begonnen werden.

Harvey Milk war der erste offen schwule Stadtrat in San Francisco. Vermutlich war er der erste offen schwul lebende Politiker überhaupt in den USA.
Er wurde 1977 in den San Francisco Board of Supervisors gewählt. Unter Bürgermeister George Moscone gelangen ihm einige wesentliche Verbesserungen für Lesben und Schwule in San Francsico, unter anderem brachte er ein ‚gay rights bill‘ ein und verhinderte eine Verordnung, die offen schwul und lesbisch lebende LehrerInnen an der Berufsausübung gehindert hätte.

Harvey Milk konnte nur elf Monate als Stadtrat arbeiten. Am 27. November 1978 wurde Milk vom ehemaligen Stadtrat Dan White erschossen. Auch Bürgermeister Moscone fiel dem Attentat zum Opfer.

Der Attentäter Dan White wurde im Mai 1979 verurteilt. Das Strafmaß (sieben Jahre Gefängnis) wurde von vielen Einwohnern San Franciscos als skandalös niedrig empfunden. Es kam zu massiven Demonstrationen und schweren Zusammenstößen mit der Polizei (bekannt als White Night). Bei anschließenden Aktionen der Polizei wurden mehrere schwule Bars in der Castro Street zerstört.

Milk selbst hatte mit Gewaltaktionen gegen ihn gerechnet. Er hatte Tonbänder vorbereitet, die gespielt werden sollten für den Fall, dass er Opfer eines Attentats werde. „Sollte eine Kugel mein Gehirn treffen, lasst diese Kugel jede Schranktür zerstören“ (Schrank -> closet, Symbol für den (unfreiwillig) nicht offenen, den ‚Schrank-Schwulen‘).

Nach seinem gewaltsamen Tod wurde Milk endgültig zu einer schwulen Ikone, zu einem Symbol eines neu erwachten schwulenpolitischen Bewusstseins im San Francisco der 1970er Jahre. Viele Orte und Zentren schwulen- und lesbenpolitischen Lebens und Engagements wurden nach ihm benannt, am bekanntesten vielleicht die ‚Harvey Milk Highschool‘ in New York (inzwischen eine öffentliche High School). Das Leben Harvey Milks wurde von Rob Epstein unter dem Titel ‚The Times of Harvey Milk‘ verfilmt.

Der Regisseur Gus van Sant wird nun das Leben von Harvey Milk als Spielfilm (BioPic) verfilmen. Beginn der Dreharbeiten soll nach jahrelangen Vorarbeiten im Januar 2008 sein. In den Hauptrollen sollten als Darsteller des Harvey Milk Sean Penn sowie als Darsteller des Dan White Matt Damon im Gespräch sein. Damon solle aber aus terminlichen Gründen doch abgesagt haben, wie pinknews berichtet.

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Text von ondamaris auf 2mecs 22.01.2016

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Solidargemeinschaft statt ‚Schuld und Malus‘

Resolution des 123. Bundesweiten Positiventreffens:

Solidargemeinschaft statt „Schuld und Malus“

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 123. Bundesweiten Positiventreffens haben sich mit den Veränderungen des SGB V durch das geplante Pflegeweiterentwicklungsgesetz beschäftigt.

Der Absatz 2 des § 294a, SGB V soll folgende Fassung erhalten:

„(2) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Versicherte sich eine Krankheit … durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen haben (§ 52), sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte … verpflichtet, den Krankenkassen die erforderlichen Daten mitzuteilen.“

Das bedeutet für uns, dass Versicherte die Risiken, wie ästhetische Operationen oder das Anbringen von Piercings und Tätowierungen eingehen, die eventuell daraus entstehenden Kosten selbst zu tragen haben, da sie „schuldhaft“ diese Risiken freiwillig eingegangen sind. Hierzu sollen Ärztinnen und Ärzte Patientendaten an die Krankenkassen weitergeben müssen.

Wir meinen, dass eine Situation, in der Ärztinnen und Ärzte gezwungen sind, sensible Daten ihrer Patientinnen und Patienten an Krankenkassen weiterzugeben, einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gleichkommt. Wir befürchten dadurch Verschlechterungen im vertrauensvollen Verhältnis von Patientinnen und Patienten zu ihren Behandlerinnen und Behandlern.
Ein vertrauensvolles Verhältnis ist jedoch gerade für chronisch Kranke von erheblicher Bedeutung.
Zudem ist fraglich, ob durch die hier zur Diskussion stehenden Fälle Folgekosten nach ästhetischen Operationen, Piercings oder Tätowierungen tatsächlich Kosten in nennenswerter Höhe eingespart werden können.

Geht es nicht vielmehr darum, das Schuldprinzip einzuführen? Der Einstieg in ein begrenztes „Schuldprinzip“ hat nur eine Türöffnerfunktion, um das bewährte Solidarprinzip „Einer trage des Anderen Last“ gänzlich auszuhöhlen.
Das Solidarprinzip erachten wir aber als einen Grundwert unserer Gesellschaft. Es zu gefährden heißt, den gesellschaftlichen Konsens der Republik zu gefährden und bedeutet die faktische Abschaffung des gleichen Rechts aller Bürgerinnen und Bürger auf Gesundheit.
Eine mögliche Ausweitung über die aufgezählten Risiken hinaus, die bereits debattiert wird (Stichworte: Ski- und allgemein Sportunfälle, Folgen des Rauchens und von Alkoholkonsum) machen über kurz oder lang jede und jeden zum „Schuldigen“. Mehr und mehr werden so die Kosten gesundheitlicher Risiken privatisiert.

Wir fordern daher die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf, das Solidarprinzip in der Sozialversicherung beizubehalten und von der geplanten Änderung des SGB V abzusehen.

Um Kosten durch die Folgen der erwähnen Risiken zu minimieren, böte sich die Fixierung von Qualitätsstandards für ästhetische Operationen und das Anbringen von Piercings und Tätowierungen an.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 123. Bundesweiten Positiventreffens

Waldschlösschen, 16. November 2007

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Text 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs