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Hamburg Homosexualitäten

Die Hamburger ‚ Spiegel-Affäre ‚ 1980 – Polizei-Überwachung von Klappen aufgedeckt

Spiegel-Affäre Hamburg: Polizei überwacht Schwule auf Klappen durch Einweg-Spiegel – In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1980 zerschlagen Schwule in Hamburg auf der Klappe am Spielbudenplatz einen Überwachungsspiegel, die Polizei muss die Existenz und Führung von ‚Rosa Listen‘ einräumen.

Rosa Listen‚ waren ein zentrales Element der Erfassung und Verfolgung von Homosexuellen. Polizei und Verfassungsschutz sammelten Daten über Homosexuelle, legten systematische, fortlaufend ergänzte und ausgewertete Karteien Homosexueller an – sie führten so genannte ‚Rosa Listen‚.

Basis dieser ‚Rosa Listen‘ war neben Razzien in Bars u.a. die Überwachung von Treffpunkten Homosexueller, u.a. Parks und öffentliche Toiletten (aka Klappen).

Ihren ‚Höhepunkt‘ erreichten die ‚Rosa Listen‘ vermutlich in der NS-Zeit nach der Verschärfung des Paragraphen 175 mit der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität’ – über 33.000 Personen seien in ihren Karteien erfasst, teilt das ‚Jahrbuch‘ 1939/40 mit; für die Zeit ab 1940 sprechen Historiker von 41.000 bis 95.000 erfassten Männern. Die ‚Rosa Listen‘ wurden zur Basis einer umfangreichen Verfolgung und Bekämpfung Homosexueller.

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Hamburg Homosexualitäten

Schellfischtunnel – einst beliebter Ort schwulen Cruisings

Der Altonaer Hafenbahn-Tunnel (im Volksmund ‚ Schellfischtunnel ‚ genannt) war bis 1992 wichtiger Bestandteil des Hafenbetriebs. Und er war einst in Hamburg ein bei Schwulen, besonders in der schwulen Lederszene, beliebtes Cruising-Gebiet.

Er ist der älteste Eisenbahntunnel in Norddeutschland, der ‚ Schellfischtunnel ‚. Ab 1874 wurde er gebaut, am 18. Januar 1876 eröffnet. Er verbindet den Altonaer Bahnhof mit den erheblich tiefer liegenden Anlagen des Neumühlener Kais und des Fischereihafens. Zur Überwindung des Höhenunterschieds ist der zur Elbe gelegene Teil des Schellfischtunnels eine lang gezogene Rampe.

Die Geneigte Ebene in Altona um 1855, Ölgemälde von Georgine Fries
Die Geneigte Ebene in Altona um 1855 (weit vor dem Bau der Schienenwege), Ölgemälde von Georgine Fries

Schellfischtunnel – hafenseitige Einfahrt

Die Lage des hafenseitigen Eingangs zum Schellfischtunnel zeigt gut das Modell ‚Hafenanlagen in Hamburg und Altona‘. Dieses Modell entstand für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1900 in Paris.

Das Modell ist im Museum für Hamburgische Geschichte zu sehen:

Eingang zum Schellfischtunnel (Modell 'Hafenanlagen in Hamburg und Altona, 1900)
Eingang zum Schellfischtunnel (Modell ‚Hafenanlagen in Hamburg und Altona, 1900)

Der Schellfisch-Tunnel war die einzige unterirdische Güterverkehrs- Schienenstrecke im Hamburger Raum.

Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona
Schellfisch-Tunnel, Einfahrt Hafen Altona, Mai 2012

Bedeutung des Schellfischtunnels

Der ‚Schellfischtunnel‘ (bahndeutsch ‚Bauwerk T33‘) war Bestandteil der Altonaer Hafenbahn, die ausschließlich für den Güterverkehr genutzt wurde. Eine umfangreiche Sanierung des Tunnelgewölbes von 1876 erfolgte in den 1930er Jahren.

Im Zweiten Weltkrieg dienten die Tunnel vielen Altonaer Bürgern als (inoffizieller) Luftschutzraum.

Noch in den 1950er Jahren wurde der Tunnel erweitert, eine Expressgut-Abfertigung mit Tunnelerweiterung entstand im Ostteil des Altonaer Bahnhofs.

Schienenanlagen Hafenbahn Altona
Schienenanlagen Hafenbahn Altona

Nach 1945 verlor der Handel mit Frischfisch zunehmend an Bedeutung. Der 1911 aufgenommene elektrische Betrieb im Tunnel (eine der ersten elektrifizierten Strecken in Deutschland überhaupt) wurde 1954 wieder eingestellt. Stattdessen wurden wieder Dampfloks eingesetzt, ab 1956 auch Dieselloks.

Doch das Verkehrsvolumen auf der Altonaer Hafenbahn ging immer weiter zurück. Die Zahl der Beschäftigten sank von einst 16 auf 1978 nur noch 2 Mitarbeiter. 1978 stellte die Deutsche Bahn den Betrieb ein. Das Hamburger Amt für Strom- und Hafenbau übernahm den Betrieb der Altonaer Hafenbahn bis zum Beginn der 1990er Jahre.

Der Schellfischtunnel wurde bis 1992 genutzt, wobei die Einstellung des Güterverkehrs bereits 1989 erfolgte. Zuletzt hatten nur noch zwei bis drei Transporte pro Monat stattgefunden.

Mit Abwanderung der letzten Nutzer  (zuletzt noch durch ‚Protank‘, ‚Transthermos‘) wurde die Altonaer Hafenbahn aufgegeben. Seit dem 30. September 1992 ist der Tunnel geschlossen.

Immer wieder standen in den vergangenen Jahren Überlegungen im Raum, den Tunnel zu reaktivieren (z.B. für den öffentlichen Nahverkehr). Keine davon war bisher erfolgreich.

Cruising im Schellfischtunnel

Andere Nutzer ‚entdeckten‘ den Schellfischtunnel nach 1945 für sich – der seit 1895 gut 960 m lange Tunnel wurde (gemeinsam mit der nahe gelegenen Klappe an der Großen Elbstraße) zu einem beliebten Schwulen-Treffpunkt.

Cruising im Schellfischtunnel‘ – insbesondere für Ledermänner ab Ende der 1960er bis in die 1980er Jahren war der Schellfisch-Tunnel ein beliebter und ‚heißer‘ (wenn auch nicht besonders ‚wohlriechender‘) Treffpunkt. Und ein sicherer Treffpunkt, galt er doch als sicher vor Überfällen und Polizei-Razzien. Ein Zeitzeuge:

„Anfang der 70-er Jahre bin ich häufig zum Schellfischtunnel gefahren. Lernte ich in der knatschengen Klappe einen Lederkerl kennen, gingen wir in den dunklen Tunnel. Dort ging es dann zur Sache. Das einzig Störende war der bestialische Fischgestank. Am Rande der Schienen standen Tonnen und Kisten mit Fischresten, die auch massenhaft Fliegen anzogen.“

Zeitzeuge, zitiert in Rosenkranz / Lorenz: Hamburg auf anderen Wegen. 2. Auflage Hamburg 2006

Auch Touko Laaksonen, der seine internationale Karriere in Hamburg begann, Malereien für Schwulensauna Club Uhlenhorst (CU) und die Bar Tom’s realisierte und später als Tom of Finland bekannt wurde, kannte bereits in den 1960er Jahren den Schellfischtunnel …

die Zeit nach dem Bahnbetrieb im Schellfischtunnel …

Seit Mitte der 1990er Jahre entsteht auf dem früheren Hafengebiet ein modernes Büro- und Geschäftsviertel. Der Bahnsteig am südlichen Ausgang des Schellfischtunnels ist inzwischen integriert in das Gebäude ‚elbberg campus @altona‘.

Zugänglich ist der 961 Meter lange Schellfischtunnel heute nicht mehr – außer einmal im Jahr am ‚Tag des offenen Denkmals‘ (zweites September-Wochenende; Info). Dann finden Führungen durch den Tunnel statt (Anmeldung empfohlen).

Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona
Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona, Mai 2012

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Nachtrag 2024: inzwischen werden regelmäßig Führungen (‚Hamburger Unterwelten‘) angeboten.

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Hamburg Homosexualitäten

Harry Pauly – Pauline Courage (1914 – 1985)

Harry Pauly: zu einer meiner bemerkenswertesten Erinnerungen an das schwule Hamburg Anfang der 1980er Jahre gehört Pauline. Pauline Courage. Pauline Courage und ihr Theater, ihre Stücke in der ‚Kellerbühne‚. Pauline Courage, das war ‚bürgerlich‘ Harry Pauly.

Am 23. September 1914 in Berlin geboren, entdeckte Harry Pauly schon als Junge seine Liebe zum Theater, zunächst ab 1929 mit der kleinen (anfangs heimlich gespielten) Rolle als ‚Lausejunge‘ am ‚Theater am Nollendorfplatz‚ (Piscator / ‚Militärmusik‘) in Berlin.

Harry Pauly (Foto: United States Holocaust Memorial Museum)
Harry Pauly (Foto: United States Holocaust Memorial Museum)

In den 1930er Jahren spielte Harry Pauly in zahlreichen Stücken auf verschiedenen Bühnen überwiegend in Berlin, u.a. Volksbühne, Schloßparktheater, Lessing-Theater. Zudem hat er kleinere Rollen in mehreren Filmen (‚Gräfin Mariza‚, Richard Oswald; ‚Liebe will gelernt sein‚, Hans Steinhoff; ‚Flüchtlinge‚, Gustav Ucicky; ‚Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt‚, Harry Piel; ‚Eine Siebzehnjährige‚ Arthur Maria Rabenalt). 1937 wurde er mit seinem ‚Gastspielunternehmen Harry Pauly‚ jüngster Theaterchef Berlins.

In der NS-Zeit wurde Pauly mehrfach aufgrund von §175 verhaftet (erstmals 1936) und mehrfach verurteilt, kam u.a. für 15 Monate in das KZ Neusustrum, das berüchtigte ‚Lager V‘ der ‚Emslandlager‘. Über Neusustrum, das ‚vergessene Lager der Homosexuellen‘, berichtet Pauly (zitiert in Hans-Georg Stümke ‚Homosexuelle in Deutschland‘, 1989; ausführliche Erinnerungen auch in Stümke/Winkler/ Rosa Winkel, Rosa Listen S. 298 – 301 & 312 – 316), dass  „ca. 20% schwul waren und auch in anderen, umliegenden Lagern viele Homosexuelle gefangen waren.“ Pauly selbst kommt 1943 nach erneuter Verhaftung in ein Strafbatallion.

Harry Pauly erinnerte sich später an die Prozesse u.a.

„Ich erinnere mich da auch noch an einen Berliner Richter, der in die Schwulengeschichte eingegangen ist. Der hieß Sponer und war ein einmaliges Schwein. Wenn der Schwule abzuurteilen hatte, dann fielen die Strafen immer ganz besonders hart aus.“

Die NS-Zeit war 1945 vorbei – die Diskriminierung der Homosexuellen jedoch nicht. Der von den Nazis 1935 verschärfte Paragraph 175 bestand weiter.

Im Nachkriegs-Berlin ist Harry Pauly u.a. Direktor des Apollo-Theaters an der Schönhauser Allee (mind. 1948, s.u.) und spielt auf verschiedenen  Bühnen. Legendär soll seine 500 Mal gespielte Version von ‚Charlys Tante‚ gewesen sein:

Harry Pauly als 'Charleys Tante' am ABC-Theater Berlin (aus: Presseheft 'Paulines Geburtstag')
Harry Pauly als ‚Charleys Tante‘ am ABC-Theater Berlin (aus: Presseheft ‚Paulines Geburtstag‘)

Bereits im Jahr 1946 war Harry Pauly Direktor des ABC-Theaters in Berlin Spandau Hakenfelde, wie ein Plakat einer Märchen-Aufführung 1946 belegt, auf das mich freundlicherweise die Tochter der damaligen Ballettmeisterin Ingeborg Kurth aufmerksam machte. Dort wurde 1946 das „Märchen vom braven Johannes und der bezaubernden Prinzessin“ gegeben, unter der Direktion von Harry Pauly. Für das Jahr 1948 verzeichnet das Berliner Adressbuch „Apollo-Theater Direktion Harry Pauly, Büro: Charlottenburg, Schloßstr. 67“.

Nach politischen Problemen mit der SED (in Folge seiner geplanten Inszenierung der Operette ‚Die Rose von Stambul‚) flüchtete Harry Pauly 1952 nach West-Berlin. Harry Pauly erinnert sich 1979:

„Wie wir die ‚Rose‘ spielen wollten, da hat man mir im Osten gesagt: Herr Pauly, Adenauer steht mit der Türkei besser als wir. Setzen Sie das Stück erstmal ab. Ich bin ja sehr schnell erregbar, und das brachte mich auf den Entschluß zu flüchten. Ich mußte sogar flüchten, weil ich ziemlich ausfallend wurde. Ich habe den ganzen SED-Apparat doch ziemlich in Aufregung gebracht. So bin ich dann noch durch’s Brandenburger Tor gekommen, sonst wäre ich vielleicht heute noch im Knast.“

(aus: Presseheft ‚Paulines Geburtstag‘)

Von 1952 bis 1973 war Harry Pauly in der Gastronomie tätig. 1954 heiratete er, bekam einen Sohn (der später in den USA lebte). Anfang der 1960er Jahre zog er nach Hamburg. 1961 wurde er in Itzehoe auf Grundlage des §175 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt (den größten Teil hatte er, wie Stümke/Finkler berichten, bereits in der U-Haft abgesessen).

In Hamburg pachtete er 1973 eine Kneipe in einer Parallelstraße der Reeperbahn (Kastanienallee 22), machte daraus den ‚MC Club‚ (MC = Mutter Courage). Und er begann, bald den darunter liegenden Keller zu nutzen: Harry Pauly eröffnete dort 1976 sein eigenes kleines (wirklich sehr kleines) Theater, die ‚Kellerbühne‚.
Der schwule Stadtführer Hamburg ahoi! stellt es (in der ersten Auflage 1981) so vor: „Paulines Kellertheater – das war der MC-Club – wird meist von Stammpblikum besucht.

Das Haus Kastanienallee 22, bis 1982 Sitz des ' mc Club', Ende Februar 2014
Das Haus Kastanienallee 22, bis 1982 Sitz des ‚ mc Club‘, Ende Februar 2014

Paulines dort gespielte Stücke hatten so bezaubernde wie anregende Titel wie „Skandal in Baden-Baden„, „Tumult im Hotel Sacher„, „Die Bestie von Notre Dame„, das bekannte „Mutter Grimm“,Das Millionending„, mit dem er auch auf Deutschland-Tournee ging; oder zuletzt, in Sri Lanka entstanden, (1982) „Hilfe, meine Schwiegertochter ist ein Mann„.

Harry Pauly selbst über sein Theater:

„Die Jungs haben da so richtig ihrn Spaß bei und können auch al so richtig lachen, denn von zuhause haben sie ja meistens nicht so viel mitbekommen. Denn so richtige Männerfreundschaften wie Rudi [i.e. Rudi Schumacher, d.Verf., s.u.] und ich das hatten, das kennen die nicht. Die gehen hin und wieder mal anschaffen und haben mal ne kleine Freundschaft, mehr kennen die nicht. Und hier bei uns im Theater, da fühlen sie sich so richtig wohl, wie, wie in einer Familie.“

‚Paulines Geburtstag‘, zitiert nach Presseheft
Harry Pauly 1978 (Presseheft 'Paulines Geburtstag')
Harry Pauly 1978 (Presseheft ‚Paulines Geburtstag‘)

Harry Pauly spielte u.a. in der Musical-Inszenierung „Männer sind die besseren Frauen“ (1978 als Buchhalter Tabaro, Inszenierung Peter Ahrweiler, im Operettenhaus Hamburg, nach „Ein Käfig voller Narren„) und in TV-Filmen wie „Revolution“ (Wolfgang Schleif 1976) oder „Ein Mann fürs Leben“ (1980) mit Manfred Krug mit.

Corny Litmann berichtet (in ‚Hamburg mit anderen Augen‚, Hamburg 2007), Harry Pauly habe 1980 auch die erste der beiden Klappen-Spiegel – Aktionen (‚Spiegel-Affäre‘) am Spielbudenplatz aktiv unterstützt:

„Pauline Courage reichte uns einen schweren Hammer heraus, und wir sind dann runter in die Klappe unter dem Spielbudenplatz an der Taubenstraße. Mit dem Hammer haben wir nacheinander auf den Spiegel eingeschlagen.“

Corny Littmann

Ein Denkmal gesetzt bekam Harry Pauly bereits Ende der 1970er Jahre, mit dem 1977 bis 1979 entstandene Film „Paulines Geburtstag oder Die Bestie von Notre Dame“ von Fritz Matthies (Regie und Drehbuch). Paulys langjähriger Weggefährte Rudi Schumacher erlitt während der Dreharbeiten des Films am Premierenabend des Stückes „Die Bestie von Notre Dame“ einen Herzinfarkt und starb.

1982 musste Pauline sowohl Kneipe als auch Bühne schließen. Er lebte weiterhin in Hamburg (in der 1. Etage über dem MC-Club), hielt sich aber mit seinem Lover oft in Sri Lanka (Negombo) auf, wo er ein Feriendomizil besaß. „Da lebe ich mit zwei Boys und einer großen Anzahl junger Männer, die alle freundschaftlich zu uns stehen“ (zitiert nach Hamburg ahoi! 1981). Häufig hatte er bei seinen Hamburg-Aufenthalten Gastauftritte, so auch im TucTuc, Kampnagel oder im 1983 eröffneten MHC.

Harry Pauly starb am 13. April 1985 in Hamburg an einem Lungenödem. Die Trauerfeier fand im Krematorium des Friedhofs Ohlsdorf statt.

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Dank für freundliche Hinweise, Ergänzungen und Korrekturen u.a. an Frau Späth und Eric Jauch!

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Paulines Theater, das war viel Klamauk, rüschige Kostüme, oft eher billige Garderoben, und doch ein wenig erinnernd an das was Trude Herr in Köln auf der Bühne anstellte, ein Schuss schwules Boulevard-Theater (Volks-Theater?) dazu. Schräge Unterhaltung, die damals nicht so ganz ‚meine‘ war (schräges eher im Tuc Tuc). Und knackige Jungs. Überhaupt, machte Pauline vielleicht Theater, um an die knackigen Jungs ranzukommen? Die zogen sich nämlich so oft aus in seinen Stücken …  😉

Von Paulines Geschichte erfuhr ich erst nach meinem ersten Besuch in dem kleinen Keller-Theater.

Damals konnte ich mit dieser Art Theater nicht viel anfangen – und bin doch froh, dass Freunde mich hierhin ‚mitgeschleppt‘ hatten. Bin froh, dieses kleine Theater noch erlebt zu haben, bevor Pauline es dicht machen musste und gen Süden reiste. Und bin besonders froh, diesem Menschen mit dem so bemerkenswerten Leben begegnet zu sein.

Harry Pauly, Pauline Courage – ich denke, er und sein Theater hätten längst ein Denkmal auf dem Kiez verdient.

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siehe auch
Harry Pauly im United States Holocaust Memorial (html)
Harry Pauly (Pauline Courage), Jahrgang 1914, Strafbatallion. in: Hans-Georg Stümke, Rudi Finkler: Rosa Winkel – Rosa Listen. Hamburg 1981, S. 312 ff.
Eric Oluf Jauch: Freie schwule Theaterszene. in: Hamburg ahoi!, 1. Auflage, Berlin 1981
Strafakte gegen Harry Pauly u.a.: Landesarchiv Berlin: A Rep. 358-02, Nr. 44324
Paulines Geburtstag oder Die Bestie von Notre Dame – Presseheft, 1979
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Berlin

Die Klappe – Berlins Café Achteck für die Ewigkeit

Die Klappe : das ‘Café Achteck’, einst eine typische Berliner Bedürfnisanstalt, heute museal restaurierte Seltenheit.

Eine Klappe – was für Filmschaffende ein Arbeitsgerät ist, ist (oder war?) für schwule Männer Synonym für einen Ort des Cruising und des Sex: die öffentliche Toilette.

Berlin hat in Sachen Klappen eine besondere Tradition zu bieten: das “Café Achteck”, auch ‘Madai-Tempel’ genannt:

Café Achteck, restauriert, Berlin / Naumannstr.
Café Achteck, restauriert, Berlin / Naumannstr.

Das ‘Café Achteck’ mit seinen typischen gusseisernen grünen Wänden geht zurück auf einen Entwurf des Berliner Stadtbaurats Carl Theodor Rospatt. Zu seinem Namen ‘Madai-Tempel’ kam es durch den damaligen Berliner Polizeipräsidenten Guido von Madai (1. Januar 1810 Halle – 24. November 1892 Bad Homburg v.d.H.) der Anfang der 1870er Jahre ihre Aufstellung veranlasste.

Prototyp einer Klappe : Café Achteck, Aufriss/Schnitt und Grundriss, aus Berlin und seine Bauten (1896)
Café Achteck, Aufriss/Schnitt und Grundriss, aus Berlin und seine Bauten (1896)

1920 gab es in Berlin 142 Bedürfnisanstalten des Typs ‘Café Achteck’ – heute sind sie eine Rarität geworden.

Die Bedeutung der Klappe als Ort schwulen Sex’ hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen – wohl nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass viele Klappen geschlossen oder abgerissen und durch so genannte ‘Atom-Klos’ ersetzt wurden.

Noch in den 1980er Jahren setzten sich schwule Männer wie Ovo Maltine für die Erhaltung der Klappen ein – letztlich mit wenig Erfolg. Klappen als Ort schwulen Sex’ – heute für viele schwule Männer ein eher ein Kuriosum, eine Reminiszenz. Immerhin – einige Café Achteck wurden in Berlin erhalten und denkmalgerecht saniert, eines sogar neu aufgestellt, das Cafe Achteck in Berlin am Gendarmenmarkt.

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Österreich

Wien: die ehemalige Opern-Klappe

In der Frage, was man aus Klappen machen kann, jenen einst von so manchem schwulen Mann so gern besuchten Ort, sind Stadtväter ja gelegentlich sehr kreativ.

Da werden Klappen einfach geschlossen, scheinbar renovierungsbedürftig, und nie wieder geöffnet. Oder eine freundlich die Hand aufhaltende Klofrau schreckt die unerwünschte Kundschaft ab – bis sie von geldschluckenden Maschinen an Stahlbarrieren ersetzt wird.

Andernorts mutieren Klappen zu Kiosken, Pizzeria oder Imbiss.

Besonders kreativ zeigt sie Wien. Eine der (einst?) beliebtesten Klappen der Stadt, die Opern-Klappe, kommt nun so daher:

Wien: ehemalige Opern - Klappe
Wien: ehemalige Opern – Klappe

Die frühere ‘Opern-Klappe’  –  nun eine ‘Opera Toilet’ mit kleiner Klavier-Bar im ehemaligen Pissoir und ständiger Strauß-Walzer-Berieselung … wohl bekomm’s …

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Österreich

Wiener Porno-Identität – porn identity

Pornographie und Kunst stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Kunsthalle Wien. Porn identity –  Kunst? Porno? Spektakel?

“Die Sexualität ist die Triebkraft unseres Lebens”, betont Kunsthallen-Direktor Gerald Matt, bekannt für seine publikumswirksamen Ausstellungen. Und zeigt dem Publikum nun unter dem Titel ‘The Porn Identity’ “Expeditionen in die Dunkelzone”.

Porno ist überall, jeder ist Porno, wenn er will.
Von Anzeigen bis Pop-Video, von Erotik-Messe bis Pay-TV und literarischen Feuchtgebieten – Porno ist längst nicht mehr nur die Domäne schmieriger Hinterzimmer und Kaschemmen. Die Gesellschaft wird sexualisiert, pornografiert. Porno ist scheinbar nahezu Mainstream.
Warum dann nicht auch Porno als Kunst?

Deftig, deutlich geht es zu in der Wiener Ausstellung.

Eines der bemerkenswerten Exponate: eine Rekonstruktion eines Polizei-Überwachungsvideo von 1962, das schwulen Klappensex zeigt (‘Mansfield 1962′ von William E. Jones). Strafverfolgung, Homosexuellenverfolgung von einst – inzwischen zur Kunst gewandelt?

Elmgreen Dragset (die auch das Berliner ‘Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen‘ schufen) sind mit einer ‘Queer Bar’ vertreten, die sich auf Foucault und seine “machtverweigernden Architekturentwürfe” (so der Begleittext) bezieht.

Immerhin, Porno ist noch nicht so allgemein akzeptierst, als dass die Ausstellung frei zugänglich wäre. “Zutritt ab 18″ heißt es auch in Wien …

Eine offene, aufgeschlossene Auseinandersetzung der Kunst, des Kunstbetriebs, der Museen mit Porno ist noch selten – Wien hat hier einen bemerkenswerten Aufschlag gemacht.
Allerdings mit einer Ausstellung, die manchmal ein schales Gefühl hinterlässt – geht es um mehr als geschmäcklerisches Spektakel? Wo ist die tiefere Auseinandersetzung mit Porno, z.B. damit welche Auswirkungen Porno und dessen ‘Normalisierung’ auf unser Zusammenleben, unser Sexleben, unser Geschlechteridentitäten hat? Oftmals vermittelt die Ausstellung den Eindruck, zu sehr im Oberflächlichen zu verharren.
Sperma als Kunst-Objekt (Terence Koh), Dildos zu Kubrick  – zum Schluss bleibt oftmals, so auch in Wien, die Frage – ist es Kunst? ist es Porno?

The Porn Identity – Expeditionen in die Dunkelzone
Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien
bis 1. Juni 2009, Halle 2
täglich 10 – 19 Uhr, Do 10 – 22 Uhr

weitere Informationen:
FR 23.02.2009: Hosen runter

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Homosexualitäten Kulturelles

Herbert Tobias (1924 – 1982)

Der Photograph Herbert Tobias starb am 17. August 1982 in Hamburg an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias gilt als einer der bedeutendsten und doch heute nur wenig bekannten deutschen Photographen der Nachkriegszeit.

Herbert Tobias wird am 14. Dezember 1924 in Dessau geboren, arbeitet vorübergehend an den Werkstätten des Bauhauses. Er verbringt Jugendjahre u.a. in Höxter. Nach dem Zweiten Weltkrieg besucht er in Siegburg die Schauspielschule, erhält ein Engagement bei einem kleinen Tournee-Theater.

In Paris arbeitet er als Photograph bei dem bekannten Mode-Photographen Willy Maywald, hat erste Veröffentlichungen. Tobias verlässt 1953 Paris plötzlich, siedelt 1954 nach Berlin um – er ist in einer Pariser Klappe verhaftet, anschließend wegen ‘Erregung öffentlichen Ärgernisses’ verurteilt und nach Deutschland abgeschoben worden.
In Berlin entstehen zahlreiche Mode- und Prominenten-Photos (Knef, Leander, Flickenschildt), u.a. auch vom (damals noch völlig unbekannten) Andreas Baader [vgl. Ulrike Meinhof] (Interview mit Prof. Rolf Sachsse über Herbert Tobias in der taz). Tobias wird Cover-Gestalter für die ‘Deutsche Grammophon’.

Doch mitten im Erfolg verlässt er Berlin wieder, wechselt 1969 nach Hamburg. Engagiert sich politisch. Über die früheren ‘St. Pauli Nachrichten’ lernt Herbert Tobias in den 1970ern u.a. Hans Eppendorfer kennen. Gestaltet zahlreiche Platten-Cover und wird insbesondere durch seine Arbeiten für mehrere ‘Homosexuellen-Magazine’ (wie him applaus, Du & Ich, …) und schwule Pornohefte bekannt.

Herbert Tobias erkrankt im Februar 1982. Am 17. August 1982 stirbt er in Hamburg im Alter von 57 Jahren an den Folgen von Aids.

Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg)
Herbert Tobias Grabstein (Foto: Udo Grimberg; Lizenz cc by-sa 3.0)

Photographer Herbert Tobias, tomb on the main-cemetery in Hamburg-AltonaFoto: Udo Grimberg – CC BY-SA 3.0 de

Die Kosten der Beisetzung des verarmten Tobias auf dem Hauptfriedhof Altona übernimmt die Hamburger Sozialbehörde. Nach 25 Jahren soll das Grab 2007 eingeebnet werden. Einer Initiative um Bernhard Rosenkranz gelingt jedoch 2007 eine Umwandlung in ein Ehrengrab.

Das Archiv von Herbert Tobias befindet sich seit 1986 in der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie.

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Erstmal gab ab Mitte Mai 2008 eine Ausstellung einen Überblick über Schaffen und Werk des Photographen Tobias. Am 15. Mai eröffnete in der Berlinischen Galerie die Retrospektive “Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”. Die Ausstellung bot mit 200 zum Teil noch nie gezeigten Arbeiten einen Überblick über Tobias’ Schaffen.

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Herbert Tobias – Namen und Steine Bonn

Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn
Herbert Tobias Namen und Steine Tom Fecht Bonn

Stein für Herbert Tobias, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle

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“Blicke und Begehren – Der Fotograf Herbert Tobias (1924-1982)”
Berlinische Galerie
16. Mai bis 25. August 2008 (Vernissage 15. Mai, 19:00 Uhr)
danach 2009 Hamburg, Deichtorhallen.

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Kulturelles

Klappen – Frage

Klappen ? An manchen Fragen kann man scheinbar gut beobachten, wie es derzeit um die schwule Emanzipation und wechselseitige Toleranz bestellt ist.

So fragt Queer derzeit “Wie stehst du zum Klappensex?”

Nun ja, da mag ja jeder seine eigene Meinung zu haben. Zumal, die Zahl der Klappen ist ja doch im Vergleich zu ‘früher’ arg reduziert. Trotz bürgermeisterlicher Eröffnungen

Aber was der ‘gewöhnliche Homosexuelle’ so darauf antwortet, erstaunt schon (Stand 06.07.07, 17:30): 14,9% halten Klappen für „eine schwule errungenschaft“, 27,7% für ’schön um Dampf abzulassen‘ – aber 51,2% meinen ‚das bringt Schwule in Verruf‘.

Die 6,2% unter “bestrafen” verbuch’ ich mal pauschal unter ‘Selbsthass’ und anderen Attributen.

Aber wenn über 50% der Ansicht sind, “das” bringe “Schwule in Verruf” (und das scheinbar für wichtig halten), dann ist es wohl Zeit sich Sorgen zu machen …
… oder einfach mal wieder auf ‘ne Klappe zu gehen …

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Berlin

Bürgermeister auf Klappe

Immerhin, früher konnte es noch einen Skandal auslösen, wenn ein Politiker auf einer Klappe angetroffen wurde. Wie 1966 ein Kölner Regierungspräsident …

Später wurden Klappen dann gern zur Überwachung ihrer ‘Benutzer’ genutzt (wie Corny Littmann 1980 in Hamburg vorführte).

Eine gute Quelle für Rosa Listen waren sie ja schon länger …

Und gestern eröffnete ein Bürgermeister schon selbst eine Klappe, wie das Hauptstadtblog (mit Foto) dokumentiert.

Oh, erstaunliches Berlin …

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Kulturelles

Klappenkultur bei Ebay?

Neulich, in einem Café. Auf dem Rückweg von der Toilette stöbere ich in den dort aufgestellten Kulturprospekten und Gratis-Postkarten. (Übrigens, warum diese Kombination von Kultur und Klo besteht, ist mir wirklich unerklärlich…).

Zwischen Werbung für irgendwelche Spektakel, neue kalorien-, fett- und geschmackfreie Softdrinks und männlichkeitsstrotzenden Rauchwaren-Promotions entdecke ich dies:

Klappenkultur ?
Klappenkultur ?

Mein Blick bleibt sofort hängen. Ganz klar, eine Klappe. Wie hübsch, auch noch als Teekännchen, was an den Spitznamen ‘Teehäuschen’ erinnert, den Klappen bei vielen früher hatten. Oder an ‘Kaffeekännchen’, jene gern karikierte Körperhaltung, die einige homosexuelle Herren doch so wenig männlich wirken lassen kann.Allerdings, „Genau, was ich will“, dieser Aufdruck irritiert mich doch. Klar, Klappen fand ich eine Zeit lang eine ganz spannende Angelegenheit. ‘Genau was ich will’ – das wäre eine nicht unzutreffende Beschreibung für viele meiner Bremerhavener Studientage, die ich mehr auf der Klappe am Deich als in den Hörsälen verbrachte.

Aber dass die jetzt so öffentlich dafür werben? Und überhaupt, wer wirbt denn da für Klappen?
Irgend etwas kann da doch nicht stimmen.

Ich nehme eine der hübschen Karten aus dem Ständer, drehe sie um – und muss schallend lachen. „Drei zwei eins – meins!“ lese ich.
Ich bin auf eine Ebay-Werbung hereingefallen…

Den kleinen Hinweis ‘Souvenirs’ auf dem Haus habe ich übersehen, fühle mich ertappt. Typisch schwul, alles siehst du gleich durch die Sex-Brille. Und doch, ich muss noch lachen als ich an unseren Tisch zurück gehe, meinem Begleiter die Karte zeige.
Klappen – genau was ich will! Drei zwei eins – Meine! Also los meine Herren…

Und für die heterosexuellen Leser von Onda Maris, die mit dem Begriff Klappe vielleicht nichts anfangen können, nicht mehr assoziieren als ein loses Mundwerk: ‘Klappen’ werden jene öffentliche Bedürfnisanstalten genannt, die von manchen Schwulen gerne zur Kontaktaufnahme (und mehr) genutzt werden. Beziehungsweise genutzt wurden, denn die meisten öffentlichen Bedürfnisanstalten sind (offiziell natürlich aus Kostengründen) längst geschlossen oder durch Atom-Klos ersetzt worden, die schwule Klappenkultur ist langsam am Aussterben.