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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Baba, Hubert Hartl (2.1.1963 – 18.1.2008)

Vor einigen Tagen. In der Post der letzten Tage habe ich die Zeitungen und Zeitschriften beiseite gelegt, auf den Lesestapel. Erst gestern Abend, beim Blättern im Wiener “Xtra!”, sehe ich die große, schwarz gerahmte Meldung “In memoriam Dr. Hubert K. Hartl”.

Mitte der 1990er Jahre. Ein österreichisches Unternehmen (das heute längst in einem US-Konzern untergegangen ist) forschte an der Entwicklung von Impfstoffen gegen HIV. Und hatte sich auf die Fahnen geschrieben, bei einer großen, europaweiten Studie auch die Vertretung der Interessen von Patienten zu realisieren, in Form eines ‘Community Advisory Boards‘ (Bericht über ECAB hier).

So lernte ich Hubert Hartl kennen. Genauer, Dr. Hubert K. Hartl. Denn in Wien hat ja jeder mindestens einen Titel, lieber zwei. Hubert bestand nie auf seinen ‘Dr.’ – begrüßte aber schmunzelnd jeden Kneipenwirt, bei dem wir abends ausgingen, mit “Servus, Herr Gastronomierat”.

Hubert war wohl das, was man einen Multi-Aktivisten nennen darf, engagiert auf den vielfältigsten Ebenen der österreichischen und europäischen Hämophilen-, Hepatitis- und HIV-Communities. Pionier der Communitybeteiligung. Unter anderem war zuletzt er ab 1990 Geschäftsführer der Österreichischen Hämophiliegesellschaft und im Vorstand der European Haemophilia Organisation.

Hubert war nicht immer ein leichter, unkomplizierter Partner bei der Vertretung von Patienteninteressen, und nicht immer teilten wir die gleichen Sichtweisen. Immer aber war er sehr engagiert bei der Vertretung der Interessen von Patienten im allgemeinen und der Hämophilen insbesondere.
Ich habe an Hubert Hartl neben dieser Ernsthaftigkeit und Authentizität seines Engagements immer geschätzt, wie unbefangen und vorbehaltlos er anderen Communities begegnete, er, der Familienvater mit drei Töchtern, besonders wenn er abends mit einer Schar schwuler Männer ‘um die Häuser zog’. Berührungsängste waren ihm fremd.

Dr. Hubert Hartl verstarb am 18. Januar 2008 im Alter von 45 Jahren während eines Treffens der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft im Krankenhaus Innsbruck an akutem Leberversagen. Hubert wurde am 31. Januar 2008 in seinem Geburtsort Vitis beigesetzt.

Servus Hubert, und baba …

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Deutschland

das Bremer Rathaus

Auf dem Rückweg aus fremden Universen kurzer Stopp in Bremen.

Bremen Wappen
Bremen Wappen

Die zweitgrößte Stadt Norddeutschlands, einst für mich schwer erreichbares Ziel gelegentlicher Wochenend-Ausflüge aus heimatlicher Tristesse, ist für mich meist höchstens noch Umsteige-Station nach elterlichen Besuchen.

Doch Bremen hat einiges zu bieten, was einen Stopp lohnt. So das Bremer Rathaus:

Bremen Rathaus Saal
Bremen Rathaus Saal

So das Rathaus im Stil der Weserrenaissance, bei dem sich besonders eine Besichtigung der oberen Rathaus-Halle anbietet.

Bremen Rathaus neuer Saal
Bremen Rathaus neuer Saal

Das 1405 bis 1410 erbaute Rathaus (gotischer Saalgeschossbau) entsprach schon nach 200 Jahren nicht mehr ganz den Vorstellungen der zu Geld und Einfluss gekommenen Bremer. Statt jedoch einen aufwändigen Neubau zu errichten, erhielt das gotische Rathaus 1608 bis 1612 u.a. eine Fassade im Stil der Renaissance.

Bereits 1595 war die obere Halle erweitert worden um die Güldenkammer

Bremen Rathaus Gülden Kammer

zur Begrüßung besonderer Gäste. Sie wurde 1904/05 von Heinrich Vogeler (der sich 1894 der Künstlerkolonie Worpswede angeschlossen hatte) im Jugendstil völlig neu eingerichtet.

Bremen Rathaus aussen

Beeindruckend auch die Rathaus-Fassade sowie der Marktplatz mit dem Roland.

Bremen Rathaus und Roland

Der Bremer Roland von 1404, die größte freistehende Plastik des deutschen Mittelalters, gilt als das Symbol für Bürgerstolz und Freiheitssinn der Bremer – der Legende nach soll Bremen so lange frei und selbständig bleiben, wie der Roland steht.

Der Roland, der auf dem Marktplatz heute zu sehen ist, trägt übrigens nicht mehr seinen originalen Kopf von 1404.

Bremen Roland

Der ist inzwischen im Focke-Museum zu sehen, nachdem er 1983 ausgetauscht wurde.

Rathaus von 1409 und Roland von 1404 sind nicht nur Zeichen einer rasch zu Wohlstand gekommenen Stadt, sondern auch Ausdruck früher politischer Unabhängigkeit und Freiheit. Bremen, 787 von Karl dem Großen zum Bischofssitz erhoben, entledigte sich bereits früh der Herrschaft der Bischöfe und wurde bald reichsunmittelbare Stadt.

Bremen ist wohl zu Recht stolz auf seinen (2004 erreichten) Titel als Weltkulturerbe

Bremen Weltkulturerbe-Urkunde

Was meinen diese Stadtmusikanten dazu?

Bremen Stadtmusikanten im ‚Werder-Look‘

Oder blicken sie schon weiter gen Böttcherstraße?

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Kulinarisches unterwegs

Kohl und Pinkel

Kohl und Pinkel – In Norddeutschland beginnt jetzt wieder die Zeit der so genannten ‘Kohl-Fahrten’.

Dabei geht es nicht um irgendwelche Reisen auf ferne Planeten, Ernteeinsätze oder andere seltsame Dinge. Nein, ganz einfach – ein Tagesausflug zu Fuß, über Land – in den Kohl. In den Grünkohl genauer gesagt, denn der hat jetzt Saison.

Kohlfahrten finden meist im Januar / Februar statt, denn Grünkohl braucht einen harten Frost, damit er gut schmeckt. Dementsprechend sind die Außentemperaturen bei Kohlfahrten in der Regel deutlich unter Null – so dass mit ‘Brennstoff’ für erhöhte Innen-Temperaturen gesorgt werden muss. In der Praxis bedeutet dies, alle paar Meter findet ein Halt statt, ran an den Bollerwagen, und kontrollieren ob noch genügend in der Korn-Flasche ist …

Irgendwann kommt man dann dennoch am Zeil der Reise an – einer Landgaststätte, in der eingekehrt wird. Zu einem deftigen Kohl-Essen, bei dem auch der Kohl-König gekürt wird.
Die Königswürde wird nach einer einfachen Regel verliehen: Kohl-König oder Kohl-Königin wird der/diejenige, der/die am meisten Kohl verzehrt. In eher traditionellen Kohlfahrten-Gruppen gibt’s dafür auch noch nen ‘Kohl-Orden’ …

Im Mittelpunkt aber – neben Spaß und Saufen – immer: “ Kohl und Pinkel ”.
Dabei wird der Kohl nicht etwa mit irgendwelchen Körper-Ausscheidungen malträtiert.

Die “Pinkel” ist vielmehr eine Art regionaler Spezialität, insbesondere in Ostfriesland und bis Bremen bekannt. Eine Art Grützwurst, die ihren Namen von ihrem Aussehen haben soll [nun, ich hab da so meine Zweifel …]

Und deswegen findet man in Norddeutschland dieser Tage oft Schilder wie dieses hier …

Kohl und Pinkel

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Frohes Neues Jahr 2008 !

Frohes Neues Jahr 2008 !

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25. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Erinnerungen

Plasticant – 60er und 70er Jahre Spielzeug

plasticant ®“ war ein auf Konstruktion angelegtes 70er Jahre Spielzeug – System aus Kunststoff-Teilen. Im wesentlichen bestand es aus blauen röhrenartigen Teilen, die mit gelben Kunststoff-‚Dübeln‘ verbunden wurden, sowie roten und gelben Flächen-Füllsteinen.

plasticant® – Packungsbeilagen, 1960er Jahre

„Erfunden“ wurde das Systemspielzeug von dem Ungar Jenö Paksy, der es sich auch am 18. November 1958 patentieren ließ (US-Patent eingereicht 1959).

Das Spielzeug kam in Deutschland 1961 erstmals auf den Markt, produziert vom Unternehmen ‚Franken Plastik‘ in Fürth (die Rechte wurden später an einen US-Spielzeugkonzern verkauft). Die Produktion wurde 1974 eingestellt, es gibt allerdings seit 2008 ein identisches Produkt eines ungarischen Unternehmens unter dem Namen ‚Jáva‘, das auch in Deutschland vertrieben wird.

Plasticant – Fotos

Plasticant Bausteine
Plasticant Schachtel, 1960/70er Jahre
Bausteine
Schachtel, 1960/70er Jahre
plasticant® Packungsbeilagen, 1960er Jahre

plasticant oder pastikant?

Auch wenn es gelegentlich anders zu sehen ist, plasticant wurde mit “c” geschrieben (nicht ‚ plastikant ‚) … und da es “plasticant 120″ hieß, vermute ich es gab auch plasticant 60 und plasticant 163³ ???

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Kindheitserinnerungen aus plasticant

Beim weihnachtlichen Besuch in Kindheitserinnerungen gewühlt. Unter anderem nach dem Kindheitstraum aus Plasticant gestöbert.

Nein, keinen knackigen jungen Kunststoff-Technologen gefunden (obwohl, die Verpackung …). Wohl aber viele blaue und gelbe Kunststoff-Bausteine, und die Entdeckung, dass es doch einiges mehr gab an Bausteinen als ich erinnerte.

Ich muss so etwa vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, als ich meine ersten ‘Plasticant’-Steine bekam. Sie wurden schnell mein Lieblings-Spielzeug, über Jahre. Und der Vorrat an Steinen wurde größer und größer. Irgendwann reichten all die Kartons nicht mehr, eine Waschpulver-Trommel (ja, Waschpulver wurde damals in riesigen runden Trommeln verkauft) wurde mit dc-fix beklebt, sah dann hübsch peppig aus (meinte mein Vater) – und hatte viel Platz für viele Bausteine.

Plasticant kennt heute leider kaum noch jemand. Plasticant war ein System aus verschiedenen Steinen, besser Bau-Elementen, die man zusammenstecken und damit alles mögliche bauen konnte.
Da gab es blauen Röhren in den verschiedensten Formen. Nun gut, groß war die Auswahl wohl nur für meine Kinder-Augen, es gab Röhren, Kreuze, T-Stücke, Ecken und Kurven, mehr (soweit ich mich erinnere) nicht. Diese Röhren konnte man mit Dübel-artigen Steckern miteinander recht stabil verbinden (hmmm, war das schon erotisch?).
Und es gab gelbe und rote Quadrate, mit denen man den Zwischenraum zwischen den Röhren, wenn man Flieger, Windmühle oder Haus fertig gebaut hatte, ausfüllen konnte.

Das Resultat war dann meist ein etwas arg bunt aussehendes ‘Etwas’ – aber immer mit viel Spaß und Spannung, denn – meiner kindlichen Phantasie waren mit Plastickant, so empfand ich es damals, wohl kaum Grenzen gesetzt. Mein Bruder hatte ‘Lego®’, das fand ich furchtbar langweilig. Und mochten andere Jungs sich später in ihrer ‘Fischer-Technik®’ austoben – ich hatte Plasticant und fand das viel toller!

Immer höher, immer gewagter konnte man bauen, das Zeug war recht stabil. Und robust – die zahlreichen Abstürze, die meine selbst entwickelten Flugzeuge und Raketen hatten, die Einstürze all der seltsamen Häuser, die Steine überlebten sie weitgehend unbeschadet.

Irgendwann wurde der Junge dann älter, die Bausteine doch langweiliger. Schließlich landeten die inzwischen zwei Waschtrommeln voll blauer, gelber und roter Steinchen erst hinten im Kleiderschrank, dann unten im Keller. Wo sie wohl heute noch stehen müssten – ich werd beim nachweihnachtlichen Elternbesuch mal kramen gehen …

Plasticant ist inzwischen meist nur noch Erinnerung, wenn überhaupt. Vielen fällt dazu nur noch der ‘Kunststoff-Technologe’ als Berufsbild ein, wie unromantisch ,-)

Plastikant übrigens gibt es heute noch – bei Ebay, als nostalgisches Spielzeug aus den 1960er Jahren. Aber ich werd meins wenn ich’s wiederfinde nicht verkaufen – zu viele schöne Kindheitserinnerungen …

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ondamaris Texte zu HIV & Aids

Frohe Weihnachten

Frohe Weihnachten 2007

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Artikel 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Berlin Kulturelles

Gratulation, Komische Oper Berlin

Eine “hippe Adresse” in Berlin wird heute 60 – und mehrfach ausgezeichnet.

An der Ecke ‘Unter den Linden’ und ‘Behrensstraße’ stand seit 1892 ein Theaterbau. Hier spielte zunächst das ‘Theater Unter den Linden’, ab 1898 das ‘Metropol-Theater’, ein weit über die Grenzen Berlins bekanntes Revue- und Operetten-Theater.

Ende 1944 wurde der Theaterbetrieb, der seit 1934 als ‘Staatliches Operettentheater’ und Teil der NS-Organisation ‘Kraft durch Freude’ erfolgte, eingestellt – sinnigerweise nach der Premiere von ‘Wiedersehen macht Freude’.

Im März 1945 wurden große Teile des Theaters durch Bomben zerstört, insbesondere der Zuschauerraum jedoch blieb beinahe unversehrt.
Nach der Befreiung wurde bereits im Februar 1946 mit dem Wiederaufbau begonnen, bis in den Dezember 1947 dauerten die Arbeiten.

Am 23.12.1947 eröffnete die Komische Oper unter Walter Felsenstein mit der Operette “Die Fledermaus” von Johann Strauß. Felsenstein leitete die Komische Oper bis zu seinem Tod 1975.

1956/66 erfolgte eine Neugestaltung der Außenhaut des Gebäudes (Kollektiv Kunz Nierade). 1986 wurde der neobarocke Zuschauerraum des Theaters saniert und unter Denkmalschutz gestellt; 2005/06 das Foyer nach Plänen von Stefan Braunfels umgebaut.

Und im 60. Jahr ihres Bestehens wurde die Komische Oper nun von 50 unabhängigen Musikkritikern zum “Opernhaus des Jahres” gekürt, zusammen mit dem Theater Bremen. Die Komische Oper Berlin sein eine “hippe Adresse für ein frisches Publikum”, heißt es in der Begründung.
Der ehemaliger Generalmusikdirektor der Komischen Oper, Kirill Petrenko, wurde zum “Dirigent des Jahres”. Dritte Trophäe an der Behrensstraße: der Chor der Komische Oper wurde zum “Chor des Jahre” ernannt.

Viel des Lobes für die Komische Oper, herausgetreten aus den langen Schatten ihrer Geschichte, und eine Dame ganz offensichtlich in den besten Jahren.

Der Komischen Oper habe ich einige spannende, anregende und überraschende Vorstellungen zu verdanken – ob ein viel geliebtes Mahagonny, eine Maria aus Buenos Aires, die amüsanten Neujahrskonzerte oder vieles anderes. Inzwischen ist die Komische Oper eines meiner ‘kulturellen Wohnzimmer’ – ein Ort zum Wohlfühlen und Entdecken, und ein Ort, ohne den mir der Zugang zu Oper und E-Musik sicher schwerer gefallen wäre …
Herzlichen Glückwunsch, Komische Oper !

siehe auch:

Lukullus ist tot
Auf nach Mahagonny

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Frankreich

Oscar Niemeyer

Oscar Niemeyer feiert am 15. Dezember 2007 seinen 100. Geburtstag.

Der ‘Feind des rechten Winkels’, der aus Beton fast alles möglich machte. Und der eine ganze Stadt (mit) aus dem Nichts schuf – Brasilia.
Oscar Niemeyer, der am 15. Dezember 1907 geborene grand seigneur der brasilianischen Architektur. Ihm zu Ehren hat Staatspräsident Lula das Jahr 2008 zum ‘Niemeyer-Jahr’ ausgerufen.

Eines seiner nicht allzu zahlreichen Gebäude in Europa (neben der Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs PCF in Paris) und dem Zeilen-Hochhaus (Hansaviertel Berlin) ist das heute ‘Espace Niemeyer’ genannte Kulturzentrum (1972) im unter Leitung von Auguste Perret wieder aufgebauten Le Havre (Fotos September 2007).

 

‚Le Volcan‘ oder ‘Espace Niemeyer’ in Le Havre

Niemeyer ist ab und an vorgeworfen worden, er entwerfe Gebäude, die sehr angenehm für’s Auge seien, denen es aber an Funktionalität mangele – ‘Form vor Funktion’ sozusagen.

Auch der ‘Espace Niemeyer’ in Le Havre vermittelt heute ein wenig (nein, ein wenig mehr) den Eindruck einer tiefergelegten kleinen Stadt-Wüste … aber einer, die auf seltsam angenehme Weise harmoniert mit den Perret-Bauten, eine organische Oase in schachbrettartiger Funktionalität. Eine Oase, die noch darauf wartet, wieder entdeckt zu werden, neues Leben eingehaucht zu bekommen.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Infektionsrisiko unter Therapie – widersprüchliche Signale (akt.)

Kann eine erfolgreiche anti-HIV-Therapie das Risiko einer HIV-Übertragung senken? Diese Frage wird insbesondere auch unter HIV-Positiven intensiv diskutiert. Von Experten kommen derzeit unterschiedliche Signale.

RKI: nichts genaues weiß man nicht
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet sich zu diesem Thema mit einem im wesentlichen bedächtigen Ergebnis zu Wort. Im Epidemiologischen Bulletin Nr. 47 schreibt das RKI „Zum HIV-Übertragungsrisiko unter antiretroviraler Therapie“.

In dem Beitrag wird u.a. besonders auf die teils sehr schlechte Datenlage hingewiesen, so liegen z.B. kaum Daten zur HIV-Konzentration an der Darmschleimhaut (ohne / mit ART) vor.
Grundsätzliches Problem aller Überlegungen sei: für die Prävention relevante Überlegungen erfordern prospektive Studien zum Übertragungsrisiko von HIV – diese gibt es jedoch bisher nicht. Daten einer laufenden Studie bei diskordanten heterosexuellen Paaren werden für 2009/10 erwartet; eine Studie für Infektionsrisiken bei homosexuellen Übertragungssituationen existiert bisher nicht.

Surrogat-Marker (ersatzweise herangezogene Laborwerte wie die Viruslast) können dabei immer nur ein ‚Hilfskonstrukt‘ sein.
Etwaige vorhandene sexuell übertragbare Infektionen (STI) können zudem bei nicht / nicht erfolgreich antiretroviral behandelten Positiven das Übertragungsrisiko zum Teil erheblich erhöhen (Daten bei erfolgreicher HAART liegen kaum vor).
U.a. aufgrund möglicher Veränderungen des Übertragungsrisikos z.B. durch Ko-Infektionen weist das RKI auf die Möglichkeit hin, dass zwischen monogamen Partnern und Partnern mit häufig wechselnden Partnern evtl. unterschiedlich hohe Übertragungswahrscheinlichkeiten bestehen könnten.

Mit aller Vorsicht der Wissenschaft kommt das RKI zur Frage des Infektionsrisikos bei erfolgreicher Therapie zu dem Schluss, dass
– eine effektive ART (Viruslast unter der Nachweisgrenze) mit hoher Wahrscheinlichkeit die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit deutlich senkt;
– für Aussagen auf individueller Ebene (konkrete Situation / Konstellation zweier Menschen miteinander) hingegen weitgehend Daten fehlen; und
– die Einschätzung zahlreicher Risiko-Situationen bei eindringendem und aufnehmendem Anal- sowie Vaginalverkehr aufgrund fehlender oder nur geringer verfügbarer Daten kaum möglich ist. Das RKI trifft hierzu aus diesem Grund keine Aussagen.

Schweiz: Positive mit erfolgreicher Therapie „nicht infektiös“
Ganz anders die Beurteilung der Situation und die gezogenen Konsequenzen in der Schweiz:
Bernard Hirschel vom Service des Maladies Infectieuses Département de Médecine Interne Hôpital Cantonal (Leiter der Einheit Aids) vertritt eine sehr dezidierte Meinung. Seiner in letzter Zeit auch mehrfach öffentlich geäußerten Ansicht zufolge sind HIV-Positive mit erfolgreicher Kombitherapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze) nicht infektiös, selbst nicht bei unsafem Sex.

Prof. Bernard Hirschel bringt seine Position in der ‚Tribune de Genève‚ auf den Punkt: „keine nachweisbare Viruslast, keine Infektion“(ähnliche Aussagen auch in 24 heures und Le Temps).
Eine Meinung, die auch die Schweizer Aids-Kommission teilt. Die ‚Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen‘ (EKAF) formuliert „ein zusätzlicher positiver Effekt einer erfolgreichen Therapie ist auch die fast vollständige Verhinderung einer weiteren Übertragung von HIV“ ((„Visionen und Empfehlungen für die HIV/Aids-Politik der Schweiz“, siehe unter ‚weitere Informationen‘)).

Hirschel führt seine Überlegungen sogar noch weiter. Er misst einer erfolgreichen Kombitherapie einen präventiven Aspekt bei. Präservativ und Pillen, Kondom und Kombitherapie seien zwei wirksame Schutz-Möglichkeiten, jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen.
Auch Hirschel betont allerdings, keine Infektiosität bedeute nicht ‚kein Risiko‘. Es bleibe weiterhin z.B. das Risiko sexuell übertragbarer Infektionen, die dann ihrerseits auch das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen könnten.

Zwei renommierte Aids-Institutionen bzw. Experten, und zwei recht unterschiedliche Äußerungen. Was zunächst überrascht – die Datenlage kann ja doch zu diesem Thema zwischen der Schweiz und Deutschland nicht so arg unterschiedlich sein.

Prof. Hirschel kann sich zu einer sehr pointierten Aussage durchringen, die auch für Menschen mit HIV eine konkrete verständliche Botschaft ist.
Das RKI hingegen windet sich deutlich, vermeidet geradezu zu einer klaren Aussage zu kommen.
Zu hoffen ist, dass bei der Zurückhaltung des RKI keine politische Einflussnahme im Spiel ist. Bei der Haltung des RKI ist sicher zu berücksichtigen, dass das RKI vermutlich auch befürchtet, angesichts des komplizierten Sachverhalts würden Teile der Informationen ‚in der Praxis‘ verloren gehen – so dass im Extremfall der (nicht berechtigte) Eindruck eines ‚Freifahrscheins‘ entstehen könnte.

Dennoch – (nicht nur) für Menschen mit HIV bietet sich nun ein äußerst widersprüchliches, unklares Bild. Im Sinne klarer Botschaften, die auch Orientierungspunkte für eigenes Verhalten liefern, wäre es wünschenswert, wenn sich Aids-Experten deutlicher auf eine verständliche Position einigen können.
Zudem bleibt zu wünschen, dass die Erkenntnisse zur Infektiosität bei Positiven unter Therapie auch in der strafrechtlichen Praxis ankommen (und bei denen, die Strafverschärfungen fordern).
So könnte sich die/der deutsche Positive (zumindest aus der Sicht der Infektionsitäts-Debatte) derzeit beinahe wünschen, in der Schweiz zu leben …

weitere Informationen:
Transmissionsrisiko unter HAART: ‚vernachlässigbar klein‘
HIV-Status und Prävention
Das Epidemiologische Bulletin Ausgabe 47 / 2007 gibt’s als pdf hier
EKAF und Sektion Aids, BAG: „Visionen und Empfehlungen für die HIV/Aids-Politik der Schweiz“, discussion paper für das Aidsforum 2007, S. 19; als pdf online hier

Prof. Hirschel hat seine Gedanken auch in einem Interview mit dem Schweizer Positiven-Radion survivreausida erläutert. Die Sendung kann hier online gehört werden (mp3, in französischer Sprache)

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Text 24. Februar 2017 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Männlich? Weiblich? Spielt keine Rolle – genderneutraler Ausweis in SF

Innovative Wege bei Ausweis-Papieren geht San Francisco. Der Stadtrat hat beschlossen, eigene städtische Ausweispapiere auszugeben, die keinen Hinweis auf das Geschlecht enthalten – der genderneutrale Ausweis.

Das San Francisco Board of Supervisors beschloss am 20. November 2007, eigene ID-Cards auszugeben. Dies ist bereits in vielen Städten der USA in Überlegung. Einer der Vorteile städtischer ID-Cards: sie können ggf. unabhängig vom legalen Status der Person ausgegeben werden (und sind damit auch Bestandteil der Debatten um illegale Immigration in die USA).

Auch in San Francisco lagen die Beweggründe für städtische ID-Cards anfangs überwiegend in aufenthaltsrechtlichen Fragen. Zudem war Anlass, dass Bemühungen um eine Reform der Einwanderungs-Gesetzgebung vorher gescheitert waren. Die Stadt wollte Einwohnern, die nicht in der Lage sind, legale staatliche Papiere zu erhalten, zumindest eine städtische Ausweis-Möglichkeit bieten.

Dann allerdings traten Transgender-Organisationen auf den Plan. Ihr Anliegen: auch die Situation transsexueller Menschen mit in Betracht zu ziehen. Eine Personenstands- Änderung ist in den USA zwar möglich, aber Zeit- und besonders Kosten-aufwändig.

Das Ergebnis der Debatten: ab 2008 wird San Francisco ein eigenes Ausweis-Papier einführen, das neben einem Foto der Person ausschließlich den Namen und das Geburtsdatum erwähnt, nicht jedoch das Geschlecht – ein genderneutraler Ausweis

Trans-Männer und Trans-Frauen, Transgender- / Transsexuellen-Aktivisten feiern die neue Karte als Erfolg; endlich sei eine genderneutrale Ausweis-Möglichkeit vorhanden.

Das Gesetz über den geschlechtsneutralen städtischen Ausweis muss noch vom Bürgermeister der Stadt, Gavin Newsom, unterzeichnet werden.

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Das California Senate Bill No. 179 (SB 179; auch Gender Recognition Act; Gesetzestext) wurde am 15. Oktober 2017 verabschiedet. Damit haben alle Bürger Kaliforniens die Möglichkeit, nicht-binäre Ausweisdokumente zu erhalten.